Donnerstag, 31. Dezember 2015

"Filterblase" - der Hirnfurz des I-net


Jestern zufällig in eine Doku über die sogenannte Filterblase reinjezappt. Permapubertierende Dreißigjährige teilen sich gegenseitig mit, wie schrecklich sie das fänden, dass Google, Facebook, Youtube und Co unser individuelles Such- und Surfverhalten protokollierten und uns dann bevorzugt Ergebnisse zeigten, die unseren bisherigen Vorlieben entsprächen. So würde man ja nie auf neue, eventuell kritische Gedanken kommen.

Ja, Leute, geht's denn noch!? Seid Ihr denn jetzt schon so hirnverfettet, dass Ihr ernsthaft erwartet, US-amerikanische Mega-Konzerne müssten Euch auch noch das kritische Denken als Quasi-Dienstleistung abnehmen, und zwar, wie gewohnt, scheinbar für lau? "Also, ich bin eigentlich schon so voll kritisch, so umweltmäßig und bei Flüchtlingskindern und so. Aber woher weiß ich denn, wo ich gegen sein soll, wenn mir das auf Facebook keiner sagt!?" "Nee, selber denken, da hab' ich kein' Bock drauf, aber bestimmt gipps dazu 'n geiles Youtube-Video, falls ich mich da mal am Interessieren anfang'."

Zugegeben, Kant hat nicht deutlich genug gesagt, dass der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen, voraussetzt, dass man welchen hat. War einfach zu höflich, der Mann.



(via wiki commons)
Ich bin jedenfalls heilfroh, dass Youtube inzwischen weiß, dass ich, wenn ich "Herz" eintippe, ein unterrichtsverwendbares Video zur Funktionsmorphologie suche, und nicht die abgebildeten Geschmacksmonstrositäten aus Nordhessen. Und falls - wie gerade jetzt - der ansonsten äußerst unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ich ein Bild der "Wildecker Herzbuben" benötige, dann weiß ich, wo ich das einfach nur eintippen muss. Det nenn' ick Medienkompetenz.



Allen LeserInnen meiner Blogs wünsche ich von ganzem Herzen Gesundheit und Glück für 2016!





Mittwoch, 30. Dezember 2015

Atemberaubend dreist



Wie bitte? Lese ich richtig? Ausgerechnet die USA werfen den Russen vor, jene würden bei ihren Luftangriffen in Syrien auch Zivilisten töten? Wie kackfrech, wie dreist, wie arrogant und super-dämlich ist das denn!?

Jetzt nicht aufregen! Ruhig bleiben! Dafür braucht man eine brilliante, witzige Metapher ... Ein guter Karikaturist müsste ein Glashaus zeichnen, bei dem ausnahmslos alle Scheiben von Innen eingeworfen sind ... darin ein amerikanischer Militär ... auf einem hohen Berg aus zivilen Kriegsopfern ... in Vietnam beginnend ... vielleicht auch schon bei den Indianerkriegen ... über der Szenerie kreisen Drohnen ... weinende irakische Kinder drumrum ...

Es wäre lustig, beträfe der dreckige Zynismus nicht massenhaft sinnlos getötete Menschen. Und würde es nicht allzu deutlich machen, dass die Amis jede Fähigkeit zur Selbstreflexion und -kritik verloren haben. Und dass sie uns, den Rest der Welt, auch für total bescheuert halten.



 (verändert via wiki commons)
Eine hirnlose Tötungsmaschine hat wenigstens keine Scheiße im Kopp.





Montag, 28. Dezember 2015

Knobelspiel


Finden Sie die Denkfehler in folgenden Aussagen:

  • ÄrztInnen verdienen Geld damit, mich zu heilen, wenn ich krank bin.
  • Druckerhersteller verdienen Geld damit, Drucker und Zubehör zu verkaufen.
  • Feuerwehrleute verdienen Geld damit, Brände zu löschen.
  • ...

Naaa? Beim letzten Satz hat's gefunkt, nicht wahr? Feuerwehrleute, auch die der Berufsfeuerwehren, verdienen ihr Geld nämlich NICHT damit, möglichst viele Brände zu löschen. Wäre das Einkommen der Feuerwehrleute nämlich von der Anzahl der Brände abhängig, könnte es passieren, dass sie in Jahren ohne Brandkatastrophen pleite gehen, den Laden dicht machen und dass beim nächsten Brand niemand mehr da ist, der was von professioneller Brandbekämpfung versteht. Zynischerer Gedanke: Wenn mein Gehalt von der Anzahl der Brände in meiner Region abhinge ... und dieser ohnehin ungenutzte, alte, einsame Schuppen ... auf dem einsamen Feld ... in einer mondlosen Nacht ... und ich brauchte das Geld ... um meinem armen, alten Mütterlein  ... wenigstens zu Weihnachten  ... ein frugales Süpplein ...

Kurz: Es ist logisch, gut und richtig, dass zwar die Brandbekämpfung Aufgabe der Feuerwehrleute ist [*1], dass sie aber gleichwohl nicht dafür bezahlt werden. Feuerwehrleute werden, die ganze Zeit, ob's brennt oder nicht, dafür bezahlt, dass sie DA sind. Machen wir uns das bewusst: Wir zahlen permanent, jede Sekunde, dafür! Und niemand beklagt sich, weil alles Andere auch ziemlich bekloppt wäre.

Da das so einsichtig ist, verstehe ich nicht, warum das im Gesundheitswesen nicht funktioniert. Wer kam eigentlich auf die bekloppte Idee, ÄrztInnen nur noch für das Gesundmachen von "Fallzahlen" zu bezahlen? Und wer verleidet's den ÄrztInnen, dass auch sie ihren Mütterleins zum Christfest mal was Schönes gönnen wollen? Warum können wir nicht Krankheitsbekämpfung nach dem selben Prinzip finanzieren, wie die Brandbekämpfung? [*2] Nur, weil die Pharmakonzerne so eine Mörderlobby haben und Feuerwehrausstatter nicht? [*3]

Und warum sollte das Prinzip nur bei Hochwert-Aufgaben wie Brand- und Krankheitsbekämpfung funktionieren, warum nicht auch ganz prosaisch bei PC-Druckern? Es ist schlicht ein hirnrissiger Ansatz, Konzerne dafür zu bezahlen, dass sie möglichst viele Drucker und Toner verkaufen, und es ist nur logisch - denken wir an das arme Mütterlein - wenn die IngenieurInnen angesichts einer derartigen Aufgabenstellung immer mehr Murks einbauen, damit ich am Tage ([Ablauf der Garantie] + 1) auch tatsächlich genötigt bin, nachzukaufen.

Es ist einfach eine falsche Anreizsituation. Seit über 30 Jahren mache ich mit Computern rum, und seitdem leide ich mehr oder weniger unverändert an %§$#~^$@-Druckerproblemen. (Erzählt mir doch nix von technischem Fortschritt!) Ich will gar nicht alle drei Jahre neue Drucker kaufen müssen! Ich werde, zu meinem ewigwährenden Unmut, allerdings dazu gezwungen. Viel lieber wäre ich dazu  bereit, dauerhaft eine geringe Summe X zu zahlen, wenn dafür jemand dafür sorgte, dass ich jederzeit problemlos drucken kann. Auch am Wochenende, auch nachts. Druckertyp ist mir latte, solange es Laser s/w ist. Und wenn ich Jahr um Jahr druckte und zahlte, und niemand müsste sich kümmern, nun, dann wäre mir das recht, und dem Dienstleister müsste es doch auch recht sein, oder?

Welche Auswirkungen hätte das auf die Hersteller? Wir hätten plötzlich einen Bedarf an super-robusten Druckern, so pflegeaufwändig und komplex wie eine Keule. Ich nenne das "russische Technik" und meine das als höchstmögliches Kompliment. Es wäre das genaue Gegenteil des gegenwärtigen Zustandes.

Man könnte es auch "nachhaltig" nennen.


Tl,dr: Wir leben in einer Welt fehlgeleiteter Anreizsysteme. Das erzeugt gravierende Probleme. Eine disziplinierte, rationale Bedarfsanalyse ist notwendig.


(Sylvain Pedneault via wiki commons)
Wäre die Feuerwehr privatisiert und eine Aktiengesellschaft, würde dieses Bild die Herzen erfreuen, denn hier wird gerade richtig Umsatz gemacht. Da dem aber nicht so ist, brennt hier nur ein schönes Gebäude ab, und engagierte Profis halten für viel zu wenig Geld ihren Arsch hin. Nicht lustig.





[*1] Jaja, ich weiß, dass das eine völlig naive, populistische, dümmliche Verkürzung des tatsächlich sehr viel umfangreicheren Aufgabengebietes der Feuerwehr ist. Das ändert aber nichts am Prinzip.

[*2] Es soll einen chinesischen (?) Herrscher gegeben haben, der das noch konsequenter durchgezogen hat: Seine Ärzte wurden nur solange bezahlt, wie er gesund war. Auch ein interessantes Konzept. Leider fehlt mir da jede Quellenangabe.

[*3] Hier tun sich gedankliche Abgründe auf. Man stelle sich umgekehrt vor, das Feuerwehrwesen funktionierte wie unser Gesundheitswesen: "Ich bin privatversichert. Ich wünsche, dass mein Haus zuerst gelöscht wird. Und zwar - nach ausführlicher persönlicher Beratung - nur vom Oberbrandmeister persönlich. Mit dem möbelverträglichen Pflege-Lösch-Schaum, der Kassen-Brandopfern nicht zusteht ... Ich weiß, dass das mehr kostet, aber das bin ich mir wert. Gerade wenn's brennt, sollte man auf die kleinen Annehmlichkeiten achten."

 










Freitag, 25. Dezember 2015

Oh Sch...! Wir müssen den Hitler lesen.


Was ist der Todesstoß für jedes künstlerische Werk? Wenn es in der Schule drankommt. Wie haben wir es gehasst, wenn ein/e MusiklehrerIn uns einen "Gefallen" tun wollte und Songs, die wir Kiddos gerade aktuell und geil fanden zum Unterrichtsgegenstand erhob und analysierte und erklärte. [*1] Das Teil, insbesondere, wenn es Kult war und als solcher rationaler Kritik eigentlich entzogen, war auf der Stelle mausetot. [*2]. Satisfaction gehörte uns, nicht dem Scheiß-Establishment.

Andersrum: Was macht ein berufsmäßiger Vollidiot wie Bushido, wenn seine Agentur seinen Markennamen mal wieder aufpolieren will? Ein Album mit einem Song, der garantiert auf den Index gehört. Dann wird das Album verboten, anschließend wird der Song gelöscht, und der Rest geht mit den Verkaufszahlen durch die Decke. Oder B. haut noch ein paar hirntote rassistische, frauen- und schwulenfeindliche Pseudo-Gangsta-Interviews raus, für die er sich zu einer Strafe verknacken lässt, die aus der Portokasse zu zahlen ist, ihm aber die kurzfristige Bewunderung vieler Schwerstmehrfachpubertierender einbringt.

Wir fassen zusammen, was wir gelernt haben: Schulische Analyse ästhetischer Werke zerstört deren Kultstatus und jegliche spontane, unreflektierte Faszination [*3], Verbote hingegen machen eine Sache erst richtig interessant.

Damit zu Hitler und zu "Mein Kampf" in der Schule. Das Werk  ist, streng textimmanent betrachtet, ein verquarstes, spießiges, langatmiges, peinlich egomanisches Machwerk [*4]. Weiter hin enthält es Gedanken, die in den 1930er und -40er Jahren zu Leid und Tod ungezählter Millionen Menschen geführt haben. Heute wird es entweder dämonisiert oder als Quasi-Reliquie verehrt, in beiden Fällen von Leuten, die es gar nicht gelesen (> 99 %) oder nicht richtig verstanden haben.

Machen wir's kurz, denn alle Argumente liegen auf dem Tisch: Wollen wir "Mein Kampf" dem freien Marketing à la Bushido ausliefern, es also durch Repression extra-attraktiv machen, soll es als offenes Mysterium auf ewig unangefochten der Domäne der Braunbratzen zugehören - oder wollen wir, die aufrechten, aufgeklärten Verfassungspatrioten, den gesammelten GröFaZ-Ausfluss durch sachliche Analyse entzaubern und auf die mikroskopische Größe zurechtstutzen, die ihm tatsächlich zukommt? Rhetorische Frage, oder? "Mein Kampf" gehört eben nicht den Nazis, wie Satisfaction uns gehörte.

Ich empfehle ergo die schulische Bearbeitung als Volltext, vielleicht arbeitsteilig, kapitelweise: Lesen, unbekannte Begriffe klären - und dann sollen die SchülerInnen doch mal bitte den Inhalt mit eigenen Worten wiedergeben. Jede Wette: Sie werden alle ausnahmslos und ein für  alle Mal gegen Nazismus immunisiert sein. Und sie werden den aktuellen Nazis mit Hohn und Spott und (bitte nicht allzuviel) Mitleid begegnen.


(by Silvia Klippert via wiki commons)



[*1] Übersetzen Sie einfach mal die Texte der Lieder Ihrer Jugend, und Sie werden wissen, was ich meine:

"Ich kann keine erlangen, nein, oh, nein, nein, nein.
A hey, hey, hey, das ist was ich sage.

Ich kann keine Befriedigung erlangen.
Ich kann keine Befriedigung erlangen.
Denn ich versuche und ich versuche und ich versuche und ich versuche.
Ich kann keine, nein, ich kann keine."



[*2] Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hat sich aus genau diesem Grunde vor ein paar Jahren presseöffentlich aber vergeblich gegen eine schulische Verwurstung des "Turms" gewehrt. Zur Strafe wurde sein Roman dann sogar Thema im Zentralabitur in Niedersachsen. Kultusbehörden können sehr gemein und nachtragend sein, wenn man die Stimme gegen sie erhebt. Ich nehme ab sofort Bestechungsgelder in jeder Höhe entgegen und verspreche im Gegenzug den Verlagen, bestimmte Texte NICHT im Unterricht zu verbraten.

[*3] Keine Angst: Bei GUTEN Werken stellen die Kiddos aufgrund der Analyse hinterher fest, dass da noch viel Beeindruckenderes hintersteckt, als sie spontan erfasst haben. Bei miesen Machwerken tritt natürlicherweise eine bleibende Ernüchterung ein. Beides ist beabsichtigt.

[*4] Ja, ich hab's gelesen. Bis mir kotzeelend wurde. Etwa auf Seite 3. Den Rest habe ich auf einem Level von Oberflächlichkeit durchgeblättert, der mir die Lektüre erträglich machte. Etwa so, wie man Gruseliges durch die leicht gespreizten Finger vor Augen anschaut.






Mittwoch, 23. Dezember 2015

Jahresabschlussreflexion: Warum ich so wüte


Als Kind war da das Staunen über die Welt.
Später der Glaube an das, was man mir sagte.
Dann fragte ich nach.
Dann fragte ich hinter.

Dann empörte ich mich.

Die Wut, dass man mich so lange belogen hatte,
dass ich mich so lange habe belügen lassen,
und selbst belogen habe.

Nach einer Weile hirnlosen Dreindreschens
bin ich nun sehr gespannt, was da sein wird,
wenn das Spiegellabyrinth restlos zerschlagen ist.





 (via wikipedia)





Montag, 21. Dezember 2015

Wen interessiert's?


"Die Anleger" seien "enttäuscht", titelt ein öffentlich-rechtliches doitsches Nachrichten-Portal über den Ausgang der Parlaments-Wahl in Spanien, und ich frage mich, an wievielter Stelle in der nach unten offenen Relevanz-Skala bei klugscheißerischer Bewertungen vorbildlicher demokratischer Prozesse "die Anleger" rangieren. 117? Oder 12.385? Oder ist es mir nicht eher sogar vollständig scheißegal, was "Anleger", denen es prinzipiell nur darum geht, ihr Geld zunehmend beschleunigt sinn- und ethikfrei ad ultimo zu vermehren, denken oder meinen oder prophezeien?

Ja ... doch ... je länger ich drüber nachdenke, um so sicherer bin ich mir, dass es mich nicht die Bohne interessiert, was "Anleger" von demokratischen Wahlen halten. "Anleger" agieren nämlich nicht intellektuell oder ethisch, sondern nach immer gleichen, primitivsten, egozentrischen Reflexen. Wie eine Grünalge, die keine Wahl hat, NICHT zum Licht zu schwimmen. Ich frage doch keine Grünalge, wie sie über Hell und Dunkel "denkt". Warum sollte ich also "Anleger" fragen, was sie über Politik "denken"?



 (via wiki commons)
Ich möchte den Grünalgen nicht zu nahe treten, es sind sehr faszinierende Wesen. Aber schrecklich ermüdend und monoton, mit ihnen Diskurse zu führen ...



Mittwoch, 16. Dezember 2015

Schöne Worte, panzerbrechend


Neulich eine Formulierung von Odo Marquardt gelesen. Der ethische Imperativ des gegenseitigen Zugeständnisses

"angstfreien Andersseindürfens"

Was für eine knappe, kristallreine Botschaft! Trennscharf, unbeliebig, unhintergehbar und ganz einfach anzuwenden. Ein wirksames, machtvolles Wort.

Es ist damit völlig egal, ob Neonazis sich feige als "besorgte Bürger" oder als "nationalkonservativ" tarnen, es spielt keine Rolle, ob die spießer-keifende Nachbarin es doch "immer nur gut gemeint", der Stasi-Oberverbrecher "Euch doch alle" geliebt, der Rapper Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass ja eigentlich doch nur aus kommerziell-ästhetischen Gründen auf die Bühne gebracht hat, der Ober-Imam-Padre-Guru auf die Heiligkeit seines, und nur seines, Glaubens pocht. Erheben die Arschlöcher der Welt letztlich nicht alle die Forderung, alle Menschen sollten in dem einen oder anderen Punkte gefälligst nach einem vorgegebenen Schema ticken, sonst ... ?!

Sie alle, die Großen, die Kleinen, die Mächtigen und die Mitläufer, die Deutschen, die Israelis, die Palästinenser, Amerikaner, Russen, Syrer, Chinesen und Tuvaluvaianer, müssen sich fragen lassen: "Wie haltet Ihr es mit dem angstfreien Andersseindürfen"? Darf man bei Euch schwul sein?  Eine andere Hautfarbe haben, einen anderen Glauben, eine andere Meinung? Unverhüllten Kopfes gehen? Baren Fußes? Unkrawattiert und unbeanzugt? Oder muss man dann in Eurer Nähe Angst haben, offene oder versteckte oder hinterhältige Attacken fürchten?

Ich bin vollkommen begeistert: Individuelle und staatliche Ethik ist mit diesem Schlagwort wieder ein ganzes Stück prüfbarer, klarer, einfacher, alltagstauglicher und effektiver geworden. Folgender eindeutiger Satz wird damit möglich:

Ab sofort möchte ich nur noch mit Menschen zusammen sein, die sich aus tiefstem Herzen gegenseitig zugestehen, angstfrei anders sein zu dürfen.



 (via wiki commons)
Worte mit Durchschlagskraft. Ich mag das!


Sonntag, 13. Dezember 2015

Mutiges Eingeständnis


"Boah, die trauen sich aber was!", dachte ich, als ich heute die Titelzeile einer ganzseitige Annonce eines Klamottenladens las:

"X-mas-sale"

Heißt übersetzt: Der Ausverkauf von Weihnachten. Heißt: Wir schlachten die Sache jetzt noch einmal kommerziell so richtig aus, verramschen den restlichen Konsumdreck mithilfe aggressivst-möglichen Marketings, und dann ab dafür. Weihnachten auf den Müllhaufen der Geschichte.

Zugegeben, den Gedanken hatte ich auch schon, Weihnachten, die Botschaft Christi undsoweiter, ist inhaltlich am Ende, schon seit Jahren. Die europäische Flüchtlingsdebatte ist nur ein Beispiel. Aber dass das endgültige Aus der Weihnachtsbotschaft jetzt auch ganz offen und konsequent umgesetzt wird, finde ich sehr respektabel.



(via wiki commons)
Allgemeiner Produktlebenszyklus.

Das "Ergebnis" der weihnachtlichen Botschaft, unsere Fähigkeit zu Mitgefühl und Barmherzigkeit, ist längst unterm Strich, also "end it".






 (via wiki commons)
Das Scheitern des Konzeptes haben die "heiligen drei Könige" zu verantworten. Sie haben Christi Geburt von Anfang an mit Kommerz verknüpft. Warum mussten die Knallköppe so einen teuren Scheiß wie Weihrauch, Myrrhe und Gold anschleppen? Nur, weil sie's sich leisten konnten? Wollten sie ihre Nachbarn neidisch machen? Oder wollten sie den künftigen Rex admirabilis schon mal rechtzeitig durch aufwändige "Landschaftspflege" schmieren? Wenn ich mir die damalige Lage von Jesus, Maria und Josef vergegenwärtige, dann wären Essen, Trinken und ein bestätigter Asylantrag die bessere, pragmatischere Wahl gewesen. Weihrauch und Myrrhe hat Josef wahrscheinlich am nächsten Morgen vertickt und gegen sinnvollere Dinge eingetauscht, aber Fragen bleiben, oder? [*1]

Vielleicht wäre es das Beste gewesen, die "Könige" hätten gar nix mitgebracht, sondern dem Erlöser einfach nur gesagt "Mann, wurde auch Zeit, dass du kommst. Hier geht alles den Bach runter. Die Leute benehmen sich wie die Sau, kein Mitgefühl, keine Solidarität, nur hirntote Konsum- und Machtgeilheit. Tu was!!!"

___________________

[*1] Zum Beispiel: Wenn drei Könige von der christlichen Botschaft so überzeugt waren, warum haben sie das Christentum nicht von Anfang an stärker politisch und wirtschaftlich unterstützt? Warum musste dann da unten erst ein über 30-jähriger, brutaler Guerilla-Krieg um Gottes Willen geführt werden? Verglichen mit dem, was möglich und angesichts der Tragweite der Idee angemessen wäre, sind das bisschen Weihrauch, Gold und Myrrhe eigentlich Peanuts. Erinnert tatsächlich an heutige Korruption: Porsche hat die FIFA ja auch mit nur 6,7 Millionnen geschmiert und ihr nicht das ganze Unternehmen geschenkt. Thyssen, Krupp, Flick, Siemens, VW finanzieren Wahlkämpfe der ihnen genehmen Parteien, aber verglichen mit Umsätzen und Gewinnen der Konzerne sind das Sachen für die Portokasse.




Samstag, 12. Dezember 2015

Bezahl-Patriotismus



Jestern im Provinzialblatt jelesen, deutsche Reeder schlagen Alarm: Deutsche Handelsflotte schrumpft weiter, immer mehr Schiffe werden an ausländische Firmen verscheuert, die sie trotz großer internationaler Konkurrenz im Wachstumsmarkt Handelsschifffahrt erfolgreich weiter betreiben. Es sei, so der deutsche Reederverband, "im nationalen Interesse", den maritimen Standort Deutschland zu halten ... blablabla ... staatliche Unterstützung.

Ich verstehe das mal wieder nicht:

Wenn deutsche Reeder deutsche Schiffe im globalen Rahmen nicht konkurrenzfähig betreiben können, andere Reeder aber durchaus, warum sollte man die deutschen dann weiter staatlich unterstützen? Wahrscheinlich, weil die deutschen Reeder argumentieren, es sei total unfair, mit den Billiglöhnen anderer Nationen konkurrieren zu müssen.

Verstehe ich wieder nicht:

Heißt das, wir sollen den Phillipinos (oder wem auch immer), die weltwirtschaftlich einstweilen nicht viel anderes zu bieten haben, als ihre gutausgebildeten Billiglöhner, diese mickrige und ohnehin erbarmungswürdige Erwerbsquelle auch noch dichtmachen? Von was, bitteschön, sollen die dann jemals deutsche Investitionsgüter, wie z.B. Maschinen bezahlen?  Oder ist es vielleicht sogar gewünscht, wenn diese armen aber aufstiegswilligen Länder dafür unbezahlbare Kredite aufnehmen müssen? Vorzugsweise bei deutschen Banken? Die daran risikolos richtig schwer verdienen? Und diese Länder wirtschaftlich und politisch in dauerhafter, unerträglicher und unabwendbarer Abhängigkeit halten?

Von wegen "maritimer Standort Deutschland". Drauf geschissen! Lasst den anderen doch auch mal Luft zum Atmen. Lasst uns - global - doch mal zu einem wirklichen Fairtrade kommen. Es gibt Länder, die Schiffahrt billiger und besser können als wir? Prima, geben wir ihnen Aufträge! Dafür können wir Maschinenbau besser. Verkaufen wir ihnen die besten Maschinen der Welt! Das wäre eine kristallklare Win-win-Situation und entspräche vollkommen der erz-kapitalistisch-neoliberalen Forderung nach dem "freien Spiel der Marktkräfte".

Aber, seltsam, diesen Ruf hörte man aus der Reederei-Branche nur, als bis vor ein paar Jahren  Investitionen in Schiffe ein erstklassiges Abschreibungs- (sprich: Steuerhinterziehungs-) Modell für ein paar super-reiche Global Players waren. Plötzlich wird aber wieder in schönster Sozialisten-Manier nach staatlicher Hilfe, nach Lenkung und Patriotismus gerufen.

Eure Verlogenheit kotzt mich an.



(via wiki commons) 
"Vorrrwähtz und nich' vagäss-sen ... die So-ho-lidah-riteeet ...!" 

Die schlimmst-denkbare Perversion von Solidarität ist, wenn man nur aus macht- und geldgeilem Kalkül nach ihr ruft.





Montag, 7. Dezember 2015

Haltung bewahren. Irgendwie.


Entnehme der Tagespresse, dass der Absatz von SUV durch die Decke geht, jenen automobilen Sport-Gelände-Missgeburten, die der beste Beweis dafür sind, dass man den Leuten auch den teuersten, widersprüchlichsten, umweltschädlichsten Schwachsinn verkaufen kann, solange man sie überzeugt, es würde ihre Nachbarn neidisch machen.

Wie soll man auf so eine Information reagieren? Die Menschheit, jedenfalls den größten Teil, noch mehr verachten? Sich noch weiter resigniert zurückziehen? (Wie weit denn noch?) Sich noch schmerzhafter fremdschämen für die eigene, ach, so wissende und, ach, so dumme Species?

Oder gibt es eine dalai-lama-mäßige Geisteshaltung dazu? Ist mir nicht bekannt. Ich seufze tief-innerlich und begebe mich, wieder einmal, auf die Suche.







PS: Inzwischen haben mich ein paar Rückmeldungen zu diesem Artikel erreicht, und ich konzediere: Ja, es gibt ein paar wenige Bedarfslagen, in denen SUVs eine technisch angemessene Wahl sein dürften: Land- und Forstwirtschaft, Caravaning etc. Ändert aber nix an der prinzipiellen Einschätzung, dass die hochglanzgewienerten Großstadt-und-Autobahn-SUVs den Großteil ausmachen und hanebüchenen Schwachsinn darstellen. 10.12.2015


Sonntag, 6. Dezember 2015

Finger weg!


Eine Umfrage der Hochschule Emden-Leer hat ergeben, dass
  • 23 % der Schülerinnen und Schüler Plattdeutsch "cool" finden. 
  • 17 % Plattdeutsch sprechen können
  • 42 % ein paar Wörter verstehen und
  • 13 % gar kein Platt verstehen.

Eigentlich sind die Werte eindeutig: 77 % der Befragten finden Plattdeutsch nicht "cool", 83 % können kein Platt sprechen, 55 % verstehen es gar nicht oder nur bruchstückhaft.

Jetzt kommt das Erstaunliche: Die Betreiber der Studie, allen voran der Präsident der "Ostfriesischen Landschaft" werten das als ein tolles Ergebnis FÜR das Plattdeutsche, man habe eine gute Grundlage, fühle sich ermutigt. Nun müssten die Schulen ... STOP!

Drei Punkte dazu:
  1. Ich freue mich, dass die beteiligten Studierenden (die erfahrungsgemäß das aufwändige Gros der Arbeit erledigt haben) anschaulich erfahren, wie schamlos und brutal Umfrageergebnisse pervertiert (sinnverdreht) werden, um der bereits vorher festgelegten Ergebniserwartung des Auftraggebers gerecht zu werden.
  2. Ich fühle mich persönlich intellektuell beleidigt, da die Auftraggeber offenbar annehmen, sie könnten mich mit so billig schöngeredeten Zahlenspielchen betrügen.
  3. Lasst gefälligst Eure inkompetenten Schmierfinger vom Curriculum, Ihr egomanischen Lobbyisten! Plattdeutsch ist Privatkram. In der Schule haben wir reichlich wichtigere Dinge zu tun. Vernünftiges Hochdeutsch zu vermitteln, ist eines davon.  



 (via wiki commons)

Tipp: Den gemütlichen Deppen gebe man erst dann, wenn absolut klar ist, dass man keiner ist. 




Mittwoch, 2. Dezember 2015

Schöne alte Wörter II



"dankverdienerische Geschäftigkeit" (Lichtenberg, Streitschriften, 1781)

Man kann im Leben entweder ziellos und faul umhertreiben oder man kann sich Ziele stecken und diese konsequent und energisch verfolgen. Der geplante deutsche Militäreinsatz in Syrien demonstriert den dritten Weg: Konsequent und energisch ziellos umhertreiben.

Und warum das alles? Klar, aus Solidarität mit Frankreich. An sich kein schlechtes Motiv. Nur, dass die SoldatInnen, die dafür den Kopf hinhalten müssen, gerne wüssten, welche Umstände eintreten müssten, damit man irgendwann sagen könnte "Da Ihr nun dies und das erreicht habt, war Euer Einsatz erfolgreich. Vielen Dank!"

Naja, daran hapert's gerade noch, und da kommt Lichtenberg mit seinem Begriff "dankverdienerische Geschäftigkeit" ins Spiel. Bei Tätigkeiten dieser Kategorie kommt es nicht auf Vernunft und Effektivität an, sondern auf Aktivität an sich, und zwar, nota bene, auf marktschreierisch darstellbare Aktivität, für die man öffentlich gelobt werden will, auf "dankverdienerische Geschäftigkeit" eben. 

Nehmen wir ein naheliegenderes Beispiel, das theoretische Beispiel eines Betriebes mit ca. 160 MitarbeiterInnen, zwei, drei Kaffee-Ecken und ohne geregeltem "Küchendienst". Wo es Kaffee-Ecken gibt, gibt es das komplexe Problem benutzter Kaffeetassen mit den Folgeproblemen Geschirrspüler befüllen, einschalten, ausräumen etc. etc.  Für die / den MitarbeiterIn ergeben sich drei Handlungsoptionen:

Option I.) Ich warte, bis ein nützlicher Idiot sich findet, der sich drum kümmert.

Option II.) Ich mach' das mal eben.

Option III. = Lichtenberg-Variante) "SOOO, DANN WERDE ICH MAL EBEN DIE KAFFEETASSEN WEGRÄUMEN; SONST MACHT'S JA KEINER, HACH, WAS IST DAS FÜR EINE RIESENSAUEREI, HACH, ICH HÄTTE JA EIGENTLICH AUCH SO VIEL ANDERES ZU TUN, ABER ES MUSS JA GEMACHT WERDEN ... etc. etc."

Wahre Anekdote am Rande: Als ich frisch zu dieser Institution kam, erklärte mir eine Kollegin, man müsse die Kaffeetassen schon dergestalt einsortieren, dass die anderen KollegInnen die Tätigkeit sehen könnten, sonst wüsste ja niemand, ob ich mich daran beteiligte. Und sie meinte das völlig unironisch.

Ich plädiere dafür, den Begriff "dankverdienerische Geschäftigkeit" nicht nur in den allgemeinen deutschen Wortschatz zu re-integrieren, sondern darüberhinaus als betriebswirtschaftlichen und politischen Topos neu zu installieren.

(verändert - via wiki commons)








Dienstag, 1. Dezember 2015

Schöne alte Wörter I


"korruptibel" (Lichtenberg, Streitschriften, 1781)

Korrupt ist im juristischen Sinne jemand, der seine / ihre Vertrauensstellung in einer Institution missbraucht, um sich oder Dritten Vorteile zu verschaffen, auf die kein rechtmäßiger Anspruch besteht. "Korrupt" bedeutet aber auch schwerst abwertend, dass jemand oder etwas moralisch verdorben ist.

Problematisch bei dem Begriff ist, dass die damit Bezeichneten natürlicherweise alles tun, um zu verhindern, mit dem Begriff bezeichnet zu werden. Dabei helfen ihnen stets ihre inselbegabungsmäßige Dreistigkeit, Verlogenheit, kriminelle Energie sowie im Regelfall höchstprofessioneller juristischer Beistand.

Die Folge davon ist, dass wir uns längst in einem erschreckendem Ausmaß daran gewöhnt haben, dass alle unsere wesentlichen Institutionen zwar durch und durch korrupt sind, damit aber stets einen Hauch, ein Nichtigstel, einen Atomradius unterhalb der justitiablen Nachweisbarkeit bleiben.

Aktuell-konkretes Beispiel: Die nun doch gegen alle Widerstände der Plittikörr (warum wohl?) veröffentlichte  Lobbyisten-Liste des Bundestages. Wie sehr muss man als MdB sein Wahlvolk verachten, wenn man  ihm, ohne vor Scham zu explodieren, erzählt, es handele sich bei den Firmenvertretern mit Hausausweis um lauter selbstlose Berater? Das Spiel ist umso niederträchtiger, als dahinter doch der offene, aber unausgesprochene Gedanke steht: "Wir, die MdB, wissen, dass Ihr, das doofe Wahlvolk, wisst, dass wir hier gerade hemmungslos und illegal den Arsch vergoldet bekommen, aber wir wissen auch, dass Ihr wisst, dass Ihr rein gar nichts dagegen tun könnt, Ihr hilflosen, dummen Loser!" Ich glaube, ich möchte lieber von einem klassischen Tyrannen unterdrückt, als von institutionalisierten, pseudo-demokratischen Parlaments-Mafiosis verachtet und betrogen werden. Ersteres ist fies. Zweiteres ist fies und demütigend.

Und die Liste derartiger Institutionen ist so elend lang ...

Ja, und deshalb brauchen wir das Wort "korruptibel"!

Es sagt den Leuten im Bundestag, in FIFA und  DOSB, den Entscheidern zum Stedesdorfer Windpark und vielen Anderen mehr: "Wir wissen, dass Ihr Eure Position gerade für niedrige, egoistische Zwecke missbraucht. Wir wissen auch, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, Euch das justitiabel nachzuweisen oder sonstwie daran zu hindern. Aber wir sind wach. Wir beobachten Euch. Und bei der kleinsten Unachtsamkeit werden wir Euch nach Strich und Faden dafür verknacken. Seid beunruhigt!"

Schönes Wort, "korruptibel". Sehr aufgeklärt. Sehr demokratisch. Sehr Artikel 20,2 GG.









Johann Gottfried Herder: Das größte Übel des Staats, die Ratte in der Bildsäule

Hoan-Kong frage einst seinen Minister, den Koang-Tschong, wofür man sich wohl in einem Staat am meisten fürchten müsse. Koang-Tschong antwortete: »Prinz, nach meiner Einsicht hat man nichts mehr zu fürchten, als was man nennet: die Ratte in der Bildsäule.«
Hoan-Kong verstand diese Vergleichung nicht; Koang-Tschong erklärte sie ihm also:
»Ihr wisset, Prinz, daß man an vielen Orten dem Geiste des Orts Bildsäulen aufzurichten pflegt; diese hölzernen Statuen sind inwendig hohl und von außen bemalet. Eine Ratte hatte sich in eine hineingearbeitet; und man wußte nicht, wie man sie verjagen sollte. Feuer dabei zu gebrauchen getraute man sich nicht, aus Furcht, daß solches das Holz der Statue angreife; die Bildsäule ins Wasser zu setzen, getraute man sich nicht, aus Furcht, man möchte die Farben an ihr auslöschen. Und so bedeckte und beschützte die Ehrerbietung, die man vor der Bildsäule hatte, die - Ratte.«
»Und wer sind diese Ratten im Staat?« fragte Hoan-Kong.
»Leute«, sprach der Minister, »die weder Verdienst noch Tugend haben und gleichwohl die Gunst des Fürsten genießen. Sie verderben alles; man siehet es und seufzet darüber; man weiß aber nicht, wie man sie angreifen, wie man ihnen beikommen soll. Sie sind die Ratten in der Bildsäule.«

Streiche "gleichwohl die Gunst des Fürsten genießen" setze "deshalb in die Plittik eingestiegen sind", dann passt's.







Montag, 30. November 2015

Glückwunsch, Hamburg!


Die Offiziösen, die uns mit den Olympischen Spielen 2024 beglücken wollten, Plittikörr, Lobbyisten und DOSB sind nun ganz enttäuscht, dass die Befragten in Hamburg abgelehnt haben. Geheuchelte Verständnislosigkeit aller Orten. Also nochmal für Langsamversteher:

Sommermärchen sind nur dann lustig, wenn sie NICHT von korrupten, egoistischen, macht- und profitgeilen alten Männern in hochglanz-mafiosen Strukturen organisiert werden, in der Absicht, das blöde Fußvolk mit Brot und Spielen zu sedieren und gleichzeitig gnadenlos dafür zahlen zu lassen, um sich selbst ein ums andere Mal immer weiter den Arsch zu vergolden.

So einfach ist das! Das hat nicht nur vor ein paar Jahren die Münchner, sondern nun auch die Hamburger Bevölkerung begriffen und folgerichtig gehandelt. Chapeau!

"Für Sport-Deutschland stellt der heutige Tag einen herben Rückschlag und Tiefschlag dar", wird der DOSB-Pate zitiert, und er hat absolut Recht - jedenfalls solange "Sport" und "organisierte Kriminalität" definitorisch nicht getrennt werden. Für Fans schlichter körperlicher Ertüchtigung und freundschaftlicher sportlicher Wettkämpfe war's hingegen ein guter Tag.


 (verändert via www.nolympics_HH.de)

Könnte sein, dass immer weniger Menschen sich noch Märchen erzählen lassen wollen. Das wäre ein gutes Zeichen.









Mittwoch, 25. November 2015

Trigger-happy


Die kleinen, dümmlichen Spiele mit den gegenseitigen Luftraumverletzungen durch Militärs in (eigentlichen) Friedenszeiten gibt es seit den 1930ern, und in Kaltkriegszeiten waren sie sehr en vogue, sprichwörtlich Tagesgeschäft. Aber wenn dann mal wirklich mit Waffengewalt draufgehalten wurde, wie beim armen, fast ganz absolut unschuldigen Gary-"Ich-habe-doch-nur-Wetterbeobachtung-betrieben"-Powers 1960, dann war das weltpolitisch ein Riesen-Bohei und schlimm, gaaanz, gaaanz schlimm.

Seltsam, dass das im Falle des von den Türken abgeschossenen Jagdbombers nicht so ist. Das muss an der Region liegen. Die Leute, so könnte man glauben, stehen irgendwie auf Mord und Totschlag, sowas ist da normaler als bei uns, sie sind es gewohnt und mögen es, sich mit Waffengewalt wichtig zu machen. Naher Osten, Balkan, unter einer hauchdünnen Kruste oktroyierter Kulturtechnik sind die Menschen in dieser Region der Erde einfach von Grund auf kampfeslüstern. Erdogan erregt es, sich für türkische Militär-Kraftmeierei zu erregen. Putin schwelgt im Potenzgefühl, den westlichen Schwuchteln zu zeigen, wie man in Syrien richtig aufräumt. Und wie oben, so unten: Ob Turkmenen, Irakis, Kurden, Afghanen oder was auch immer: Man schaue sich die Begeisterung an, mit der junge Männer von ihren "Technicals", umgebauten Pickups mit schwerem MG, orgastisch stoßweise Todbringendes ejakulieren. Es gefällt ihnen nicht nur, sie LIEBEN es!

Und anscheinend ist jeder Versuch, daran etwas zu ändern, zum Scheitern verurteilt. Demokratie, Freiheit und Menschenrechte werden als Konzepte von Schwächlingen belächelt. So, wie wir alle wissen, dass die Bergpredigt oder das Tao-te-king eigentlich kluge Konzepte sind, aber konsequenten Umsetzern mildes Mitleid entgegenbringen, den naiven Idioten ...

Tja, wenn das denn so ist. Ich schlage vor, wir hören auf, uns gegen die bittere Erkenntnis zu wehren, dass einige Menschen Spaß am Töten haben. Seien wir konsequent. Wir laden alle die normalen friedliebenden, netten  Leute aus der Gegend ein, zu uns zu kommen und mit uns zu leben, schicken zum Ausgleich die gewaltaffinen Arschlöcher der Welt dorthin, und lassen sie sich gegenseitig massakrieren. Es gibt keine Kollateralschäden, denn da ist eh alles kaputt, die Landschaft als Kohlenstoffdioxid-Senke zu vernachlässigen, und wer was auf die Mütze kriegt, hat es schließlich so gewollt. Die Waffenfirmen des Planeten können das gerne gegen Öl-Dollars unterstützen, denn Heckler, Koch und Konsorten wollen ja auch von was leben.


(via wiki commons)
Mal ernsthaft: Mehr Pimmel-Ersatz geht nicht, oder?




Donnerstag, 19. November 2015

Unendliche Lebensfreude als Waffe



Die Ziele der Paris-Attentäter sprechen ja für sich: Kneipe, Konzertsaal, Restaurant, Fußballstadion ...

Fundamentalisten, egal, was für welche, wollen uns da treffen, wo normale Menschen gemeinsam Spaß haben. Und warum wollen sie das? Weil sie sich selbst jeden Spaß verbieten. Und warum tun sie das? Weil ihre Obereinpeitscher sich das auch verbieten und es deshalb auch für ihre Schergen verboten ist. Und warum? Damit alle Welt mit trauriger, ätzender, verbissener Hackfleischfresse durch die Gegend rennt. Und warum?  Damit man sie dann mit der In-Aussicht-Stellung eines Paradieses zu willfährigen Untertanen machen kann.

JuhUuuuh! Wir haben also einen willkommenen weiteren Grund, jetzt erst recht die Freude am Leben [*1] noch viel wichtiger zu nehmen: Nicht nur, weil Spaß per definitionem viel lustiger ist als Dauerfrust, sondern auch, weil man damit den Frust-Fundamentalisten einen Strich durch die Rechnung macht und weil man ihnen damit drittens ein Lebensmodell vor Augen führt, das ihre dumme, düstere, enge, niedrige, piefige, gemeingefährliche Einstellung so hübsch deutlich ad absurdum führt!




 Ok, Du hast ein Messer. Ich hingegen habe (trotz allem) eine grenzenlose silberlachende Freude am Leben, Du erbärmliches, feiges, krankes Arschloch! Schönen Dank, dass Du mich wieder daran erinnert hast, wie wichtig das ist.





[*1] Jaja, ich meine damit natürlich eine ganz und gar unkonsumistische, natürliche, menschliche, solidarische, tolerante Lebensfreude, ist doch klar!





Montag, 16. November 2015

Gedanken über Paris



Das Bekennerschreiben der IS-Idioten von Paris ist aufschlussreich. Die zitieren (allerdings verkürzt, nur den rot markierten Teil - dürfen die das eigentlich?) den Koran, Sure 59, Vers2:

"Er [Allah] ist es, Der diejenigen von den Leuten der Schrift, die ungläubig sind, aus ihren Wohnstätten zur ersten Versammlung vertrieben hat. Ihr habt nicht geglaubt, daß sie fortziehen würden; und sie meinten, daß ihre Festungen sie vor Allah schützten. Da kam Allah über sie, von wo sie nicht (damit) rechneten, und jagte in ihre Herzen Schrecken, so daß sie ihre Häuser mit ihren (eigenen) Händen und den Händen der Gläubigen zerstörten. Darum zieht die Lehre daraus, o die ihr Einsicht besitzt."

Ungläubige "Leute der Schrift" können eigentlich nur Juden und Christen sein, und die Festungen und Häuser können nur metaphorisch für deren Dogmen und Lehre stehen, denn sonst ergäbe es keinen Sinn, wenn jene diese mit eigenen Händen einrissen. Die Sache mit der "ersten Versammlung" hat bestimmt auch was zu sagen, aber ich war zu faul, das zu recherchieren, lasse mich gerne informieren.

Übersetzt also: Die Juden und Christen glaubten, sie hätten Recht, aber dann kam Allah und sie beschlossen, ihre Lehre in die Tonne zu kloppen.

Kurzform: Ihr dachtet, Ihr seid die Guten, aber in echt sind wir das. Ätsch!

Von Massenmord steht da eigentlich nix, es sei denn, man will es zwanghaft "reininterpretieren". Wie auch immer: Bei 132 sinnlos ermordeten Menschen spielen interpretatorische Details überhaupt keine Rolle. Aber vielleicht kann man schon mal eine erste Lehre aus den Anschlägen ziehen und ausnahmslos alle Religionen gesetzlich dazu verpflichten, im Hinblick auf ihre dümmst-anzunehmenden Anhänger auf jede Metaphorik zu verzichten und stattdessen eine ultimative, super-eindeutige Mindestklausel in die Geschäftsbedingungen aufzunehmen:

Du sollst unter keinen Umständen einem anderen Menschen Leid zufügen. Niemals! Es gibt davon keine Ausnahme! Keine, verstehst Du!? Null! Nein, auch nicht, wenn Dein Imam / Papst / Lama / Rabbi /Dorfschamane oder sonst ein selbsternannter Obereinpeitscher Dich bittet, es befiehlt, es nahelegt und / oder Dir Geld / Jungfrauen / Jünglinge / Macht / Glück / Seelenheil / Aufmerksamkeit / Anerkennung usw. dafür anbietet.

Mist, das ist auch schon wieder zu lang.

Wer anderen Menschen Leid zufügt, ist böse. Immer.

Ja, so stimmt's.






Donnerstag, 12. November 2015

Was bedauerlich ist.


Bedauerlich ist nicht, dass Helmut Schmidt gestorben ist. Der Mann war Jahrgang 1918.

Bedauerlich ist, dass er der letzte Politiker war, der nicht nur Opportunistisch-Getriebener war. Persönliche und  parteiliche Egoismen, Rücksichtnahme auf Lobby-Interessen, globale Taktiererei gab's bei Schmidt-Schnauze natürlich auch. Aber was ihn unterscheidet, ist, dass dahinter stets eine konsequente Zielverfolgung erkennbar war. Und wenn diese Ziele auch nicht allesamt allüberall  zustimmungsfähig waren, so gab es doch immer eine zuverlässige Grundlage, den Dissens offen auszutragen.

Schmidt hat Dinge entschieden und dann den Kopf dafür hingehalten.

Das nennt man Regierungsverantwortung.

Bedauerlich ist, dass es das nicht mehr gibt.


 (via wiki commons)
Ausgestorben: Politiker, die sich nicht hinter Sachzwängen, 
Alternativlosigkeiten und Beliebigkeiten wegducken.  
Eher nagelt man einen Pudding an die Wand,
als heutige Plittikörr für ihr Handeln 
zur Verantwortung 
zu ziehen.








Montag, 9. November 2015

Gute Arbeit!


"Postboten am Limit" ist der Untertitel eines heutigen Berichtes der Regionalpostille, und wir erfahren, dass auch dieser Berufszweig hoch an der Leistungsgrenze segelt und eigentlich längst darüber hinaus.

Ich träume von meinem Land Utopia, in dem "Arbeit" etwas ist, was man gut und gleichmäßig und zuverlässig jahraus, jahrein verrichten und damit Selbstbewusstsein, gesellschaftliche Anerkennung und ein auskömmliches Salär erwerben kann. Ich träume von dem Land, in dem es so altertümliche Worte wie "Tagwerk" noch gibt, die nahelegen, dass hier alltäglich zielgerichtetes Handeln mit der Selbstverständlichkeit, der Solidität und dem Durchhaltevermögen eines großen, wummernden Schiffsdiesels stattfindet. In dem Land bedeutet "Arbeit", dass sich erfahrene Leute Zeit nehmen, wichtige Dinge gut zu machen.

Stattdessen: Strohfeuernde Schnellfickermentalität, das hyperaktive Eichhörnchen auf Speed ist das Idol. Einzig akzeptierte Antwort auf die "Was-wollen-Sie-in-fünf-Jahren-erreicht-haben?"-Bewerbungsgesprächs-Frage ist "Auf Ihrem Platz sitzen!" Wer nicht beansprucht, im schon völlig überdrehten allgemeinen Rattenrennen jetzt noch mal richtig Zunder zu machen, ist ein Versager. Freizeit ist die Zeit, in der ich mich selbst optimiere, damit ich morgen noch etwas hektischer ums goldene Kalb tanzen kann. Und wenn jemand dabei erwischt wird, nicht permanent kurz vor Kollaps zu agieren, dann kann man ja noch was draufpacken. Und wer dann immer noch nicht kollabiert, beweist nur, dass da noch mehr geht, und dieses "Mehr" kommt so wie so. Und nach Sinn fragt kein Schwein.

Jaja, ich weiß, dass das derzeitge Arbeitsmodell nur zusammen mit dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell überwunden werden kann. Na, denn man tou!



 
(verändert via wiki commons)
Beeindruckt mich tausendmal mehr 
als ein rezenter Formel-I-Motor: 
Ein alter Schiffsdiesel.










Dienstag, 3. November 2015

Je suis Volksverräter



Nun gut, wenn die braunen Bratzen denn partout weiter eskalieren wollen: Wer auch immer durch die offenen oder verdeckten Neonazis als "Volksverräter" oder mit sonst einer abwertenden Fascho-Vokabel bezeichnet und bedroht wird, genießt ab sofort meine uneingeschränkte Solidarität und - auf Wunsch - konkrete Unterstützung. Und als verfassungskonservativer Bürger erwarte ich, dass die Strafverfolgungsbehörden mit allen verfügbaren Mitteln gegen die Täter vorgehen.





Montag, 2. November 2015

Rein informative Frage - echt jetzt!


Nein, gegen die Wahl in der Türkei ist anscheinend nichts einzuwenden: frei, gleich, geheim soll sie gewesen sein. Und wenn das so ist, dann haben wir Nicht-Türken die Klappe zu halten.

Allerdings dürfen wir uns ganz allgemein fragen, wie es zu erklären ist, dass ein so stolzes, freiheitsliebendes, selbstbewusstes und der persönlichen Ehre verpflichtetes Volk wie das türkische Plittikörr wählt, die angetreten sind, es zu bevormunden, zu schurigeln und immer mehr seiner Freiheitsrechte zu berauben.

Sind die Türken nun stark und selbstbewusst oder sind sie devot und voller Sehnsucht nach einer starken, züchtigenden Hand?

Die Frage ist wirklich nicht böse oder sonstwie wertend oder gar rhetorisch gemeint. Ich verstehe es einfach nur nicht.



(1912/13 via wiki commons )
Sind diese strammen Jungs entschlossene Krieger oder Militär-Fetischisten? 
Geht mich nix an. Hauptsache, sie haben ihren Spaß.




Sonntag, 1. November 2015

Samstag, 31. Oktober 2015

Dankeschön, KH WTM


Sollte ich jemals etwas Schlechtes über das KH Wittmund gesagt haben: Ich nehme hiermit alles zurück! Jedenfalls soweit es um Fälle geht, in denen die Kacke echt am Dampfen ist. Ausnahmslos kompetente, engagierte, effektive und nette Leute! Vielen lieben Dank!



 Das Einzige, was genervt hat, war "the machine that goes ping".


Dienstag, 27. Oktober 2015

Sevilla zum Beispiel


Über die wirklich würdelosen und peinlich demaskierenden Ausflüsse der führenden Euro-Plittikörr in Bruxelles in Sachen Flüchtlings-Krise tauchen - wieder mal - die Unkenrufe vom zerbrechenden Europa auf.

Nee, ich glaub' da nicht dran, das Europa zerbricht. Jedenfalls nicht das Europa, das in meiner ganz unreflektierten, unkognitiven, unlogischen, unhistorischen, prärationalen Wahrnehmung von "Europa" existiert. "Mein Europa" ist da, wo ich mich als Europäer zu Hause fühle, und ich fühle mich da zu Hause, wo die Menschen so ähnlich ticken, wie ich. Sevilla zum Beispiel. Oder Vaxjö. Oder Lille. Oder Tallinn. Alles Orte in Ländern, in die ich mich schmerzfrei, ja lustvoll, einleben könnte. Sprache, Sozialversicherung, Job - das sind doch alles Dinge, die sich regeln lassen.

Und dann gibt es andere Orte, da ticken die Menschen offenbar ganz anders, da wüsste ich, dass es mir nicht so leicht fiele, mich da einzuleben. Dazu gehören die meisten Länder des ehemaligen Warschauer Paktes, aber z.B. auch Bayern, Schweiz, Österreich, Sachsen, Köln, Balkan etc.

Jaja, mein "gefühltes" Europa hat vielleicht viel damit zu tun, dass ich ein Kalt-Kriegs-Kind und auf Westeuropa fixiert bin, aber wenn ich mir die Regierungs-Knallköppe in Polen und Ungarn und sonstwo anschaue, wenn ich mir anschaue, wie die mit Demokratie, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde umgehen und wie unaufgeklärt die Menschen sich dort in freien, gleichen und geheimen Wahlen mit sabbernder Geilheit immer mehr selbst entmündigen, dann muss ich - aller political correctness zum Trotz - konstatieren, dass das einfach nicht "mein Europa" ist, jedenfalls kein Europa, mit dem ich identifiziert zu werden wünsche.

Nein, Europa zerfällt nicht. Aber unter dem Druck der Ereignisse wird allzu deutlich, wer natürlicherweise dazugehört, trotz aller notwendigen Auseinandersetzungen, und wer irrtümlich bei der Konstruktion der EU einfach dazugekauft und dazu-taktiert wurde, wer sich aus rein egoistischen Motiven reingequengelt und reinerpresst hat und wer mit der Idee der europäischen Solidarität grundsätzlich gar nichts anfangen kann.

Nein, die derzeitige EU ist nicht "mein" Europa. Aber ich lasse mir "mein" Europa auch nicht von Plittikörrn, egal welcher Nationalität, kaputt-taktieren.

(Mein gefühltes Europa - Abb. stark verändert via wiki commons)
GB gehört eigentlich dazu, aber die wollen ja nicht, und das respektiere ich.








Montag, 26. Oktober 2015

Ethik statt Religion


Also, nein, wissen Sie, ich finde Religion und Glauben und so total super und auch irgendwie so'n Stück weit auch total wichtig für mich. Also, das prägt mich auch schon, mein Leben und so.

Das sieht man ja jetzt auch in Polen, denen ist der Glaube voll wichtig, das merkt man im ganzen Land, dass das so voll spirituell abgeht, da sind sich auch alle einig. Da spielt die Botschaft Jesu noch eine ganz zentrale Rolle, hier, die .. äh ... Bergpredigt zum Beispiel, wo er sagt: "Haut den Hilflosen auf die Fresse!" oder "Wenn ein Notleidender hungernd und frierend daherkommt, dann bau einen hohen Grenzzaun, damit das verwanzte, faule Muselmanen-Dreckspack sich hier nicht einnistet!" oder "Nur wir sind richtige Menschen, alle anderen sind minderwertig!" oder "Solidarität ist eine Einbahnstraße in unsere Richtung und nur solange gut, wie wir uns easy-peasy den Arsch dran vergolden können!" oder "Wenn sich jede/r brutalstmöglich egoistisch verhält, kann es niemandem schlecht gehen!"

Das sind jetzt nur so ein paar Gebote, die Jesus damals schon rausgehauen hat, und da halten sich auch heute noch alle dran, wo der katholische oder überhaupt der abrahamitische Glaube so tief verwurzelt ist: Bayern, Ungarn, Israel, Saudi-Arabien, Polen, USA, Iran, IS, Weißrussland ...

. . . . . 

Ironie beiseite: Die gestrige Wahlentscheidung der erzkatholischen Polen ist der schönste Beweis für die These meines All-time-number-one-Lieblings-Religionsführers, seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, der dringend dafür plädiert, Religion und Heiligkeit durch etwas Menschlicheres zu ersetzen.

"Ich sehe immer deutlicher, dass unser spirituelles Wohl nicht von der Religion abhängig ist, sondern der uns angeborenen menschlichen Natur, unserer natürlichen Veranlagung zu Güte, Mitgefühl und Fürsorge für andere entspringt. [...] Ethik, nicht Religion, ist in der menschlichen Natur verankert."



Sind auch nur 46 Seiten DIN A6. 
Eigentlich reicht es, die Einleitung (S. 9 - 14) zu lesen.






Freitag, 23. Oktober 2015

I take pride ...


Jestern auf'm Infoabend des Jugendamtes Wittmund jewesen. Für Leute, die bereit sind, als Jasteltern für minderjährije Flüchtlinge zu fungieren. Anspruchsvolle Sache, das. Habe vorher jedacht, entweder kommen janz, janz wenig oder janz, janz viel. Es waren janz, janz viel, der Saal war rappelvoll.

Schönes Signal an die braunen Pegida-Wanzen.

Und schönes Selbstzeugnis der Menschen in der Region.



(via wiki commons)
... therefore I take pride in the words: Ish bünn ain Uittmundör!






Mittwoch, 21. Oktober 2015

J.R.R. Tolkien und die lieben Kleinen


Lese gerade "The Letters of J.R.R. Tolkien". Interessant: Im November 1961 steht er im Briefwechsel mit seiner 90-jährigen Tante, unter anderem zum Thema Literatur für Kinder. Am 21.11.1961 schreibt J.R.R.:

"Sorge Dich nicht wegen der jungen Leute! Ich bin [als Schriftsteller] nicht sehr interessiert am 'Kind' als solchem [gemeint: als LeserInnen] [...] und habe nicht die Absicht, ihm / ihr auf halbem Wege entgegenzukommen oder ein Viertel. Das eine wie das andere wäre ein Fehler, entweder nutzlos (gegenüber den Doofen[sic!]) oder schädlich (gegenüber den Begabten). Ich habe nur einmal den Fehler gemacht, das zu versuchen, zu meinem ewigen Bedauern, und (ich bin froh das zu sagen) der Missbilligung der intelligenten Kinder: in einem frühen Teil des 'Hobbit'.
[...]
[Das Buch 'Der Herr der Ringe'] wurde nicht 'für Kinder' geschrieben oder für irgendeine spezielle Person, außer für mich selbst. [...] Ich glaube, Kinder lesen oder hören es sehr aufmerksam, sogar sehr kleine Kinder, und ich bin froh darüber, obwohl sie das meiste nicht verstehen können, und es ist auf jeden Fall voller Wörter, die sie wahrscheinlich nicht kennen. Ich hoffe, das erweitert ihr Vokabular ..." [Übers. von mir]

Huh, hah! Das klingt aber gar nicht politisch korrekt: Tolkien ein Kinderhasser, oder was? Oh nein! Was er propagiert ist nur, das anspruchsvolle ästhetische (literarische) Werk als solches stehen zu lassen und den Kiddos die Chance zu geben, sich intellektuell "nach der Decke zu strecken". Tolkien sagt ganz ausdrücklich nicht, seine Texte seien nichts für Kinder, im Gegenteil. Er weigert sich nur, Kinderkram zu schreiben. Begründung: Die Doofen würden auch das nicht kapieren, und die Schlauen hätten nix, um sich dran abzuarbeiten.

Und da sage ich: Jauchzet frohlocket! Recht hat er nämlich, der gute J.R.R.. Schaut Euch doch mal unsere kinder-verblödende Kultur an! Da sind nicht nur TV und Konsole. Wenn ich nur mal Revue passieren lasse, was für bescheuerte Inszenierungen von Theaterstücken speziell "für Jugendliche" ich (als begleitender Lehrer) über mich ergehen lassen musste! Rezente DramenschreiberInnen und RegisseurInnen, allesamt der Jugendlichkeit weit, weit entwachsen, zumindest körperlich und an Jahreszahl, hegen offenbar die irrwitzige Vorstellung, Jugendstücke müssten grundsätzlich grell, zerhackt, laut, aggressiv, stroboskopartig und durchgedreht sein. Ein intensives Gefühl muss GESCHRIEEN ausgedrückt werden, am besten zusammen mit einem Akt hirnverbrannter, sinnloser Gewalt und sonstigem LÄRM. Nur dann, so die Theatertheorie, kapieren Jugendliche, dass es da irgendein Problem gibt.

Just info: Jugendliche funktionieren so nicht, zum Glück. Wenn echte Jugendliche echte, d.h. schlimme Probleme haben, dann werden sie, im Gegenteil, meistens sehr still. Manchmal so still, dass wir wissen, dass da jetzt ganz dringend professionelle Hilfe ran muss. Und untereinander erkennen Jugendliche derartige Nicht-Signale noch tausend Mal sensibler. Schreien, Lärm und hirnverbranntes Verhalten sind dagegen ein gesundes Zeichen alterstypischer Hormonvergiftung.

Im Unterschied zu den Theaterleuten sehe ich die mittelfristigen Reaktionen der SchülerInnen auf diesen ewiggleichen inszenierten Blödsinn: Die Doofen, wie Tolkien sagt, haben tatsächlich nix kapiert, sich aber über den Klamauk und die durchgeknallten Theaterleute amüsiert und sind heilfroh, eine mindestens doppelstündige, praktische Alternative zum Wissenserwerb gehabt zu haben. Die Schlauen bleiben geistig unbefriedigt und irritiert zurück und verfallen mit jeder derartigen Aufführung mehr dem grundsätzlichen Irrtum, wahre Theaterkunst sei, wenn sich alle wie laute, gewaltaffine Idioten benähmen und dabei zwischendurch auch mal ein Lied singen, ob' s passt oder nicht.

Die Annahme, Jugendliche bräuchten "Jugendkultur", ist genau so bescheuert wie die Annahme, Babies bräuchten "Baby-Sprache". Jugendliche hatten und haben - jenseits aller Hypothesen der Erwachsenenwelt - immer schon ihre eigene Kultur, und jeder Versuch der Alten, sich da billig "ranzuschmeißen", sei es in der Ästhetik oder in der Sprache oder sonstwo, ist per se zum maximalen Fremdschämen lächerlich und peinlich und absolut kontraproduktiv.

Bitte, lasst uns das doch trennen! Lasst uns Erwachsene Erwachsenen-Ästhetik machen, in Erwachsenen-Sprache mit Erwachsenen-Erfahrung über Erwachsenen-Dinge reden. Ich verwette edle Körperteile: Die Kiddos werden früher oder später, wahrscheinlich früher, von sich aus neugierig. Und wenn sie teilnehmen wollen, wenn sie also, siehe Tolkiens Beispiel, in sehr jungen Jahren den HdR lesen oder hören wollen, dann sollen sie das dürfen.

Oder, wie Ivan Illich sagte:

"Das meiste Lernen resultiert nicht aus Unterricht. Es ist vielmehr das Resultat aus ungehinderter Teilnahme in relevanter Umgebung."

Übersetzen wir "Unterricht" mit "erwachsenengemachter Kulturvermittlung speziell für Kinder und Jugendliche", dann sind Illich und Tolkien sich da vollkommen einig. Zeigen wir den Kindern, wenn sie es denn sehen wollen und können, dass es in dieser Welt relevante Dinge gibt. Hört auf, Kinder mit Kinderkram zu belästigen!






(via wiki commons)