Mittwoch, 2. Dezember 2015

Schöne alte Wörter II



"dankverdienerische Geschäftigkeit" (Lichtenberg, Streitschriften, 1781)

Man kann im Leben entweder ziellos und faul umhertreiben oder man kann sich Ziele stecken und diese konsequent und energisch verfolgen. Der geplante deutsche Militäreinsatz in Syrien demonstriert den dritten Weg: Konsequent und energisch ziellos umhertreiben.

Und warum das alles? Klar, aus Solidarität mit Frankreich. An sich kein schlechtes Motiv. Nur, dass die SoldatInnen, die dafür den Kopf hinhalten müssen, gerne wüssten, welche Umstände eintreten müssten, damit man irgendwann sagen könnte "Da Ihr nun dies und das erreicht habt, war Euer Einsatz erfolgreich. Vielen Dank!"

Naja, daran hapert's gerade noch, und da kommt Lichtenberg mit seinem Begriff "dankverdienerische Geschäftigkeit" ins Spiel. Bei Tätigkeiten dieser Kategorie kommt es nicht auf Vernunft und Effektivität an, sondern auf Aktivität an sich, und zwar, nota bene, auf marktschreierisch darstellbare Aktivität, für die man öffentlich gelobt werden will, auf "dankverdienerische Geschäftigkeit" eben. 

Nehmen wir ein naheliegenderes Beispiel, das theoretische Beispiel eines Betriebes mit ca. 160 MitarbeiterInnen, zwei, drei Kaffee-Ecken und ohne geregeltem "Küchendienst". Wo es Kaffee-Ecken gibt, gibt es das komplexe Problem benutzter Kaffeetassen mit den Folgeproblemen Geschirrspüler befüllen, einschalten, ausräumen etc. etc.  Für die / den MitarbeiterIn ergeben sich drei Handlungsoptionen:

Option I.) Ich warte, bis ein nützlicher Idiot sich findet, der sich drum kümmert.

Option II.) Ich mach' das mal eben.

Option III. = Lichtenberg-Variante) "SOOO, DANN WERDE ICH MAL EBEN DIE KAFFEETASSEN WEGRÄUMEN; SONST MACHT'S JA KEINER, HACH, WAS IST DAS FÜR EINE RIESENSAUEREI, HACH, ICH HÄTTE JA EIGENTLICH AUCH SO VIEL ANDERES ZU TUN, ABER ES MUSS JA GEMACHT WERDEN ... etc. etc."

Wahre Anekdote am Rande: Als ich frisch zu dieser Institution kam, erklärte mir eine Kollegin, man müsse die Kaffeetassen schon dergestalt einsortieren, dass die anderen KollegInnen die Tätigkeit sehen könnten, sonst wüsste ja niemand, ob ich mich daran beteiligte. Und sie meinte das völlig unironisch.

Ich plädiere dafür, den Begriff "dankverdienerische Geschäftigkeit" nicht nur in den allgemeinen deutschen Wortschatz zu re-integrieren, sondern darüberhinaus als betriebswirtschaftlichen und politischen Topos neu zu installieren.

(verändert - via wiki commons)








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