Samstag, 30. März 2024

Leben = Veränderung. Mach' was draus!


Kennt Ihr, werte Leser*innen, auch so zahlreiche Erinnerungen an Dinge, die Ihr gesagt oder getan habt und die Euch Jahre und Jahrzehnte später Gefühle brennender Peinlichkeit und Scham bescheren, blamable Dinge, für die Ihr Euch aus heutiger Sicht ohrfeigen könntet, wenn es was änderte?

Ich versuche mittlerweile, in dieser Hinsicht etwas gnädiger mit mir umzugehen. Meine Sozialisation in Kindheit und Jugend basierte auf den Vorstellungen des nordwestdeutschen nicht-akademischen Klein- und Mittelstands-Beamtenbürgertums der 1960er Jahre. Daran war nun wirklich nicht alles schlecht, aber als Vorbereitung auf die Denke der 70er und 80er und den akademischen Habitus dieser Zeit, war das grottig! Unterirdisch. Völlig verfehlt!

Ich musste, geworfen in diese Welt, alles selbst  herausfinden, im Regelfall durch Versuch-und-Irrtum. Und die Irrtümer, das sind gutteils die Dinge, die mir heute als unendliche Blamagen erinnerlich sind.  

Dabei mache ich meinen Eltern in ihrer Rolle als primäre Verantwortliche für meine Sozialisation überhaupt keinen Vorwurf. Die hatten ihrerseits auch beide das Problem, in Kindheit und Jugend auf allerlei, aber keinesfalls auf die Bedingungen ihres späteren Lebens vorbereitet worden zu sein: Meine Mutter als Beamten- und Offizierstochter der 1930/40er, zwangsindoktrinierte kleine Nazisse, traumatisiert durch Bombenkrieg und kriegs-zerrüttete Familie, musste sich als Jung-Erwachsene völlig neu orientieren. Mein Vater als Landei und Bauernkind aus dem dunkelsten Winkel des schwerstmehrfach-bäuerlich geprägten Westpreußens hatte (außer einer ziemlich guten Schulbildung) nach der Flucht Februar 1945 noch weniger Anknüpfungspunkte an das, was nun kam. 

Und wenn ich so weiter rückwärts durch meine Genealogie schaue, dann sehe ich da bei allen meinen einzelnen Vorfahren immer wieder dasselbe Schema: Eine mehr oder weniger stramme Sozialisation in Kindheit und Jugend, gefolgt von veränderten Lebensbedingungen, die das verabreichte Quantum an Sozialkompetenz ganz weitgehend zertrümmerten, so dass man mit den Bruchstücken irgendwie jonglieren und irgendwie was kongruentes Neues improvisieren musste. 

Bei genauer Betrachtung stelle ich fest: Meine Familiengeschichte der letzten 100 bis 150 Jahre ¹ besteht ausnahmslos aus derartigen Geschichten. Ich bin wahrscheinlich der Nachfahre von total peinlichen Leuten. Und diese Leute waren nicht peinlich, weil sie doof waren, sondern weil sie immer wieder auf der Grundlage einer unzureichenden Datenlage Hypothesen über angemessenes Verhalten entwickeln und probeweise im Alltag umsetzen mussten, um sich durchzuschlagen.

Die Methode heißt nun mal "Versuch-und-Irrtum" und nicht "Versuch-und-Erfolg". Sehr reiche und sehr mächtige Menschen könne vielleicht noch "Versuch-und-Mirdochegal" spielen, weil sie so bombenfest außerhalb und über der Gesellschaft stehen, dass Ihr Verhalten, egal welches, den grundsätzlich positiven Effekt hat, "Die feinen Unterschiede" zu zementieren. Aber in die Liga gehörte mein Clan leider nie. Wenn wir was falsch machten, waren das immer Irrtümer. Wir waren immer peinlich.




Uropis Militärpaß. 1900, im Alter von 19 Jahren, musste der gelernte und erfolgreiche Konditor aus Dissen bei Osnabrück zum Militär. 1902 zur Reserve bzw. Landwehr entlassen, dann noch vereinzelte Übungen bis 1913. Und als er 34 Jahre alt war, verheiratet und mit einer Tochter (meiner Omi mütterlicherseits), brachen die Mächtigen dieser Welt den Weltkrieg numero uno vom Zaun. Von Anfang an dabei, Ostfront, aber ab 1917 (nach einer Verwundung??) nur noch bei der Etappen-Hilfs-Kompagnie No. 30, wo er militärische Zugtransporte begleitete. 1919 Entlassung unter Abgabe von "1 Jacke, 1 Hose, 1 Paar Stiefel ..." usw. 

War Herrmann Christian erziehungsseitig auf sowas vorbereitet? Nope!

Habe ich, 81 Jahre später geboren, mich darüber zu beklagen, dass Leben = Veränderung? Nope!









¹ Ich kann meine patrilineare Familiengeschichte einigermaßen (!) sicher bis ins 15. Jhdt. zurücklesen. Da musste ein früher Vertreter unseres Namens offenbar nach einem Tête-a-tête mit einer Adligen aus Straßbourg fliehen. Er wandte sich nach Westfalen, und dann mendelte man sich mählich quer durch Europa bis nach Ostpreußen. Mag sein, wir sind peinlich. Langweilig sind wir nicht. 







Donnerstag, 28. März 2024

Ich warte immer noch auf den Aufschrei.


Ist das einfach nur "mediale Schnelllebigkeit" oder schon "kollektive Demenz"? Von den Taurus-Leaks spricht aktuell, dreieinhalb Wochen nach Veröffentlichung kein Mensch mehr. Nur noch davon, dass wir unbedingt Taurus an die Ukraine liefern müssen, weil - historisches Faktum - nur immer mehr Waffen stets zu immer mehr Glück & ewigem Frieden führen.

Egal. 

Ich hatte gehofft, dass zwischenzeitlich auch andere Menschen das Gesprächsprotokoll, dessen Echtheit ja bestätigt wurde, sinnentnehmend gelesen hätten, und ich war fest überzeugt, dass einige spätestens bei dem Stichwort "Kindergärten" ¹ kritische Fragen stellen würden. Da sagt einer der Militär-Herren, wenn der Kanzler die Taurus für die Ukraine frei gäbe, müsse man ihm beichten, dass mindestens acht Monate Vorbereitungszeit notwendig seien, dass man diese Zeit aber abkürzen könne, die Marschflugkörper dann allerdings von den ukrainischen Soldat*innen nicht zielsicher einzusetzen seien und, worst case, auch auf einen Kindergarten fallen könnten "und es zivile  Opfer" (sprich: russische Kinder) geben könnte. 

Das Gespräch geht dann weiter und darüber hinweg.

Das finde ich seltsam.

Da bin ich offensichtlich so ein bisschen "old school", denn die Perspektive, ein deutscher Marschflugkörper könne einen russischen Kindergarten ausradieren, bereitet mir Unwohlsein. Erhebliches Unwohlsein. 

Nun könnte man sagen, unsere Luftwaffen-Böberschten erörterten hier ganz sachlich und professionell technische Sachverhalte und es sei nicht ihre Aufgabe, über ethische Implikationen nachzudenken, aber das erinnert so ein bisschen an die Argumentation von Adolf Eichmann, er hätte nichts gegen Juden gehabt, hätte nur den Auftrag gehabt, Bahntransporte zu organisieren, nicht, über Ethik nachzudenken. 

Warum konnten höchste militärische Verantwortungsträger sich nicht durchringen, den höchsten politischen Verantwortungsträger*innen in Deutschland  zu sagen, dass eine Lieferung der Taurus an die Ukraine völlig verantwortungslos wäre und dass ein sinnvoller Einsatz des Systems nur von deutschen Soldat*innen zu bewerkstelligen sei, womit Deutschland dann aber unwiderruflich kriegführende Partei würde? Fehlt es an der Politischen Bildung? An Innerer Führung? Oder schlicht an ethischer Grundhaltung?

Warum nehmen wir so völlig kritiklos die Möglichkeit hin, deutsche Waffen töten russische Kinder? Weil russische Raketen ja auch ukrainische Zivilisten töten? Großartiges Argument! Den Russen machen wir aber deshalb schwerste moralische Vorwürfe. Na schön, dann aber gleiches Recht für Alle: Wenn die Taurus geliefert wird, gehört die deutsche Führungs-Camarilla, genau wie Putin, vor den IStGH.

Und überhaupt: Was ist das für ein Scheiß-Whataboutism? Wie reagieren Lehrer*innen, wenn nach einer Schulhof-Prügelei ein*e Schüler*in sich mit dem Argument verteidigt: "Der*die hat aber angefangen...!"? Sagen wir dann auch: "Achso, ja, nee, denn war das richtig, zurückzuschlagen. Mach' weiter."? ²

Und drittens: Mich würde interessieren, wie die Leute reagierten, wenn eine Rakete, die auf das K-Waffenlager und den NATO-Fliegerhorst Büchel ³ gezielt ist, von Osten kommend 1.000 m zu kurz fiele und, Gott bewahre, die "Katholische KiTa St. Simon und Juda Büchel" ausradierte. Oder wenn russische Luftwaffen-Verantwortliche ebendies mit großer Gelassenheit als technische Möglichkeit erörterten. Natürlich sind russische Kinder viel weniger wert als gut-katholische deutsche, aber ... Moment, mit diesem Satz stimmt doch was nicht!



Abschließend eine (durchaus vorwurfsvolle) Frage: Habt Ihr Alle die Protokolle gar nicht gelesen? Warum nicht?



(stark verändert via wiki commons)

"Believe me when I say to you,
I hope the Russians love their children too."



¹ Zur Erinnerung nochmal das Zitat: "Ich fang vielleicht mal an mit dem: „Was ist denn das Sensitivste oder das Kritischste, was jetzt passieren kann?“ Ähm, mit der ganzen Diskussion, das läuft ewig hin und her, und ich glaub, die zwei Punkte, die sensitivsten, sind zum einen Timing, so nach dem Motto, ähm, „Jetzt sagt der Kanzler, wir geben es doch ab“, und man kommt aus der Bundeswehr: Ja toll, aber in 8 Monaten sind wir dann soweit, den ersten Einsatz zu beginnen. Und das Zwote ist natürlich, wir können die Zeit auch nicht verkürzen, wenn es nach einem Falscheinsatz geht und das Ding auf ’nen Kindergarten drauffällt und es zivile Opfer gibt. Deshalb sind das so die beiden … links und rechts ’ne Grenze, zwischen denen man abwägen muss. Wenn man das so runterbricht, die eine Bahn ist die Auslieferung der Flugkörper. Da haben wir eigentlich gar nichts mit zu tun, und der wichtige Punkt wäre dann in dem Gespräch … Ich muss da auch nochmal drauf hinweisen … ohne die Firma können wir gar nichts machen und es wäre dann schon wie es auch bei den Raketen von IRIS-T ist, dass man relativ zügig erste Flugkörper ausrüstet, umrüstet und ausliefert. Aber da müssen halt dann so rudimentäre Sachen gemacht werden, nochmal ’ne kleine Überholung, das deutsche Hochheitsabzeichen runter und so."

² Spoiler: Nein, sowas machen wir Lehrer*innen nicht. Außer in sehr zynischen Momenten.

³ Büchel wird in dem Taurus-Gesprächsprotokoll namentlich erwähnt. Desahalb wählte ich es hier als Beispiel.






Mittwoch, 27. März 2024

Mehr weniger geht kaum.

 

Heute Erstflug nach der Totaloperation des Instrumentenpilzes.


Freie Sicht für freie Bürger*innen!


Zur Erinnerung (vorher): 

Klaustrophobische Zustände.


Die neue Seitenansicht:

Wenn man jetzt noch was abbauen wollte, würd's eng. ¹ 



"Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann,
wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat,
sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.

Das Flugzeug in seiner höchsten Vollendung
wird unauffällig."

A. de Saint-Exupèry





¹ Jaja, die Hängegleiter-Leute hätten da noch Möglichkeiten, aber dafür brauchen die auch Berge und / oder Schlepp-Möglichkeiten. So richtig viel weniger Aufwand ist das auch nicht ...





Samstag, 23. März 2024

Was hat man den Ukraiyiniyjer*innen versprochen?

 

Hmm, ich lese mit großem Interesse, dass der böberschte Ukraiyijner, Selenskyj, den Westen dafür kritisiert, nicht genug Waffen zu liefern. Inhaltlich ist das uralt und repetitiv. Gefährlich repetitiv, wenn man's genau nimmt, denn mittlerweile hört niemand mehr zu, wenn ukraiyjinische Führer sowas sagen. 

Was an der Aussage hingegen auffällt, ist der Duktus. So redet keiner, der bereits seit zwei Jahren von vorne bis hinten mit erheblichen Mengen an Geld und Material gepampert wird und der demnächst über den Beitritt seines Landes zu einem ziemlich mächtigen Wirtschaftspakt verhandeln will. Diesen Anscheißer-Ton erlaubt man sich nur, wenn man sogenannte Partner hat, die früher  irrwitzige Versprechungen gemacht haben, die sie nun, da die Sache existenzbedrohend wird, nicht bzw. nicht hinreichend einlösen. 

Wir wissen natürlich viel zu wenig über die geheimen Absprachen und Zusagen. (Warum eigentlich? Warum erfährt der Souverän in diesem, unserem Staate, die*der mündige Bürger*in, eigentlich nicht, was zu welchen Kosten vereinbart wurde?) Aber ich bin Lichtjahre davon entfernt, Selenskyj einen Vorwurf zu machen. Vielmehr würde ich gerne wissen, was man dem guten Volodymyr Oleksandrovyč bei den zahlreichen Gesprächen in Washington, London, Paris und Berlin tatsächlich versprochen hat. 

Erst mit diesem Wissen können wir prüfen, ob V.O.S. aus K. in der U. gerade viel zu sehr und viel zu dreist auf die Kacke haut oder ob er völlig zurecht seiner großen  Enttäuschung Luft macht.


(Still aus "Apokalypse Now" - verändert via wiki commons)


 





Samstag, 16. März 2024

Warum ich nicht so viel auf Putin rumhacke

 

Vorab zur Klarstellung: Mir ist bewusst, dass Putin ein Arschloch ist, ein Böser, ein Tyrann, einer, der Oppositionelle  einsperrt und / oder umbringen läßt, Wahlen fälscht und ad absurdum führt, ein machtgeiler, intriganter, homophober, universal-intoleranter, ewig-gestriger Spießer, Lügner, Alles-mögliche-Leugner und derlei mehr.

Aber: Putin runterzumachen, das erledigen die nicht-geographisch-westlichen Medien schon mit maximaler Kraft und teilweise darüber hinaus. Ob oder ob nicht ich meine Pieps-Stimme in diesen Chor einbringe, ist völlig einerlei. Außerdem missfällt mir, dass die Putin-Schelte allerorten zu so einem billigen, peinlichen, den Intellekt beleidigenden Propaganda-Narrativ für Vollidioten geworden ist. 

Drittens missfällt mir, dass mit der Botschaft "Putin ist böse!" stets allgemeine antirussische Reflexe bedient werden und öfter noch der Dreisatz "Putin ist böse - Wir sind gegen Putin - Also sind wir die Guten." konstruiert wird. Und nichts ist unzutreffender. 

Kehre ein*e Jede*r vor hens eig'ner Türe. Andere zu kritisieren, ist billig. Sich selbst wachsam zu beäugen ist viel wichtiger.



(verändert via wiki commons)

Erler F. 1917





Samstag, 9. März 2024

Schafft Religionen und Ethnien ab!

 

Spontangedanke bei der Lektüre der aktuellen "Monde diplomatique" : Das meiste Leid, das Menschen einander bereiten, entsteht aufgrund der sozialen Konstrukte "Religion" und "Ethnie".

Wir müssen dringend daran erinnern: 

  • Es gibt keine Religionen und Ethnien.
  • Ausnahmslos alle Religionen und Ethnien sind zu 100 % reine Hirnfürze
  • oder, um es weniger salopp zu formulieren: Religionen und Ethnien sind allesamt gesellschaftliche Konstruktionen, von Menschen ausgedacht und tradiert und daher auch von Menschen veränderbar und abschaffbar.
  • Jahwe, Christus, Buddha, Allah, Jupiter, Wodan, Zeus usw., sind (überw. spätbronzezeitliche) Fantasie-Gestalten, ausgedacht von machtgeilen alten Männern mit krankhaft egomanischen Motiven.
  • Es gibt keine Kurden¹, Türken, Doitsche, Juden, Russen, Sudanesen usw., es gab und gibt nur barbarische Gruppen, von machtgeilen alten Männern gewaltsam zusammengehalten, um Gehorsam im Innern zu erzwingen und gewaltsam gegen benachbarte Stämme vorzugehen.
Beweis: Jedes neugeborene Menschenkind. Die ganze Scheiße kommt immer erst im Laufe des Lebens in die Köpfe der Menschen. 

Man missverstehe mich nicht: Jede*r darf glauben, was sie*er will - solange dieser Glauben niemals manifest wird, d.h. anderen Menschen in die Quere kommt. Jede*r darf ihr*sein Kopfkino zu dem Zufall ihres*seines Geburtsortes abspielen - solange die Geschichten nicht manifest werden und andere Menschen diskriminieren.

Lesen wir die "Monde diplomatique" also nochmal und ersetzen wir Wörter wie "Palästinenser", "Israelis", "Buddhisten", "Juden", "Russen", "Ukrainer", "Amerikaner", "Araber", "Christen", "Muslime" usw. konsequent durch "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen", "Menschen" usw. 


(verändert via wiki commons)
Ich weiß, dass die Yesiden schon lange furchtbar unter Verfolgung leiden. Aber ich werde auch nie vergessen, dass der extremst-rassistische Gesprächspartner, den ich je traf, Yeside ist.
Wie kommt es, dass unterdrückte Völker selbst so gerne erbarmungslose Unterdrücker sind?
Lernt man nicht Demut und Mitgefühl?






¹ Ich habe auch hier versucht, konsequent zu gendern, aber das sah wirklich verwirrend aus und hat die Wirkung des Textes kaputgemacht. Natürlich sind Alle gemeint. Ist doch klar.







Donnerstag, 7. März 2024

Gestern über der Wesermarsch

 

Nach viel zu langer Zeit: Endlich wieder an meinem "place to be".





Tipp für Location-Scouts: Wenn ein Filmset für die Totensümpfe nahe Dagorlad (Nord-Mordor) im nächsten Herr-der-Ringe-Film gesucht wird, checkt die Wesermarsch im Vor-Frühling bei bedecktem Himmel. Deprimierend, düster und ein bisschen gruselig. 




Nordwesten geht natürlich auch anders:



Nach einer Stunde war ich reichlich durchgefroren. Egal. Die Landung war vorbildlich, beruhigendes Indiz dafür, dass ich's nach vierteljähriger Pause immer noch draufhabe ... 


"Frühling lässt sein blaues Band ..."








Montag, 4. März 2024

Thema verfehlt und Richtigstellung

 

Unsere öffntlchrchtlchn Medien zielen in der Berichterstattung über den Taurus-Abhörskandal haarscharf und Lichtjahre entfernt am Kern vorbei. 

Wir wollen festhalten:

Dass Abhören von Freunden und Gegnern in Konflikt-Zeiten ist so normal und selbstverständlich und so sehr überhaupt kein Skandal, dass es schon fast langweilig ist. Lustig wird's erst,

  • wenn publik wird, dass der Hegemon, dem Du Dich ohnehin mit Haut und Haar speichelleckerisch unterworfen hast, Dich abhört oder
  • wenn Spione besonders raffiniert und / oder perfide vorgehen und / oder enttarnt werden oder
  • wenn extrem dümmliches Verhalten vorliegt, wie z.B. Telefonate kritischen Inhalts über ungeschützte Verbindungen. 

Ansonsten ist Spionage überhaupt nix Sensationelles. Schon Sunzi begründet 500 v. Chr. ihre zwingende Notwendigkeit und gibt zielführende Tipps dafür. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Spionage der Masturbation vergleichbar: Alle machen's, alle wissen, dass alle es machen, aber dennoch wird schamhaft geschwiegen, sobald es erwähnt wird.

Dass die Russen uns abhören, ist genau so normal wie umgekehrt. Da gibt es keinen Grund für "mimimi".

Nein, nein, die Sensation hinter dem Taurus-Abhörprotokoll liegt ganz woanders. Die Sensation ist, bei der Lektüre des Transkripts Zeuge zu werden, wie höchstrangige Offiziere der Luftwaffe ihre Kommunikation gegenüber Verteidigungsminister, Bundeskanzler und Öffentlichkeit über den Taurus-Einsatz in der Ukraine koordinieren. Und, man lese unbedingt selbst das Transkript, es geht erstaunlicherweise sehr eindeutig und ausschließlich darum, den Einsatz dieser Waffe zu fördern, was in diesem Fall bedeutet

  • die notwendige Rolle der Bundeswehr bei dem Taurus-Einsatz gegen die Kertsch-Brücke zu verschleiern,
  • darüber hinwegzutäuschen, dass ohne aktive Unterstützung der Soldat*innen und Technik der Bundeswehr eine hinreichende Präzision der Taurus nicht erreichbar sei, jedenfalls nicht in den nächsten 6 - 7 Monaten,
  • Desinformationsstrategien gegenüber der deutschen Politik (inclusive Pistorius, dem obersten Dienstherrn in Friedenszeiten) und Öffentlichkeit zu entwickeln. ¹
Fazit:
  • Wir haben nicht über dusselige Nachlässigkeiten hoher deutscher Offiziere in Sachen Geheimhaltung zu greinen (... obwohl, naja).
  • Wir haben auch nicht über erfolgreiche russische Spionage zu greinen.
  • Worüber wir aber ganz dringend diskutieren müssen, ist die Geisteshaltung, aus der heraus die an dem Gespräch beteiligten Offiziere meinen, uns mündige Bürger*innen, die wir höchster Souverän in diesem Staate sind, betrügen zu dürfen und zu müssen. 

Könnten die örren Medien ihre kritische Berichterstattung bitte in diesem Sinne neu fokussieren!?


(stark verändert via wiki commons)
Es geht nichts über vertrauenswürdige Berater!










¹ Zitat:
"Ne? also wenn’s zum Beispiel darum geht, die Missionsplanung zu machen, ich weiß wie es die Engländer machen, die machen es ja komplett im Reachback. Die haben auch paar Leute vor Ort, ähm, das machen sie, die Franzosen nicht. Also, sie QCen (???) auch die Ukrainer beim Beladen des SCALP, ne, weil Storm Shadow und SCALPS sind rein vom technischen Aspekt relativ ähnlich. Da haben sie mir schon gesagt, ja, Herrgott, die würden auch den Ukrainern beim Taurus-Loading über die Schulter gucken. Ähm, die Frage wär‘ aber, wie lösen wir das dann? Mhm, lassen wir die die Missionsplanung machen und geben ihnen reachback-mäßig die MBDA an die Hand und bringen dann halt einen unserer Leute zur MBDA?"

Noch'n Zitat: 
"Ich fang vielleicht mal an mit dem: „Was ist denn das Sensitivste oder das Kritischste, was jetzt passieren kann?“ Ähm, mit der ganzen Diskussion, das läuft ewig hin und her, und ich glaub, die zwei Punkte, die sensitivsten, sind zum einen Timing, so nach dem Motto, ähm, „Jetzt sagt der Kanzler, wir geben es doch ab“, und man kommt aus der Bundeswehr: Ja toll, aber in 8 Monaten sind wir dann soweit, den ersten Einsatz zu beginnen. Und das Zwote ist natürlich, wir können die Zeit auch nicht verkürzen, wenn es nach einem Falscheinsatz geht und das Ding auf ’nen Kindergarten drauffällt und es zivile Opfer gibt. Deshalb sind das so die beiden … links und rechts ’ne Grenze, zwischen denen man abwägen muss. Wenn man das so runterbricht, die eine Bahn ist die Auslieferung der Flugkörper. Da haben wir eigentlich gar nichts mit zu tun, und der wichtige Punkt wäre dann in dem Gespräch … Ich muss da auch nochmal drauf hinweisen … ohne die Firma können wir gar nichts machen und es wäre dann schon wie es auch bei den Raketen von IRIS-T ist, dass man relativ zügig erste Flugkörper ausrüstet, umrüstet und ausliefert. Aber da müssen halt dann so rudimentäre Sachen gemacht werden, nochmal ’ne kleine Überholung, das deutsche Hochheitsabzeichen runter und so."

Und noch eins:
"Ja. Die Frage wird sein, wo kommen die Daten her. Jetzt gehen ich einen Schritt zurück. Wenn es um die Zieldaten geht, die idealerweise mit Satellitenbildern kommen, weil dadurch gibt es dann die höchste Präzision, dass wir also unterhalb von drei Metern Genauigkeit haben. Die müssen wir verarbeiten im ersten Set in Büchel. Unabhängig davon würde man aber in irgendeiner Art und Weise, denke ich, mit einem Datentransfer zwischen Büchel und Schrobenhausen was hinbekommen. Oder, was natürlich auch geht, dass man unter Umständen das Datenfile nach Polen schickt und man hat den Handover, Takeover in Polen irgendwo, und es fährt jemand mit dem Auto hin. Und ich denke, da muss man im Detail reingucken, und da wird es auch Lösungsmöglichkeiten geben.

Also, in dem Moment, wenn wir den Support haben, im schlimmsten Fall muss ich halt mit dem Auto sogar hin- und herpendeln. Das schmälert dann nur die Reaktionszeit, also, und dann eben nicht innerhalb von Stunden reagieren."