Dienstag, 1. Dezember 2015

Schöne alte Wörter I


"korruptibel" (Lichtenberg, Streitschriften, 1781)

Korrupt ist im juristischen Sinne jemand, der seine / ihre Vertrauensstellung in einer Institution missbraucht, um sich oder Dritten Vorteile zu verschaffen, auf die kein rechtmäßiger Anspruch besteht. "Korrupt" bedeutet aber auch schwerst abwertend, dass jemand oder etwas moralisch verdorben ist.

Problematisch bei dem Begriff ist, dass die damit Bezeichneten natürlicherweise alles tun, um zu verhindern, mit dem Begriff bezeichnet zu werden. Dabei helfen ihnen stets ihre inselbegabungsmäßige Dreistigkeit, Verlogenheit, kriminelle Energie sowie im Regelfall höchstprofessioneller juristischer Beistand.

Die Folge davon ist, dass wir uns längst in einem erschreckendem Ausmaß daran gewöhnt haben, dass alle unsere wesentlichen Institutionen zwar durch und durch korrupt sind, damit aber stets einen Hauch, ein Nichtigstel, einen Atomradius unterhalb der justitiablen Nachweisbarkeit bleiben.

Aktuell-konkretes Beispiel: Die nun doch gegen alle Widerstände der Plittikörr (warum wohl?) veröffentlichte  Lobbyisten-Liste des Bundestages. Wie sehr muss man als MdB sein Wahlvolk verachten, wenn man  ihm, ohne vor Scham zu explodieren, erzählt, es handele sich bei den Firmenvertretern mit Hausausweis um lauter selbstlose Berater? Das Spiel ist umso niederträchtiger, als dahinter doch der offene, aber unausgesprochene Gedanke steht: "Wir, die MdB, wissen, dass Ihr, das doofe Wahlvolk, wisst, dass wir hier gerade hemmungslos und illegal den Arsch vergoldet bekommen, aber wir wissen auch, dass Ihr wisst, dass Ihr rein gar nichts dagegen tun könnt, Ihr hilflosen, dummen Loser!" Ich glaube, ich möchte lieber von einem klassischen Tyrannen unterdrückt, als von institutionalisierten, pseudo-demokratischen Parlaments-Mafiosis verachtet und betrogen werden. Ersteres ist fies. Zweiteres ist fies und demütigend.

Und die Liste derartiger Institutionen ist so elend lang ...

Ja, und deshalb brauchen wir das Wort "korruptibel"!

Es sagt den Leuten im Bundestag, in FIFA und  DOSB, den Entscheidern zum Stedesdorfer Windpark und vielen Anderen mehr: "Wir wissen, dass Ihr Eure Position gerade für niedrige, egoistische Zwecke missbraucht. Wir wissen auch, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, Euch das justitiabel nachzuweisen oder sonstwie daran zu hindern. Aber wir sind wach. Wir beobachten Euch. Und bei der kleinsten Unachtsamkeit werden wir Euch nach Strich und Faden dafür verknacken. Seid beunruhigt!"

Schönes Wort, "korruptibel". Sehr aufgeklärt. Sehr demokratisch. Sehr Artikel 20,2 GG.









Johann Gottfried Herder: Das größte Übel des Staats, die Ratte in der Bildsäule

Hoan-Kong frage einst seinen Minister, den Koang-Tschong, wofür man sich wohl in einem Staat am meisten fürchten müsse. Koang-Tschong antwortete: »Prinz, nach meiner Einsicht hat man nichts mehr zu fürchten, als was man nennet: die Ratte in der Bildsäule.«
Hoan-Kong verstand diese Vergleichung nicht; Koang-Tschong erklärte sie ihm also:
»Ihr wisset, Prinz, daß man an vielen Orten dem Geiste des Orts Bildsäulen aufzurichten pflegt; diese hölzernen Statuen sind inwendig hohl und von außen bemalet. Eine Ratte hatte sich in eine hineingearbeitet; und man wußte nicht, wie man sie verjagen sollte. Feuer dabei zu gebrauchen getraute man sich nicht, aus Furcht, daß solches das Holz der Statue angreife; die Bildsäule ins Wasser zu setzen, getraute man sich nicht, aus Furcht, man möchte die Farben an ihr auslöschen. Und so bedeckte und beschützte die Ehrerbietung, die man vor der Bildsäule hatte, die - Ratte.«
»Und wer sind diese Ratten im Staat?« fragte Hoan-Kong.
»Leute«, sprach der Minister, »die weder Verdienst noch Tugend haben und gleichwohl die Gunst des Fürsten genießen. Sie verderben alles; man siehet es und seufzet darüber; man weiß aber nicht, wie man sie angreifen, wie man ihnen beikommen soll. Sie sind die Ratten in der Bildsäule.«

Streiche "gleichwohl die Gunst des Fürsten genießen" setze "deshalb in die Plittik eingestiegen sind", dann passt's.







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