Freitag, 31. Dezember 2021

Prekäre Prioritäten


Bemerkenswert, wie das Feuerwerks-Verkaufs-Verbot diskutiert wird: Die Branche greint und windet sich wie gewöhnlich, droht damit Arbeitsplätze abzuschießen und zweifelt langjährige Statistiken an. Dagegen argumentieren Verantwortliche mit der real existierenden, corona-bedingten Überlastung des Gesundheitssystems, speziell der Intensiv-Stationen.

Bemerkenswert finde ich, dass es für uns ganz normal geworden ist, den je persönlichen Profit der an der Lieferkette Beteiligten als Argument an sich (!) zu betrachten. 

Die appen Hände, die zerstörten Augen der Betroffenen interessieren in Wirklichkeit genausowenig wie die Mitarbeiter*innen der Intensiv-Stationen, die, beklatscht aber nicht belohnt, seit über 20 Monaten jenseits des Limits arbeiten und wissen, dass eine Marginalie wie 5 % mehr Intensiv-Patienten das Fass zum Überlaufen bringen könnte. 

Fazit: Das Anliegen entgrenzt profitgeiler Egoisten findet mediales Gehör und ist um seiner selbst willen wichtig. Die Opfer und die Solidargemeinschaft müssen sich ob ihres Standpunktes verteidigen. (Vgl. auch Klimawandel, Umwelt, Finanzsystem, etc. etc. etc.)

Klarstellung: Die Opfer selbstverursachter Böller-Unfälle genießen meinerseits nur sehr begrenztes Mitleid. ¹ Wenn zurechnungsfähige Erwachsene sich eigenverantwortlich Hand, Augen, Zähne oder sonstwas wegböllern, warum sollte dann die Solidargemeinschaft helfen? Antwort: Weil das so ist. Eine Solidargemeinschaft muss sich auch und gerade um die Schwachen kümmern. Auch, wenn es Idioten sind. 

Den Mitarbeiter*innen der Intensiv-Stationen wünsche ich viel Kraft heute Nacht!




(stark verändert via: 14-tagebuecher.de)
"Tja, da ham wa ebbent Schpass dran!"


¹ Wir haben hier wieder ein schönes Beispiel für meine Gesellschaftstheorie, nach der egomanische Arschlöcher alleine kein gesellschaftliches Problem gestalten können. Es braucht immer die Masse hirntoter Idioten, die mitlaufen.





Montag, 27. Dezember 2021

Un-okkultes aus dem Wassermannzeitalter

 

Die besten Ergebnisse erziele ich stets,
solange ich meine, die Sache nicht richtig,
nicht vollständig zu beherrschen. 

Sobald eine innere Stimme mir flüstert,
ich könne eine Sache ziemlich gut,
sobald Routine und Selbstsicherheit sich etablieren,
ist der Zenit überschritten.

Zeit zum Loslassen. 



aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XII: Erkenntnisse; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 149.




(stark verändert via wiki commons)
Tja, Freunde, so macht man das im Wassermannzeitalter ... !






Samstag, 25. Dezember 2021

Was wir brauchen

Interessante These eines angehenden evangelen Religionspädagogen: "Was auf Social Media nicht stattfindet, gibt es auch nicht". Wer seinen Berger/Luckmann mit Verstand gelesen hat, wird zustimmen, dass Wirklichkeit ein gesellschaftliches Konstrukt ist und dass - heute und, so steht zu befürchten, in alle Zukunft - die sogenannten "sozialen Medien" von Mächtigen, Macht-geilen und Möchtegern-Machthabern auf's Aller-erbärmlichste prostituiert werden, um dieses Konstrukt den je eigenen Perversionen zu Willen zu machen. 

Naheliegend und richtig ist da der Gedanke, dass "die Guten", die Verfechter von Solidarität, Mitgefühl, Vernunft, Verantwortung, Toleranz, der FDGO usw., gegenhalten müssen. Und wenn es auch nur mithilfe eines bescheidenen, viel zu textlastigen Weblogs wie diesem hier geschieht ...    

Aber. Mögen sich die Menschen des Wortes und der Schrift ¹ vor ihrer ewigen Hybris hüten, ihre Texte oder Videos oder Bilder an sich würden, wenn sie denn hinreichend schlüssige Argumente aufführen, im sinnzerfetzenden Getöse sozialer Medien überhaupt wahrgenommen, geschweige denn verstanden, geschweige denn kluge Verhaltensänderungen initiieren.    

Was wir brauchen sind nicht Religionspädagogik-Studierende mit - hach - so pseudo-ausgeflippten Social-media-Ideen. Stattdessen brauchen wir immer wiederkehrende Beweise,  

  • dass religiöse und politische Fundamentalisten grundsätzlich krankhaft machtgeile alte Männer sind, die noch nie etwas anderes erreicht haben, als Massen von Menschen aufeinander zu hetzen und so ins Unglück zu stürzen,
  • dass die Logik eines endlos sich beschleunigenden Wirtschaftswachstums keine Logik ist,
  • dass "die Guten" (s.o) grundsätzlich einfach viel cooler und sympathischer sind als die Arschlöcher und ihre Mitläufer-Idioten. 




(stark verändert via wiki commons)
Derzeit meine Lieblings-Band: Sparks



¹ Ich meine damit Leute, die lesen und schreiben können - so richtig! Also so, dass sie Texte sinnentnehmend lesen können, dass sie mit dem entnommenen Sinn kognitiv operieren können und dass sie schließlich die Ergebnisse dieser Kognition, auch wenn sie komplex sind, wiederum verschriftlichen können. 







Mittwoch, 22. Dezember 2021

Wishful thinking


Wie gut es mir doch gelingt,
Berufliches und diesen Blog
messerscharf voneinander zu trennen.

Wie angenehm es doch wäre, wenn Andere
diesen Blog und Berufliches
ebenso zu trennen wüssten. 





(1917, via wiki commons)







Freitag, 10. Dezember 2021

Antwort an A.L.

 

Das Eigentliche des Lebens:

  1. Begegnung
  2. Kreative Tätigkeit
  3. Fliegerei


Das Un-eigentliche des Lebens:

  1. Verpflichtungen
  2. Verwaltungs-Scheiß
  3. Dümmliche Zerstreuung

Den Unterschied erkennt man daran, dass das Eine Kraft bringt, das Andere Kraft vergeudet. Das Eine fühlt sich gut an, das Andere schlecht.

Höchste Zeit, Un-Eigentliches konsequent zurückzuschneiden.
















Mittwoch, 8. Dezember 2021

Koan des digitalen Unterrichtens


Ich kaufe tausend Pinsel
und tausend Farben
und habe doch keine Mona Lisa.

Ich kaufe tausend Tablets
und tausend Apps
und habe doch keine Digitalisierung.



Guckstu!





Mittwoch, 1. Dezember 2021

Gedanken während einer Wurzelbehandlung


Warum haben wir nicht diese äußerst robusten, überaus praktischen Kauleisten, mit denen der Papageifisch sein ganzes Leben lang Kalksteine zerkleinern kann? DAS nennte ich "Evolution"!


(verändert via wiki commons)

Diesen Artikel widme ich all' den lieben Menschen,
die mir die Daumen gedrückt haben!







Dienstag, 30. November 2021

Ontologische Interdependenz


Wie Berge ohne Täler keine Berge wären
und Täler ohne Berge keine Täler,
so wäre das machtgeile Arschloch
ohne Schleimer, Mitläufer, Mittäter und desinteressierte Ignoranten,
einfach nur ein Arschloch.


Lao-Tse; aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band III: Vermischtes; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 47. 





Definition freier kultureller Werke





Freitag, 26. November 2021

Erst zynisch, dann pathetisch

Ich lese, in der chilenischen Atacama-Wüste gibt es mittlerweile wilde Deponien für Textilien, die auf dem globalen Markt für Gebraucht-Textilien nicht weiter zu verramschen sind und die ein zunehmendes Umwelt- und Entsorgungs-Problem darstellen.

Nun weiß ich, warum es sich neulich schon so ein bisschen komisch anfühlte, als ich mehrere Säcke mit Altkleidern in die Sammel-Container versenkte. Dass ich damit möglicherweise die Textilproduktion in Drittwelt-Staaten¹ torpediere, war mir teil-bewusst, aber ich dachte, es würde der Großteil der in Europa "gespendeten" Klamotten ohnehin geschreddert und als Dämmstoff oder Putzwolle wiederauferstehen. 

In meiner Kindheit pflog ich sogar noch die dümmlich-naiv-arrogante Illusion, die abgelegten Klamotten, die man hier spendete, würden einem armen, bedürftigen, minderbemittelten Menschen irgendwo auf diesem Planeten das selige Leuchten dankbarer Freude in die trauer-trüben Augen zaubern ... 

Stattdessen muss ich nun feststellen, dass ich mit jedem Altkleider-Sack zum immer größeren Umwelt-Drecksack mutiere.

Je länger ich drüber nachdenke, desto zynischer die Gedanken: Wenn wir ohnehin einen so immensen globalen Textilüberschuss haben, warum sollte ich dann bedauern, dass die Drittwelt-Textilindustrie durch europäische Gebrauchtkleider abgewürgt wird? Sollen wir uns etwa mit Kleider-Recycling zurückhalten, damit die Menschen dort in Ruhe die grauenhaft falschen Pfade nachlaufen, die wir vorgetrampelt haben?  

Oder kommen die Leute "da unten" irgendwann selbst auf den Bolzen, dass mit Textilien keine Kohle mehr zu machen ist? Vielleicht ginge noch was im Ethno-Bereich? Ach nee, da hat man sich ja durch die angepisste Diskussion um die kulturelle Aneignung selbst in den Fuß geschossen. Ich werde mir doch keinen kuscheligen peruanischen Alpaka-Poncho und keinen superpraktischen, superleichten chinesischen Strohhut mehr kaufen, wenn ich mich damit dem Verdacht aussetze, ich würde eine ohnehin gebeutelte Minderheit "sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch" (s.o.) immer weiter in den Senf drücken ². 

Das ist alles so anstrengend! Es werden die Sachverhalte - wenn man anfängt drüber nachzudenken - alle so complicado, so unübersichtlich! Und es werden die Menschen - wenn man anfängt drüber nachzudenken - so deprimierend dämlich oder so psychopathisch egomanisch oder beides. 

Was bleibt?

Nur das eigene Denken und Handeln.

Kaufe keine Klamotten mehr. Nie wieder. Oder nur noch solche, die Du witterungsbedingt absolut benötigst, aber nicht hast. 

Leider kein Scherz: Nur Du kannst die Welt retten.



(via nasa.gov)



¹ Nein ich mag den Begriff "Drittwelt" auch nicht wirklich. Er klingt zu sehr nach "drittklassig". Aber mir ist kein politisch korrekter Alternativ-Begriff bekannt. "In-der-Industrialisieurng-herausgeforderter-Staat" evoziert auch ganz was Falsches.

² Moment mal: "militärisch"? Echt jetzt?






Samstag, 20. November 2021

P.s willige Follower

Ich find's ja ganz wacker vom Deutschlandfunk, dass er auch mal AfDler zu Wort kommen lässt. Ich hoffe ja, dies geschieht nur um des heiligen Proporz' Willen und nicht etwa, weil in der Redaktion Nazis sitzen. Aber, liebe Deutschlandfunk-Redaktion, das mit dem Proporz tut gar nicht not, denn die AfD hat ja ihren eigenen wohlgepamperten, hyperaktiven Medienkonzern, nämlich Putins persönliches Propaganda-Programm "Russia today Deutsch". 

Verlinken werde ich das nicht, dazu ist's zu peinlich. Aber wenn die*der geneigte Leser*in den Brechreiz sich zu überwinden traut, prüfe sie*er bitte eigenhändig folgende Hypothese:

Was "Russia today Deutsch" heute titelt, ist spätestens (!) 48 Stunden später Medienbotschaft der AfD.

Diskutiert nicht mit mir. Probiert es einfach aus. 


(verändert via wiki commons)
Nazis pampern ist vielleicht nicht immer so eine ganz gute Idee.


Ich verstehe ja, dass die Russen sich von uns bedroht, zumindest verarscht fühlen. Immerhin ist ihnen bei 2+4 versprochen worden, die doitsche Wiedervereinigung werde nicht dazu führen, die NATO-Grenzen Richtung Moskau vorzuschieben und nun schaut mal, was seitdem passiert ist... 

Was ich aber nicht verstehe, ist, warum Putin, wenn er Freiheit und, naja, irgendwiewas Sozialistisches vor dem US-Imperialismus-Kapitalismus retten will, dazu ausgerechnet Nazis vor seinen Karren spannt. Warum pampert Putin, ein ausgewiesener Profi in Sachen Geheimdienst, Macht, Machterhalt, Infiltration etc. etc - warum pampert so einer solche politischen Waschlappen wie Corona-Leugner, Impfgegner, Q-Anons, Querdenker, Spießer, Spinner und Faschos?

Dahinter steckt gewiss ein ganz, ganz ausgebuffter Plan. Und weil ich zu blöd bin, den zu durchschauen, kommt mir das Ganze total idiotisch vor und "RT Deutsch" ist drum für mich der peinlichste Ort im Internet. Die Peinlichkeit wird eigentlich nur noch von der AfD plus ihren Verschwörungs-Knallköppen getoppt.  







Ganzheitlich prügeln

Nicht, dass der alte weiße Mann nicht all' die ethische Prügel verdiente, die er einstecken muss. Als kolonialistischer Unterdrücker, als kapitalistisch-imperialistischer Ausbeuter, als rücksichtslose globale Umweltsau, als Rassist und Sexist und, und, und.  

Aber.

Bei der sorgfältigen Lektüre des "Atlas der Versklavung", der aktuellen Beilage der "Monde diplomatique", befiel mich der Gedanke, das absolut berechtigte "White-man-bashing" verstellt auch den Blick auf die Verantwortlichkeiten nicht-weißer Täter und ihrer Hintermänner und Anstifter. Die Versklavung, das Einfangen und Weiterverkaufen von Menschen, haben die Europäer nicht erfunden. Sie fanden die Kulturtechnik allüberall in voller Blüte, betrieben das eigentliche Einfangen auch nicht selbst, sondern kauften immer nur von den jeweils einheimischen Sklavenhändlern. (Allerdings, und das ist ein berechtigter Vorwurf, gaben sie der Sache damit eine ganz grauenhafte neue Dimension.)

Ähnlich Umweltkatastrophen. Natürlich bin auch ich mitverantwortlich für die riesigen Plastik-Müllinseln im Pazifik. Aber ich schwöre heilige Eide, dass ich noch nie eine Plastiktüte in einen Fluss, in die Nordsee oder gar den Pazifik geschmissen habe. Klar, wir wissen: Irgendwelche Machthaber verdienen furchtbar viel Geld mit Müllimporten, jauchen den Mist schlicht ins Meer, pampern mit der Kohle sich und ihren Clan und lassen die sozialen Katastrophen in ihrem Land bestenfalls von  internationalen Hilfsorganisationen bearbeiten.

Versteht mich nicht falsch: Ich, alter weißer Mann, versuche, mir meiner Verantwortung immer bewusster zu werden und ich versuche dementsprechende Verhaltensänderungen. Da gibt's reichlich zu tun, und davon darf und kann man nicht ablenken. Aber ich fänd's herrlich, auch mal davon zu hören, dass die Pottsäue of any color and any kind, die sich immer noch vor Ort den Arsch vergolden, indem sie das eigentliche Verbrechen operativ umsetzen, geschasst werden.



(verändert via wiki commons)
Ich war's nicht! Ich schwör'!






Mittwoch, 17. November 2021

Der Kosmos hinter dem Display

Habe gerade meinen ersten eigenen Taschenrechner wiedergefunden, einen "Canon Palmtronic LD-8M 2", der  1975 marktreif wurde. 



Was für ein mystisches Erlebnis, eine komplizierte Berechnung einzugeben, die "="-Taste zu drücken, und dann - bammsdi - das Ergebnis ablesen zu können. Die Leuchtziffern schweben, recht klein, in einem Display, das schwach erahnen lässt, dass hinter diesen rasend schnell dahinprojizierten Zahlen ein unglaublich komplexer Kosmos, ein tiefes, dunkles, für uns unergründbares Universum von High-Tech-Elementen in einem göttlich-genialen System wirkt. Fast komme ich mir schäbig vor, dieses Gerät einzusetzen, nur, weil ich selbst zu blöd, zu faul und zu unkonzentriert zum Kopfrechnen bin.

Vergleichen wir mit aktuellen Designs:



Da ist nichts mehr von Tiefe. Da ist nur noch Oberflächlichkeit, nur noch Oberfläche, nur noch Flachheit. Es hat mal Zeiten gegeben, da benutzten wir das Wort "App" als Schimpfwort, um diese kleinen, dummen Billigheimer gegen die richtigen, die professionellen Programme für Ernstzunehmendes abzugrenzen.

Vorbei, unwiederbringlich vorbei, die Kultur der Schnellficker hat den Planeten erobert und gibt ihn nicht wieder her.



 


Sonntag, 14. November 2021

Geiles¹ Gefühl!

Stell' Dir vor, Du läufst tagelang mit einem furchtbar schlechten Gewissen rum, weil im smalltalk mit Kolleg*innen sich herausstellt, Du hast Deinen Deutsch-Leistungskurs den falschen, den nicht abiturrelevanten Text bearbeiten lassen. Stell' Dir weiterhin vor, dass Du, als Du den Sachverhalt später eingehend prüfst, feststellst, dass Du gar keinen Fehler gemacht hast, sondern dass im Gegenteil alles großartig, tippitoppi und in bester Ordnung ist. 

Ganz abgesehen von der ewig orgasmischen Befriedigung des "Ich-habe-Recht-und-Ihr-nicht!": Was für ein herrliches Gefühl der Erleichterung, welche Euphorie! Fast (!) möchte ich behaupten, die zwei Tage der Niedergedrücktheit seien ein fairer Preis für den Dopamin-Serotonin-Flash, den ich gerade erlebe ...




(Klimt: Wasserschlangen II; 1907; via wiki commons)







¹ "geil" vgl. ahd: "gei" (> goh) = "besonders dicht und grün bewachsenes Wiesenstück"; altnord.: "geilgr"="schön"; gotisch: "gailjan"="erfreulich". All die sexuellen Konnotierungen kommen erst später hinzu - und gehen seit Jahren durch die übermäßige Verwendung des Wortes auch stickum wieder unter. "Geil" bekommt seine ursprüngliche Bedeutung wieder zurück. Gut so!




Freitag, 5. November 2021

Wieso bei 60?

Zwar habe ich noch ein paar wenige Monate Zeit, aber die Zahl 60 kommt mit der gnadenlosen Brutalität eines Dampfhammers auf mich zu. Vor einem angriffslustigen Dampfhammer könnte man sich verstecken oder wegducken, vor der Mathematik leider nicht. Am meisten erstaunt mich meine eigene Reaktion, hatte ich doch in meinem gesamten bisherigen Leben niemals (!) ein Problem mit meinem Alter, auch nicht an "runden" Geburtstagen. 

Und es ist auch nicht, dass ich das Gefühl habe oder hatte, irgendwas verpasst zu haben¹. Würde ich itzt auf einer Bananenschale ausrutschen und mir glücklich (d.h. schnell und final) das Genick brechen, ich wär's zufrieden. Evolutionsbiologisch sind wir für 40 Jahre ausgelegt, d.h. ich bin schon 50 % drüber oder andersrum: Ein Drittel meines Lebens ist ohnehin schon Bonus-Material. Bereits zwei Mal (mindestens) hat nur die moderne Medizin dafür gesorgt, dass ich dieses Bonus' überhaupt teilhaftig werde.   

Wie ich neulich schon andeutete: Ich bin Lichtjahre davon entfernt, mich zu beklagen. 

Längeres Nachdenken führte zu folgender Erkenntnis: Die von mir so empfundene gnadenlose Brutalität des metaphorischen Dampfhammers erzeuge ich selbst. Ich bin einfach geistig zurückgeblieben. Irgendwann, Anfang, Mitte oder Ende 20, ging's im Kern meines Wesens nicht mehr weiter: Ein bisschen neugierig, ein bisschen unsicher, ein bisschen verpeilt, nicht un-fleißig, nicht un-nett, aber mit reichlich Sozialisationsmüll auf dem Buckel ... 

So habe ich sozial unauffällig vor mich hingelebt und natürlich viel gelernt, oh ja, aber im tiefsten Innern blieb immer so eine abgespeckte Spar-Version faust'schen Erkenntnisdranges richtungsweisend, so eine stets unsichere, besser: offene Neugier auf Menschen und Dinge. Genau das ist aber ein Attribut von Jugendlichkeit², und deshalb habe ich eigentlich nie das Gefühl entwickelt, ein "Erwachsener" zu sein oder jemals zu werden. 

Erstaunen und Verunsicherung verspüre ich jedes Mal, wenn mir im Rahmen menschlicher Begegnung eine durch und durch positiv gemeinte Seniorität zugewiesen wird. Kommt zum Glück nicht allzuoft vor. Im Job regel' ich das ziemlich flott mit dem Credo: "Ja, ich mach' das hier schon seit über 30 Jahren, und ich mache das gut, und es wäre erbärmlich, wenn ich in so langer Zeit keine überaus brauchbaren Erfahrungen gesammelt hätte. Aber Du kommst frisch aus der Ausbildung, bringst Engagement, aktuelles Wissen und Zugriff auf den dernier cri der Theoriebildung mit. Let's work together."

Andere Zuweisungen stoßen mir übler auf: Beispiel: Als die Nazis Ende 44 in größter Verzweiflung  den sogenannten "Volkssturm" gründeten, das allerletzte Häufchen militärischen Reserve-Elends, war die Altersgrenze: 16 bis 60. Ab 60, lerne ich, bist Du so ein Wrack, da nehmen Dich nicht mal mehr die Nazis zum Verheizen³. Alte Leute ab 60 sollen sich Corona-boosten lassen. Ab 60 dies, ab 60 das. Nur Arbeiten geht heutzutage offenbar bis 67, immerhin... 

Was wollte ich jetzt sagen? Ach ja: Der oben erwähnte metaphorische Dampfhammer, das ist meine selbstgemachte Befürchtung, dass die Differenz zwischen: "Man ist so alt wie man sich fühlt." einerseits und der gesellschaftlichen Rollenzuweisung an die Zahl 60 andererseits mir in Zukunft mehr Probleme bereiten könnte als bisher. Scheißdreck.

Hoffnungen und Ängste sind gefährliche Illusionen. 

Lao-Tse



(stark verändert via wiki commons)



¹ Nagut: Sex. Ich glaube, es hätte in meinem bisherigen Leben jede Menge mehr Sex geben können (und ich erwarte noch viel für die Zukunft). Allerdings glaube ich auch, dass das buchstäblich JEDE*r glaubt und hofft. Diese never-ending Sexsucht, so wird vermutet, ist sprichwörtlich Teil unserer DNA. Die Aussage "Ich hätte gerne mehr Sex, VIEL mehr Sex!" sollte deshalb in der (Zwischen-)Bilanz eines Lebens in einer anderen Kategorie behandelt werden, als z.B. die Aussage "Hach, da ich nun bald sterben muss, wünschte ich mir doch, ich hätte mich intensiver dem Klavierspiel gewidmet!" oder "Verdammt, ich war nie in Feuerland, immer war das Wetter zu schlecht!"

² Das ist natürlich eine idealisierte Zuschreibung, wie wir alle wissen. Es gibt 15-jährige, die sind so fertig, so un-neugierig und spießig, dass außer Stoffwechseln keine weiteren Lebensäußerungen mehr zu erwarten sind.  

³ Bitte nicht falsch verstehen! Ich will mich nicht beklagen. Es ist nur diese scharfe Trennung "alt" vs. "zu alt", die mich irritiert.



Mittwoch, 3. November 2021

Wahrer Konservativismus

Habe spontan einen - wie soll man das nennen? Heimatführer? Ein Heimatbuch? - von Ostfriesland gekauft, Helmke: Das östliche Friesenland, Wittmund, 2021. Dachte, nettes Geschenk für Leute, die zwar mich kennen, nicht jedoch die Gegend, in der ich lebe. Das Buch entspricht nicht den Hoffnungen, die ich in es setzte. Es tümelt zu viel, und die Tümelei ist mehr oder weniger austauschbar mit jeder ländlichen Region Mitteleuropas. Zwar differiert, was da im Einzelnen tümelt, nicht aber das Tümeln an sich.

Am meisten stört mich der nur schlecht kaschierte Stolz des Schreibers bei der sich ständig wiederholenden Aussage, der ostfriesische Bauer sei nun mal recht(s) konservativ. Erstens waren Landkreis Wittmund und der größere Teil Ostfrieslands bei der Bundestagswahl stramme Sozen-Hochburgen, zweitens bin ich selbst stock-konservativ und wünsche nicht, mit den dümmstmöglichen Spießern unter den Bauern dieser Region in einen Topf geworden zu werden. Zumal die absolute Mehrheit der mir bekannten ostfriesischen Bauern das völlige Gegenteil von dümmlichem Spießertum repräsentiert und ergo nicht konservativ im Sinne o.g. Lektüre ist.

Und da die künftige Ex-Regierungspartei Doitschlands aktuell und aus gutem Anlass darüber nachdenken muss, was "konservativ" eigentlich bedeutet, hier ein wenig Nachhilfe:

Lat. "conservare" heißt "bewahren". Diese Übersetzung erklärt alles, denn bewahren kann man alles, was es je gab, und folglich erklärt sie nichts, denn Syphilis, Hexenverbrennungen und ein Leben als Jäger und Sammlerinnen beispielsweise werden mehrheitlich nicht zurückgewünscht. Die Selbstaussage konservativ zu sein, also bewahren zu wollen, ergibt nur dann Sinn, wenn man spezifiziert, was man für bewahrenswert hält. In meinem Fall wären das die Gedanken 

"Die Starken müssen die Schwachen schützen, die Schwachen müssen sich bemühen, und gemeinsam müssen sie eine für Menschen auch in Zukunft lebenswerte Umwelt garantieren. Und die FDGO. Und: Worauf  Du ein Preisschild kleben kannst, ist nichts wert."

Diese Gedanken sind zwar nie konsequent umgesetzt worden, aber sie sind uralt und mein Konservatismus besteht darin, dass ich es für absolut nötig halte, sie zu bewahren. 

Dagegen steht das Gedankenmodell

"Scheiß auf das Althergebrachte! Du darfst und musst ALLES tun, was Dein krankhaft egomanisch-machtgeiles Hirn Dir eingibt, um mehr und immer mehr Macht über Menschen zu gewinnen. Skrupel zeigen nur Deine Schwäche. Der ausschließliche Erfolgsparameter ist Dein persönlicher finanzieller Profit. Worauf  Du KEIN Preisschild kleben kannst, ist nichts wert.Dieses Modell ist absolut fortschrittlich, denn es bewahrt gar nichts. Lustigerweise entspricht es in unserer politischen Gegenwart dem Axiom jener Parteien, die sich als konservativ verstanden wissen wollen. Was für eine Paradoxie! Es sei denn, man argumentiert: "Menschen waren immer schon  dumme, egoistische Arschlöcher, und daran wollen wir, die wir uns Konservative nennen, nichts ändern." 

Manche Definitionen sind gar nicht so einfach, wie es anfangs scheint. Und wo steht da nun der ostfriesische Bauer oder der bayrische oder hessische oder meck-pommige? Die meisten sind klug und stehen auf der richtigen Seite. Die anderen würde ich nach o.g. Definition gar nicht als konservativ bezeichnen. Die sind einfach nur so strunzendumm, dass sie ihre totale Unfähigkeit, einen neuen Gedanken zu denken, zum politischen Konservativismus hochpimpen. Es gibt einen bestimmten Grad von Strunzendummheit, da kippt die Selbstwahrnehmung, und die Betroffenen entwickeln großen Stolz ob ihrer intellektuellen Immobilität (Beispiele: "Mia san mia!" oder eben, wie bei Helmke, das Hohelied auf den konservativen ostfriesischen Bauern.)  

In diesem Stadium sielen sich die Strunzen in einem Sumpf satter Selbstzufriedenheit und sind für äußere Ansprache nicht mehr erreichbar.     




(verändert via wiki commons; Grace Slick, Woodstock 1969)

Merke: Coole Nicht-Spießer sehen und erleben schönere Dinge.







Samstag, 30. Oktober 2021

Mehr Kreativität gefordert!

BÄMM! Nehmt dies, ihr miesepetrigen, spießigen, fachidiotischen Langweiler-Lehrer*innen, die ihr eure Schüler*innen gerade in den Kernfächern zu "zweitklassigen Robotern" abrichtet! Jetzt hat Euch der OECD-Bildungsdirektor aber mal so richtig die Wahrheit um die Ohren gehauen, links und rechts und links und rechts und immer wieder! Kre-a-ti-ver sollt Ihr sein, ihr popligen PISA-Loser! Kreativer, bunter, interdisziplinärer, toleranter muss euer Unterricht werden, eine internationale Studie hat's bewiesen!

Nun denn!

Ich will hier nicht wiederholen, dass die OECD ein internationaler Zusammenschluss selbsternannter und andernfalls arbeitsloser Pseudo-Expert*innen ist, der keinen Auftrag hat, außer, im eigenen oder gutbezahlten Fremdinteresse Meinungen rauszuhauen.

Stattdessen möchte ich den Blick auf die zugrundeliegende Studie lenken, eine *.pdf-Datei, die man für 40,00 $, wahlweise aber auch gratis von der OECD-Seite herunterladen kann. Die darin geschilderte Forschungsmethode ist interessant: 3.000 Schüler*innen, Lehrer*innen, Eltern und Schulleiter*innen aus 10 Städten weltweit haben Fragebögen ausgefüllt. Zitat S. 41 ff: 

  • "For each sampled student, parents or legal guardians were asked to participate in the survey by filling out a contextual questionnaire and reporting on their children’s social and emotional skills." 

Ein Glück, dass Eltern bzw. und Betreuer*innen weltweit eine identische Definition von "children’s social and emotional skills" haben. Sonst wäre das ja gar nicht vergleichbar. 

  • "For each sampled student, the teacher that knows the student best or with whom the student has spent the most time was selected. These teachers were asked to fill out the teacher contextual questionnaire as well as to report on the social and emotional skills for each of the assigned students."

Auch hier bin ich heilfroh, dass diese Dinge weltweit absolut vergleichbar sind. Nicht auszudenken, welche Konsequenzen es hätte, wenn ein Lehrer in Istanbul, wo die Prügelstrafe noch angewendet wird, für social and emotional skills for each of the assigned students andere Maßstäbe anlegte, als ein*e deutsche*r Lehrer*in. Ach nee, deutsche Schulen sind ja gar nicht dabei.

  • "For each sampled school, school principals were asked to fill out the contextual questionnaire for school principals."

Finde ich wichtig. Ganz wichtig finde ich das. So ein Schulleiter redet immer gerne ganz offen über Drogenprobleme an seiner Schule, über Mobbing, Missbrauch, finanzielle und personelle Kürzungen usw. Gerade bei schriftlichen Interviews in internationalen Studien, PISA ist ja auch eine OECD-Erfindung, outen die Schulleiter*innen sich ganz als kritische, ehrliche Seelen.

"Participating cities

The following 10 cities from 9 countries participated in the first round of the survey:

• Bogotá, Colombia

• Daegu, South Korea

• Helsinki, Finland

• Houston, Texas, United States

• Istanbul, Turkey

• Manizales, Colombia

• Moscow, Russian Federation

• Ottawa, Ontario, Canada

• Sintra, Portugal

• Suzhou, People’s Republic of China"

Ende der Liste und des Zitats. Zehn Schulen, zwei davon in Kolumbien, dann Süd-Korea, Türkei, Texas, Moskau, Canada und die Volksrepublik China. Wenn überhaupt, dann wären die Schulsysteme von Finland und Portugal irgendwie (!!!) mit unserem vergleichbar. 

Dann: 3.000 Probant*innen, Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen, lassen wir die zehn Schulleiter*innen mal unberücksichtigt. Wenn ich pro Schüler*in jeweils auch die Eltern und Lehrer*innen befrage, spreche ich also insgesamt über 1.000 Fälle. An zehn Schulen. Also 100 Fälle pro Schule. An meiner Schule gibt es roundabout 1.300 Schüler*innen, in Niedersachsen 840.000, in Deutschland 8,4 Millionen. Eine "weltweite Studie" mit 1.000 Fällen, das ist ... eine absolute Frechheit, Scharlatanerie und nichts als bandenmäßiger Betrug.

Und was ich eigentlich wissen will: 

  1. Wie kann der "Bildungsdirektor der OECD" sich nicht entblöden, auf der Basis einer so idiotischen "Studie" presse-öffentlich Forderungen an das deutsche Schulsystem zu erheben? 
  2. Und warum haut der Deutschlandfunk so einen Schwachsinn ungefiltert in die Welt?




Gestern, Flugplatz Hatten:
Nach dem erfolgreichen Umbau auf den
von der Fa. Volksschrauber
getunten Briggs&Stratton
wird geprüft und gemessen ohne Ende. 


Freitag, 29. Oktober 2021

Highway-Meditation

Wissenschaft zu verstehen ist keineswegs Eliten vorbehalten, sondern zum Verrücktwerden einfach: Jede Aussage, die sich durch ein Experiment widerlegen lässt, gilt als wahr, bis sie durch ein Experiment widerlegt wird. 

Beispielsatz: "Der Luftwiderstand steigt im Quadrat zur Geschwindigkeit."

Erläuterung: Wenn ein Fahrzeug oder Flugzeug von 50 km/h auf 100 km/h beschleunigt wird, verzweifacht sich die Geschwindigkeit. Das Quadrat von 2 ist 4. Demnach muss permanent viermal soviel Energie aufgewendet werden, um bei dieser Geschwindigkeit den Luftwiderstand zu überwinden. 

Wenn ein Fahrzeug oder Flugzeug von 50 km/h auf 150 km/h beschleunigt wird, verdreifacht sich die Geschwindigkeit. Das Quadrat von 3 ist 9. Demnach muss permanent neunmal soviel Energie aufgewendet werden, um bei dieser Geschwindigkeit den Luftwiderstand zu überwinden. 

Herrlich, oder? Wollen wir die Geschwindigkeit noch vervierfachen? Ich frage mich, was, was dabei wohl rauskommt. Naaa, weiß das wer?

Und das Allerbeste: Die Aussage ist wissenschaftlich und sie ist wahr, denn es gibt tausende Experimente, die sie bestätigen, aber kein einziges, das sie widerlegt. (Wir erinnern uns: Es würde ein einziges Experiment ausreichen, um eine wissenschaftliche Aussage zu widerlegen.) 

Was Wissenschaft so richtig, richtig schwierig macht, sind nicht die Methoden, denn die sind ganz handwerklich. Es sind auch nicht die Ergebnisse, denn die sind eigentlich immer spannend. Das Schwierige an Wissenschaft ist, was die Leute draus machen. Wir bleiben beim obengenannten Beispielsatz.

  • "Jaa, wenn man von 50 auf 100 beschleunigt, mag das stimmen, aber ich fahre eh nie 50, auch nicht innerorts. Und ob ich 80 oder 100 fahre, ist ja wohl latte, oder?"
  • "Hömma, mein Bugatti chiron, dat is sonne platte Flunder, der hat praktisch überhaupt keinen Luftwiderstand, auch nicht bei dreihunnertfuffzich, klar?!"
  • "Die Rechnung kann nicht stimmen. Wenn ich Freitachna'mittach den Firmen-Sprinter mit 180 über die Bahn prügel', dann verbraucht der nix mehr, wie mit fuffzich auffer Landstrasse. Is' echt so."
  • "Sechzehnmal soviel!!!??? Ich brauche sechzehnmal soviel Sprit, wenn ich statt 50 200 fahre? Ihr habt doch 'ne Klatsche! Das stimmt never ever ..."
  • "... und außerdem läuft der Motor ja viermal so lange, wenn Du statt 200 nur 50 fährst, das muss man dann erstmal wieder davon abziehen. Da sieht die Rechnung gleich ganz anders aus."
  • "Jetzt wollen wir doch nicht so tun, als wäre das der Weisheit letzter Schluss. Die Wissenschaftler sagen ja selbst, dass das nur eine Hypothese ist, die nur gilt, bis einer das Gegenteil beweist. Die sind sich also gar nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Es wäre unverantwortlich, für diese links-grün-versiffte Meinungsmache Arbeitsplätze in Doitschlant zu opfern." 
  • "Daniel Bernoulli war schwul / Jude / Kommunist / Neger / Frau / Illuminat / Freimaurer / katholisch / Akademiker / evangelisch / Buddhist - zutreffendes unterstreichen und weitertwittern, Mehrfachnennungen sind möglich und erwünscht."
  • "Soooo, jetzt wollen die Grünen uns also zwingen, für den Rest unseres Lebens nur noch 50 zu fahren!  Das machen die nur, weil sie neidisch auf meinen 507-PS-Audi-SUV sind. Den wollen sie mir wegnehmen, um selber damit fahren zu können! Hängt sie auf!"
  • ... to be continued ...

Diese Ideen kamen mir heute auf der Autobahn. Ich frag' mich, wieso...


(Daniel Bernoulli - verändert via wiki commons)
"Guck ihn dir doch an, den langhaarigen Bombenleger!
Von sonner Schwuchtel lass' ich mir doch nicht vorschreiben,
wie schnell ich fahren darf. Soweit kommt dat noch!"






Mittwoch, 27. Oktober 2021

Heute im Supermarkt

Ich hocke, ein Billig-Produkt in den unteren Regalebenen suchend, vor einem Supermarkt-Regal. Ein Kind schiebt einen Einkaufswagen durch den Gang auf mich zu.

Die Mutter: "Pass auf, fahr den jungen Mann nicht um!"

Ich: "Boah, so hat mich lange niemand mehr genannt."

Die Mutter: "Naja, hätte ich sagen sollen 'Fahr den alten Mann nicht um.'?"

Mir ist noch nicht ganz klar, was ich aus dieser Geschichte lernen soll, aber ich find's großartig, wenn Menschen so spontan und klug und selbstreflektiert antworten können.





(stark verändert via wiki commons)
Lao-Tse sagt:
"Haarausfall und lange Haare gehen 
gut zusammen." Das merke ich mir.




Freitag, 22. Oktober 2021

Zweiter Versuch "Über mich"

Die Selbstkundgabe, möglichst nett zu sein (s. vorangegangener Post), ist von unüberbietbarer Banalität. Darth Vader, Voldemort, Saruman, Orban, Trump, Erdogan und dieser polnische Zeterzwerg würden das Gleiche von sich behaupten, und ihre Biographien bestätigen das: Da ist viel Nettes, das aber - im Laufe der Entwicklung ein wenig fehlgeleitet - in den Resultaten ins Gegenteil kippt. Durch und durch böse Figuren wie Sauron, Hitler und der alttestamentarische Satan wirken grundsätzlich blass, fremd und ein wenig unglaubwürdig. 

Kurz: Nett-Sein ist kein Alleinstellungsmerkmal ¹. Buchstäblich jede*r nimmt das für sich in Anspruch, und folglich wäre es nicht zielführend, dies in einem potentiellen Register "Über mich" in diesem Weblog zu erwähnen. "Nett-Sein" umfasst nahezu alles und ist als Begriff daher nahezu wertlos.

Stattdessen müsste ein eventuelles Register "Über mich" jene persönlichen Eigenschaften nennen, die herangezogen werden könnten, wenn jemand die Gründe sucht, aus denen dieser seltsame Weblog so aussieht, wie er aussieht.

Also, dann mache ich doch mal ein Brainstorming und sammel die Ergebnisse an der Tafel:

  • Neugier
  • unendliches Interesse an nachgehender Selbstbeobachtung
  • das Bewusstsein, dass ich kaum anders und nix schlechter und nix besser bin, als alle meine Mitmenschen und dass wir allesamt manchmal ziemliche Idioten sind
  • die Fähigkeit, mich herzhaft über meine eigenen Unzulänglichkeiten zu amüsieren und sie gleichzeitig ernst zu nehmen
  • die Fähigkeit, meine Unzulänglichkeiten zu analysieren
  • die leider nur begrenzte Fähigkeit, meine festgestellten Unzulänglichkeiten zu beseitigen
  • die Freude an der Anstrengung, das eigene Denken durch die Mühle sprachlicher Logik zu drehen, um zu prüfen, welcher Gedanke etwas taugt und welcher nicht
  • ach ja: Und nett!

Klar soweit? Ok. Und hilft diese Nabelschau jetzt irgendwie weiter? Nein, oder?

Fazit: Es wird kein Register "Über mich" für diesen Weblog geben.



(stark verändert via wiki commons)
Und ich sach noch, Darth, sach ich noch, tu' das nich' ...!




¹ "Alleinstellungsmerkmal" ist als Begriff ohnehin ziemlich großkotzig, angesichts demnächst 8 Milliarden Menschen.




Donnerstag, 21. Oktober 2021

Erster Versuch "Über mich"

"Der Name tut nichts zur Sache" lautet ein doitsches Sprichwort. "Nennt mich Ishmael", heißt es in Moby Dick, aber das wäre hier blöd, weil ich nicht so heiße. "SG800" als nom de guerre sollte hinreichen.

Was ich, wenn ich einen Menschen neu kennenlerne, als Erstes herauszufinden versuche, ist, ob sie*er nett ist. Und deshalb stelle ich die Frage, ob ich nett bin, an den Anfang des Weblog-Registers "Über mich". Leider ist das Attribut "nett" wegen seiner scheinbaren Naivität so lange durch den Kakao gezogen worden, dass es seine ernsthafte und wichtige und schöne Bedeutung, die es in Kindertagen hatte, nahezu komplett verloren hat. 

Die Antwort lautet also notgedrungen etwas komplex: "Ja, ich bin nett in dem Sinne, dass ich mich ganz miserabel fühle, wenn ich feststelle, dass ich andere Menschen verletzt habe und ich bin nett in dem Sinne, dass ich stets versuche, derlei Verletzungen wenn irgend möglich zu vermeiden oder zu minimieren." 

Wenn ich diese Definition so lese, dann frage ich mich, was es an dem Wort "nett" eigentlich auszusetzen gibt. Leben wir in einer so abgeranzten, miesen, fiesen, desillusionierten Gesellschaft, dass Nettsein Grund zu zynischem Spott ist? Immerhin haben die Faschos es mittlerweile auch geschafft, vernunftbasiertes Handeln, Solidarität bzw. Mitgefühl und aktives Eintreten für die FDGO als "Gutmenschentum" schlechtzureden. 

Was genau ist eigentlich schlecht daran, KEIN Arschloch sein zu wollen?

Und damit bin ich deduktiv bei der ersten Aussage in der Abteilung "Über mich" angekommen:

Ich bin ein netter Gutmensch!



(verändert via wiki commons)
Wenn man genau hinschaut, erkennt man den missglückten Versuch, 
den Joint wegzuretuschieren, den Jesus sich hier gerade reintut. 
Wie lächerlich: Ohne Joint ergibt das Bild überhaupt keinen Sinn.





Montag, 18. Oktober 2021

Über mich


Neulich wies eine Bekannte mich darauf hin, eine Internetz-Präsenz wie dieser Weblog müsse ein Impressum führen, das Verantwortliche für das Machwerk nennte. Glücklicherweise konnte ich belegen, dass diese Pflicht nur für gewerbliche Sites gelte, und ich wollte meine Adresse lieber nicht internet-veröffentlichen.

Aber vielleicht, so erwiderte meine Gesprächspartnerin, interessiere die Rezipient*innen, wer hinter den Texten dieses Blogs stecke. Ich könne ja wenigstens ein Register "Über mich" einfügen. Ich wand mich, wies darauf hin, wie viele Blogs zu Stätten dümmlichster narzisstischer Selbstdarstellung verkommen seien. Außerdem sei sowohl für das ästhetische Werk als auch für die wissenschaftliche Arbeit der egolesse Stil mein höchstes Ideal. Wie ich als Einzelner denke, fühle, handle, interessiere doch keine Sau, nicht mal mich selbst. Nur wenn ein Text überindividuelle Relevanz beanspruchen darf, ist er's wert, veröffentlicht und gelesen zu werden. 

Den Vorwurf einer "als Demut verpackten Arroganz" konnte ich nur teilweise entkräften. Das hatte zwar keine negativen interpersonellen Spätfolgen, führte aber dazu, dass ich mich in der Folge auf anderen nicht-kommerziellen, textlastigen Blogs orientierte, wie deren Macher*innen mit autobiographischen Angaben umgingen. Überrascht stellte ich fest, dass die Register "Über mich" bzw. "Über uns" zum Teil durchaus lesenswerte Dinge enthielten.

Und damit gingen die Probleme los. 

Was, bitteschön, soll ich denn "über mich" schreiben - mal gesetzt, ich wolle, wennschondennschon, leidlich bei der Wahrheit bleiben? 

  • "Ich heiße Soundso, bin (ogottogott) soundso alt und bin Lehrer ...."   Ach Du Scheiße, wie langweilig und und ersetzbar ist DAS denn!?
  • "Ich heiße Soundso und bin eigentlich ganz nett ..."   Würgkotzbrech, wer will das wissen? Außerdem ist's teilweise gelogen. Es hat Szenen in meinem bisherigen Leben gegeben, da war ich unwillentlich richtig scheiße, aber so richtig richtig!
  • "Ich heiße Soundso und habe mich mein Leben lang bemüht nett zu sein, aber ich weiß, dass mir das nicht immer gelungen ist ..."   Jaaaaah! Holt einen Therapeuten! Schnell!!!

Meine Probleme bei dem Kapitel "Über mich" sind 

  • erstens, dass ich keine wirkliche Ahnung habe, wer oder was ich bin, 
  • zweitens, dass ich keine Ahnung habe, was ich von dem, was ich "über mich" zu wissen glaube, überhaupt veröffentlichen will und
  • drittens, dass ich keine Ahnung habe, ob es irgendwas "über mich" zu berichten gibt, das überindividuell relevant ist und falls ja, wie ich das erkenne bzw. vom Belanglosen unterscheide.

Die Aufgabe ist allerdings erkenntnistheoretisch interessant. Kann das Subjekt seine Existenz objektiv reflektieren? Kann das Individuum, absolut ins eigene Leben verwickelt, überindividuell relevante Erkenntnis formulieren?

Diese Fragen schreien ja geradezu nach einer Dekonstruktion dessen, was ich bislang so lapidar als Selbstbild mit mir herumgeschleppt habe, mit ein paar randständigen Zweifeln hier und da... Für einen anständigen Taoisten gehört sich's ohnehin, das Selbstbild zu schreddern. Spannende Denk-Aufgaben ergeben sich daraus.

Nun denn!




(verändert via wiki commons)
Dekonstruktion: Duchamps, 1912, Nu descendant ...



Samstag, 16. Oktober 2021

Bekennende Mörder

 "IS bekennt sich zum Anschlag auf Moschee" titelt tagesschau.de. Ich wüsste gerne, was genau in fundamental-religiös-terroristischen Bekennerschreiben steht. Die Textrecherche führt aber meist in ganz und gar unappetitliche Bereiche des Internetzes, drum lass' ich's. Schade, denn mich interessiert durchaus, wie man es begründet, 41 Menschen in einem Gotteshaus zu ermorden, während sie eine Religion ausüben, der auch die Attentäter und vor allem ihre Auftraggeber angehören. 

Haben die Jungs "Allahu akbar" gerufen, bevor sie die Bomben zündeten? Und was haben die Opfer gerufen?

Und wie ist das - so rein glaubensmäßig - wenn Täter und Opfer praktisch zeitgleich im selben Paradies ankommen? Bevor man anfangen kann, mit den versprochenen 72 Jungfrauen rumzumachen, sind da vermutlich erstmal ein paar klärende Gespräche fällig, oder? 

Sitzt Allah, in dessen Namen diese Dinge geschehen, dabei mit am Tisch? Und wenn ja, in welcher Rolle? Als Mediator ("Jungs, ich will hier oben keinen Ärger haben, also reicht Euch die Hände, vertragt Euch!")? Oder als Angeklagter (Anstiftung zu geplantem, systematischem Genozid)? Oder als Richter ("Wie bescheuert muss man eigentlich sein!? Ab in die Hölle, Ihr gottverfluchten Arschlöcher!")?

Ich. Würde. Es. Gerne. Verstehen.


(verändert via wiki commons)

Samstag, 9. Oktober 2021

Polexit

 

Längst überfällig, aber endlich ist es so weit: Polen macht sich ehrlich ¹ und tritt aus der EU aus. Tschechien, Ungarn sowie die Bundesländer Thüringen und Sachsen nutzen die Gelegenheit, sich nun auch offen zu ihrer anti-demokratischen, anti-freiheitlichen und anti-rechtsstaatlichen Grundhaltung zu bekennen und ergo aus der EU bzw. der BRD auszutreten. Ich gratuliere allen Genannten zur konsequenten Umsetzung ihrer politischen Überzeugung. An den Sondierungsgesprächen zur Gründung einer Allianz Autoritärer Nationalstaaten werden auch Vertreter ² aus Belarus', Groß-Serbien und der Türkei teilnehmen. ³

Ernsthaft: 

Wäre die EU in erster Linie ein Verbund von Staaten, die sich der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte verschrieben hätten, dann wären Polen, Tschechien, Ungarn längst raus. Ist sie aber nicht.

Die EU ist ein loser Haufen egoistischer Kleinstaaten jedweder politischer und ethischer Couleur, die alle irgendwie hoffen, aus ihrer Mitgliedschaft erheblichen finanziellen Profit zu schlagen, sei es durch direkte Subvention (z.B. Polen), sei es durch die grenzenlose Marktdurchdringung, sprich: Erschließung von Absatzmärkten und durch Lohndumping durch "Saisonkräfte" (z.B. Deutschland).

Polen und Ungarn können sich benehmen wie die Axt im Walde, weil sie genau wissen, dass deutsche Lobbyisten sie nicht gehen lassen werden.  


  

(stark verändert via wiki commons)






¹ vgl. redensarten.de

² Nein, keine weibliche Sprachform. Da geht's um Politik, das verstehen Frauen nicht.  

³ Vorauseilende Historiker:innen sprechen schon jetzt von der Phase der Entstehung eines "faschistoiden Halbmondes" von der Ostsee bis ans Mittelmeer.







Montag, 4. Oktober 2021

Jubel-Presse


Mich begeistert's: Heute wird - quasi bei mir vor der Haustür - der Welt erste Anlage zu Synthese CO₂-neutralen Kerosins feierlich angeschaltet. Irgendwann in etwa einem Jahr wird sie eine Tonne Kerosin pro Tag liefern. 

Taschenrechner in die Hand! Eine Tonne Kerosin, das sind etwa 1.250 Liter. Der weltweite Verbrauch beträgt 11.500 Liter ... pro Sekunde! Demnach wird die Anlage an einem Tag Kerosin für 0,108 Sekunden produzieren. Ein Tag hat 86.400 Sekunden.  

Mich stört nicht, dass die Anlage nicht mehr kann. Immerhin ein Anfang und so weiter. Mich stört, dass die jubelnde Journaille diesen ganz naheliegenden Dreisatz nicht auf die Kette gebracht hat. Was für einen Bärendienst hat man dem Projekt erwiesen, dass nun jede*r Interessierte selbst die ganz, ganz bittere Wahrheit herausfinden und sich betrogen und intellektuell beleidigt fühlen muss und wird. 

"Man spürt die Absicht und man ist verstimmt." (J.W.G.)



"86.400 durch 0,108 sind .... äähm ..."









Sonntag, 3. Oktober 2021

Gute Sache: Restlaufzeit


Das herbstliche Wetter schafft Zeit und Raum für allzugern Tabuisiertes. Ich finde heraus: Für (demnächst) 60-jährige Männer wie mich kalkuliert das Statistische Bundesamt eine "fernere Lebenserwartung" von 22 Jahren. Die graphische Umsetzung erleichtert das Verständnis:



 

Interessante Sache das, oder? Man verstehe mich nicht falsch: Zwar teile ich die ganz kreatürliche Angst vor einem schmerz- und leidvollen Sterbeprozess, aber der Gedanke ans Hinterher-Totsein schreckt mich ebensowenig wie die Frage, ob ich vor meiner Geburt war, und wenn ja, wo. Das Thema entzieht sich eingestandenermaßen der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode, und das bedeutet, es gibt entweder spannende Entdeckungen zu machen oder es ist das Nirwana ¹. Beides kein Grund zur Klage. 

Das barocke "Memento mori", das "Bedenke, dass Du sterblich bist!", kann eigentlich auch kein Grund zur Trübsal sein. Es ist, im Gegenteil, die Aufforderung, mit der begrenzten Ressource "Zeit" besonders sorgfältig umzugehen. Je intensiver ich drüber nachdenke, desto weniger bin ich im Stande, positive Szenarien für ewiges Leben zu fantasieren ².   

Kurz & gut: Versteht, liebe Leser*innen die Graphik da oben nicht falsch. Sie ist kein Grund zur Traurigkeit, nur eine Erklärung dafür, dass ein alter Zausel das Leben immer fröhlicher und ungehemmter genießt.   




 

¹ Dass es eine Hölle gibt, in der meine Seele ewig brennen und von Toifeln gepiesackt wird, ist eine Vorstellung, die nur den sehr kranken Hirnen sehr alter, vergrätzter, boshaft-neidischer Männer entspringen kann. Ich hoffe wirklich, dass sie in den Höllen schmoren, die sie sich zusammenfantasiert haben, um dumme Menschen gefügig zu machen. 

² Jaaa, klar, wenn's dann ans Sterben geht, wünscht man sich garantiert noch dieses oder jenes Stündchen, um dies und das zu erledigen. Genau so, wie man, wenn man kein Kohle hat, sich welche wünscht, auch, wenn man prinzipiell den Kapitalismus zurecht verdammt.   





Montag, 27. September 2021

Nach-Wahl-Beobachtung

 

Es gab mal eine Partei, die gewann bei einer Bundestagswahl 5,8 % der Wähler*innen-Stimmen hinzu und insgesamt 14,8 %. Die Böberschten dieser Partei sagten am Wahlabend ganz ehrlich und etwas zerknirscht, dass sie sich zwar über das Ergebnis freuten, aber eigentlich mehr erhofft hatten.

Dann gab es eine Partei, die verlor bei eben dieser Bundestagswahl 2,3 % der Wähler*innen-Stimmen und verschlechterte ihr Ergebnis somit auf 10,3 %. Die Böberschten dieser Partei sagten am Wahlabend, dass ein Ergebnis von MINUS 2,3 % aber eigentlich bedeute, man habe Stimmen dazugewonnen, und man sei sehr zufrieden und glücklich darüber. 




Die riesigen Vorteile einer taktischen Frontverkürzung haben die geistigen Väter letztgenannter Partei schon vor Stalingrad kennen und lieben gelernt ...



 

 






... aber irgendwie scheint mir die Analogie falsch ....


... Ah! Jetzt stimmt's! 


(alle Bilder verändert via wiki commons)



Samstag, 25. September 2021

Offener Brief an alle FFF-affinen Menschen


Ihr Lieben!

Der Kommunikationshygiene wegen sollten wir in der Klimadebatte inclusive der Frage nach der Legitimität der Schulstreiks dringend die Rollenmodelle klären.

Erstens:

  • Ihr seid jung, d.h. geistig noch nicht unrettbar festgefahren.
  • Ihr seid verhältnismäßig gut ausgebildet, gut genug jedenfalls, um die wissenschaftlichen Fakten und deren Bedeutung für Euer zukünftiges Leben zu verstehen.
  • Ihr werdet, da Ihr jung seid, unter den menschen-unwürdigen Lebensbedingungen einer zerstörten Umwelt wesentlich länger und intensiver leiden als die alten Säcke, die Euch das eingebrockt haben, die aber abgetreten sein werden, wenn es für Euch dann wirklich ungemütlich wird.

Zweitens:

  • Die derzeitigen Macht-Haber, meine Kohorte, sind (in der Summe) alt, arrogant, selbstzufrieden, faul und bequem.
  • Wir wissen zwar genau so gut wie Ihr, dass wir unseren nachfolgenden Generationen, Euch,  eine kaputte, verdreckte und sehr problematische Umwelt voller ungerechter und eigentlich völlig unnötiger Verteilungskämpfe hinterlassen werden, aber das interessiert uns offenbar nicht genug, um deshalb unseren Lebensstil ändern zu wollen oder zu können. 

Schlussfolgerung:

Fragt, Ihr FFF-Teens, bitte nie, nie wieder uns alte Säcke, ob wir mit Euren Protesten einverstanden sind! Nein, sind wir natürlich nicht - denn was für eine unfassbare Schizophrenie, was für eine hirnzerfetzende Verlogenheit würden wir damit eingestehen? Und was für eine erbärmliche Selbstaussage wäre das eurerseits: "Wir finden anthropogenen Klimawandel irgendwie nicht so gut, aber wir wollen auch keinen Ärger mit den Verantwortlichen."? Äh ... dann lasst es besser ganz, denn außer Häme, Verachtung und bestenfalls Fremdscham werdet Ihr nichts erreichen, wenn Ihr um unser Einverständnis für Eure Proteste bettelt.

Und werdet misstrauisch, wenn die Reaktion auf Eure Proteste unsererseits so moderat ausfällt, wie die derzeitige höflich-hüstelnde Kritik an den Schulstreiks. Zwar müssen Eure Methoden um jeden Preis (!!!) gewaltfrei bleiben, aber solange das Establishment nicht deutlich spürbar leidet, werden wir, die saturierten Mittelstandskrampen, nichts ändern. 

Wie das geht? Heee, das darf ich nicht verraten, ich stehe doch auf der anderen Seite ...

Na gut: Konsumverzicht, Minimalismus, Boykott. 




(verändert via wiki commons)






Sonntag, 19. September 2021

Grenzbedingungen des Netzes


"Crises" von Michael Altfeld enthält die Verse "The watcher and the tower / waiting hour / for hour", die mir partout nicht aus dem Kopf gehen wollen. Habe drum im Netz der Netze nach möglicher Bedeutung gesucht, doch bei 56.000 Treffern war da nur eine website, auf der der Meister beiläufig mit der labberig-lapidaren Aussage, er sei der "watcher" und die Musik der "tower" zitiert wird.

Ich hatte mehr erwartet. Auseinandersetzung, Diskurs, Fragehaltungen, Hypothesen, Analysen. Nichts dergleichen.  

Der Fehler liegt bei mir. Das Netz der Netze ist nicht dafür gemacht, Bedeutung zu haben oder sie zu kommunizieren. Es ist dafür gemacht, uns mit Inhalten dichtzuballern. Die intellektuelle Leistung der Auswahl und  Kontextualisierung müssen wir nach wie vor selbst erbringen. Die Folge: Durch das I-net werden die Schlauen schlauer, die Dummen dümmer und die Beeinflussbaren noch wehrloser.




"Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen 
und es klingt hohl, 
ist das allemal im Buch?"
Lichtenberg








(stark verändert via guardian.com; 19.09.2021)
Bei der allmorgendlichen Durchsicht der Online-Portale 
lasse ich aus Bequemlichkeit gerne Übersetzer mitlaufen. 
Deren Leistungen werden insgesamt (!) immer besser.









Samstag, 11. September 2021

Gedanken zur Weltherrschaft

Lese gerade die aktuelle Diplo. Lese Analysen zum desaströsen Versagen der Hegemonen im Afghanistan-Desaster, dann Analysen zum globalen Finanzmarkt, zu Diesem und zu Jenem. Was mir auffällt: Da passiert so viel Schwachsinn, so viel persönliches und institutionelles Versagen, so viel Lächerliches, Erbärmliches und Verabscheuungswürdiges. Und das Ganze ist garniert mit so viel Zufälligem und Unvorhersehbarem.

Ich kann angesichts dessen unmöglich die Grundannahme der Verschwörungstheoretiker teilen, es gäbe ein paar mega-ausgebuffte High-Potentials, die einen eiskalten, logischen Plan zur Erringung der Weltherrschaft hätten und diesen aktuell zielstrebig umsetzten und die sich Corona und Chemtrails und die irre Theorie der Kugelgestalt der Erde nur zu diesem Behufe dienstbar machten. 

Selbst wenn es so mega-ausgebuffte Menschen gäbe und selbst wenn es einen logischen und funktionablen Plan gäbe, so hinge das Gelingen des Projektes doch von einer Vielzahl von Manager*innen, Unter-Bossen, Mitläufer*innen und Desinteressierten ab - und von deren perfekten, reibungslosen und sehr, sehr diskreten Zusammenarbeit. Das klappt nicht. Sowas klappt nie! Schon wesentlich kleinere Organisationseinheiten leiden unter den Friktionen, die die Dummheit, der Egoismus oder einfach die falschverstandene Kreativität einzelner Elemente auslösen. Je komplexer die Organisation, desto zahlreicher und zerstörerischer die Friktionen. Weltherrschaft? Keine Chance!

Das allseitige Erstaunen nach dem Durchmarsch der Taliban, die Unkontrollierbarkeit regionaler Potentaten, der mit intriganten MItteln geführte Konflikt dreier Machtblöcke - mir kann niemand weismachen, all das sei Teil eines Plans, "global governance" zu implementieren. 

Neulich habe ich mich noch von der nahezu unfassbaren Vernetzung der globalen Finanzgiganten Blackrock und Vanguard beeindrucken lassen, hatte gedacht, wenn irgendwo eine geheime Weltregierung entstünde, dann dort. Inzwischen habe ich ein wenig recherchiert, und, ja, B + V stecken mit Anteilen in allen wichtigen Konzernen dieses Planeten. Es ist irrsinnig, beeindruckend, scheinbar paradox und sehr beängstigend. Aber ganz am Ende sind sowohl B als auch V nur Ergebnis der natürlichen Selektion in einem künstlichen Ökosystem, das die maximale, grenzenlose, bedingungslose Gier zum alleinigen Selektionsmerkmal erhoben hat. 

Trotz der perversen Macht, die B + V zweifellos haben, stehen sie dennoch unter Druck. Ich bezweifle, dass es in der dortigen Hierarchie jemanden gibt, die*der sich entspannt zurücklehnen kann, in dem Bewusstsein, den auf diesem Planeten maximal vorstellbaren Management-Macht-Posten nun erreicht zu haben. Ich glaube auch nicht, dass da jemand genug Freiraum hat, Bedingungen zu schaffen, sich zum Massa-Bokassa-Emperor-of-the-world-for-life krönen zu lassen. Vielmehr glaube ich, dass da, von ganz unten bis ganz oben, eine Heerschar ganz armer, superreicher Zombie-Würstchen ein extrem druckvolles ("bedrückendes") Leben fristen, das als menschenwürdig zu bezeichnen ich ablehnen würde. 

Vielleicht sind diese Gedanken nur der Selbst-Trost einer alten, beamteten Mittelstandskrampe aus der norddeutschen Provinz, aber wenn die eingangs erwähnten High-Potentials wirklich was auf dem Kasten haben, dann fällt denen doch mit Sicherheit etwas Schlaueres ein, als ihre Leben in so einem miesen, dreckigen Ratten-Rennen zu vergeigen, oder?



(verändert via wiki commons)
Krönung Kaiser Bokassas. Und anschließend? Ein bisschen Spaß, der bald schal wurde, dann neue Hobbies Folter, Kannibalismus, aber nichts Erfüllendes. Die Franzosen gewährten ihm Asyl. 









Sonntag, 5. September 2021

Konkrete Politik


Man weiß, bevor man für eine*n Kandidaten*in stimmt, zwar nie, was hintenrum dabei raus kommt, aber bei dem Herrn Scholz von der SPD habe auch ich das vage Gefühl, dass er der am wenigsten ungeeignete Kanzlerkandidat sein könnte. 

Aber wenn ich das richtig verstehe, müsste ich, um Scholz zu pushen, bei der Bundestagswahl SPD wählen, und das geht ja leider gar nicht, denn hier kandidiert Siemtje Möller, die im Februar 2019 leider so grottenerbärmlich instinktlos war, sich zu einem Lustflug mit dem Eurofighter des Wittmunder Geschwaders einladen zu lassen. Die Flugstunde wird aktuell mit 56.000 Euro kalkuliert, und man könnte einer angeblich sozialdemokratischen Plittikörin unterstellen, sie hätte die Fantasie, das Geld sinnbringender, eben sozialer, unterzubringen. 

Einen besonderen Haut-goût bekommt die Geschichte, wenn man sich erinnert, wieviel Kritik der damalige niedersächsische Finanzminister Möllring (CDU) einstecken musste, als er sich mit der guten alten Phantom für nur 8.000 Euro pro Stunde durch die norddeutsche Tiefebene schaukeln ließ. 

Was lernen wir? 

Macht korrumpiert. Punkt. Politiker, egal, welcher Partei, welchen Geschlechts und Alters, sind die am wenigsten geeigneten Menschen, politische Macht auszuüben. Da in einer Demokratie aber prinzipiell immer nur diejenigen zur Macht streben, die am wenigsten dazu geeignet sind, muss man ihnen mit brutalstmöglichem Misstrauen auf die Finger schauen. 

Konkret bedeutet das in diesem Fall: Frau Möller hat bezüglich ihres Faux-pas' von 2019 kein Unrechtsbewusstsein erkennen lassen. Daher ist sie erwiesenermaßen als Bundestags-Kandidatin untauglich. Daher kann ich der SPD meine Stimme nicht geben. 

Pech für Scholz. 

Zum Glück bin ich als echter Demokrat ohnehin Wechselwähler.






(verändert via wiki commons)
Nein, das ist nicht Herr Scholz.


 










Donnerstag, 2. September 2021

Prähominidales Erbe

Coronabedingt zappe ich zu viel durch die TV-Welt. Da fällt mir die zunehmende Menge an Soap-Dokus über Gold- und Opalsucher in Nordamerika und Australien auf. 

Das Narrativ ist stets identisch:

  • Die Bosse stehen unter irrsinnigem Zeitdruck.
  • Der Zeitdruck wird bruchlos an die freien Mitarbeiter*innen weitergegeben.
  • Die Bosse sind extrem profitorientiert.
  • Die Einkommen der Mitarbeiter*innen hängen direkt vom Profit der Bosse ab.
  • Die Mitarbeiter*innen haben diese Arbeitsbedingungen internalisiert, Kritik besteht nicht mal als intellektuelle Option.
  • Keinen Profit zu erzielen ist Ausdruck konkreten persönlichen Versagens und gibt direkte Auskunft über Wert, nein: den Unwert eines jeden Menschen.
  • Die Kameradschaft ist groß. Bis jemand einen Fehler macht, der profitschmälernd wirken könnte.
  • Der immense Druck, unter dem Alles steht, wird von den Investoren erzeugt, die ebenfalls ausschließlich und völlig unhinterfragt extrem profitorientiert agieren.
  • Die von den Investoren bereitgestellten Gelder werden in brutal einfache Technik gesteckt, die dazu dient, in möglichst großem Umfang Naturräume aufzureißen und zu zerstören, um sie nach Gold, Edelsteinen etc. zu durchwühlen.   
  • Die Spannung jeder Folge der Serie wird durch die Frage erzeugt, ob es der Crew gelingt, Natur so effektiv zugrunde zu richten, dass in einem schwachsinnig knapp bemessenen Zeitraum eine schwachsinnig hohe Profitsumme zu realisieren ist. 

Diese Art Serien scheinen gut zu laufen. Interessanter Befund. Vormenschen-Träume gehen immer.

 


(verändert via wiki commons)







Samstag, 28. August 2021

When I was young ...

"...
When I was young, it was more important
Pain more painful
Laughter much louder
Yeah, when I was young
When I was young
..."

E. Burdon


Beeindruckender Vers "When I was young, it was more important". Es wird nicht ausgeführt, was wichtiger ist. Das ist auch gar nicht nötig, weil, wenn man jung ist, alles als wichtig angenommen werden muss und wird. Mit zunehmendem Alter füllt sich die Welt mit Dingen, von denen die Erfahrung gezeigt hat, dass sie doch nicht so wichtig sind. Das ist einerseits gut und notwendig, weil es das Denken entlastet, andererseits schlecht, weil Neugierde und Aufmerksamkeit nachlassen und die Welt dadurch nach und nach immer grauer und langweiliger wird. 

Setzt sich dieser Prozess der Ent-Wichtigung unbegrenzt fort, bleiben schließlich nur ein paar zwischenmenschliche Kommunikations-Bedürfnisse wichtig - plus die Dinge, denen wir mit bewusstem Willensakt Bedeutung zuweisen. Bei Letzterem finden wir allzuoft Themen, die wir als typisch-traurige Rentner:innen-Beschäftigung betrachten: Garten, Stricken, Kegeln ...  

Wünschenswert: 

Irrelevantes identifizieren und ignorieren und dabei wach und neugierig bleiben, wie ein junger Drache ...