Dienstag, 31. März 2020

Gedankenspielereien


Natürlich ist es völlig widersinnig, aktuell irgendwelche verbindlichen Corona-Zukunfts-Szenarien einzufordern. Man betrachte das Dashboard von Johnny Hopkins. Man sieht, dass man nichts sieht, außer, dass sich die Kurven nicht ernsthaft abflachen, dass also das Risiko eines Belastungsbruchs der medizinischen Infrastruktur immer noch ins Haus steht.

Hinter dieser verniedlichenden technischen Metapher verbirgt sich der ethische Horror der umgekehrten Triage, der notwendigen Entscheidung, Patienten mit kritischen Symptomen nicht mehr zu behandeln und sterben zu lassen, damit weniger schwere Fälle vielleicht eine größere Chance bekommen.

Das Gerede um Ausstiegs-Szenarien aus dem shutdown mag zwar widersinnig sein, macht mich aber doch etwas nachdenklich. Wie wird das werden, wenn "die Kurve" tatsächlich so weit abgeflacht ist, dass die Kontakt-Restriktionen staatlicherseits wieder aufgehoben werden können?

Wird dann mein Dienstherr zu mir kommen und sagen: "Ey, S., wir haben jetzt wieder genug Betten auf den Intensiv-Stationen frei, Du kannst Dich mit Deinen 58, 59 Jahren wieder vor eine Klasse stellen. Zwar haben wir 1.300 Schüler*innen an dieser Schule und Du wirst Dir mit großer Wahrscheinlichkeit den SARS-Cov-2 einfangen, aber ein Bett und ein Beatmungsgerät stehen für Dich jetzt bereit. Dass Du stirbst, ist also eher unwahrscheinlich als wahrscheinlich. In jedem Fall bist Du anschließend immun, und falls Du überlebst, wirst Du Dich dann besser fühlen."?

Ich bin insgesamt gesehen recht gerne Lehrer, und jeder Gig im Klassenraum macht mir Freude, und ich vermisse die Routine und die Menschen und wünschte, diese ganze Corona-Chose wäre schnellst vorbei oder besser: nie passiert. Wenn ich in die Zukunft schaue, spüre ich derzeit noch keine corona-bedingten wirtschaftlichen Sorgen und gehöre daher - ich sage das in tiefer Demut und Dankbarkeit - zu einer privilegierten Minderheit.

Was mich im Hinblick auf meine Corona-Zukunft aber neugierig macht, ist, wie stilvoll oder weniger stilvoll meine Böberschten mir eines Tages mitteilen werden, dass das Risiko für mein kleines, unbedeutendes Leben in Relation zu meinem gesellschaftlichen Mehrwert den Faktor X oder 42 oder was auch immer erreicht habe und dass ich doch nun, bitteschön, wieder in die Bütt treten möge.

Das ist herrlich am Corona-Virus: Er fordert mathematisierbare ethische Entscheidungen.



 (Rembrandt van Rijn: Besazar; verändert via wiki commons)


Menetekel: Gezählt, gewogen und für zu leicht befunden. 

Ethik, die Lehre vom richtigen Verhalten, 
ist nicht quantifizierbar, 
man kann auch keinen Preis draufkleben. 

Aber sie ist trotzdem nicht beliebig!












Sonntag, 29. März 2020

Zahlenspielereien


Man sollte den Einwurf der Ex-MdB Lengsfeld ernst nehmen, Corona-Zahlen mit Grippe-Zahlen zu vergleichen: 25.000 Tote in 2017/18 in Deutschland versus knappe 500, Stand heute. Dass der Einwurf und die Schlussfolgerungen inhaltlich total schwachsinnig und in der Konsequenz gemeingefährlich sind, braucht hier nicht extra begründet zu werden, das ist durch namhaftere, kompetentere Leute längst hinreichend geschehen. Aber dass so ein Einwurf von populistischer Seite kommt, war erwartbar und ist ein merkenswertes Datum.

Dennoch. Mag man auch vor der böswilligen Blödheit der Vergleiche verzagen, reizvoll ist's schon, sich die Dimensionen zu vergegenwärtigen, denn man ist dann besser im Stande, die Reaktionen der Menschen ins Verhältnis zu setzen. 

Da wäre zum Beispiel die Spanische Grippe 1918/20: 25 bis 50 Millionen Todesopfer bei 500 Millionen Infizierten. Damals gab es aber auch nur weniger als 2 Milliarden Menschen. Schlimme Sache, aber in der Nachkriegszeit ging das ziemlich unter.

Attentate von 09/11: ca. 2990 Todesopfer. Wenn man sich überlegt, was für ein Bohei darum gemacht wurde ... Die Zahl sollte man sich merken, wenn es demnächst in irgendeinem Zusammenhang heißt, es seien ja "nur" 3.000 Tote. 

Auch interessant: Verkehrstote in Deutschland: 3089 in 2019. Nach immerhin über 20.000 jährlich Anfang der 1970er Jahre. Tempolimits, Gurtpflicht, Promille-Grenzen etc. wirken! Man kann also was gegen die Todesfälle tun, auch, wenn's der (Auto-)Industrie nicht gefiel!

In dem Zusammenhang: Tote bei Flugunfällen in 2019: 283 im Jahr. Bei durchschnittlich 106.000 Flügen pro Tag. Das gefährlichste beim Fliegen ist nach wie vor der Weg zum Flugplatz.

to be continued: GIYF!




  • Was die Populisten nicht verstehen: Im Falle einer Pandemie reden wir von einem DURCH VERNUNFT VERMEIDBAREN EXPONENTIELLEN WACHSTUM der Zahlen von Betroffenen und also auch der Todesfälle.
  • Was die Populisten nicht verstehen wollen: Den Teil mit der Vernunft.
  • Was die Populisten stattdessen machen: Den Leuten suggerieren, es sei ok und geradezu erwünscht, die un-vernünftige Verhaltensoption zu wählen, die so hübsch bequem ist und den Ergüssen des Stammhirns, wo sonst nur Atmen, Fressen, Saufen und Verdauen koordiniert werden, so sehr entspricht. 



(via wiki commons)
 









Mittwoch, 25. März 2020

Ein Rezept?


Ich erwische mich bei sehr merkwürdigen Gedanken: Mir gefällt es, unseren gewählten Vertreter*innen dabei zuzusehen, wie sie Macht ausüben. Wie sie ziemlich autoritär ziemlich offen ziemlich an die Grenzen der Legalität gehen, um dieser Pandemie und ihren Auswirkungen zu begegnen.

Zwar blicke ich stets kritisch darauf, zwar bin ich nicht mit allem restlos einverstanden, aber in der Summe ungewohnt positiv gestimmt. Wohlwollend sehe ich das Primat, das den medizinischen Fachleuten eingeräumt wird. Ich freue mich, dass man versucht, Gründe für Entscheidungen möglichst genau und transparent zu erklären und auch, wo Unsicherheiten und Unwägbarkeiten sind und wie man beabsichtigt, damit umzugehen.

Besonders freudig erregt bin ich ob der Tatsache, wie vollkommen abgemeldet und irrelevant die Populisten jedweder Couleur da plötzlich sind. Natürlich versuchen die Fascho-Dummbratzen, die Fundamentalisten, die psychopathen Allseits-Intoleranten ihren Mist dazwischenzublähen. Aber auf der Folie guter, kluger, ernsthafter Politik entlarvt sich taktisch gewollte Unterkomplexität selbst bei den dafür anfälligsten Idioten recht schnell.

Wenn Erwachsene ernste, drängende Probleme erörtern, ist der quengelnde Frühpubertierende mit der Karnevalströte kein gerngesehener Gast. 

Der Effekt findet globale Entsprechung. Zwar können wir nicht verstehen, warum Trump. Johnson, Bolsonaro, Duterte und Konsorten sich bislang so verhältnismäßig leicht an der Macht halten konnten, aber wer das Corona-Dashboard der John-Hopkins-Universität genau studiert, findet vielleicht Korrelationen zwischen den nationalen Fallzahlen, den Pandemie-Todesraten und der Frage, ob das jeweilige Land von einem Trump oder Mini-Trump beherrscht wird oder von einer Regierung, die nicht auf Populismus und "alternative Realitäten" setzt.

Kluges, entschlossenes, experten-basiertes Regieren, dazu selbstlose Übernahme konkreter Verantwortung (im Sinne der bewussten Inkaufnahme eventuellen Scheiterns und Übernahme ethischer Schuld und - in einer funktionierenden Demokratie - daraus resultierendem finalen Machtverlust), DAS scheint das Rezept gegen hirntote Braunbratzen zu sein.



















Montag, 23. März 2020

Ganz wichtig: Nicht vergessen!


Also, das ist ja der Gipfel der Ruchlosigkeit: Das corona-bedingte Schwächeln der doitsch-geführten Konzerne, in Sonderheit der Auto-Konzerne, soll offenbar von arabischen und / oder chinesischen Großaktionären für feindliche Übernahmen missbraucht werden! Aber da sei Gott vor, und damit meint die Autobranche sich selbst und schickt ihren all-time-unterwürfigsten Lakaien vor, den Scheuer Andy.

Und nun werden die armen, "finanziell durch die Krise geschwächte(n) Firmen", die "in Not geratene(n) Großunternehmen", die "ins Visier internationaler Investoren geraten" sind, durch Rettungsfonds der Bundesregierung, d.h. durch uns, durch jede*n Einzelne*n von uns, gepampert, bis der Arzt kommt.

Die Fragen sind bekannt:

Erstens: Welcher gemeine, brutale und und hinterlistige Lumpenhund hat unsere armen Konzerne eigentlich so vergewaltigt, dass sie gezwungen waren, weltweit und in erheblichem Rahmen Anteilsscheine zu verkaufen? Oder war da nur die kranke, unersättliche Gier der Vorstände und dann der Shareholder?

Zweitens: Ist die Kulturtechnik, Aktien zu kaufen, wenn sie billig zu haben sind, nur feindlichen - und das heißt hier offenbar ausschließlich arabischen und chinesischen - Aktionären zu eigen oder machen doitsche Institute so etwas umgekehrt etwa auch? Falls ja: Wie und warum wird das durch unsere Medien und Bundesregierung ethisch bewertet? Warum wird Geld der Solidargemeinschaft reingebuttert, um so etwas zu verhindern? Warum schützen wir global operierende Konzerne vor einer Praxis, die international anerkannt ist und die sie selbst anwenden und gutheißen?

Drittens: Leiden fremdländische Aktienunternehmen eigentlich weniger unter Corona als Mercedes und VW? Werden die Unternehmen in ärmeren Ländern von dem steuerzahlenden Teil der Bevölkerung ihres Landes auch so gepampert? Wenn nein: Wie kommen die dann klar? Besseres Management? Kann man diese Jungs und Mädels dann nicht für uns abwerben?

Viertens: Corona ist eine Pandemie, d.h., sie betrifft die ganze Welt gleichermaßen. Warum haben einige Unternehmen in einigen Ländern soviel freie Spitzen, dass sie eine feindliche Übernahme dieser nicht eben unbedeutenden Konzerne planen können? Kann es sein, dass andere trotz Corona besser wirtschaften, als Mercedes und VW? Ist Corona vielleicht gar nicht Problem? Wird hier vielleicht nur die Möglichkeit konstruiert und genutzt, mit der ganz großen Kelle Nettigkeiten zu verteilen?

Fünftens: Die Unternehmen werden doch ohnehin schon durch Rettungspakete und die Stützung ihrer Hausbanken ganz weitgehend von den Konsequenzen der Pandemie entlastet. Warum reicht das eigentlich nicht? Stehen die wirtschaftlich so grottig da? Wenn die so morsch und moderig sind, sollte man sie dann nicht besser verkaufen? Vielleicht ist eine feindliche Übernahme das beste, was passieren kann?

Letztens: Und wieso überhaupt Scheuer? Der Mann schauspielert den Verkehrsminister. Warum entblödet er sich nicht, hier aufzumucken? Als wäre nur die Auto-Industrie von Corona betroffen ...

Wir pampern die Banken, wir pampern die Auto-Konzerne, schwarze Nullen spielen plötzlich keine Rolle mehr ...  Ganz wichtig: Wir müssen uns das merken! Wir müssen jeden einzelnen Euro aufschreiben, der gerade rausgepulvert wird. Und wenn die ganze Nummer vorbei ist, dann sollen die Konzerne zurückzahlen, und dann finanzieren wir endlich mal alle Projekte, die ethisch und vernunftgemäß immer schon geboten, aber bislang angeblich nicht finanzierbar waren.

Niemals vergessen: Das Geld ist da! Viel Geld! Und es ist unser Geld, nicht das der Konzerne!



(stark verändert via I-net)



Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht mir nicht darum, die wirtschaftlichen Hilfen für corona-betroffene Menschen und Betriebe zu verdammen. Ich bin nur sehr überrascht, festzustellen, was für atemberaubende Summen da plötzlich verfügbar sind. Diese Überraschung resultiert aus der jahrzehntelangen Litanei unserer Plittikörr, solidarische, humane und umweltsichernde Projekte seien leider, leider nicht finanzierbar. Für die Zukunft wissen wir: Wenn Geld da ist, um Mercedes, VW und Banken zu retten, dann ist auch Geld für menschenwürdige Projekte da. 

Wir, die mündigen Bürger*innen dieses reichen Landes, qua Verfassung der oberste Souverän, müssen uns unseres Geldes nur wieder bemächtigen. 









Samstag, 21. März 2020

Sehr sichere Pandemie-Prognose


Gerade im aktuellen "Freitag" (12/2020) ein wunderschönes Essay von Paolo Rumiz gelesen, der seine pandemie-bedingte Klausur in Triest beschreibt und zu dem Ergebnis kommt:

"Werden wir die Lektion verstehen? Das Schlimmste kommt wahrscheinlich nach dem Virus. Wenn wir feststellen, dass alles weitergeht wie davor."

Klingt ein bisschen nach unserem 1945er Bonmot "Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich!", aber der Vergleich hinkt wohl. Nichtsdestotrotz wage ich die Vorhersage, dass wir, wenn der allergröbste Mist vorbei ist, wieder mal feststellen werden, dass es auf der einen Seite unsägliche Opfer gegeben haben wird, aber auch stille, aufopferungsvolle, ausdauernde Hilfsbereitschaft, viele individuelle Leuchtfeuer von Vernunft, Toleranz und Disziplin - und auf der anderen Seite einen kleinen Haufen skrupelloser Schurken, die die ganze Zeit über nur daran gearbeitet haben, aus dem weltweiten Leid maximales Kapital zu schlagen.

Wir werden feststellen, dass die Guten sich ihre Belohnung im Wesentlichen mal wieder werden selbst zusammenbasteln müssen ("Ich kann guten Gewissens in den Spiegel schauen / Wenigstens biste anständig geblieben..."), während die psychopathischen Egomanen unfassbar viel Kohle einfahren und damit ihre gesellschaftliche Macht und Unangreifbarkeit noch weiter zementieren.

Die, die wir jetzt als "die Guten" wahrnehmen, die Selbstlosen und Solidarischen, werden à la longue bestenfalls als nützliche Idioten, schlimmstenfalls als gesellschaftliche Loser dastehen. ("Für das mickrige Gehalt in der Pflege riskierst Du Dein Leben? Wie blöd muss man sein?!")

Bitte, bitte, lasst mich mit dieser Prognose falsch liegen!






Wie abgeranzt unsere Ethik inzwischen ist:
Man kommt sich schon blöd vor, 
wenn man irgendwas Idealistisches macht. 











Donnerstag, 19. März 2020

Heaven is a place on earth




Manche Veröffentlichungen zur Pandemie sind ein klitze-bisschen nachlässig formuliert. Die Europäische Zentralbank ergreift natürlich KEINE Maßnahmen gegen SARS-CoV-2 bzw. Covid-19. Die haben mit dem Virus überhaupt nichts zu tun, und dass Menschen krank werden, gar sterben, interessiert die EZB nur im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Unternehmensprofite.

Und überhaupt stellen sich bei genauer Betrachtung wieder diese quälenden Fragen: 

Die EZB kauft "staatliche und private Anleihen im Wert von 750 Milliarden Euro". Das heißt, jemand hat im Vorfeld staatlichen oder privaten Kunden Geld geliehen, und zwar in großem Stil. Das können ja nur Banken gewesen sein, die derartige Kredite vergeben. Diese Banken wollen die Kredite nun aber nicht mehr haben? Warum eigentlich nicht? Ist damit irgendwas faul? Was ist daran faul? Und warum kauft dann die EZB diese schimmeligen Kredite auf? Damit die Banken, die anscheinend bei der Kreditvergabe Mist gebaut haben, keine Minderung des Profits erleiden und fröhlich so weiterwirtschaften können? 

Gut, aufgrund der Corona-Pandemie sind einige Unternehmen vielleicht so betroffen, dass sie ihre Kredite nicht pünktlich zurückzahlen können. Aber wie man hörte, soll diesen Unternehmen seitens des doitschen Staates (also uns) schnell und unbürokratisch geholfen werden? Und was ist eigentlich mit den Einzelhandelskonzernen, deren Regale so schnell leergekauft werden, dass die Mitarbeiter*innen bereits völlig entnervt und entkräftet sind? Das ist doch der Traum des Einzelhandels, da müssten doch jetzt einige Firmen melden, dass die Umsätze und Profite durch die Decke gehen. Warum hört man nichts davon? Warum hört man nur Quengeln und Geldforderungen? Warum müssen die Banken nochmal zusätzlich gerettet werden?

Kapitalismus hatte ich mir immer als knallharten, brutalstmöglichen Wettbewerb vorgestellt, bei dem schon der kleinste Fehler Dich von der Platte putzt. Habe ich offenbar falsch verstanden.

Aber mal ehrlich: Sowas möchte ich auch haben. Ich mache hochriskante Geschäfte. Falls ich damit durchkomme, kassiere ich persönlich enorme Profite, aber falls etwas schief geht, gibt die EZB mir alles zurück. Das Ganze finanziert durch Steuergelder. Bei angenommenen 520 Millionen EU-Bürger*innen (incl. Neugeborene und Mega-Geronten) heißt das, wir sind pro Nase mit 1.442,31 € dabei. Eine vierköpfige Familie zahlt bis Jahresende also 5.769,23 € zusätzlich. 

Dafür könnte man natürlich auch eine Kinderbetreuung in Corona-Zeiten teil-finanzieren.  




It's you, it's you, it's all for you
Everything I do
I tell you all the time
Heaven is a place on earth where you
Tell me all the things you want to do...


















Montag, 16. März 2020

Zukunfts-Scham und Enkel-Angst


Also, ich find' ja diese Corona-Sache schon auch irgendwie großartig, dieses Gefühl, Teil von etwas Niedagewesenem, von etwas Weltumspannendem zu sein, von etwas, das sprichwörtlich alle Menschen betrifft, von etwas, zu dem sich wirklich alle Menschen ganz individuell und wir zusammen uns als Gruppe, als Nation, als Menschheit ganz konkret verhalten müssen.

Das ist ein Phänomen, das wir so deutlich und so unmittelbar kaum ein zweites Mal erleben werden. Davon können wir unseren Enkeln erzählen.

Allerdings würde ich mich tausendmal besser fühlen, wenn wir später erzählen könnten, wir hätten mit Solidarität und Hilfsbereitschaft reagiert, oder wenn wir sagen könnten, in der gemeinsamen Not hätten unerwartet Toleranz und Vernunft fröhliche Urständ gefeiert. Hand in Hand wären wir aufgestanden, um planetenweit  jenen zu helfen, die selbst dazu nicht in der Lage waren usw.

Stattdessen werden wir unsern Enkeln sagen müssen, wir hätten all' das Edle nicht getan, sondern hätten besinnungslos Toilettenpapier - Toilettenpapier !!! - gehamstert. Das sei zwar gar kein knappes Gut gewesen, aber weil irgendwer angefangen hat, es zu hamstern, hätten die anderen befürchtet, dass es knapp werden könnte, man wisse doch, was für Idioten die Mitmenschen seien, und dann haben alle gedacht, wenn alle Anderen  idiotisch-egoistisch agieren, möchte ich später nicht drunter leiden, und deshalb benehme ich mich auch wie ein Idiot, ist doch logisch! 

...

Gute Güte, ich habe Scheiß-Angst vor diesen Enkel-Gesprächen ...!




Heute im Supermarkt ...

Ja, ich war heute auch einkaufen, aber ich WOLLTE auch gar kein Toilettenpapier kaufen. Ich habe noch über 20 Rollen, was für einen Single-Haushalt völlig hinreichend ist, und ich weiß, wo noch 48 weitere Rollen liegen. Tjahaa! Du kannst mich jetzt natürlich umbringen, aber dann erfährst Du NIE, wo der Schatz ist, HARRRHARRHARRR!







Samstag, 14. März 2020

Gefühltes Problem


Verdammt ...!

Verdammt, verdammt, verdammt! Ich habe soeben festgestellt, dass ich bei all' meiner sorgfältigen  Corona-Prepperei vergessen habe, Kaffee-Pads zu kaufen. Wenn ich meine übliche Tages-Ration nicht einschränke, bin ich in neun Tagen am Ende. Neun Tage, das ist sehr knapp. Und normale Geschäfte werden längst ausgeplündert sein.

Mit Glück, mit sehr viel Glück, finde ich vielleicht in der Ödnis einen Handelsposten, bei dem ich Kaffee-Pads gegen die härteste Währung dieses lebensfeindlichen Universums tauschen kann: Toilettenpapier!




(stark verändert via I-net)












Donnerstag, 12. März 2020

Was man weiß und was man nicht weiß.


Nein, ich fühle keine Corona-Panik in mir, aber ich finde es unglaublich spannend, die Reaktionen auf die "Katastrophe, die in Zeitlupe abläuft" zu beobachten.

Zum Beispiel, was man weiß und was man nicht weiß:

Man weiß zum Beispiel jetzt schon ganz genau, dass das weltwirtschaftliche Wachstum bestenfalls um 0,5 %, möglicherweise aber auch um 1,5 % zurückgehen könnte. Und man weiß jetzt schon, dass die doitsche Wirtschaft ohne eine von uns Allen finanzierte Soforthilfe in Höhe von 25.000.000.000,00 € möglicherweise etwas von ihrem Reichtum verlieren könnte oder, Gott bewahre, trotz Hamsterkauf-Schwachsinn keinen Profit machte. Wenn ich 25 Milliarden Euro auf 81 Millionen Bundesbürger umlege, also auch Arme, Kranke, Greise, Neugeborene zur Kasse bitte, muss jede*r (!) mal eben 308,65 € bezahlen. Das ist jetzt schon total sicher. Einfach so. Damit die Reichen nicht ärmer werden, muss eine vierköpfige Familie mal eben zusätzlich zu allem Anderen 1.234,57 € zahlen. Die Frage ist, ob das überhaupt reicht. Vermutlich müssen wir später nochmal richtig nachlegen, damit es auch nachhaltig wirkt.

Das weiß man.

Was man nicht weiß, ist, wo man die ganzen intensivpflegebedürftigen Patienten unterbringen soll. Man weiß aber, dass in jedem Fall zu wenig Betten da sein werden. Man weiß auch gar nicht, welche Großveranstaltungen man absagen soll. Dass es die Ausbreitung von SARS-CoV-2 verlangsamen und die angespannte Lage in den Intensiv-Stationen etwas entspannen würde, das weiß man, aber welche Kosten da auftreten, das weiß man nicht, und wer soll das dann bezahlen? Woher das Geld nehmen? Hach, schade, es wird drum mehr gestorben werden, aber das ist halt nicht zu ändern, wenn kein Geld da ist ...

Heute Morgen, im Halbdämmer vor dem Aufstehen, verdichtete sich dieser Gedanke zu dem Bild, es ginge ein Vertreter der volkswirtschaftlichen Abteilung der OECD oder des DIHT ins Finanzministerium und käme mit einem 25-Milliarden-Blankoscheck wieder raus und anschließend ginge ein 85-jähriger Noch-nicht-Erkrankter-aber-in-tödlicher-Corona-Gefahr-steckender Mensch ins Finanzministerium und bäte um Investiton in Intensivpflege-Betten und übergreifende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie...


(verändert via wiki commons)












Freitag, 6. März 2020

Hörgenuss



Es ist ja nicht Alles schlecht am SARS-CoV-2: Der NDR traut sich, allmittäglich einen schlichten Podcast zu senden, in dem ein Fachmann (!) eine ganze halbe Stunde lang (!!) auf gutem populärwissenschaftlichen Niveau (!!!) sachlich und strukturiert (!!!!) referiert und Publikumsfragen zu beantwortet.

Erst vor diesem Hintergrund wird mir bewusst, wie sehr ich mich inzwischen daran gewöhnt habe, von Medien berieselt zu werden, deren Zielgruppen ausschließlich 11jährige zu sein scheinen. Oder ewig-spätpubertierende Machos. Oder anderweitig kognitiv beschränkte Menschen.

Dank Drosten und Hennig fühle ich mich endlich mal wieder als leidlich vernunftbegabter Erwachsener angesprochen. Welch ein Labsal für Seele und Geist!





Man muss auch mal albern sein, 
sich auf Seichtes einlassen können.

Aber auf Dauer ...!?









Donnerstag, 5. März 2020

Volles Verständnis


Soso, der Verband der Gastro- und Hotelbetriebe fordert staatliche Hilfen wegen der corona-bedingten Umsatzeinbußen. Das ist absolut verständlich. Meine sommerlichen Urlaubspläne sollten auch längst in Form abgeschlossener Buchungen konkretisiert sein, was aber corona-vorsichtshalber unterblieben ist.

Ich verstehe auch, wenn z.B. die Landwirte staatliche Hilfen fordern, wenn das Wetter ist, wie es ist oder wenn Autobauer, Waffenhersteller und vor allem Finanzinstitute Ausgleich für die Unbillen globaler Konjunkturentwicklung fordern, kurz, ich verstehe alle, die darüber klagen, unter den Bedingungen irgendwelcher wirtschaftlicher Risiken agieren zu müssen.

Wir sollten ernsthaft über die Forderung nachdenken, dass der Staat, unser Staat, unsere Solidargemeinschaft mit finanzieller Hilfe einspringen möge, wenn die wirtschaftlichen Risiken zu unternehmensexistenzbedrohender Realität werden.

Das müsste natürlich nach gewissen Regeln ablaufen:

Völlig undenkbar wäre es, wenn die Solidargemeinschaft, also wir, bei Umsatzeinbußen zahlen müssten, bei Profiten aber nicht beteiligt würden. Richten wir stattdessen eine staatlich verwaltete Risiko-Kasse ein: In guten Jahren zahlen die Unternehmen ein, in schlechten Jahren kann mit dem Ersparten dann auch geholfen werden - und zwar je nach Kassenlage. Die Unternehmen können sich auch gerne aussuchen, ob sie eine gemeinsame Risiko-Kasse haben wollen oder ob das nach Branchen getrennt sein soll oder wie auch immer.

Vielleicht beschließen einige Unternehmen auch, dass sie das gar nicht wollen. Das wäre auch völlig in Ordnung: Dann wäre im Falle eines Problems natürlich kein Geld zum Verteilen da, aber sie hätten vorher auch nichts abgeben müssen. Ich hätte einen gewissen Respekt vor Unternehmen, die sich für diese wahrlich eigenverantwortliche Option entschieden.

Verachtenswert hingegen: Das böse, ewige-alte Prinzip, Gewinne grundsätzlich zu privatisieren, Verluste grundsätzlich zu sozialisieren bzw. "Kapitalismus für die Armen, Sozialismus für die Reichen". Das ist gegen jede Vernunft und schon rein logisch nicht durchhaltbar und ethisch eine totale Katastrophe. [*]

Ein solidargemeinschaftliches Interesse an einer Hilfe für Unternehmen kann natürlich auch nur bei jenen Unternehmen bestehen, die

  • ihren Sitz de facto und de jure in diesem Land haben, 
  • hier vollständig und willig und ohne Tricksereien ihre Steuern zahlen,
  • sich vollumfänglich an unsere Gesetze und Regeln halten
  • und hier dauerhafte, auskömmlich und fair entlohnte Arbeitsplätze schaffen.


Ich meine, wenn ein Unternehmen das nicht tut, warum sollte ich dann solidarisch sein? Bin ich blöd?

Reden wir jetzt nochmal über das Hotel- und Gaststättengewerbe ...












[*] Erklären Sie einem achtjährigen Kind, warum wir 68.000.000.000 Euro an Banken gezahlt haben, die sich aus unbegreiflicher Dummheit und besinnungsloser Gier eigenverantwortlich in die Pleite gewirtschaftet haben. Jede Staatsbürger*in hat dafür etwa 840,00 Euro gezahlt. Jedes Baby. Jede Alleinerziehende. Jede/r Obdachlose. Jede/r Rentner*in.
Sowas ist nicht solidarisch, sondern einfach nur total bescheuert und ungerecht. Achtjährige begreifen das sofort. Warum wir nicht?








Sonntag, 1. März 2020

Corona kommunizieren


Der Corona-Virus ist natürlich besonders schlimm für die Leute, die damit infiziert sind und gar daran sterben. Doch auch Uninfizierte haben reichlich Gründe, genervt zu sein:

Erstens: 
Wenn es um meine Gesundheit geht, möchte ich bitte nicht von Leuten informiert werden, deren einzige Kompetenz es ist, des eigenen, egomanischen Machterhalts wegen mit Fakten ausschließlich taktisch umzugehen. Um es konkreter zu sagen: Ob Seehofer, Spahn oder sonstwer aus der politischen Kaste etwas sagen, ist mir völlig lala, unvermeidliches Störgeräusch.

Lasst in wichtigen Gesundheitsdingen, bitte, die Mediziner*innen reden. Die haben einen Ruf zu verlieren und werden sich dreimal überlegen, unhintergehbare Aussagen rauszuhauen. Ich habe auch nichts dagegen, von Mediziner*innen taktisch informiert zu werden. Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn die Ärzt*in sagt "Hm, da sollte nochmal der Radiologe draufschauen ..." statt "Sie haben Krebs und werden bald sterben." Wer verstehen will, versteht, und wer sich verständlicherweise lieber selbst betrügt, hat den Freiraum dafür.

Zweitens: 
Es interessiert mich einen Scheißdreck, ob die Wirtschaft darunter leidet! Von Anfang an waren und sind journalistische Corona-Berichte überwiegend nach dem Schema aufgebaut, mit 20 Prozent menschlichem Leid als Aufreißer einzusteigen und dann 80 Prozent krokodils-träniges Wehklagen der Lobby-Verbände zu kolportieren. Habe ich gesagt, dass mich angesichts des Ersteren Letzteres einen Scheißdreck interessiert? Ja?!

Drittens:
Es gibt nichts Erbaulicheres als die Meinungsäußerung von Leuten, die keine Ahnung haben, aber  sprichwörtlich jedes (!) Thema so weit vergewaltigen, dass sie daraus einen rechtspopulistischen Angriff auf die Freiheitlich-demokratische Grundordnung zusammenstökeln können. Manche Kommentare auf tagesschau.de sind einfach umwerfend komisch.

Herrlich auch die Kommentare, nicht nur von Faschos, die evozieren, eine Pandemie müsse sich doch, bitteschön, den Regeln demokratischer Willensbildung unterwerfen. Lange vor der Pseudo-Diskussion um die anthropogenen Ursachen des Klimawandels gab es auf heute.de ein Forum, wo die Vor- und Nachteile von Regen und Sonnenschein diskutiert (!) wurden.

Viertens:
Es sei die offizielle Bezeichnung "SARS-Cov-2" doch bitte zu vermeiden, da sie an das altbekannte SARS-Virus erinnere und ergo Menschen verängstigen könne. "Corona-Virus" klingt viel freundlicher.

Sehr schön! Wenn das ernsthaft als Problem gesehen wird, haben wir kein Problem. Pessimistischere Lesart: Da wir keinen Schimmer haben, was auf uns zukommt und was wir unternehmen können, frickeln wir erstmal an offiziösen Sprachregelungen herum. Irgendwas muss man ja tun. Die Pest brachte im Mittelalter zwar ein Drittel der Bevölkerung um, das war aber vor allem ein Problem unprofessioneller B2C-Kommunikation.








Man muss sich eine Sache einfach mal schön-denken können.