Mittwoch, 24. Juni 2015

Nachhaltig bekloppt



Lese gerade, dass Lego nun nachhaltige Steine einführen will. Vermute grundsätzliches Missverständnis des Begriffes "nachhaltig".

Die Legosteine meiner Kindheit, weit über 40 Jahre alt, sind vielleicht ein bisschen abgeschrubbelt und ein kleines bisschen ausgeleiert, aber sie funktionieren nach wie vor prima, und wer Legosteine in den Müll wirft, ist entweder ein Vollidiot oder ein herzloser Mensch, wahrscheinlich aber beides.

Legosteine SIND seit jeher nachhaltig, denn sie halten auch noch nach über 40 Jahren, was sie einst versprachen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Legosteine jemals ein Müllproblem und also eine Umweltbelastung sein oder werden könnten.

Die einzige Erklärung, die mir zu Legos abstrusem Ansinnen einfällt, ist, dass Lego beabsichtigen könnte, die vorbildliche, aber umsatzschädigende Lebensdauer der Steine künstlich zu verkürzen. Natürlich würde die Firma viel mehr Legosteine verkaufen können, wenn diese vergammeln könnten und, sagen wir, eine Halbwertszeit von ein, zwei Jahren hätten, wenn man, um fortgesetzte Spielfreude zu haben, sie also ständig nachkaufen müsste, statt sich am einmal gekauften Baustein ein Leben lang zu erfreuen.

Ein robuster, langlebiger und funktionabler Gegenstand muss nicht zwingend biologisch abbaubar sein, um ein Ökosiegel zu verdienen. Ein mutwillig auf Bruch konstruierter Gegenstand kann aber - der ökologischen Herstellungsvollkosten wegen -  niemals nachhaltig sein, auch nicht, wenn er noch so vergammelbar sein sollte.



Meine Brechstange: Uralt, unvergammelbar und ökologisch wertvoll!





Sonntag, 21. Juni 2015

Fortschritt


Lese gerade Adam Zamoyskis "1815", eine empfehlenswerte, weil leseappetitliche Darstellung des Wiener Kongresses, der Neuordnung Europas nach Napoleon Nummer 1.

Wenn man sieht, wie damals Europa-Politik gemacht wurde, fällt uns angeekeltes Grausen an: Machtgeile Regierungschefs, verlogene, taktierende Plittikörr, speichelleckerische Bürokraten. Jeder ist auf abstoßende Weise nur auf den eigenen Vorteil bedacht, unterstellt das zurecht auch jedem Gesprächspartner, man kümmert sich einen Dreck um das, was für die Normalverbraucher relevant und gut ist.

Das war vor ziemlich genau 200 Jahren. Heute dagegen  ... uh ... oh!



 (via wiki commons)
Die Frisuren gehen heute eigentlich auch noch, aber die Kleidung ... - ja, eindeutig: Die Kleidung hat sich, verglichen mit damals, ziemlich verändert!

Bin mal gespannt, was beim morgigen Grexit-Gipfel rauskommt.





Samstag, 20. Juni 2015

Unbefriedigt

Liebes Tagebuch!

Heute Morgen, beim Aufwachen, hatte ich einen unbändigen Kaufrausch. Endlich mal wieder in die Stadt, in Ruhe durch Geschäfte bummeln, Schnickschnack und Leute sehen, Klamotten anprobieren, Inspirationen sammeln, zwischendurch ins Café  - shoppen eben.

Dann erschien die Wittmunder Innenstadt vor meinem geistigen Auge.

Nun habe ich mir in einem blöden Drogerie-Markt bei einem blöden Einkaufszentrum eine blöde, überflüssige elektrische Zahnbürste gekauft. Tolle Wurst!
(Dieter Reick, "Fahrbare Zahnbürste" (1968) und "Hopper" (1969), Multiples, Konservendosen mit Federmotor.
 le. verändert via wiki commons)



Samstag, 13. Juni 2015

Das grundlegende Missverstehen der Frauke H.



Da die niedersächsische Noch-Kultusministerin (NKM) Frauke H. nun, nachdem ihre blinde Arbeitszeit-Erhöhungs-Aktion vom OVG als grundgesetzwidrig verurteilt wurde, die Arbeitszeiten für GymnasiallehrerInnen ausgleichen muss, kommt sie auf die brilliante Idee, man könne dies mit einem Arbeitszeitkonto machen, auf dem die zuviel geleisteten Stunden gutgeschrieben würden.

Arbeitszeitkonto? Da war doch was!? Ach ja! Beim letzten Mal, als wir LehrerInnen einem Arbeitszeitkonto zugestimmt hatten, als die Schülerzahlen so hoch und die Lehrerzahlen so niedrig waren, da hieß es hinterher doch "Ja, ab jetzt dürft Ihr die mehrgeleisteten Stunden mit je einer Wochenstunde abbummeln. Und übrigens: Kraft meiner Willkür erhöhe ich gleichzeitig Eure Arbeitszeit um eine Wochenstunde."

Kurz: Unterm Strich kam für uns LehrerInnen nix dabei raus, als das Gefühl, von der KM auf's Übelste und Offensichtlichste betrogen worden zu sein.

Also tue ich hiermit kund und zu wissen: Nein, ich möchte kein neues Arbeitszeitkonto, Frau Heiligenstadt. Wenn Sie mich einmal betrügen, sind SIE böse. Wenn ich mich von Ihnen zweimal betrügen ließe, wäre ICH ein Idiot.

Und noch was: Die NKM fügte hinzu, falls die LehrerInnen sich uneinsichtig[*1] zeigten, müsse man bedenken, wörtlich: "Ein Lehrer hat doch immer das Wohl der Schüler im Blick." Juhuu, da ist es wieder, das ewige Totschlag-Argument! Ach, Frauke, Du hast immer noch nicht kapiert: Wir widersetzen uns Deiner Inkompetenz doch nur des Schülerwohls wegen. Ausschließlich wegen unseres Widerstandes gibt es künftig 740 LehrerInnenstellen in diesem Bundesland, die Du nicht wegsparen konntest.

Wer, bitteschön, arbeitet hier für und wer gegen das Wohl der SchülerInnen?








[*1] Was für ein interessanter Wortgebrauch: "uneinsichtig". Störrisch, bockig, dumm und renitent, kleine, freche Kinder. Willkommen auf dem Planeten Heiligenstadt!

Sonntag, 7. Juni 2015

Hofberichterstattung



Ich blättere durch die namhaften Online-Nachrichten-Portale. Die Berichterstattung über den G7-Gipfel ist fast ausschließlich Hofberichterstattung. Nichtigkeiten. Aufgebauschte Pseudo-Nachrichten. Unterwürfigste Respektbezeugung gegenüber den Mächtigen.

Im tiefsten Herzen, scheint's, sehnt das Publikum sich nach monarchistischer Herrlichkeit und Führung.

"Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
 (...) 
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter majorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein."

Kant 1784


Ein über 230 Jahre alter Gedanke! Wir können nicht stolz sein.



(Luie Katorss - via wiki commons)

Er wusste, worauf die Leute abfahren. Blöd wäre er gewesen, das nicht auszunutzen!







Mittwoch, 3. Juni 2015

Menschliche Abgründe


Abgründe tun sich auf! Die saarländische Ministerpräsidentin hat das ultimative Argument gegen die Homo-Ehe erfunden:

"Wenn wir diese Definition [die einer klassichen Frau-Mann-Ehe] öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen." (Zeit.de; 03.09.2015)

Da habe ich doch wieder mal zu kurz gedacht. Es stimmt natürlich: Wer heute die Möglichkeit der Homo-Ehe fordert, fordert morgen auch die Zwangs-Ehe zwischen einem Dackel und einer Türklinke. Und wer heute Freiheit und Menschenrechte fordert, will morgen auch kleine, blonde Mädchen massakrieren! Logisch!

Besonders schön auch das Argument vom Ober-Staats-Trottel Kauder: Die Homo-Ehe dürfe nicht kommen, da es ohnehin zu wenig Geburten in Doitschland gäbe. Auch ganz klar: Aus Verzweiflung, nicht in den heiligen Stand der Ehe treten zu dürfen, werden die Schwulen und Lesben natürlich sofort aufhören, schwul bzw. lesbisch zu sein und stattdessen einander heiraten und anfangen, wie verrückt doitsche Kinder zu zeugen. Wieso sollte es im richtigen Leben auch anders zugehen, als im vollverbretterten Spießerbetonkopf hart-codiert?

Selbständiges Denken kann sehr unterhaltsam sein. Einfach mal anfangen und es ausprobieren.

(via wiki commons)