Montag, 27. Februar 2023

Entwertete Kultur


Ach herrje, der arme Scott Adams, jahrzehntelang hat man und habe ich seine genialen Dilbert-Cartoons gemocht, und nun outet er sich als Rassist und white suprematist. Was für eine Enttäuschung.

Vergleichbares empfand ich auch bei dem sogenannten Barefoot-professor Daniel Howell, der 2010 ein kleines, kluges, eingängiges, professionelles und umfassendes Barfuß-Buch verfasste, das mich sehr beeindruckte, bis der Verfasser sich später als bedingungsloser Trump-Fan und fundamentalistischer Extrem-Marktliberaler zu zelebrieren begann. 

Ich registriere deutlich, dass ich den Spaß mit und an den Büchern solcher Knallköppe komplett verliere. Mag der Inhalt der Werke an sich auch unverändert und frei von Dümmlichkeiten sein, so gelingt es mir im Zuge der Rezeption nicht, mein Wissen über die geistige Verfasstheit der Schöpfer auszublenden. Solange mein Bild von Scott Adams einen  klugen, selbstironischen und ein wenig desillusionierten Menschen zeigte, ein Bild, das er selbst früher in Foren und Blogs von sich zeichnete, konnte ich seine Cartoons entsprechend fröhlich lesen. Fürderhin werde ich nicht umhin kommen, wenigstens halb-bewusst darauf zu achten, wie Dilbert mit POC umgeht. Ende der Leichtigkeit.

Bei Howell beeindruckte mich, wie konsequent er seine Denke als Biologe und Chemiker auf ganz alltagspraktische Verhaltensmuster (hier: den widersinnigen gesellschaftlichen Zwang, Schuhe zu tragen) übertrug und wie plausibel und transparent seine Argumentation daherkam. Erhofft und erwartet hätte ich, dass Howell in der Folge auch andere unsinnige soziale Konstruktionen auf's Korn nimmt, sprich: dekonstruiert. Stattdessen: Trump-positiv! Irgendwas muss ich übersehen haben.

Jaaa, ich weiß, dass ich die Latte damit hoch auflege! Ich verlange nicht nur, dass die Leute gute Werke erschaffen, ich erwarte ja anscheinend auch, dass sie mit ihrem gesamten Lebenswandel und, neudeutsch, Mind-set vollumfänglich und unerschütterlich dahinterstehen. 

Bingo! So isses!

Wir reden hier nämlich von Kunst! Und von Kunst erwarte ich, dass sie authentisch ist, dass sie also etwas abbildet, was in einem Menschen drinsteckt, was wichtig ist und was darum bettelt, nach Außen getragen zu werden. Alles andere kann ich von Text- bzw. Malerei-KIs (Chat GPT, MidJourney f.ex.) erledigen lassen und / oder als triviale kunsthandwerkliche Auftragsarbeit¹ abbacken. 

Hm, mir fällt gerade auf, dass wir damit so ganz en passant auch geklärt haben, wo der tiefe, breite Graben zwischen KI und menschlichem Denken verläuft. Sehr gut!

Aber wir sind noch nicht fertig: Was mache ich denn nun mit den fraglichen Büchern?


Verbrennen?

Ei, ei, ei, da gibt es böse Vorbilder!

Behalten will ich die Bücher aber auch nicht, denn ich werde sie definitiv nicht nochmal lesen oder zitieren. Sie klauen kostbaren Regalplatz, und sie machen mich - Kondo lässt grüßen - nicht glücklich. Mein Motiv ist NICHT mit den Bücherverbrennungen der Nazis und all ihrer geistigen Vor-, Nach- und Wiedergänger vergleichbar, da ich mich mit den Ideen des Rassismus' und Trumpismus' bereits reichlich auseinandersetzen musste, so, wie sie uns medial aufgenötigt wurden und werden. 

Conclusio: Es ist ethisch völlig korrekt, die Bücher fachgerecht zu entsorgen.

Weder ich noch Andere sollten mich zwingen, mich mit Werken von Leuten zu umgeben, die die gute Sache verraten haben. 

Siehe auch hier und hier. 





¹ Nichts gegen Kunsthandwerk!




Sonntag, 26. Februar 2023

Abgebrochene Bücher

In letzter Zeit mehren sich bei mir Bücher, deren Lektüre ich wegen inhaltsbedingten Unwohlseins abbreche. Nennt mich hypersensibel¹, aber ich sehe keinen Sinn darin, mit Gewalt zu Ende zu bringen, was mir nur beschränkten Erkenntnisgewinn, aber mittelfristig negative vibrations beschert.

Da wären:

Niklas Frank: dunkel seele, feiges maul; Bonn, 2. Aufl. 2017; Untertitel: "Wie skandalös und komisch sich die Deutschen beim Entnazifizieren reinwaschen." Franks Stil ist nicht immer professionell, die genannten Beispiele und aufgezeigten Strategien dürften aber authentisch sein. Es ist frustrierend und erbärmlich, wie viel Lügen, Betrügen, Denunziantentum, Dreistigkeit und Korruption am Beginn unserer Demokratie stehen.

Volker Ullrich: Acht Tage im Mai; München, 2020; ein ganz hervorragend recherchiertes und dennoch leseappetitliches Werk, an sich rundherum empfehlenswert, aber in zeitlichem Zusammenhang mit dem Frank-Werk (s.o.) völlig deprimierend.

Etwas weg vom Krieg und Nazitum: Thomas Piketty: Eine kurze Geschichte der Gleichheit; München 2022. Mir war schon vorher klar, dass unsere Welt und unser Verteilungssystem auf hemmungsloser individueller Gier und nicht auf Gerechtigkeit basiert, aber wenn Piketty die trockenen, nachweisbaren Zahlen, die seine Leute und er mühevoll zusammengetragen haben, wenn er diese Zahlen gut lesbar, aber sachlich und wertfrei vorstellt, dann wird mir ob der Dimensionen der hervorscheinenden Ungerechtigkeit kotzeübel. Ich werde das Buch noch zu Ende lesen, ich schwör', aber ich brauche echt eine Erholungspause.

Heinz Schuler, Dominik Schwarzinger: Die Masken der Psychopathen; München 2022. Auch dieses Buch werde ich zu Ende lesen ... demnächst. Aber die sehr gut belegte These, dass subklinische Psychopathen in unserem Weltbild als die coolen, harten, ultra-durchsetzungfähigen Macher verehrt werden und entsprechend in den Hierarchien hochpurzeln und sich dort mit ihrer unheilbaren Krankheit (!) resident festsetzen, ist zur Zeit noch zu dicht an eigener Leidenserfahrung dran. Wenn Du auf den nächsten zwei Hierarchiestufen über Dir subklinische Psychopathen sitzen hast, bleibt nur die Flucht ². Trotzdem ist das Buch zwingend empfohlen.






 



¹ ... was ich durchaus nicht als Beleidigung auffassen würde... 

² Die Verfasser raten schon bei einem psychopathischen Vorgesetzten zur Flucht. Veränderungen einzufordern, Diskurse auf üblichen Dienstwegen sind bei dieser Diagnose nach Aussage Schulers/Schwarzingers völlig sachfremd. Die Krankheit ist im MRT nachweisbar, sie ist genetisch - und also nicht durch rationalen Diskurs heilbar.




Samstag, 25. Februar 2023

China-Papier


Ich habe mir gerade die Mühe gemacht, den heißdiskutierten chinesischen 12-Punkte-Plan zum Ukraine-Krieg von der Original-Quelle zu zapfen und zu lesen.  

Ich stelle fest: 

Die westlich-wütenden Kritiker haben natürlich recht, zu behaupten, das sei kein fertiger Friedensvertrag. Aber wenn man die Überschrift liest, stellt man fest, dass das auch überhaupt nicht intendiert war. Da steht nämlich "China’s Position on the Political Settlement of the Ukraine Crisis", also "Chinas Position, Meinung...". Von Friedensplan steht im gesamten Text nichts.

Ich habe nicht verstanden, was an dem ersten Punkt falsch ist: "Universally recognized international law, including the purposes and principles of the United Nations Charter, must be strictly observed." Klar, mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Befolgung der UN-Charta¹ steigen die Chinesen natürlich auch den Amis, den Russen und den Europäern auf die Zehen, nicht nur sich selbst.

Den zweiten Absatz, der Kalt-Kriegs-Denken überwinden will, unterschreibe ich Punkt für Punkt vollinhaltlich. Leugnet noch jemand, dass in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg geführt wird? Ok, dann wartet mal ab, wie der Krieg sich entwickelt, wenn die zunehmende Lustlosigkeit der Amis demnächst Wirkung zeigt.

Punkt 3 finde ich klug. Der besagt nämlich "Hört doch mal als erstes auf rumzuballern!" Gute Idee, das an den Anfang zu stellen.

Punkt 4: "Dialogue and negotiation are the only viable solution to the Ukraine crisis." Tut mir leid, den Punkt muss ich einfach gut finden, weil ich von Anfang an gesagt habe, es werde keinen militärischen Sieg in dieser Sache geben, für keine Seite. Schön, dass die chinesische Außenpolitik derselben Auffassung ist.

Der Rest ist auch völlig in Ordnung, besonders hervorheben sollte man vielleicht Punkt 8, der besagt, wie nett es doch wäre, wenn aus dem Ukraine-Krieg kein allgemeiner Atomkrieg entstünde. Jemand dagegen, ich bitte um Handzeichen...!?

Natürlich ist das ein sehr allgemein gehaltener Text, der daraufhin formuliert ist, möglichst allseitig zustimmungsfähig zu sein. Wie soll man denn anders Gespräche lancieren, die aus einer so festgefahrenen Situation herausführen? Immerhin haben wir es auf beiden Seiten mit Machthabern zu tun, für die die Einstellung des Schieß-Krieges NICHT an erster Stelle der Prioritätenliste steht. Sowohl die USA/Ukraine als auch Russland beharren auf Maximalforderungen, von denen sie wissen, dass sie für die Gegenseite inakzeptabel sein müssen. Trotzdem ändern sie nichts. 

Beide Seiten wissen auch, dass der erste eigene Anflug von Vernunft von der Gegenseite als Zeichen der Schwäche absichtsvoll missgedeutet und propagandistisch ausgeschlachtet würde. Es ist das Chicken-Game: Zwei Autos rasen aufeinander zu, und der Erste², der eine Ausweichbewegung macht, ist ein Weichei.  

In so einer Situation muss man die Beton-Birnen erstmal ein wenig aufweichen, vielleicht sogar überhaupt erstmal ansprechbar machen. Da kann man nicht mit konkreten Vorschlägen kommen, da muss man windelweich und flauschig einsteigen. So was weiß man doch, oder? Ich verstehe nicht mehr, warum unsere Plittikör*innen lieber hirnlos auf Beton setzen.


"Was keinen Widerstand hat, kann eindringen, wo kein Zwischenraum ist."
Mein alter Kumpel Lao-Tse - warum hört keiner auf ihn?!


(Laozi verändert via wiki commons)






¹ Haben die Chinesen sich bei "Charter / Charta" vertippt, oder habe ich was durcheinander gebracht?

² Ich habe hier absichtlich nicht gegendert.




Mittwoch, 22. Februar 2023

Fliegen heute

 

Heute habe ich die Fliegerei ein bisschen herbei-gezwungen, und die Ansage des Wetterdienstes, die tiefen Stratus-Schichten würden sich verziehen, trog.


Blick auf die Hunte östlich Oldenburg.

In der Summe war's okay. Den Arsch in die Luft zu bekommen, ist ein Wert an sich, und man kann das Ganze zumindest als Trainingsstunde buchen, raus aus der Flugwetter-Comfort-Zone blabla. Aber ganz ehrlich: Nach 'ner Stunde merkst Du, dass Nebel aus kleinen Tröpfchen besteht, und die sammeln sich auf Helm, Kombi und Flugzeug und machen das Leben nasskalt und freudlos.


Ein interessanter Effekt ist aber, dass Landschaft unter so einer Dunstglocke
 etwas Heimeliges, Abgeschlossenes bekommt, ein wenig wie in einer Schneekugel.

Dann war da noch ein Schwarm Kraniche genau auf meiner Flughöhe und wie immer bei derartigen Begegnungen völlig tiefentspannt und stressfrei. Leider hatte ich die Kamera für die Landung schon wieder verstaut und kann folglich kein Beweisfoto zeigen. (Abgesehen davon, dass Vogelflug-Aufnahmen aus dem Flugzeug ohnehin kaum gelingen.) Ich erwähne das einfach, weil's ein hübsches phänomenologisches Indiz für den nahenden Frühling ist. 


 


Und bei der Nachflugkontrolle¹ fiel mir erneut auf, dass Luftfahrerei immer extrem reduzierte und - wo es um Aerodynamik im engeren Sinne geht - harmonische Formen hervorbringt. 




¹ Stellt Euch darunter nicht zu viel vor. Ich tanke mein Flugzeug auf und prüfe überschlägig, ob erwähnenswerte Teile abgefallen sind. Wirklich wichtig nehme ich nur die Vor-(!)Flugkontrolle.




   


Panzermuseum II: Warum?


Natürlich muss ich mir die Frage gefallen lassen¹, warum es mich zu dem ganzen Kriegs- und Mordinventar des Panzermuseums hinzieht, warum ich mich überhaupt für militärische Technik und Geschichte interessiere. 

Mehrere Antworten sind parallel gültig. Nach Priorität geordnet:

Erstens: Ich bin Jahrgang 1962, was bedeutet, dass ich die Nachrüstungsdebatte Ende der 1970er schon ziemlich bewusst mitbekommen habe. Vor allem habe ich mitbekommen, wie uns die Rüstungsbefürworter ein ums andere Mal argumentativ von der Platte gefegt haben und wie wirklich erbärmlich und hilflos und dumm die Rüstungsgegner*innen sich immer wieder durch totale Ahnungslosigkeit blamierten. Das bedeutet nicht, dass die Rüstungsbefürworter tatsächlich die besseren Argumente hatten, denn das hatten sie nicht. Es bedeutet, dass sie überhaupt Argumente hatten und in die Debatte werfen konnten, während die Rüstungsgegner*innen nur so laberige Allgemeinplätze wie "Frieden schaffen ohne Waffen" absondern konnten. Wenig überzeugend und ein Grund für mich, nachzuhaken.

Zweitens: Irgendwann, als ich in der 9. oder 10. Klasse war, erschien mein Erdkundelehrer wieder mal völlig unvorbereitet und planlos zum Unterricht und beschloss spontan, uns ein paar Dinge über die damals aktuelle militärstrategische Lage der alten BRD im Kalten Krieg zu erzählen. Das wurde eine der spannendsten Doppelstunden meines Lebens, erfuhren wir doch, warum die westdeutschen Autobahnen gerne in Nord-Süd-Richtung, aber ungern in Ost-West-Richtung gebaut wurden, damit nämlich der russischen Panzerwalze der Durchstoß zum Atlantik nicht allzu leicht gemacht werde. Deshalb auch die Sprengkammern unter allen Autobahnbrücken, und wir erfuhren, was es mit dem Fulda-Gap auf sich hatte, wie wir die Vorrichtungen für Atom-Minen auf relevanten Verkehrs-Kreuzen erkennen konnten, dass die Reichweite französischer Atomraketen so begrenzt war, dass sie nur auf westdeutschem Gebiet niedergehen konnten etc. etc. 

Diese Doppelstunde, in den Rahmenrichtlinien garantiert nicht vorgesehen, war für mich ein totaler Augenöffner, und ich fragte mich, warum Schule, die den obersten Auftrag hatte und hat, uns zu mündigen Staatsbürger*innen zu erziehen, uns diese superwichtigen Informationen vorenthielt. Natürlich wollte und will ich keinen para-militärischen Unterricht wie in der DDR, aber wie sehr alles Militärische totgeschwiegen wurde, das empörte meine jugendliche Seele immer mehr. Und mir war klar: Wenn "die Erwachsenen" versuchen, ein Thema unterm Teppich zu halten, dann muss das richtig, richtig wichtig sein. Also begann ich, mich einzuarbeiten.

Drittens: Die menschliche Sozialgeschichte interessiert mich. Nein, das klingt zu hochtrabend. Ich wollte und will wissen, wie Menschen ticken, im Alltag, in Glaubens-Sachen, beim Sex, in Krieg und Not. Ich konnte mir z.B. anfangs nicht vorstellen, wie man so bescheuert sein konnte, in den engen Schützenlinien des absolutistischen Zeitalters in Europa gemessenen Schrittes auf den Feind zuzumarschieren und sich totschießen zu lassen. Wie tickten die Menschen, dass das ein paar Jahrhunderte lang möglich war?

Viertens: Meine Verwandten väterlicherseits² waren allesamt eher einfach gestrickt und in der Nazi-Zeit eher leicht zu begeisternde Mitläufer, weniger Täter im engeren Sinne. Wieso waren die sich alle so einig, dass ihr Wehrdienst - auch in Kriegszeiten - überwiegend positiv konnotiert war? Was war da los? Militärgeschichtliche Fragen, nicht aus der strategischen Perspektive, sondern aus der Sicht der kleinen Krauter. Angewandte Sozialwissenschaft. Aber auch: Wie ticken meine Verwandten?

Fünftens und letztens: Technikgeschichte ist ein überschaubares Feld, und Du kannst die Komplexität, in der Du es erforschen willst, selbst bestimmen. Das gilt für Panzer, aber auch für Flugzeuge, Trecker, Lokomotiven usw. usw. Die deutsche Panzergeschichte ist leicht gegliedert: Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Zwischenkrieg, Nachkrieg. Die meisten stürzen sich auf den Zweiten Weltkrieg, da gab es sechs Grundtypen und ein, zwei tschechische Modelle. Wenn man die kennt, kann man schon mal eine Menge Bilder zuordnen. Und wenn man Lust hat, kann man dieses Wissen Schritt für Schritt ausbauen ad infinitum. Das ist wie Briefmarkensammeln. Wer's ausprobieren möchte, kaufe im Ramsch-Handel ein Billig-Buch über Lokomotiven. Da findet man unglaublich viel Wissenswertes für 7,49 €.




¹ ... und immer wieder selbst stellen

² Mütterlicherseits war nicht viel Verwandtschaft.






Dienstag, 21. Februar 2023

Panzermuseum I: Allgemeines über Exponate und so


Heute endlich Panzermuseum Munster jewesen. Kann unbedingt empfehlen! Wer's nich' hinschafft, weil's ja mitten inna Pampa liegt, sollte wennixxens den virtuellen Rundgang und die vielen guten Youtube-Videos des Kanals goutieren.

Dass die Sammlung gut und sinnbringend ist, muss nicht weiter erwähnt werden, und der Museums-Direktor, Ralf Raths, macht auch als Spiritus rector den best-wünschbaren Job. Wem Militärgeschichte und -technik nicht fremd sind, dem sind die meisten Exponate natürlich bekannt, aber bei aufmerksamer Betrachtung erfährt man immer wieder neue Details. 

Ich blubbere mal einfach im Stream-of-Consciousness: Der Panzer I ist noch viel kleiner, als ich ihn aufgrund der Fotos einschätzte. Die Panzer III und IV sind in realiter in ihren Standard-Ausführungen hingegen genau so langweilig, wie sie auch in den Dokumenten rüberkommen. Der Sherman dito, der T-34 tut seine museale Pflicht, beim zweiten Exemplar, dem T-34/85 achte man aber auf die Details ...

Völlig neu einschätzen muss ich diesen Kasemattpanzer aus den frühen 1970ern, den ich bei meinem ersten Besuch in diesem Museum vor, ach Gott, 30 Jahren als ganz und gar dummes Ich-hab-die-größeren-Wummen-Projekt missverstanden habe. Zwar erfüllte das Projekt nicht die Erwartungen, aber so ganz dumm war es auch wieder nicht, wie aus dem Text des Aufstellers hervorgeht.

Ganz allgemein stelle ich wieder mal fest, dass ich die halbfertigen, die halbreifen Projekte besonders mag, jene, bei denen man deutlich erkennt, dass die Macher*innen dabei noch auf der Suche waren oder aufgrund äußerer Zwänge, wie z.B. Materialknappheit nicht so konnten, wie sie wollten.    

(Ich musste hier ein wiki commons-Bild aus dem Museum verwenden und verfremden, da meine eigenen Fotos nicht gut genug sind.)
Die Jungs¹, die in einer Frontwerkstatt behelfsmäßig eine nicht ganz kleine Panzerabwehrkanone auf einen dazu völlig ungeeigneten Raupenschlepper gebraten haben, verdienen mehr Respekt, als die Entwickler-Teams, die aus dem bekannten, erfolgreichen, aber zu schweren Tiger I in langweiliger Fantasielosigkeit einen noch schwereren, größeren und unbeweglicheren Tiger II entwickelten. Die Improvisation mit der Pak zeigt, wie sehr die Kacke am Dampfen war, der Tiger II ist dagegen nur eine abseitige Große-Jungens-Fantasie.

Und bei dem kleinen, unscheinbaren britischen Ferret, einem Zwei-Personen-Spähpanzer aus den Anfangsbeständen der Bundeswehr, überlegte ich, ob so ein kleines, schnelles Frettchen, das für die antizipierten Panzer-Schlachten im mitteleuropäischen III. Weltkrieg als zu mickrig ausgemustert wurde, in aktualisierter Form und mit künstlich-intelligenten High-Tech-Waffen heute nicht fröhliche Urständ feiern könnte. 


Die großen, modernen Main-Battle-Tanks erscheinen mir dagegen immer mehr wie ziemliche Dinosaurier.

Ein allgemeiner Tipp an Museums-Macher*innen: Gebt uns auch das Unfertige, das Kaputte und Ursprüngliche. So wie die Reste dieses SdKfz 10 im Eingangsbereich: 


Für uns Connaisseurs ist so ein Haufen Schrott wie ein gutes Sudoku: Mit Logik und Scharfsinn kannst Du die fehlenden Teile erschließen, und das macht mehr Spaß, als immer nur fertige Restaurierungsergebnisse zu sehen. Aktiv vs passiv, Ihr versteht?

Es muss noch einiges zum Publikum gesagt werden, eigentlich der wichtigere Teil, aber der Text ist ohnehin schon zu lang, ich reiche das nach. 




_______________________
¹ Ich bemühe mich, genderbewusst zu formulieren, aber ehrlich gesagt bezweifle ich, dass Mädels bei der abgebildeten Frontmodifikation ihre Finger im Spiel hatten.







Freitag, 17. Februar 2023

Arschloch-Alliierte


Soso, der Ober-Tschetschene Kadyrow, Putins Gorilla, droht mit der Besetzung Ostdeutschlands.  

Was will uns der Dichter damit sagen? Was lernen wir daraus?

  • K. meint, uns damit einschüchtern zu können, was diametral falsch ist, da er, im Gegenteil nur bewirkt, dass selbst die zur Zurückhaltung im Ukraine-Krieg mahnenden Deutschen nun richtig sauer werden.
  • K. beweist, dass die Befürchtungen der baltischen Staaten und Polens, nächste Opfer russischen Imperialismus' sein zu können, doch nicht völlig unrealistisch sind. 
  • K. zeigt in persona, dass es weit oben und an verantwortlicher Stelle in der russischen Hierarchie strunzendumme, kriegsgeile Autokraten gibt, die jede Reibungsfläche mit der Realität verloren haben und deren Ambitionen gemeingefährlich für die globale Gemeinschaft sind. 
  • Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass K.s Aussage nicht mit Putin koordiniert war. Putin ist zweifellos ein Anti-Demokrat und rücksichtsloser Machtmensch etc. etc., aber er ist auch ein gewiefter Taktiker, dem klar sein dürfte, dass K.s Statement der russischen Sache, sagen wir, wenig dienlich ist.
  • Dass K. gegenwärtig, d.h 48 Stunden später, immer noch im Amt ist, legt den Verdacht nahe, dass Putin nurmehr begrenzte Kontrolle hat und / oder sich mit jedem Dummdödel einlassen muss, der irgendwie Unterstützung im Ukraine-Krieg verheißt. 
  • Dass Putin solche Knall-Chargen wie Kadyrow und Lukaschenko zu seinen Alliierten zählen muss, erfüllt mich mit klammheimlicher Freude und sogar einem kleinen Fünkchen Mitleid. Wir wissen, wovon wir reden: Die EU muss mit dem polnischen Gift-Zwerg, dem ungarischen Orban und nun auch mit dieser neuen italienischen Nazisse auskommen. Die NATO muss mit Erdogan fertigwerden, und unser Gas müssen wir bei den Saudis, Kuwaities und Amis kaufen.




Nicht wirklich vergleichbar, aber die Charlie-Hebdo-Leute hatten 2015 viel Verständnis
für Mohammed, der hier angesichts der islamistischen Anschläge ruft:
"Es ist hart, von Arschlöchern verehrt zu werden!"






Donnerstag, 16. Februar 2023

You're so avant-garde ...


Aha, der virginianische Gouverneur sorgt gerade dafür, dass Strafverfolgungsbehörden auch weiterhin die Daten aus persönlichen Menstruations-Apps durchsuchen dürfen, um Verdachtsfälle von Verstößen gegen die immer rigider werdenden Abtreibungsgesetze zu verfolgen. 

Das erinnert an die Meldung aus dem letzten Sommer, Google wolle die Standortdaten us-amerikanischer Abtreibungskliniken löschen, weil Frauen, deren Google-Bewegungsprofil sie in der Nähe dieser Standorte zeige, sich illegaler Abtreibungen verdächtig machten. 

Was diese Geschichten so relevant macht: 

  1. Der Gegensatz zwischen allerintimsten, allerpersönlichsten Dingen einerseits und einer staatlichen Allmacht andererseits, die immer totalitärer, autoritärer, konservativ-patriarchaler und religiös-fundamentalistischer wird und zunehmend Regelungsgewalt in diesen Dingen beansprucht.
  2. Die Tatsache, dass die betroffenen Frauen die zu ihrer fortschreitenden Unterdrückung notwendigen Daten in die entsprechenden Datenbanken SELBST EINGEGEBEN haben bzw. ganz bewusst ihr Einverständnis zur automatischen Erhebung ihrer Bewegungsdaten gegeben haben. 

Natürlich haben die Frauen darauf vertraut, dass ihre personenbezogenen Daten von den entsprechenden Anbietern "irgendwie" geschützt werden. Aber wie weit dieser Schutz gegenüber zunehmender staatlicher Willkür reicht, das lässt sich an diesen Beispielen hübsch demonstrieren. 

Wir reden so viel von Digitalisierung, und der*die lässige Digital Native ist ja sowas von angesagt. Aber mittlerweile sollte auch klar geworden sein, dass nur Volltrottel*innen personenbezogene Daten bewusstlos in die Welt blähen.  

Merke: Datenschutz ist nicht das, was in den entsprechenden Disclaimern der Anbieter steht. Datenschutz ist das, was die machthabenden Arschlöcher in den modernen Autokratien daraus machen. 

Aber entscheidend ist: Die Daten lieferst Du selbst! Du bist selbst verantwortlich! 

Digitaler Imperativ: Gehe stets davon aus, dass es immer wieder macht-habende Arschlöcher gibt, die den maximalen Missbrauch mit Deinen Daten betreiben werden. 

Q.e.d.


 

Dieses Bild, ich hoffe, ich habe es stark genug verfremdet, fand ich, als ich "Digital natives" googelte, im Kontext eines sehr digital-positiven Textes. Was ich interessant finde, ist, dass die Dame gleichzeitig laptopt und smartphont und dabei fröhlich lächelt. Beantwortet sie während ihrer Arbeitszeit ein paar private Chat-Nachrichten? Zockt sie zur Ablenkung ein bisschen? Prüft sie ihre Menstruations-App? Programmiert sie nebenbei ein sex-toy? Ist das Firmen-WLAN abgekackt, so dass sie wieder mal relevante Daten über ihr privates Konto ziehen muss?  Mir fallen bei dem Bild so gar keine Geschichten von professionellem Umgang mit digitalen Endgeräten ein.  

Übrigens: Ist die robuste analoge Armbanduhr Mode-Accesoire oder ein Indiz praktischer Vernunft? 


"(...)

You might pride yourself, you're so avant-gardeBut we're Neoclassicists, I guess, at heartPatronise all you like, we both likeThe missionary position
It's a private matter as to frequencyBut we both are smiling as you well can seeAnd it ain't no joke, it ain't BaroqueIt's the missionary position
It's a little retro and a bit passéBut you know you make her feel A-OKAnd she feels all right, the stars are brightThe missionary position."

aus: Sparks: Missionary Position


   

Mittwoch, 15. Februar 2023

An-Flug


Gestern endlich der ersehnte Start in die Fliege-Saison. Immer noch ziemlich kalt, aber mittlerweile habe ich taugliche Ausrüstung, so dass ich ab 05 °C ohne Spätschäden los kann. 



So richtig "auf Strecke" traute ich mich dann doch nicht, 
weil der Nebel noch durchaus präsent war und 
sich teilweise sogar gegen den Wind vorarbeitete.



Daher genoß ich es, in 250 m Höhe "übaaa deeehn Wolkäään" rumzugondeln, ...



... ein Anblick, den Low-and-slow-Flieger per definitionem eher selten haben.




Richtung Süden nur noch Dunst. Die meisten Flieger*innen mögen diese Suppe nicht,
aber immerhin taucht sie die Welt in so ein mythisches Je-ne-sais-quoi.


'Ne halbe Stunde später lag der ganze Zauber dann auch schon hinter mir.


Öko-Bilanz: Gute Dreiviertelstunde in der Luft, 4,5 l ROZ-95-Sprit verbrannt, knappe 11 kg CO₂ rausgeblasen. Zum Vergleich: Düsseldorf-Malle einfach: 610 kg pro Nase. Richtwert: 2.000 kg pro Kopf und Jahr, aktuell in Doitschland: 7.910 kg. Mein Gewissen ist moderat belastet.






Sonntag, 12. Februar 2023

Belügt mich glaubhaft! Gebt mir die Lügen-für-Kinder zurück!

 

Man kann und muss den Hersh-Artikel, der besagt, dass die USA die Nord-Stream2-Röhren gesprengt haben, natürlich kritisch prüfen. Das wird auch bestimmt gerade stattfinden, die Frage ist nur, ob wir, die Normalverbraucher jemals die Wahrheit erfahren werden. 

Völlig unabhängig von der Frage nach der letztendlichen, ganz in echt voll wahren Wahrheit fällt mir aber auf, dass ich NICHT denke: "Hallo!? Die Amerikaner sind doch unsere Freunde, unsere Alliierten, unsere bedingungslose Leitkultur! Die würden so etwas NIEMALS machen, NEVER EVER!"

Nee, sorry, das denke ich gerade nicht. Stattdessen denke ich "JFK blown away, what else do I have to say?" ¹ und ich denke an die Giftgaslüge vor der UN, mit der der Irak-Krieg losgetreten wurde, und ich denke an Kissinger, der schon immer sagte, zwischen Menschen könne es Freundschaft geben, zwischen Staaten nur Interessen, und ich denke an Biden, der in frappierender zeitlicher Koinzidenz vor dem NordStream2-Attentat mehrfach presseöffentlich ankündigte, sie, die Amis, werden das, Nord Stream 2, stoppen. 

Es ist so blöd, dass mir dann auch der Hinweis aus der aktuellen "Monde diplomatique" einfällt, wonach die Amis die ersten unüberprüfbaren Berichte über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine ausgerechnet dann lancierten, als Selenskij im März 2022 kurzfristig Anstalten machte, mit den Russen verhandeln zu wollen. Und warum werden plötzlich die Ballons, die seit Jahren bekannt sind, so spektakulär als Bedrohung gehypt? Was für eine Riesenkacke bereiten die denn jetzt wieder vor? Irgendwas mit Taiwan? Das ist alles so blöd, so unsicher, so fragwürdig, das macht überhaupt keinen Spaß mehr. 

Ich will mein Kinder-Weltbild zurück: Die Amis sind - und waren immer schon - die rundrum Guten, die Starken, die uns vor uns selbst, außerdem vor den bösen Russkis und vor den mongolischen Horden von noch weiter östlich beschützen. Wir Doitschen waren früher voll die Bösen, aber dank der USofA sind wir jetzt auch voll die Guten und so weiter.  

Wenn ich schon belogen und betrogen werde und wenn schon ein imperialistischer Psychopathen-Staat unsere staatliche Souveränität usurpiert, dann bitte mit einer glaubhaften (!) Lüge. Wenn uns dieser ganze Schwachsinn hinterher wieder einmal um die Ohren fliegt, dann will ich doch überzeugend empört ausrufen können "Davon habe ich ja gar nichts gewusst! Also nein! Wenn ich das gewusst hätte...!" 

Wir Doitschen sind großartig darin, jeden Scheiß mitzulaufen, solange man uns eine Chance lässt, uns selbst hinterher als unfassbar doof und blind und unwissend darzustellen.




(verändert via wiki commons)
Wa!? Das sehe ich ja jetzt erst: Hat Powell damals, 2003, bei seiner Lügen-Rede vor der UN tatsächlich ein Probenröhrchen mit resublimiertem irakischen Giftgas mitgebracht? Durfte dann Jede*r mal schnuppern?



(ebd.)
Die Älteren erinnern sich vielleicht auch noch an diese Graphik einer angeblichen mobilen irakischen Giftgasfabrik, die Powell während der Rede ebenfalls zeigte. Von vorne bis hinten erstunken und erlogen, wie auch die Amis inzwischen zugegeben haben. 100 Punkte für die Kack-Dreistigkeit, vor der Weltöffentlichkeit mit so einem Fake aufzutreten, aber 500 Miese für die unglaubliche Primitivität und Dummheit und Durchschaubarkeit dieser Lüge. 

Naja, es hat immerhin gereicht, um den von den USA gewünschten Öl-Krieg vom Zaun zu brechen. 



¹ Billy Joel: We didn't start the fire





Samstag, 11. Februar 2023

Spoiler zum Ukraine-Krieg

 

Demnäxx¹ jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine, und die Propagandist*innen auf beiden Seiten werden das für ihre jeweiligen schmutzigen Zwecke instrumentalisieren. Um da von vorneherein schon mal ein wenig die Luft rauszulassen, verrate ich jetzt schon mal, wie der Ukraine-Krieg ausgehen wird.

Als absolute und uneingeschränkte Gewinner stehen jetzt schon die U.S. of A. fest. Sie haben bereits sehr frühzeitig, am 25.04.2022, öffentlich kommuniziert, ihr strategisches Ziel sei, Russland maximal zu schwächen und zu demütigen. Und dass Russland auf die NATO-Osterweiterung zwangsläufig würde reagieren müssen, hat Biden bereits 1997 vorhergesagt. Da die Usa den Krieg als Stellvertreterkrieg im fernen Osteuropa führen, können sie völlig risikolos und schmerzfrei eskalieren. Wirtschaftliche Verluste entstehen keine, denn die Ukraine wird nach dem Krieg in völliger Abhängigkeit von den U.S. stecken. Und die Amis können sich äußerst bequem darauf zurückziehen, den näherliegenden Europäern die Irrsinnskosten für die Rüstungslieferungen und die Reparationen überzubügeln.

Neben ihrem eigentlichen Kriegsziel erreichen sie weitere sabbernde Bewunderung bei jenen, die ihnen sowieso begierig allertiefst in den Arsch kriechen, nämlich den Polen und den anderen gescheiterten EU-Demokratien um die Visegrad-Gang. Gerade in Ländern, die keine Erfahrungen mit Freiheit, Eigenverantwortung und Demokratie haben, wirkt das hegemoniale Macho-Verhalten immer beeindruckend, ist klar. 

Außerdem machen die Amis den Chinesen schon mal vor, wie demnächst ein Stellvertreterkrieg um Taiwan als Hebel benutzt werden könnte, China zu schwächen. "Monde diplomatique" hat bereits im Herbst 2022 berichtet, dass die chinesischen Militärs die Botschaft verstanden haben und wissen, dass sie, wenn es denn dazu käme, Taiwan in einem besonders brutalen Schlag besetzen müssten, falls sie eine Lage wie die Russlands vermeiden wollten. Die Botschaft wurde also bereits verstanden.

Wirtschaftlich kann es für die Amis auch nicht besser laufen, ihre Rüstungswirtschaft dreht frei, die Doitschen sind gezwungen, ihnen das teure, dreckige Fracking-Gas abzukaufen etc. etc. 

Mehr Win-win-win-win-Situation geht überhaupt nicht, und je länger dieser Krieg dauert, desto umfassender und glorreicher und profitabler wird der amerikanische Sieg sein, und dabei ist es völlig egal, wie der Krieg letztlich ausgeht.

Auch die global agierenden Konzerne, egal auf welcher Seite sie stehen, können weiterhin am Krieg nur gewinnen, egal, ob Rüstung, Energie, Rohstoffe, Dienstleistung. Man glaube bitte nicht, dass so ein Schnickschnack wie eine jährliche Geldentwertung von 9 - 10 %  in dieser Ebene ein Problem darstellt. Tut es nicht, denn man kann ja sogar auf die Inflation spekulieren und also Gewinne daraus schlagen, dass andere Geld verlieren.

Dasselbe gilt - unterhalb der Ebene der Global Players - eigentlich für alle Reichen. Lasst es Euch, liebe Leser*innen mal in Ruhe von Finanzer*innen erklären. Die Faustregel lautet auch und gerade im Krieg: Je reicher Du bist, desto höher ist Dein prozentualer Profit bei der Sache. Das gilt sowohl für doitsche Familienunternehmen als auch für russische als auch für ukrainische Oligarchen. Die haben nicht nur kein Problem durch den Krieg, sondern verdienen an jedem Tag, den er länger dauert. (Und darüber hinaus: Was für himmlische Zeiten werden das, wenn erst der staatlich und international subventionierte Wiederaufbau beginnt! Wie viele Aufträge! Wie viele Absprachen! Wie viele Schmiergelder!)

Und die Ukraine? Helden! Strahlende Helden! Natürlich werden die in die EU kommen, dafür werden die Amis schon sorgen, auch wenn sie de jure NULL mitzureden haben. Und noch in 50 und in 100 Jahren werden die Ukrainer auf uns Rest-Europäer, ich meine: West-Europäer, herabsehen und Forderungen stellen, die uns schwindelig machen, unterstützt von den anderen Ost-Autokratien. 

Bei so vielen strahlenden Gewinnern muss es natürlich auch Verlierer geben, denn Krieg ist ja weder dazu da, Leute glücklich zu machen noch ist es ein produktives, werteerschaffendes Tun. Wo finden also die Verluste statt, das Leid, die Zerstörung, kurz: der Ausgleich für die Mörder-Gewinne?

Natürlich: Die Toten und Verletzten des Krieges, auf beiden Seiten. Dann die Menschen, die Verwandte und / oder ihr Hab und Gut verloren. Dann die Menschen, die wegen der verknappten Nahrungsmittel Not leiden, dann die Menschen, denen Energie- und allgemeine die Verbraucherpreise um die Ohren fliegen, dann die Menschen, denen die kriegsbedingte Inflation die paar ersparten Kröten wegfrisst ... 

Die letzteren Punkte klingen so banal, aber man muss die summieren. Das sind alles Kriegskosten, die wir, die Massen von Normalos in Afrika, Nord-, Ost-, Süd- und West-Europa jetzt schon bezahlen und an denen die Reichen sich jetzt schon bereichern.

Diese ganze dümmliche Propaganda, am Hindukusch oder in der Ukraine werde unsere Heimat verteidigt, das ist alles hanebüchener Unsinn! 

Das ist der eigentliche Spoiler zum Ukraine-Krieg: Sieger und Verlierer stehen längst fest. Die Reichen werden durch den Krieg immer reicher, die Armen zahlen die Zeche und werden immer ärmer. 

Und solange unser Wirtschaftssystem auf psychopathischem Egoismus und auf dem absoluten Primat des Profits basiert, gibt es für die Macht-Habenden beider Seiten keinen logischen Grund, diesen Krieg zu beenden. Solange wird die idiotische Propaganda-Floskel "Frieden schaffen mit immer mehr Hass und Waffen!" als mediale Dauerberieselung fortgesetzt werden. 

Vielleicht ist die Ukraine oder vielleicht ist Russland irgendwann so ausgepowert, dass da wirtschaftlich nichts mehr zu holen ist. Vielleicht erlaubt man uns dann, das Schlachten zu beenden.



(verändert via wiki commons)
"Mal ehrlich: Irgendwann macht so'n Krieg auch einfach keinen Spaß mehr. Wenn eh schon alles kaputtgeballert ist, da fragste Dich dann schon manchmal 'Äh, was mache ich hier eigentlich?'".





¹ Ich gewöhne mir einige Schreib-Variationen an, die verdeutlichen, dass hier keine KI fabuliert, sondern ein denkendes, fühlendes Wesen. Da KIen derlei auch bald in ihre Datenbestände aufnehmen werden, müssen wir natürlich auch die Variationen immer weiter variieren. 





Mittwoch, 8. Februar 2023

Weitergedacht: Solidarität

Unterbewusst hat irgendwas in mir an Travens Kritik an der real nicht-existierenden Solidarität der Arbeiterklasse weitergedacht und mir heute Morgen ein Zwischenergebnis präsentiert. 

Definieren wir "Solidarität" orientiert an Wikipedia als Haltung der Verbundenheit, des Zusammenhaltes und der gegenseitigen Unterstützung. Der Gegenbegriff sei "Konkurrenz". Grenzen wir unsere Definition bitte messerscharf ab von der Solidarität, die als leicht-verderbliche Ware in politischen Sonntagsreden produziert wird und deren Halbwertszeit in Femtosekunden zu messen ist - wenn sie denn überhaupt nachweisbar ist.

Reden wir über echte Solidarität, indem wir konkrete Beispiele untersuchen. 

Seltsamerweise fällt mir da als erstes die Mafia ein. Das Geschäftsmodell soll hier nicht ethisch bewertet werden, und ich bin auch kein Insider, aber die Kriterien Zusammenhalt, Verbundenheit und gegenseitige Unterstützung scheinen konstitutiv zu sein und werden von allen Gruppenmitglieder in doppeltem Wortsinn erwartet. 

Ähnliches gilt für die primitiven, das heißt: elementaren, dem Ursprung nahen, Stammesgesellschaften, die beispielsweise in Afrika und in Bayern eine größere Rolle spielen als moderne staatliche Formen, wie z.B. Demokratie, Nation, Föderalismus etc. Für die afrikanischen Staaten bedeutet dies eine Schwäche, da es den global players erlaubt, die einzelnen Stämme gegen die Interessen der Nation oder des Kontinents auszuspielen. Ich fürchte, Afrika wird wirtschaftlich und politisch nie mit dem Allerwertesten von der Wand kommen, solange diese Stammes-Solidarität alle anderen Solidaritäten erschlägt. Bei Bayern ist das etwas anderes: Hier haben wir einen Stamm subklinischer Psychopathen, die gleichermaßen Egomanie und Selbsthass pflegen und ein ansonsten einigermaßen normal tickendes föderales System, wie es die Burep. D. darstellt, hemmungslos und ethikfrei zu ihrem Vorteil ausnutzen. 

Mit gespannter Aufmerksamkeit, teilweise mit Misstrauen beobachtete ich über Jahre, wie sich die türkisch-stämmigen Kinder und Jugendlichen meiner Schule "zusammenrotteten"¹. Ja, da gab es natürlich Entwicklungen, die nicht positiv waren, Stichwort: Parallelgesellschaft, aber irgendwann musste ich eingestehen, dass der wesentliche Grund für meine negative Perspektive Neid war, der Neid nämlich, dass die türkischen Schüler*innen, dito Kurden und Kasachen, untereinander und schulzweig- und jahrgangsübergreifend eine Solidarität an den Tag legten, die ich bei den bio-doitschen Kiddos und übrigens auch bei Ukrainern und Russen deutlich vermisste. 

Um die Sache abzukürzen: Auf sozialer Meso-Ebene², sozusagen im Bereich und in den Grenzen überschaubarer Gruppen, finden wir reichlich Beispiele von Solidarität. 

Betrachten wir die Makro-Ebene, fallen mir seltsamerweise spontan die United SofA ein, wahrscheinlich, weil die sprichwörtlich allüberall ihre Flaggen plakatieren³. Sind die Amis untereinander solidarisch? Nun, ihre Geheimdienste sind beim Ausspionieren der eigenen Leute etwas behutsamer, als mit dem Rest der Welt. Aber sind US-Finanzinstitute zu den eigenen Leuten netter? Sehen die Amis sich nicht auf allen gesellschaftlichen Ebenen und in jedem Bereich staatlichen Handelns im Wettbewerb, sprich: in Konkurrenz? Gibt es eine Partei, die Solidarität wichtig findet, oder wird dergleichen nicht sofort als kommunistische Attitüde verdammt?

Und wo wir über Kommunismus sprechen: Sind 1,4 Milliarden Chines*innen solidarisch, oder werden sie durch ein rigoros durchgesetztes Überwachungssystem zu Verhaltensmustern gezwungen, die man mit Solidarität verwechseln könnte? Sprung nach Nord-Korea, Frage: Ist Solidarität, die gewaltsam erzwungen ist, überhaupt Solidarität? 

Sprung nach Indien, Frage: Können 1,4 Milliarden Menschen überhaupt solidarisch sein? Die können sich doch unmöglich kennen!? Würden die Menschen dieses Vielvölkerstaates in Verbundenheit einander gegenseitig unterstützen? Ich meine, die haben ja noch nicht mal ihr Kasten-Unwesen richtig überwunden. Wo hört Solidarität auf und wo fängt staatliche Organisation an? 

Gibt es eine maximale Gruppengröße, jenseits derer Solidarität glaubhaft gar nicht mehr stattfinden kann? Hm, diese Überlegungen führen in luftleeren Raum. 

Zurück zum Ausgangspunkt: Bin ich solidarisch? Kann ich es sein? Wenn ja, mit wem? Beispiele, ich brauche Beispiele!

Ukraine-Krieg. Bin ich da irgendwie solidarisch? Fühle ich Zusammenhalt mit der einen oder anderen Seite, kann ich unterstützen? Nö. Ich bin der Auffassung, dass der Krieg unglaublich viel Leid verursacht und schnellstmöglich aufhören muss, aber ich bin nicht auf der einen oder anderen Seite, da mein Wissen über die Hintergründe das nicht zulässt. Verlangt von mir nicht, dass ich wie ein Fussballfan der mir geographisch nächstliegenden Partei die Daumen drücke. Kann ich die Menschen, egal, welcher Seite, unterstützen, ihr Leid mindern? Nö, keine Chance.

Erdbeben Syrien, Türkei, was man so liest: Die Alevitische Gemeinde Deutschland bittet um Spenden für Aleviten. Aha, sehr solidarisch, s. primitives Stammesdenken. Assad will westliche Hilfe für seine Leute monopolisieren, dito. Grenzübergänge Türkei - Syrien seitens Türkei nicht unproblematisch, dito. Seid Ihr bekloppt? Ich bin absolut einverstanden, das doitsche Hilfskräfte auf (meine) Steuerzahler-Kosten dahin fahren, und ich wünsche ihnen (sehr bewusst und unironisch) Glück und Erfolg. Aber: Ich? Da? Was? Tun? Pas d' Chance! Nein, ich bin da nicht solidarisch. 

Empathisch ja. Natürlich kann ich das Leid der Hinterbliebenen nachvollziehen, ihre Wut, ihre Trauer, ihre Hilflosigkeit. So sehr, dass ich heulen könnte. Aber das ist keine Solidarität im Sinne o.g. Definition. 

Seltsam: Mit den französischen Demonstrant*innen, die aktuell gegen die Heraufsetzung ihrer Renteneintrittsalter protestieren, da fühle ich mich verbunden, deren Kampf kann ich unterstützen ⁴. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass wir denselben Gegner haben: Die Konzerne, die Reichen, die immer reicher werden, und die es immer wieder schaffen, die deutschen und die französischen Arbeitenden gegeneinander auszuspielen, indem sie z.B. aktuell die französischen Menschen darauf hinweisen, dass "anderswo" ⁵ das Renteneintrittsalter sehr viel höher liegt. Umgekehrt werden die deutschen Arbeitenden damit geängstigt, "anderswo" ⁵ seien die Produktionskosten, sprich: die Löhne sehr viel niedriger ...

In derartigen Zusammenhängen könnt' ich mich solidarisch fühlen, genauer: Hier wünschte ich mir tausendmal mehr Solidarität, Proletarier, aller Länder ...!



  







¹ "zusammenrotten" - Was für eine demaskierende Metapher aus dem Tierreich, oder?  

² Den Begriff habe ich soeben erfunden. Meso steht zwischen Mikro und Makro. Die soziale Mikro-Ebene wäre etwa Partnerschaft und Familie. Ich bin mir nicht sicher, ob wir auf dieser Ebene nach Solidarität forschen sollten. Ich liebe meine Kinder über alles und fühle mich ihnen maximal verbunden. Aber: Wenn ich meinen Nachwuchs aufpäppel, folge ich AUCH einem biologischen Programm, das mich zwingt, alles zu unternehmen, um meine -> "egoistischen Gene" weiterzugeben. Wenn das Solidarität ist, dann sind Zackenbarsche auch solidarisch. Und Steinpilze. Und ... so weiter.

³ Wir, die denkenden Doitschen, finden derlei National-Fetischismus angesichts unserer eigenen geschichtlichen Erfahrung sehr bedenklich und beängstigend. Wenn man ihnen die Flaggen wegnähme, würden die Amis dann spontan Russen oder Chinesen oder - Gottbewahre! - Mexikaner werden? Steht nicht geschrieben: "Wer überall Wegweiser aufstellen muss, kann sich nicht rühmen, den Weg zu kennen."

⁴ Zum Beispiel mit Kleinigkeiten, mit Texten wie diesen.

⁵ Gemeint ist natürlich Deutschland - und vice versa.

Dienstag, 7. Februar 2023

Ehre, wem Ehre gebührt.

 

Warum drumherumreden? Lest, sofern noch nicht geschehen, Travens "Totenschiff". 

Zwar wird der autobiographisch angehauchte Roman demnächst 100 Jahre alt, aber ich bekam ihn erst kürzlich in die Hand und habe nie eine klarere, feinfühligere und einleuchtendere Erklärung für das zwangsläufige Scheitern aller irgendwie linken und sonstigen Sozialutopien gelesen. 

Im 41. Kapitel lesen wir: "Niemand versteht es so gut, feine und allerfeinste Rangunterschiede zu machen, wie der Arbeiter." Es folgen konkrete Beispiele aus dem hierarchischen Mikrokosmos des abgehalfterten, maroden Schiffes, auf dem der Protagonist arbeiten muss, dann aus dem Vergleich mit den Matrosen anderer, properer Schiffe, und schließlich aus dem Alltag der Fabrikarbeiter. Traven nimmt damit viel von Bourdieus "feinen Unterschieden" (1979) vorweg, und zertrümmert frühzeitig (1926!) die Illusion, es gäbe so etwas wie ein proletarisches Klassenbewusstsein oder gar eine proletarische Klassensolidarität. 

Oder hier, im 34. Kapitel: "Moral wird einem ja nur darum gelehrt, damit die, die alles haben, alles behalten können und das übrige noch dazukriegen." Muss ich nicht kommentieren, wir alle kennen genug Beispiele. Peinlich für uns Heutige ist allerdings die Frage, wann wir denn endlich mal anfangen wollen, diese Erkenntnis umzusetzen. 

Noch mehr nachdenken muss man im 29. Kapitel, wo Traven gegen das Mitleid mit den Unterdrückten plädiert: "Mitleid mit Sklaven? Mitleid mit Soldaten und Soldatenkrüppeln? Haß gegen Tyrannen? Nein! Zuerst sind die Sklaven da, dann erscheint der Diktator auf der Bildfläche!" Großartig! So klar hat unsere Faschismus-Forschung das noch nicht auf den Punkt gebracht, wie B.T. fünf Jahre, bevor die Doitschen Hitler die Macht aufgedrängt haben  Man sollte das flächendeckend in jenen Ländern plakatieren, in denen die Menschen gerade mehrheitlich lustvoll daran arbeiten, ihre freiheitliche Demokratie wiederabzuschaffen.  

26. Kapitel: "Der Glaube versetzt Berge, aber der Unglaube zerbricht Sklavenketten." Gut, der ist nicht wirklich neu, aber ich bin ganz besoffen davon, was Traven bereits im Jahre 1926 gedacht hat. Der Mann war kein gelernter Philosoph, sondern Metallfacharbeiter aus Schwiebus in Westpreussen.

Am Anfang dieses Kapitels sind wir dann wieder sowas von 2023: "Da hängen sie in jedes Büro und in jeden Fabriksaal ein Plakat mit der Aufforderung: 'Do more!' oder 'Tu mehr!' Die Erklärung wird einem kostenfrei gegeben auf einem Handzettel, der einem auf den Arbeitsplatz gelegt wird: 'Tu mehr! Denn wenn du heute mehr tust, als man heute von dir fordert, wenn du heute mehr arbeitest, als wofür du bezahlt wirst, dann wird man dir auch eines Tages das bezahlen, was du mehr tust.'" Wie absolut treffend beschreibt der Verfasser hier unsere immer noch aktuelle Mentalität von Selbst-Optimierung und Selbstausbeutung! Wie sehr klingt mir das weinerliche Gegreine der Arbeitgeber aus dem Jahr 2022 in den Ohren, als sie die zunehmende "Silent-Quitter-Mentalität" vieler Mitarbeitender bejammerten und das "Do more" so medienwirksam einfordern.

Kapitel 16: "In Amerika werden die Ketzer nicht besser behandelt als in Spanien. Das Traurige, das Beklagenswerte, aber echt Menschliche ist, daß diejenigen, die gestern noch selber die Verfolgten waren, heute die bestialischsten Verfolger sind. Und unter den bestialischen Verfolgern heute auch schon die Kommunisten. Die Nachdränger, die Weiterdränger werden immer verfolgt. Der Mann, der vor fünf Jahren in Amerika einwanderte (...) ist heute der Mann, der am wildesten schreit: 'Macht die Grenzen fest zu, laßt niemanden mehr herein!'" Ist das cool!? Über die Richtigkeit und die Anwendbarkeit dieser Zeilen von 1926 muss ich hier kein Wort verlieren, ...

... aber mein Erstaunen über und meine Bewunderung für B. Traven aka Otto Feige aka Ret Marut aka v.a.m. musste ich einfach mal loswerden.

Warum ich der Textchronologie umgekehrt folge? Weil. Lest den Text, verflixt nochmal, da sind noch haufenweise ähnlich genialer Stellen drin.




(stark verändert via wiki commons)

Übrigens: Travens Biographie ist auch absolut lesenswert!







Sonntag, 5. Februar 2023

Tell me why ...

 

Ich bin offiziell seit einer Woche auf eigenen Wunsch frühpensioniert, und aus dem Vorher-Nachher-Vergleich lerne ich gerade eine Menge über mein vorangegangenes Leben.  

Nehmen wir die Montage. Oder, genauer, die Sonntagnachmittage. Solange ich im Job war, war die Aussicht auf den jeweils nächsten Montag eine Schreckensvorstellung. Mal mehr, mal weniger, aber niemals nie. Man gewöhnt sich an diesen Schrecken, solange man in der Mühle steckt. Bewusst wird er dann nur noch, wenn eine besonders grauenvolle Woche vor Dir liegt. Aber wie sehr dieses Wissen unterbewusst da ist und Dich beeinflusst, war mir nicht klar. 

Das muss nicht zwingend nur negativ sein, hilft es doch, die freie Zeit wertzuschätzen. ¹ Und es hilft, Wochen zu strukturieren. ²

Neuerdings sind Sonn- und Feiertage nicht mehr dadurch ausgezeichnet, dass ich da in Ruhe Unterricht vorbereiten, Arbeiten korrigieren und mich der Familie widmen konnte, sondern dadurch, dass das die Tage sind, an denen Behörden und vergleichbare Institutionen, aber auch Werkstätten und viele Einzelhandels-Läden dicht sind. Sonntage sind also eher doof, Montage künftig definiert als Tage, an denen ich Dinge erledigen kann.

Zurzeit erforsche ich nebenbei, wie ich die Freiheit des Pensionärs nutzen kann, um die für mich relevanten Örtlichkeiten zu Zeiten minimalen Publikumsverkehrs aufzusuchen. Ja, dahinter steckt auch eine starke misanthrope Attitüde, aber es ist doch auch allen gedient, wenn ich mich antizyklisch verhalte, oder?


(Frazetta: Death Dealer - stark verändert via wiki commons)

"The silicon chip inside her headGets switched to overloadAnd nobody's gonna go to school todayShe's gonna make them stay at homeAnd daddy doesn't understand itHe always said she was good as goldAnd he can see no reasons'Cause there are no reasonsWhat reason do you need to be shown?
I don't like Mondays(Tell me why)I don't like Mondays(Tell me why)I don't like MondaysI wanna shoot the whole day down."
Bob Geldof







¹Allerdings erinnert dieses Argument an das Motto: "Wie machst Du einen Hund glücklich? Verprügle ihn, und hör' auf. > Hund glücklich."

² Allerdings kann ich das auch selbst ganz gut. Vielleicht habe ich es ein wenig verlernt, weil mir die Strukturierung jahrzehntelang oktroyiert und die Selbst-Organisation abtrainiert wurde! 






Mittwoch, 1. Februar 2023

Spielerisch Lernen: Ukrainekrieg! 😍

 

Ich war in den letzten Monaten oft überrascht, wie viele Menschen sich öffentlich als durch & durch kriegs-geil geoutet haben und mit quasi-religiöser Hingabe für immer mehr und immer fettere Waffenlieferungen an die Ukraine getobt haben. Jetzt habe ich die Lösung des Rätsels gefunden! Das Motto dieser Menschen lautet:

"Alles, was ich in meinem Leben
über Kriegsführung wissen musste,
lernte ich bei War Thunder (TM)!"

  • Du kannst Deinen Gegner nur besiegen, wenn Du den teuersten, ausgeklügeltsten High-Tech-Panzer mit der dicksten Wumme hast. (Dto. Schiffe, Flugzeuge etc.) Dafür musst Du auch mal richtig Geld in die Hand nehmen, und zwar immer wieder neu, um up-to-date zu bleiben, sonst brauchste gar nicht anzufangen. Bei WT ist das Dein eigenes Geld, davon finanziert sich das russische Software-Unternehmen. Im richtigen Leben zahlen andere, weil sie großes Interesse haben, diesen Stellvertreterkrieg zeitlich auszudehnen. 
  • Es ist ein geiles Gefühl, wenn Du einen gegnerischen Panzer zerlegst. Die Szene wird dann auch jedesmal in Zeitlupe wiederholt, Du siehst, wie es die gegnerische Besatzung zerlegt, und Du denkst: "Haha, nimm' das, Du Looser-Wurm!" Bei WT ist das besser, weil Du das Replay gleich bekommst. Im richtigen Leben musst Du immer ein paar Stunden warten, bis die Gun-Footage online ist. 
  • Es ist echt scheiße, wenn Dein eigener Panzer abgeschossen wird, meistens von irgendeinem Arschloch, dass da die ganze Zeit hinterhältig auf der Lauer gelegen hat, und Du denkst: "Ey, was für ein dummes Arschloch!". Diese Scheiß-Camper, das ist bestimmt völkerrechtswidrig oder so. Alle Feinde sind Terroristen.
  • Die Bösen sind per definitionem böse, weil sie ja versuchen, Dich abzuschießen. Außerdem erkennt man sie daran, dass sie rote Tags tragen. Du selbst trägst blaue Tags und die Leute, die auf Deiner Seite spielen, auch. Daran erkennt man schon, dass Ihr die Guten seid.

    Ich weiß jetzt gar nicht, ob die Spieler im gegnerischen Team uns auch mit blauen Tags sehen und sich selbst mit roten. Aus deren Sicht sind wir ja die Bösen, also müssten unsere Tags bei denen rot sein und ihre blau ... Aber rot sind immer nur die Tags von Leuten, die mich abschießen wollen, und ich würde mich doch nicht selbst abschießen, also wäre das ja Quatsch. Dann käme ja alles durcheinander, und ich finde dieses ganze Gut-Böse-Ding jetzt schon ziemlich verwirrend und denke nicht so gerne drüber nach.. 

  • Du fragst auch nicht nach Gründen für den Krieg oder für die nächste Mission. Dein Auftrag ist, die Punkte A, B und C zu besetzen und den Gegner daran hindern, indem Du ihn fertig machst. Wenn Du es schaffst, gewinnst Du, wenn er Dich fertig macht, verlierst Du. 
  • Wem die Punkte A, B und C ursprünglich gehören und warum sie sonst noch wichtig sind, darf man nicht hinterfragen. Wenn die Spieler bei der Auftragsvergabe jedesmal nachfragten und diskutierten, ob das völkerrechtlich und ethisch eigentlich korrekt sei und ob es diese Punkte es wirklich wert seien, dafür das eigene Leben zu riskieren, würde das Spiel nicht funktionieren. 
  • Deshalb peitscht Dich auch eine KI im virtuellen Funksprechverkehr auf, jetzt Alles zu geben, um den Auftrag zu erfüllen. Diese KI argumentiert nicht. Sie brüllt Dich nur an.
  • Naja, und dann gibst Du Alles, und dann gewinnst Du vielleicht und bekommst dann virtuelle Orden und Forschungspunkte und Punkte für Upgrades usw. und dann kannst Du beim nächsten Mal noch geiler ballern, hast dann allerdings auch Gegner mit höheren Upgrades, besseren Fahrzeugen usw. ...  

Ich fasse das Erlernte zusammen und wende es an:

  1. Die Ukraine, das sind die Guten.
  2. Die Russen, das sind die Bösen. 
  3. DENK' NICHT WEITER NACH!
  4. STELL' KEINE FRAGEN!



Combat - Von Atari - Atari Greatest Hits, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45310036
Alles, was ein Ballerspiel braucht: "Combat" von Atari.
Es ging wirklich nur um Geschicklichkeit und rattenschnelle Reaktion.
Kein Kontext, keine Fragen, keine Upgrades, keine Kompromisse.
Wir haben es geliebt!