Mittwoch, 16. Dezember 2015

Schöne Worte, panzerbrechend


Neulich eine Formulierung von Odo Marquardt gelesen. Der ethische Imperativ des gegenseitigen Zugeständnisses

"angstfreien Andersseindürfens"

Was für eine knappe, kristallreine Botschaft! Trennscharf, unbeliebig, unhintergehbar und ganz einfach anzuwenden. Ein wirksames, machtvolles Wort.

Es ist damit völlig egal, ob Neonazis sich feige als "besorgte Bürger" oder als "nationalkonservativ" tarnen, es spielt keine Rolle, ob die spießer-keifende Nachbarin es doch "immer nur gut gemeint", der Stasi-Oberverbrecher "Euch doch alle" geliebt, der Rapper Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass ja eigentlich doch nur aus kommerziell-ästhetischen Gründen auf die Bühne gebracht hat, der Ober-Imam-Padre-Guru auf die Heiligkeit seines, und nur seines, Glaubens pocht. Erheben die Arschlöcher der Welt letztlich nicht alle die Forderung, alle Menschen sollten in dem einen oder anderen Punkte gefälligst nach einem vorgegebenen Schema ticken, sonst ... ?!

Sie alle, die Großen, die Kleinen, die Mächtigen und die Mitläufer, die Deutschen, die Israelis, die Palästinenser, Amerikaner, Russen, Syrer, Chinesen und Tuvaluvaianer, müssen sich fragen lassen: "Wie haltet Ihr es mit dem angstfreien Andersseindürfen"? Darf man bei Euch schwul sein?  Eine andere Hautfarbe haben, einen anderen Glauben, eine andere Meinung? Unverhüllten Kopfes gehen? Baren Fußes? Unkrawattiert und unbeanzugt? Oder muss man dann in Eurer Nähe Angst haben, offene oder versteckte oder hinterhältige Attacken fürchten?

Ich bin vollkommen begeistert: Individuelle und staatliche Ethik ist mit diesem Schlagwort wieder ein ganzes Stück prüfbarer, klarer, einfacher, alltagstauglicher und effektiver geworden. Folgender eindeutiger Satz wird damit möglich:

Ab sofort möchte ich nur noch mit Menschen zusammen sein, die sich aus tiefstem Herzen gegenseitig zugestehen, angstfrei anders sein zu dürfen.



 (via wiki commons)
Worte mit Durchschlagskraft. Ich mag das!


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