Sonntag, 30. Mai 2021

Blaues Wunder



 
Laerion: Ha! Nimm dies, Gobba-Lan! Mein ""Hunte-mündet-in-die-Weser-die-nach-Norden-fließt"-Zyklus ist wieder um ein Exponat reicher. Ich nenne es "Schöne blaue Weser"...

Gobba-Lan: Ich gebe zu, dass das Bild sehr, sehr blau ist. Selbst das Grün der Felder ist irgendwie blau. Aber ...

Laerion: Aber?!

Gobba-Lan: Naja, von der Weser ist nicht wirklich viel zu sehen, oder? Das ist irgendwie alles im Nebeldunst.

Laerion: Ja, natürlich, das ist doch der Trick! Auch der Horizont ist gar kein Horizont, sondern die Oberkante einer Seenebel-Schicht, die mich ringsumher umgab. Ich bin 2.000 Fuß hoch. Ein einmaliges Bild, oder?!

Gobba-Lan (kleinlaut): Ja, doch, irgendwie...

Laerion: Du glaubst immer noch, ich mache immer nur die selben Bilder, oder? Weißt Du was? Ich glaube, Du hast keinen Pups Ahnung von ästhetischer Fliege-Fotographie. Echt nicht.


Sogar das Rot war heute irgendwie blau.
Auch hier ist die scheinbare Horizontlinie 
nur die Oberkante der dunkelvioletten Dunstschicht.



aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XV: Gespräche II; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 1014.







Montag, 24. Mai 2021

Der verschüttete Heilige Geist

 

Was Religion sein sollte:

Eine erfahrungsbasierte Sammlung von Tipps, wie man sowohl das eigene Leben als auch das der Mitmenschen glücklicher gestalten kann.

Was Religion gerne wäre:

Damit auch Doofe diese Tipps verstehen, muss man denen das Ganze mit Hilfe von leichtverdaulichen Metaphern erklären. Und um die alltagspraktische Umsetzung zu erleichtern und einzuüben, muss man schlichte Rituale einführen.

Was Religion ist:

Aus den Metaphern sind anti-rationale Axiome geworden, aus den Ritualen verordnete, vernunftwidrige Zwangshandlungen. Pathologisch machtgeile alte Männer haben entdeckt, dass Doofe sich leichter regieren lassen als aufgeklärte Humanisten, und in der Konkurrenz um immer noch mehr Macht und aufgrund ihres Selbsthasses und Sadismus' haben sie begonnen, die Leute in mörderische Auseinandersetzungen gegeneinander zu hetzen. 


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band IV: Erkenntnisse II; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 245




(Stark verändert via wiki commons)





Samstag, 22. Mai 2021

Was haben die, was wir nicht haben?


Dschong-La besuchte Gobba-Lan und sprach: "Ich will ergründen, warum ein Volk mit so reicher Kultur wie das unsere sich ängstigen kann, es könne von Minderheiten unterwandert, verdrängt und ersetzt werden."

Gobba-Lan antwortete: "Die Leute sehen, dass diese Minderheiten zusammenhalten. Dort gibt es Solidarität. Dort hängt Dein Ansehen weniger davon ab, wie reich Du bist, welchen Schulabschluss Du hast, wie klug Du bist, welchen Beruf Du ausübst. Dort bist Du willkommen, einfach, weil Du ein Mitglied dieser Minderheit bist. Diese Gruppen machen der*dem Einzelnen ein Angebot, das unglaublich attraktiv ist und das unsere, ach, so großartige Kultur nicht macht. Mehr oder weniger bewusst erkennen wir, dass diese Gruppen in etwas hineinstoßen, was bei uns ein Vakuum, eine gefährliche Fehlkonstruktion ist."

Dschong-La: "Fehlkonstruktion?"

Gobba-Lan: "Unser System beruht auf dem individuellen Egoismus und der individuellen, hemmungslosen Gier. Parameter der Leistungsmessung sind nicht Freundlichkeit, Ehrlichkeit und Solidarität. Unser Idealbild ist der clevere Geschäftsmann, der dadurch reich wird, dass er um des persönlichen Profites willen die Grenzen der Ethik und der Legalität noch ein bisschen brutaler überdehnt als sein Konkurrent. Sowas bewundern und belohnen wir, obwohl bei diesem Prinzip der Einzelne sich grundsätzlich auf Kosten der Gemeinschaft bereichert. Wir wissen von dieser Fehlkonstruktion, tun aber nichts dagegen, denn wir sind längst zu korrumpiert von der Idee, selbst davon profitieren zu können."

Dschong-La: "Najaaa, perversen Egoismus und krankhafte Raffgier gibt es in den Reihen der Minderheiten auch. Außerdem extreme Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie, ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie, zur Umwelt ... undsoweiter. Genau genommen sind viele von denen ekelhaft spießige, verbohrte, ewiggestrige Knallköppe, noch schlimmer als bei uns."

Gobba-Lan: "Ja-ha! Verglichen mit unserem aufgeklärten, humanistischen, freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftssystem haben die Konzepte dieser Minderheiten auch keinen Bestand. Aber es ist gut und richtig, wenn wir registrieren, dass die auch etwas haben, was wir nicht haben: Die Wertschätzung und das Gefühl des Willkommen-Seins gegenüber allen ihren Mitgliedern. Das gibt es bei uns zwar irgendwie auch, ist aber bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert und für einfältige Seelen nur schwer erkennbar. Die Nazis nutzen dieses Manko übrigens auch eiskalt aus ..."

Dschong-La: "Was können wir tun?"

Gobba-Lan: "Auf politischer Ebene fällt mir nix ein. Aber jedes Mensch für sich könnte ja mal anfangen zu versuchen, andere wertschätzender zu behandeln. Nur so 'ne Idee..."


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band X: Entwicklung II; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 124 f. 



(verändert via wiki commons)

Klimt: Veritas 1899



 

Montag, 17. Mai 2021

Ehrliche Betroffenheit

 

Entschuldigt, wenn ich aus der Rolle falle, aber: Merkt eigentlich niemand, wie frag-Bindestrich-würdig es ist, dass über den Krieg zwischen israelischen und palästinensischen Macht-Habern seitens sonstiger Politik und Journaille nurmehr mit althergebrachten Betroffenheits-Ritualen reagiert wird, dass aber, wenn es eine Journalisten-Residenz trifft, wenngleich ohne Opfer, Krieg plötzlich eine ganz schlimme und böse Sache ist?

Merke: Betroffenheit macht erst dann richtig Spaß, wenn man selber Opfer ist.



(verändert via wiki commons)

Von Artillerie-Feuer zerstörte Moschee in Gaza. Ach, das war 1917?
Da haben die Briten Gaza bombardiert, aus was für Gründen auch immer.
Ob die Gazanianer wohl mal Lust hätten, nicht beschossen zu werden,
obwohl sie nichts getan haben?
Vorstellbar.






Dienstag, 11. Mai 2021

Demokratische Obsession


Adre: Mann, Du hämmerst ständig auf den Politiker*innen rum. Das hat schon was Obsessives. Oder bist Du im tiefsten Innern einfach nur neidisch?

Homlu: Da Du mir niedrige Motive wie Obsession und Neid unterstellst, zwingst Du mich zu einer besonders objektiven Prüfung. Beginnen wir mit dem Neid. Da einige meiner ehemaligen Mitschüler "in die Politik" gegangen sind und ich beiläufig verfolgte, wie es ihnen da erging, kann ich Neid definitiv ausschließen. Je höher Du aufsteigst, desto mehr musst Du Dich verbiegen und Deine Seele verkaufen, ethische Grundsätze und Freunde verraten, lügen, betrügen, taktieren, ganz allgemein: ein Arschloch sein. Glücklich diejenigen, die ohnehin keine ethischen Grundsätze hatten, denen tat's nicht so weh. 

Adre: Naja, aber die Belohnung ist politische Macht...

Homlu: Ach? Nur ein brutal winziger Bruchteil der Menschen, die "Politik machen" kommt je in eine öffentliche Machtposition. Der ganz, ganz überwiegende Teil verbrennt seine Energie nutzlos in partei-internen Drecksspielen. Tut mir leid, Neid kann ich da nicht empfinden. Auch kein Mitleid. Bestenfalls Schadenfreude. Und Ekel.

Adre: Du hackst schon wieder auf Politikern rum. Ist das obsessiv?

Homlu (gespielt zornig): Verflucht, Du zwingst mich zu Geständnissen!

Adre (ungerührt): Nur zu!

Homlu: Ich habe in Wirklichkeit nichts gegen machthabende Politiker, solange sie einen verantwortungsvollen, selbstlosen Job für die Allgemeinheit machen. Beispiel sei Merkel. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung weist den Parteien hier einen eindeutigen, zentralen Auftrag bei der demokratischen Willensbildung zu. Laut unserer Verfassung sind die Parteien und damit auch die Politiker notwendige Lakaien, quasi ein Schmiermittel, ein Verbrauchsartikel, ohne den aus 80 Millionen Einzelmeinungen kein handlungsfähiges Staatsgefüge entstehen kann.

Adre: Bingo! Aber...?

Homlu: Wenn ich eine Obsession habe, dann ist das die Angst, dass das thumbe, blöde Wahlvolk je vergessen könnte, dass die Politiker nur Hilfs-Fuzzies sind! Die Politiker selbst, die aufgrund ihrer psychischen Verfasstheit und ihrer Schädigung durch innerparteiliche Selektionsmechanismen per defintionem die am wenigsten geeigneten Menschen sind, politische Macht auszuüben, versuchen natürlich alles, um ihr Dasein als Diener aufzuwerten und so zu tun, als seien sie wichtig. Wenn wir je vergessen, dass Politiker nur Marionetten des wahren Souveräns in diesem, unserem Staate, des Volkes, sind und sein dürfen, dann Gute Nacht!

Adre: Ach herrje. Hältst Du die Gefahr für so groß? 

Homlu: In unserem Land derzeit gerade nicht. Allerdings kann sich das schnell ändern. Schau Dir Erdogan, Orban, Trump und diesen polnischen Gartenzwerg - wie heißt er doch gleich? - an: Sobald das Wahlvolk vergisst, dass ihre Marionetten nicht mehr als nur Marionetten sind, drehen die Marionetten durch und machen auf dicke Hose. Und so eine einst demokratische Verfassung ist dann ratzfatz umgeschrieben und Du hast die nächste Autokratie vor der Haustür!

Adre: Nicht gut.

Homlu: In der Tat, Du treue Stichwortgeberin. Und deshalb werde ich nicht aufhören, auf den Politikern rumzuhacken. Tausend Mal wichtiger ist aber, auf dem Teil des Wahlvolkes rumzuhacken, der meint, man könne und solle Politik den Politikern überlassen. Von der verschnarchten Mehrheit des Volkes geht die größte Gefahr aus. Dass Politiker allesamt krankhaft machtgeile Arschlöcher sind, ist weniger gefährlich, weil allgemein bekannt und ergo kalkulierbar.

Adre: Hack, hack!

Homlu: Was!? Schau Dir mal die aktuellen Kommentare zur Kür von Kanzlerkandidaten an! Da war niemals die Rede von Fakten, Inhalten, Zielen. Es ging und geht ausschließlich um Einzelpersonen, um ihre Taktiererei, ihre Egoismen und brunftartigen Machträusche. Wir erwarten von Politikern schon längst nicht mehr, dass sie etwas für die Mehrheit tun. Wir beobachten nur noch, was sie unternehmen, um ihren psychopathologischen Egozentrismus zu befriedigen.

Adre (nachdenklich): Hm.

 

aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XIV: Gespräche; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 887 f. 


 


(stark verändert via vevo)








 

Freitag, 7. Mai 2021

Achtsamkeit reloaded

 

Interviewer: Die Achtsamkeit, Kern aller buddhistischer Philosophie und Lebensführung, wird zunehmend Ziel ironischer Aneignung, nicht erst mit Karsten Dusses Geschichten. Stört Sie das?

Gobba-Lan: Kennen Sie die Hebdo-Mohammed-Karikatur mit der Unterschrift 'C'est dur d'être aimée par des cons', übersetzt 'Es ist hart, von Arschlöchern verehrt zu werden'? Was aktuell durch den Kakao gezogen wird, ist nicht das Konzept der Achtsamkeit, sondern der Fetisch, der daraus gemacht wird. Dumme, lebensgelangweilte Reiche treffen auf pfiffige, profitgeile Geschäftsleute - voilà, fertig ist der exklusivste, albernste Hochpreis-Schickimicki-Pseudo-Buddhismus-Taoismus-Wasauchimmer. 

Interviewer: Aber das macht doch sehr viel von Ihren Ideen kaputt...!

Gobba-Lan: Könnte man eine philosophische Haltung so leicht beschädigen, wäre sie nix wert. Aber wir freuen uns sehr, dass die kommerzialisierten Perversionen des Buddhismus (oder wie auch immer wir das nennen wollen) von der allgemeinen Kritik auf's Korn genommen werden. Dusses Sachen sind großartig, ich könnt' mich wegschmeißen vor Lachen.  

Interviewer: Und was hat es mit der Achtsamkeit tatsächlich auf sich?

Gobba-Lan: Ich weiß nicht, ob Sie schon mal die Erfahrung gemacht haben, jahrelang, jahrzehntelang ohne nachzudenken irgendwelchen Verhaltensmustern gefolgt zu sein und dann plötzlich festzustellen, dass das völliger Quatsch war, völlig unnötig, völlig kontraproduktiv, complete waste of time and energy? Wenn man einmal anfängt, zu üben, überflüssige Verhaltensmuster zu erkennen und abzustellen, dann passieren in der Tat wundersame Dinge. Das Leben wird sehr viel einfacher und angenehmer.

Interviewer: Paradiesisch?

Gobba-Lan: Nein. Paradiesisch nicht. Dazu geschehen immer noch zu viele Dinge, die nicht eben lustig sind. Aber nach einer gewissen Zeit der Achtsamkeit hast Du so viel Müll aus Deiner Gedankenwelt verbannt, dass nur noch ein paar wenige, kristallklare Strukturen übrigbleiben.  

Interviewer: Das klingt schön...

Gobba-Lan: Mnja. Einige Dinge, die da übrig bleiben, sind aber auch sehr profan. Geradezu robust alltäglich. 

Interviewer: Beispiel?

Gobba-Lan: Ich habe großartige Dinge gelernt. Wie zum Beispiel, im Umgang mit Leid und Tod nahestehender Menschen mit Bewertungen achtsam zu sein. Das ist ein sehr hohes, sehr edles Ziel, an dem ich lange und leidvoll gearbeitet habe. Ich habe aber auch gelernt, dass es mir wichtig ist, in Ruhe und Sauberkeit kacken zu können. 

Interviewer: Bitte ... Was?!

Gobba-Lan: Man darf derartige Dinge nicht bewerten. Das eine zur Hochwert-Norm, das andere zur schamhaften Selbstverständlichkeit erklären, das geht nicht. Ich habe beim Üben des Weges festgestellt, dass Geld und Besitz mir gar nicht so viel bedeuten, wie ich früher glaubte. Ich brauche auch kein protziges Haus. Aber der Wunsch, in Ruhe und Sauberkeit kacken zu können, das ist nichts, was sich durch rationales Hinterfragen, durch Meditation, Achtsamkeit undsoweiter aufgelöst hat. Auch weiß ich ein rattenschnelles Internet sehr zu schätzen und würde nicht sagen, dass ich da an etwas festhalte, was es nicht wert ist. 
Wie gesagt, die Dinge, die man durch Achtsamkeit herausfindet, sind nicht alle im herkömmlichen Sinne schön oder glamourös. Wir bewerten sowas nicht. 
Wichtig ist, dass man Überflüssiges aussortiert, so dass am Ende ein paar wenige, sehr einfache, klare Formen übrigbleiben. Wannimmer ich mich von diesen einfachen Formen entferne, das heißt: wieder anfange, mich an irgendwelchen Verhaltensmustern festzuklammern, fühle ich mich blöd. Umgekehrt: Wannimmer ich mich blöd fühle, forsche ich nach irgendwelchem Schwachsinn, an dem gerade grundlos festhalte.
Das ist die ganze Sache mit der Achtsamkeit. Das Leben wird herrlich klar dadurch.

 

 

(verändert via Charlie Hebdo)











aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band V: Erkenntnisse III; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 799







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Sonntag, 2. Mai 2021

Specie-Scham


Adre: "Wie schrecklich, die Opferzahlen der Seuche in Indien ..."

Gobba-Lan: "Ja. Aber die aktuelle Betroffenheitswelle widert mich an! Berichte über die Zustände in Indien gab es schon vor vier, fünf Monaten in den öffentlichen Medien. Weder die indischen Autoritäten noch die reichen Nationen haben irgendwelche nicht-egoistischen Konsequenzen daraus gezogen. NICHTS von dem, was jetzt passiert, ist irgendwie überraschend. Schrecklich ja, aber nicht überraschend. Mich ekelt's vor der Verlogenheit, der Scheinheiligkeit und dem kurzsichtigen, dummen Egoismus meiner Specie."




(verändert via wiki commons)
Der Komodo-Varan ist ja auch 
ein häßliches, hinterhältiges Scheiß-Viech.
Aber er steht wenigstens dazu.
Wir Menschen hingegen ... puh!
Unser Verhalten ist wirklich ekelhaft.



aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band IV: Erkenntnisse II; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 5.