Samstag, 25. Februar 2023

China-Papier


Ich habe mir gerade die Mühe gemacht, den heißdiskutierten chinesischen 12-Punkte-Plan zum Ukraine-Krieg von der Original-Quelle zu zapfen und zu lesen.  

Ich stelle fest: 

Die westlich-wütenden Kritiker haben natürlich recht, zu behaupten, das sei kein fertiger Friedensvertrag. Aber wenn man die Überschrift liest, stellt man fest, dass das auch überhaupt nicht intendiert war. Da steht nämlich "China’s Position on the Political Settlement of the Ukraine Crisis", also "Chinas Position, Meinung...". Von Friedensplan steht im gesamten Text nichts.

Ich habe nicht verstanden, was an dem ersten Punkt falsch ist: "Universally recognized international law, including the purposes and principles of the United Nations Charter, must be strictly observed." Klar, mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Befolgung der UN-Charta¹ steigen die Chinesen natürlich auch den Amis, den Russen und den Europäern auf die Zehen, nicht nur sich selbst.

Den zweiten Absatz, der Kalt-Kriegs-Denken überwinden will, unterschreibe ich Punkt für Punkt vollinhaltlich. Leugnet noch jemand, dass in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg geführt wird? Ok, dann wartet mal ab, wie der Krieg sich entwickelt, wenn die zunehmende Lustlosigkeit der Amis demnächst Wirkung zeigt.

Punkt 3 finde ich klug. Der besagt nämlich "Hört doch mal als erstes auf rumzuballern!" Gute Idee, das an den Anfang zu stellen.

Punkt 4: "Dialogue and negotiation are the only viable solution to the Ukraine crisis." Tut mir leid, den Punkt muss ich einfach gut finden, weil ich von Anfang an gesagt habe, es werde keinen militärischen Sieg in dieser Sache geben, für keine Seite. Schön, dass die chinesische Außenpolitik derselben Auffassung ist.

Der Rest ist auch völlig in Ordnung, besonders hervorheben sollte man vielleicht Punkt 8, der besagt, wie nett es doch wäre, wenn aus dem Ukraine-Krieg kein allgemeiner Atomkrieg entstünde. Jemand dagegen, ich bitte um Handzeichen...!?

Natürlich ist das ein sehr allgemein gehaltener Text, der daraufhin formuliert ist, möglichst allseitig zustimmungsfähig zu sein. Wie soll man denn anders Gespräche lancieren, die aus einer so festgefahrenen Situation herausführen? Immerhin haben wir es auf beiden Seiten mit Machthabern zu tun, für die die Einstellung des Schieß-Krieges NICHT an erster Stelle der Prioritätenliste steht. Sowohl die USA/Ukraine als auch Russland beharren auf Maximalforderungen, von denen sie wissen, dass sie für die Gegenseite inakzeptabel sein müssen. Trotzdem ändern sie nichts. 

Beide Seiten wissen auch, dass der erste eigene Anflug von Vernunft von der Gegenseite als Zeichen der Schwäche absichtsvoll missgedeutet und propagandistisch ausgeschlachtet würde. Es ist das Chicken-Game: Zwei Autos rasen aufeinander zu, und der Erste², der eine Ausweichbewegung macht, ist ein Weichei.  

In so einer Situation muss man die Beton-Birnen erstmal ein wenig aufweichen, vielleicht sogar überhaupt erstmal ansprechbar machen. Da kann man nicht mit konkreten Vorschlägen kommen, da muss man windelweich und flauschig einsteigen. So was weiß man doch, oder? Ich verstehe nicht mehr, warum unsere Plittikör*innen lieber hirnlos auf Beton setzen.


"Was keinen Widerstand hat, kann eindringen, wo kein Zwischenraum ist."
Mein alter Kumpel Lao-Tse - warum hört keiner auf ihn?!


(Laozi verändert via wiki commons)






¹ Haben die Chinesen sich bei "Charter / Charta" vertippt, oder habe ich was durcheinander gebracht?

² Ich habe hier absichtlich nicht gegendert.




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