Sonntag, 26. Februar 2023

Abgebrochene Bücher

In letzter Zeit mehren sich bei mir Bücher, deren Lektüre ich wegen inhaltsbedingten Unwohlseins abbreche. Nennt mich hypersensibel¹, aber ich sehe keinen Sinn darin, mit Gewalt zu Ende zu bringen, was mir nur beschränkten Erkenntnisgewinn, aber mittelfristig negative vibrations beschert.

Da wären:

Niklas Frank: dunkel seele, feiges maul; Bonn, 2. Aufl. 2017; Untertitel: "Wie skandalös und komisch sich die Deutschen beim Entnazifizieren reinwaschen." Franks Stil ist nicht immer professionell, die genannten Beispiele und aufgezeigten Strategien dürften aber authentisch sein. Es ist frustrierend und erbärmlich, wie viel Lügen, Betrügen, Denunziantentum, Dreistigkeit und Korruption am Beginn unserer Demokratie stehen.

Volker Ullrich: Acht Tage im Mai; München, 2020; ein ganz hervorragend recherchiertes und dennoch leseappetitliches Werk, an sich rundherum empfehlenswert, aber in zeitlichem Zusammenhang mit dem Frank-Werk (s.o.) völlig deprimierend.

Etwas weg vom Krieg und Nazitum: Thomas Piketty: Eine kurze Geschichte der Gleichheit; München 2022. Mir war schon vorher klar, dass unsere Welt und unser Verteilungssystem auf hemmungsloser individueller Gier und nicht auf Gerechtigkeit basiert, aber wenn Piketty die trockenen, nachweisbaren Zahlen, die seine Leute und er mühevoll zusammengetragen haben, wenn er diese Zahlen gut lesbar, aber sachlich und wertfrei vorstellt, dann wird mir ob der Dimensionen der hervorscheinenden Ungerechtigkeit kotzeübel. Ich werde das Buch noch zu Ende lesen, ich schwör', aber ich brauche echt eine Erholungspause.

Heinz Schuler, Dominik Schwarzinger: Die Masken der Psychopathen; München 2022. Auch dieses Buch werde ich zu Ende lesen ... demnächst. Aber die sehr gut belegte These, dass subklinische Psychopathen in unserem Weltbild als die coolen, harten, ultra-durchsetzungfähigen Macher verehrt werden und entsprechend in den Hierarchien hochpurzeln und sich dort mit ihrer unheilbaren Krankheit (!) resident festsetzen, ist zur Zeit noch zu dicht an eigener Leidenserfahrung dran. Wenn Du auf den nächsten zwei Hierarchiestufen über Dir subklinische Psychopathen sitzen hast, bleibt nur die Flucht ². Trotzdem ist das Buch zwingend empfohlen.






 



¹ ... was ich durchaus nicht als Beleidigung auffassen würde... 

² Die Verfasser raten schon bei einem psychopathischen Vorgesetzten zur Flucht. Veränderungen einzufordern, Diskurse auf üblichen Dienstwegen sind bei dieser Diagnose nach Aussage Schulers/Schwarzingers völlig sachfremd. Die Krankheit ist im MRT nachweisbar, sie ist genetisch - und also nicht durch rationalen Diskurs heilbar.




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