Mittwoch, 22. Februar 2023

Panzermuseum II: Warum?


Natürlich muss ich mir die Frage gefallen lassen¹, warum es mich zu dem ganzen Kriegs- und Mordinventar des Panzermuseums hinzieht, warum ich mich überhaupt für militärische Technik und Geschichte interessiere. 

Mehrere Antworten sind parallel gültig. Nach Priorität geordnet:

Erstens: Ich bin Jahrgang 1962, was bedeutet, dass ich die Nachrüstungsdebatte Ende der 1970er schon ziemlich bewusst mitbekommen habe. Vor allem habe ich mitbekommen, wie uns die Rüstungsbefürworter ein ums andere Mal argumentativ von der Platte gefegt haben und wie wirklich erbärmlich und hilflos und dumm die Rüstungsgegner*innen sich immer wieder durch totale Ahnungslosigkeit blamierten. Das bedeutet nicht, dass die Rüstungsbefürworter tatsächlich die besseren Argumente hatten, denn das hatten sie nicht. Es bedeutet, dass sie überhaupt Argumente hatten und in die Debatte werfen konnten, während die Rüstungsgegner*innen nur so laberige Allgemeinplätze wie "Frieden schaffen ohne Waffen" absondern konnten. Wenig überzeugend und ein Grund für mich, nachzuhaken.

Zweitens: Irgendwann, als ich in der 9. oder 10. Klasse war, erschien mein Erdkundelehrer wieder mal völlig unvorbereitet und planlos zum Unterricht und beschloss spontan, uns ein paar Dinge über die damals aktuelle militärstrategische Lage der alten BRD im Kalten Krieg zu erzählen. Das wurde eine der spannendsten Doppelstunden meines Lebens, erfuhren wir doch, warum die westdeutschen Autobahnen gerne in Nord-Süd-Richtung, aber ungern in Ost-West-Richtung gebaut wurden, damit nämlich der russischen Panzerwalze der Durchstoß zum Atlantik nicht allzu leicht gemacht werde. Deshalb auch die Sprengkammern unter allen Autobahnbrücken, und wir erfuhren, was es mit dem Fulda-Gap auf sich hatte, wie wir die Vorrichtungen für Atom-Minen auf relevanten Verkehrs-Kreuzen erkennen konnten, dass die Reichweite französischer Atomraketen so begrenzt war, dass sie nur auf westdeutschem Gebiet niedergehen konnten etc. etc. 

Diese Doppelstunde, in den Rahmenrichtlinien garantiert nicht vorgesehen, war für mich ein totaler Augenöffner, und ich fragte mich, warum Schule, die den obersten Auftrag hatte und hat, uns zu mündigen Staatsbürger*innen zu erziehen, uns diese superwichtigen Informationen vorenthielt. Natürlich wollte und will ich keinen para-militärischen Unterricht wie in der DDR, aber wie sehr alles Militärische totgeschwiegen wurde, das empörte meine jugendliche Seele immer mehr. Und mir war klar: Wenn "die Erwachsenen" versuchen, ein Thema unterm Teppich zu halten, dann muss das richtig, richtig wichtig sein. Also begann ich, mich einzuarbeiten.

Drittens: Die menschliche Sozialgeschichte interessiert mich. Nein, das klingt zu hochtrabend. Ich wollte und will wissen, wie Menschen ticken, im Alltag, in Glaubens-Sachen, beim Sex, in Krieg und Not. Ich konnte mir z.B. anfangs nicht vorstellen, wie man so bescheuert sein konnte, in den engen Schützenlinien des absolutistischen Zeitalters in Europa gemessenen Schrittes auf den Feind zuzumarschieren und sich totschießen zu lassen. Wie tickten die Menschen, dass das ein paar Jahrhunderte lang möglich war?

Viertens: Meine Verwandten väterlicherseits² waren allesamt eher einfach gestrickt und in der Nazi-Zeit eher leicht zu begeisternde Mitläufer, weniger Täter im engeren Sinne. Wieso waren die sich alle so einig, dass ihr Wehrdienst - auch in Kriegszeiten - überwiegend positiv konnotiert war? Was war da los? Militärgeschichtliche Fragen, nicht aus der strategischen Perspektive, sondern aus der Sicht der kleinen Krauter. Angewandte Sozialwissenschaft. Aber auch: Wie ticken meine Verwandten?

Fünftens und letztens: Technikgeschichte ist ein überschaubares Feld, und Du kannst die Komplexität, in der Du es erforschen willst, selbst bestimmen. Das gilt für Panzer, aber auch für Flugzeuge, Trecker, Lokomotiven usw. usw. Die deutsche Panzergeschichte ist leicht gegliedert: Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Zwischenkrieg, Nachkrieg. Die meisten stürzen sich auf den Zweiten Weltkrieg, da gab es sechs Grundtypen und ein, zwei tschechische Modelle. Wenn man die kennt, kann man schon mal eine Menge Bilder zuordnen. Und wenn man Lust hat, kann man dieses Wissen Schritt für Schritt ausbauen ad infinitum. Das ist wie Briefmarkensammeln. Wer's ausprobieren möchte, kaufe im Ramsch-Handel ein Billig-Buch über Lokomotiven. Da findet man unglaublich viel Wissenswertes für 7,49 €.




¹ ... und immer wieder selbst stellen

² Mütterlicherseits war nicht viel Verwandtschaft.






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