Freitag, 29. Oktober 2021

Highway-Meditation

Wissenschaft zu verstehen ist keineswegs Eliten vorbehalten, sondern zum Verrücktwerden einfach: Jede Aussage, die sich durch ein Experiment widerlegen lässt, gilt als wahr, bis sie durch ein Experiment widerlegt wird. 

Beispielsatz: "Der Luftwiderstand steigt im Quadrat zur Geschwindigkeit."

Erläuterung: Wenn ein Fahrzeug oder Flugzeug von 50 km/h auf 100 km/h beschleunigt wird, verzweifacht sich die Geschwindigkeit. Das Quadrat von 2 ist 4. Demnach muss permanent viermal soviel Energie aufgewendet werden, um bei dieser Geschwindigkeit den Luftwiderstand zu überwinden. 

Wenn ein Fahrzeug oder Flugzeug von 50 km/h auf 150 km/h beschleunigt wird, verdreifacht sich die Geschwindigkeit. Das Quadrat von 3 ist 9. Demnach muss permanent neunmal soviel Energie aufgewendet werden, um bei dieser Geschwindigkeit den Luftwiderstand zu überwinden. 

Herrlich, oder? Wollen wir die Geschwindigkeit noch vervierfachen? Ich frage mich, was, was dabei wohl rauskommt. Naaa, weiß das wer?

Und das Allerbeste: Die Aussage ist wissenschaftlich und sie ist wahr, denn es gibt tausende Experimente, die sie bestätigen, aber kein einziges, das sie widerlegt. (Wir erinnern uns: Es würde ein einziges Experiment ausreichen, um eine wissenschaftliche Aussage zu widerlegen.) 

Was Wissenschaft so richtig, richtig schwierig macht, sind nicht die Methoden, denn die sind ganz handwerklich. Es sind auch nicht die Ergebnisse, denn die sind eigentlich immer spannend. Das Schwierige an Wissenschaft ist, was die Leute draus machen. Wir bleiben beim obengenannten Beispielsatz.

  • "Jaa, wenn man von 50 auf 100 beschleunigt, mag das stimmen, aber ich fahre eh nie 50, auch nicht innerorts. Und ob ich 80 oder 100 fahre, ist ja wohl latte, oder?"
  • "Hömma, mein Bugatti chiron, dat is sonne platte Flunder, der hat praktisch überhaupt keinen Luftwiderstand, auch nicht bei dreihunnertfuffzich, klar?!"
  • "Die Rechnung kann nicht stimmen. Wenn ich Freitachna'mittach den Firmen-Sprinter mit 180 über die Bahn prügel', dann verbraucht der nix mehr, wie mit fuffzich auffer Landstrasse. Is' echt so."
  • "Sechzehnmal soviel!!!??? Ich brauche sechzehnmal soviel Sprit, wenn ich statt 50 200 fahre? Ihr habt doch 'ne Klatsche! Das stimmt never ever ..."
  • "... und außerdem läuft der Motor ja viermal so lange, wenn Du statt 200 nur 50 fährst, das muss man dann erstmal wieder davon abziehen. Da sieht die Rechnung gleich ganz anders aus."
  • "Jetzt wollen wir doch nicht so tun, als wäre das der Weisheit letzter Schluss. Die Wissenschaftler sagen ja selbst, dass das nur eine Hypothese ist, die nur gilt, bis einer das Gegenteil beweist. Die sind sich also gar nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Es wäre unverantwortlich, für diese links-grün-versiffte Meinungsmache Arbeitsplätze in Doitschlant zu opfern." 
  • "Daniel Bernoulli war schwul / Jude / Kommunist / Neger / Frau / Illuminat / Freimaurer / katholisch / Akademiker / evangelisch / Buddhist - zutreffendes unterstreichen und weitertwittern, Mehrfachnennungen sind möglich und erwünscht."
  • "Soooo, jetzt wollen die Grünen uns also zwingen, für den Rest unseres Lebens nur noch 50 zu fahren!  Das machen die nur, weil sie neidisch auf meinen 507-PS-Audi-SUV sind. Den wollen sie mir wegnehmen, um selber damit fahren zu können! Hängt sie auf!"
  • ... to be continued ...

Diese Ideen kamen mir heute auf der Autobahn. Ich frag' mich, wieso...


(Daniel Bernoulli - verändert via wiki commons)
"Guck ihn dir doch an, den langhaarigen Bombenleger!
Von sonner Schwuchtel lass' ich mir doch nicht vorschreiben,
wie schnell ich fahren darf. Soweit kommt dat noch!"






2 Kommentare:

  1. Ich bin in Vielem völlig bei Ihnen und rege mich (zu oft) über ziemlich die selben Dinge auf. Und ich schätze Ihre pointierte Audrucksweise ungemein. Trotzdem korrelieren in diesem Fall Spritverbrauch und Luftwiderstand nicht genau. Beispiel: Mein betagter Audi dürfte bei konstant 54 im vierten Gang vielleicht 6,5 L/h schlucken. Bei der von mir nie genutzten Vmax von 215 aber nicht 16 * 6,5 = 104, sondern vielleicht 25-30. Nicht dass ich das jemals erreichen möchte ...

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  2. Vielen Dank für den freundlichen und klugen Kommentar! Sie haben vollkommen recht: Bei Fahrzeugen reicht es nicht, den Luftwiderstand zu betrachten, wenn man den Spritverbrauch erschließen will. Begriffe wie "Rollwiderstand" und "Fahrwiderstand" müssen berücksichtigt werden. (Musste ich auch erstmal wikipedia-en.) Eine Ahnung von dem Energieaufwand erhält man, wenn man das Auto mittels Körperkraft mit Schrittgeschwindigkeit vor sich herschieben will. Der Luftwiderstand ist quasi null, anstrengend ist es trotzdem. Gleichwohl gilt auch bei Autos, dass der Luftwiderstand im Quadrat zur Geschwindigkeit steigt (vgl. "Fahrwiderstand" bei wikipedia). Mein Mittelkleinwagen braucht 5,7l/100km bei 110 km/h und 7,3l/100km bei 130 km/h. Bei Flugzeugen ist die Korrelation noch sehr viel deutlicher zu erkennen.

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