Neulich wies eine Bekannte mich darauf hin, eine Internetz-Präsenz wie dieser Weblog müsse ein Impressum führen, das Verantwortliche für das Machwerk nennte. Glücklicherweise konnte ich belegen, dass diese Pflicht nur für gewerbliche Sites gelte, und ich wollte meine Adresse lieber nicht internet-veröffentlichen.
Aber vielleicht, so erwiderte meine Gesprächspartnerin, interessiere die Rezipient*innen, wer hinter den Texten dieses Blogs stecke. Ich könne ja wenigstens ein Register "Über mich" einfügen. Ich wand mich, wies darauf hin, wie viele Blogs zu Stätten dümmlichster narzisstischer Selbstdarstellung verkommen seien. Außerdem sei sowohl für das ästhetische Werk als auch für die wissenschaftliche Arbeit der egolesse Stil mein höchstes Ideal. Wie ich als Einzelner denke, fühle, handle, interessiere doch keine Sau, nicht mal mich selbst. Nur wenn ein Text überindividuelle Relevanz beanspruchen darf, ist er's wert, veröffentlicht und gelesen zu werden.
Den Vorwurf einer "als Demut verpackten Arroganz" konnte ich nur teilweise entkräften. Das hatte zwar keine negativen interpersonellen Spätfolgen, führte aber dazu, dass ich mich in der Folge auf anderen nicht-kommerziellen, textlastigen Blogs orientierte, wie deren Macher*innen mit autobiographischen Angaben umgingen. Überrascht stellte ich fest, dass die Register "Über mich" bzw. "Über uns" zum Teil durchaus lesenswerte Dinge enthielten.
Und damit gingen die Probleme los.
Was, bitteschön, soll ich denn "über mich" schreiben - mal gesetzt, ich wolle, wennschondennschon, leidlich bei der Wahrheit bleiben?
- "Ich heiße Soundso, bin (ogottogott) soundso alt und bin Lehrer ...." Ach Du Scheiße, wie langweilig und und ersetzbar ist DAS denn!?
- "Ich heiße Soundso und bin eigentlich ganz nett ..." Würgkotzbrech, wer will das wissen? Außerdem ist's teilweise gelogen. Es hat Szenen in meinem bisherigen Leben gegeben, da war ich unwillentlich richtig scheiße, aber so richtig richtig!
- "Ich heiße Soundso und habe mich mein Leben lang bemüht nett zu sein, aber ich weiß, dass mir das nicht immer gelungen ist ..." Jaaaaah! Holt einen Therapeuten! Schnell!!!
Meine Probleme bei dem Kapitel "Über mich" sind
- erstens, dass ich keine wirkliche Ahnung habe, wer oder was ich bin,
- zweitens, dass ich keine Ahnung habe, was ich von dem, was ich "über mich" zu wissen glaube, überhaupt veröffentlichen will und
- drittens, dass ich keine Ahnung habe, ob es irgendwas "über mich" zu berichten gibt, das überindividuell relevant ist und falls ja, wie ich das erkenne bzw. vom Belanglosen unterscheide.
Die Aufgabe ist allerdings erkenntnistheoretisch interessant. Kann das Subjekt seine Existenz objektiv reflektieren? Kann das Individuum, absolut ins eigene Leben verwickelt, überindividuell relevante Erkenntnis formulieren?
Diese Fragen schreien ja geradezu nach einer Dekonstruktion dessen, was ich bislang so lapidar als Selbstbild mit mir herumgeschleppt habe, mit ein paar randständigen Zweifeln hier und da... Für einen anständigen Taoisten gehört sich's ohnehin, das Selbstbild zu schreddern. Spannende Denk-Aufgaben ergeben sich daraus.
Nun denn!
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