Seit fast einem halben Jahr probiere ich mit Mastodon die Freuden und Leiden eines Microblogging-Dienstes aus. Zwischenbilanz: Insgesamt und über Alles sind meine Erfahrungen zu gefühlten 82 Prozent¹ positiv, zu 14 Prozent "interessant"² und der Rest ist totale Kacke.
Es dauert nicht lange, bis man die allernervigsten Idiot*innen, die Kriegshetzer, die Twitter-Wiederholer und die mit den klammheimlich kommerziellen Absichten aus den eigenen Timelines herausgeblockt und stummgeschaltet hat. Gleichzeitig hat man viele interessante und bereichernde Schreibende gefunden, denen man gerne und mit großem Gewinn folgen mag.
Bei guter Pflege hat man als Rezipient bald eine Bubble, in der genug Leute auf angenehmer Wellenlänge funken, wo aber auch hinreichend abstruse, bizarre und exzentrische Typen und Meinungen vertreten sind, damit es interessant bleibt und man nicht in der ewig-eigenen Nabelschau verrottet, sondern spannende und wertvolle und wichtige, nicht immer vorhersehbare und nicht immer bequeme Anregungen bekommt.
Als Schreibender ist mir Microblogging mit der Begrenzung auf 500 Zeichen aber oft zu eng. Wohlgemerkt ist das meine ganz persönliche Auffassung, mein ureigenstes Littiti und keine allgemeine Kritik. Es sind meine Schreibgewohnheiten und Schreibbedürfnisse, die nach anderem Medium verlangen.
Und Microblogging ist mir zu schnellfickerig, zu hektisch. Inhalte sedimentieren wahnsinnig schnell aus dem Lichtkegel der Aufmerksamkeit. Das scheint für die überwältigende Mehrheit des Publikums in Ordnung zu sein, und das ist auch völlig ok. Manchmal habe ich auch nur Dinge zu melden, die zwar einerseits rauswollen, aber andererseits eine längere Halbwertzeit nicht wirklich verdienen. Dafür ist Mastodon großartig, und deshalb bleibe ich dabei.
Dennoch bevorzuge ich die langsame, betuliche Aneinanderreihung von Texten in diesem "richtigen" Blog. Wer es sich hart geben will, kann hier mittlerweile acht Jahre zurückblättern. Damit ist meine Arbeit langfristig kontrollierbar, und das ist gut so, weil es dazu führt, dass ich mich bei jedem Text bemühe, keinen Blödsinn zu verzapfen.
Das ist schließlich der alleinige Zweck dieses Blogs: Nicht nur muss ich meine Gedanken durch die Mühlen sachlichen Richtigkeit und der grammatischen Logik mahlen, auch müssen sie à la longue und über alle Bereiche meines Gedanken-Lebens stringent sein. Gut dem Dinge!
Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich lese, was ich geschrieben habe? ³
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Ich erlaube mir einen Nachklapp, der indirekt auch was mit meinen Aktivitäten auf Mastodon zu tun hat, aber eher ein "Insider" ist.
Die Wörter "Schwachsinn", "Blödsinn" und "Wahnsinn" benutze ich gelegentlich, und sie sind KEIN ableistischer Narrativ, da sie in den Fachwissenschaften nicht mehr vorkommen und auch im alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr zur (abwertenden / ausgrenzenden) Beschreibung geistiger bzw. seelischer Erkrankungen benutzt werden. Daher erobere ich die Begriffe für meinen Sprachgebrauch zurück.
Beispiel: Wenn die "letzte Generation" kriminalisiert wird, dann von Leuten, die mir unterstellen, mein Realitätssinn sei schwach ausgeprägt, was ziemlich blöd ist, da unzutreffend, was aber die arroganten Herrschenden in ihrem abgehobenen Wahn nicht realisieren. Anders: Wie schwach - sinnig sind unsere Herrschenden, anzunehmen, ich würde den Blöd - sinn glauben, die LG-Aktiven seien Terroristen? Es ist gut, dass jemand gegen den Klima-Wahn - sinn aktiv wird.
In diesem Sinne ist auch die Etymologie von "doof" bemerkenswert. Kommt von "taub", engl.: "deaf", und wenn ich sage "Ich finde Krieg doof.", dann ist das keine ableistische Attacke gegen Menschen mit Hörproblemen.
Jetzt müsste ich noch "Idioten" und "Arschlöcher" vom ableistischen Verdacht frei machen, aber man muss ja nicht jede einzelne Note erklären, wenn man die Melodie erläutern will, oder?
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¹ Was für eine herrliche Pseudo-Präzision. Ungerade Zahlen, sagt man, suggerierten noch mehr Glaubwürdigkeit. Und eine nachgestellte Komma-Sieben-Drei wären der Gipfel. Bsp.: 81,73 %
² Hier ist teilweise der diplomatische Duktus bemüht. Da bedeutet "interessant" etwa "totaler Unsinn". Aber mancher totale Unsinn ist per se tatsächlich interessant.
³ Geklaut und verändert vom Buchtitel Parianen F.: Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage? (Keine Quellenangabe, ich hab's noch nicht gelesen.)