Sonntag, 3. Februar 2019

Tagebuch Venezuela (oder sonstwo)

Liebes Tagebuch!

Heute bin ich verwirrt.

Und das kam so: Seit Tagen verfolge ich beiläufig die ganzen Sachen über Venezuela in den Online-Portalen. Von Anfang an habe ich Vieles nicht richtig verstanden, weil Alles total widersprüchlich war, und immer, wenn ich versuchte herauszufinden, wer der Gute und wer der Böse ist, wurde es richtig schwierig.

Heute Abend sieht die Sache anscheinend so aus: Da ist ein dicker, alter Mann, der eigentlich links und sozialistisch ist, sich aber von dem Tarn-Nazi Erdogan unterstützen lässt und unterstützt wird, weil er (der alte Dicke) den Tarn-Nazi bei dessen Machtergreifung 2016 ebenfalls unterstützt hat, was für einen Linken ja eigentlich eine komische Sache ist.

Auf der anderen Seite gibt es einen jungen Dünnen, der als glorreicher jugendlicher Rebell und Freiheitskämpfer gegen die alten Machteliten dargestellt wird, aber von Oberarsch Trump und seinen Speichelleckern, den europäischen Konservativen einschließlich der SPD, gepampert wird. Ich glaube, wasauchimmer von Trump unterstützt wird, kann per se nur scheiße sein und ist damit für alle Ewigkeit korrumpiert. Die Nummer mit dem jugendlichen Rebellen ist damit erledigt.

Jetzt lese ich auch noch, dass der alte Dicke dem Tarn-Nazi auffällig viel Gold verkauft hat, damit der das illegal über die Grenze in den Iran verschiebt. Warum, zum Geier, unterstützen der Dicke und der Tarn-Nazi den Iran? Sind die einander nicht spinnefeind wegen ... äh ... der Kurden, die ... äh ... Achnein, es geht vielleicht darum, dass Trump, der den Dünnen unterstützt, gegen den Iran ist, weil er (Trump) von den Saudis, die einfach so gegen den Iran sind, ihm Geld und Öl dafür geben.

Vielleicht bin ich gar nicht verwirrt. Vielleicht sind die einfach alle bescheuert. Nein, viel wahrscheinlicher ist, dass allmählich immer klarer wird, dass es nur um kleine und große dreckige Machtspiele geht und dass die Inhalte, die in den Medien stets so betulich analysiert werden, dabei nur vorgeschoben sind und in Wahrheit überhaupt keine Rolle spielen.



(stark verändert via wiki commons)












Samstag, 2. Februar 2019

Hoffnung Jugend


Neulich für drei, vier Wochen peruanischen Austausch-Schüler in meiner 10. Klasse gehabt. Habe ihn gebeten, Info-Referat über sein Heimatland Peru zu halten. Er hat auch ganz bereitwillig eine PP-Präsentation erstellt und uns über Land & Leute berichtet.

Tage später, zu seinem Abschied, frage ich ihn, wie seine weiteren Pläne aussähen. Naja, meint er, eigentlich wollte er Informatik studieren. Aber, um ehrlich zu sein, ginge es seinem Land aufgrund jahrelanger Korruption und Misswirtschaft wirtschaftlich miserabel (was er in seinem Referat nicht erwähnt hat) und deshalb werde er "Economics" studieren, weil Peru solche Leute dringender brauche.

Leider reichten meine Sprachkenntnisse in Englisch nicht aus und die Situation war auch nicht danach, ihm vollumfänglich meine Bewunderung und neidvolle Anerkennung für diese selbstlose und solidarische * Einstellung auszusprechen. Hier hat doch tatsächlich ein 17-jähriger den guten JFK richtig verstanden: "Frag' nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern, was Du für Dein Land tun kannst."

Ganz naheliegend ist natürlich, den vergleichenden Blick auf unsere hiesige Jugend zu richten und mit alttestamentarischem Zorn mahnende Vergleiche herauszuschleudern. Aber das wäre völliger Quatsch. Wir erziehen doch, wo wir nur können, unsere Kiddos zu rücksichtslosen, nur auf sich selbst bezogenen, hedonistischen, unkritischen Geistern. Schaue ich mir die gesellschaftlichen "Vorbilder" an, die wir ihnen anbieten **, wundere ich mich vielmehr, dass die Gören nicht noch viel, viel bekloppter und bescheuerter agieren, als sie es ohnehin schon tun.

Lasst uns doch einfach zu einer kritischen Didaktik zurückkehren, d.h. lasst uns doch auch einfach mal (wieder) die Unterrichtsinhalte danach ausrichten, wo es gesellschaftlich am schlimmsten knirscht ***. Ich will die Kindlein schon lehren, aktiv Verantwortung zu tragen. Und sie werden es lieben, wirklich! Die Spießer hingegen nicht so sehr ...






Auch für mein Referendariat gilt: 
Es war ja nicht ALLES schlecht, damals ...









* Sollte man diese Einstellung "patriotisch" nennen? Nein. Zu missverständlich. Zu gefährlich. Das "Vaterland" um seiner selbst willen hochzujubeln, ist schwachsinnig und endet über das Motto "Right or wrong - my country!" zwangsläufig in Terror, Gewalt und Ethnoziden. Besagter Schüler ist übrigens Lichtjahre von dieser dümmlichen Form des Patriotismus entfernt, und eine übersteigerte Heimatliebe ist da auch nicht. Er sieht nur, dass es den Leuten dreckig geht und will was dagegen tun.

** An dieser Stelle hatte ich eine Liste von Beispielen, aber mir ist beim Tippen schlecht geworden, und so habe das wieder gelöscht.

*** Die Idee stammt nicht von mir, ist uralt. In meiner Ausbildung musste ich mal ein Referat zu Winkel R.: "Die kritisch-kommunikative Didaktik" halten. Das hat mich nie wieder losgelassen.



Montag, 28. Januar 2019

Schmerzliche Erkenntnis

Wer bestrebt ist, sich nicht im Dogmatismus festzufahren, muss beim Denken und Verhalten risikobereit sein, d.h. die Möglichkeit negativer Ergebnisse tolerieren.

Vor ein, zwei Jahren habe ich der papiernen Tagespresse entsagt, der einzig hier auf dem Lande morgendlich verfügbaren Provinz-Postille das Abonnement gekündigt, da sie im überregionalen Politik-Teil immer wieder und immer mehr rechtspopulistische Agitation verbreitete. Nun, nach langer Enthaltsamkeit, erhielt ich ein Probe-Angebot eines anderen Regionalanbieters, von dem ich zwar wusste, dass er unter derselben Fuchtel steht, aber vielleicht ja doch ... siehe oben.

Die Antwort lautet "Nein", das heißt, ich habe 9,50 Euro für ein vierzehntägiges Probeabo ein und desselben rechtsspießigen Populisten-Blattes rausgepulvert. Ich würde mir vor Wut ein Monogramm in den After beißen, wäre ich beweglich genug. Da ich es aber nicht bin, beruhige ich mich mit der Autosuggestion, dass ich eben ein optimistischer, undogmatischer, toller Hecht bin, der auch dem größten Drecksblatt noch eine Chance gegeben hat und der nun mit umso mehr Berechtigung konstatieren kann, dass ein Abonnement der Nordwest-Zeitung oder einer ihrer Regional-Ableger bedeutet, demokratiefeindliches, antieuropäisches Gedankengut zu unterstützen.

Und falls jemand meine Beurteilung für zu drastisch empfindet, empfehle ich folgende Vier-Schritt-Prüfung regelmäßig zu wiederholen:

  1. Lies die aktuellen Texte von Breitbart, dem ideologischen Obereinpeitscher-Portal der Demagogen, denen es gelungen ist, Trump als ihre POTUS-Marionette zu installieren.
  2. Lies "Russia Today Deutsch", das Propaganda-Portal Putins für Doitschland und Europa.
  3. Schnüffel die letzten Flatulenzen der AfD und aller anderen antidemokratischen und antieuropäischen Populisten weg.
  4. Und dann lies den jeweils letzten Kommentar von Alexander Will, dem Stürmer-Rechtsaußen der Nordwest-Zeitung und aller anhängenden Provinz-Blätter.

Finde Beweise gegen folgende Hypothese: Die Führungs-Camarillas der Amis und der Russen sowie aller Diktatoren bomben kontinuierlich propagandistisch gegen unsere FDGO und gegen ein vereintes, solidarisches Europa. Die europäischen Populisten sind dabei willfährige Kollaborateure, und Provinz-Propagandisten wie Will und Konsorten nähren sich kümmerlich von der Transkription der tiefbraunen Ausflüsse.

Es tut mir in der Seele weh, aber: Der gute alte, allseits kritische Journalismus, in traditionellen Zeitungen, so richtig auf Papier und so, ist tot. An der Illusion festzuhalten, es gäbe hier einen Hort des notwendigen Widerstandes gegen Fake News und gegen die Populisten, wäre dumm und gefährlich.





(stark verändert via wiki commons)










Samstag, 26. Januar 2019

Don't know much about Kunstkritik ...


Vor einiger Zeit zappte ich zufällig in "Das fünfte Element" und fand's gut. Bestellte mir die DVD und, ja, immer noch gut, aber anscheinend hängt es sehr von meiner Stimmung ab, wie fett aufgetragen Trivialität, auch selbstironisch verbrämte, ich ertrage.

Da mir die DVD-Sammlung also wieder ins Blickfeld geraten war, stellte ich fest, dass es eigentlich nur ganz wenige Filme gibt, die ich, in angemessenen zeitlichen Abständen, immer mal wieder gerne anschauen wollen würde. Viele andere werden durch mehrmaliges Anschauen immer öder und man fragt sich irgendwann, wie man so einen Mist überhaupt jemals gut finden konnte.

Völlig jenseits aller ästhetischer Theoriebildung und offiziöser Kulturkritik und durchaus ansprechbar für Triviales und die Darstellung knappst textilierter Frauen, scheint's, als wüsste etwas in mir immer genauer zu unterscheiden, was kurzlebiger Müll und was zeitlose Kunst ist.

Trivial, nicht-trivial, scheißegal. Was Du auch nach Jahren immer wieder sehen, lesen, hören magst, kann nicht schlecht sein.






(verändert via wiki commons)

Natürlich nur das Original!









Samstag, 19. Januar 2019

Viel Feind.


Von Zeit zu Zeit les' ich ganz gern die für Deutschland bestimmte Ausgabe des Online-Portals von Russia Today. Es gibt dort kaum verbrämte Putin-Propaganda, die zwar wegen ihrer kleingeistigen und primitiven Machart ekelerregend ist, aber andererseits hübsch offen zeigt, welche mittelfristigen Ziele die Putin-Camarilla verfolgt und was sie uns gerne glauben machen möchte.

Möge sich die geneigte Leserin, der geneigte Leser selbst ein Bild machen, meinesteils beobachte ich  mit besonderem Interesse und besonderer Sorge "RT's" Bestreben, das vereinte Europa zu sabotieren. Warum unterstützt RT so überdeutlich die antieuropäischen und national-egoistischen Bestrebungen der Rechtsradikalen Europas, vor allem der ehemaligen Warschauer-Pakt-Genossen, warum die große, rassistische Aufmerksamkeit gegen Migration und Asylsuchende, warum das explizite Eintreten für den Brexit*?

Was lustig ist: Mit den andauernden Versuchen, das gemeinsame, einige Europa zu verhindern, steht Putin Seit' an Seit' mit den Amis und den Chinesen. Wäre es für uns nicht so absolut schädlich, könnten wir uns über das darin enthaltene Kompliment freuen.

Und natürlich müssen wir Europäer*Innen uns fragen, wie lange wir uns die Nummer noch widerstandslos gefallen lassen. Zeit für klare Bekenntnisse, oder? 





(verändert via wiki commons)
Zwölf Sterne, die EU-Flagge. Ja, wir hätten uns auf die zwölf wichtigsten, die solidarischsten, freiheitlichsten und demokratischsten Staaten beschränken sollen. 27 ist zu viel. Lassen wir jene, die sich mit der europäischen Kultur nicht mehr identifizieren wollen, mit freundlichen Grüßen gehen.






* Beim Brexit begehen Putins Lautsprecher allerdings aktuell einen strategischen Fehler: Sie unterstützen den "harten Brexit". Das ist falsch, ganz, ganz falsch! Wenn die Briten hart ausstiegen und die Folgen zu spüren bekämen, würde das den Zusammenhalt der Rest-EU stärken. Wenn man jetzt doch noch auf windelweiche Kompromisse hinarbeitete, wenn die Briten mit ihrem jahrzehntelang offen zur Schau getragenen Egoismus, ihrer ewigen Taktiererei und ihrer konsequent unsolidarischen Art wieder einmal durchkämen, dann, ja dann fände das selbstverständlich Nachahmer. Ein weiterer Sargnagel für die EU, ein großer.







Samstag, 12. Januar 2019

Glück hat seinen Preis. Gut so!


Ein ganz großartiges Buch, Trentmanns "Herrschaft der Dinge", über die Sozialgeschichte des Konsums.


Man wird nur regelrecht von interessanten und wissenswerten Fakten überrollt, es ist eines von den Büchern, die man zweimal lesen kann und muss.

Ich stecke in den letzten Zügen der Erstlektüre und scheitere daran, eine Textstelle wiederzufinden, die mir weniger beim Erstlesen, dafür um so mehr beim Nach-Denken auffiel. Da zitiert Trentmann  eine Quelle*, laut der ab einem jährlichen Einkommensüberschuss von 15.000 $ über Grundbedarf eine weitere Zunahme individuellen Glücksgefühls durch weitere Einkommenssteigerungen nicht signifikant nachweisbar sei.

Einfacher formuliert: Wenn ich meine Ausgaben für Wohnen, Essen und Kleidung, Kommunikation refinanzieren kann und dann etwa 13.100 Euro pro Jahr oder 1.092 Euro pro Monat übrig habe, bin ich materiell maximal glücklich, weitere Erhöhungen meines Salairs machen mich nicht glücklicher.

Mir ist absolut klar, dass diese Gedanken für arme Menschen wie blanker Zynismus wirken. Es gibt aber auch sehr viele Menschen, die oberhalb dieser Grenze leben und trotzdem dauernd rumnöhlen und nach immer mehr lechzen.

Die Bedenken seien dahingestellt, meinetwegen auch die Zahlen und die Methoden der empirischen Sozialforschung, das muss natürlich alles hinterfragt werden. Aber das Prinzip finde ich außerordentlich bedenkenswert. Setzen wir doch einfach mal die 13.100 € p.a. als Platzhalter für einen Wert, mit dem ich materielles Glück mathematisierbar mache. Was folgt daraus?

Erstens: Ich kann über meine eigenen materiellen Ansprüche vergleichend nachdenken.
Zweitens: Ich kann über meine Definition von Grundbedürfnissen nachdenken. Erreiche ich vielleicht die 13.100 Euro Überschuss deshalb nicht, weil meine Ausgaben für Wohnen, Essen, Kleidung etc. zu hoch sind? Kann ich daran vielleicht was ändern?
Drittens: Um die Schallgrenze von 13.100 Euro zu erreichen, kann ich mich beruflich stärker engagieren, um mein Einkommen zu steigern. Ich kann aber - bei gleichbleibendem Einkommen - auch versuchen, die Kosten für meine Grundbedarfe zu senken, und ich kann mich im Extremfall sogar zu einem konsequent minimalistischen Lebensstil entschließen, der mich dann gleich aus mehreren Gründen glücklich macht.
Viertens: Ich kann also über die Sinnhaftigkeit erhöhten beruflichen Engagements nachdenken. Arbeite ich an dem, was mir Spaß macht? Oder gehöre ich zu der ganz überwiegenden Mehrheit, die in einem alltäglichen globalen Rattenrennen mitläuft, um Geld zu verdienen, um Sachen zu kaufen, die man nicht braucht, um Leute zu beeindrucken, die man nicht mag? **
Fünftens: Trifft für mich vielleicht der Wert von 13.100 gar nicht zu? Habe ich, wenn meine Grundbedürfnisse sowieso befriedigt sind, vielleicht schon bei 10.000 Euro Überschuss das Gefühl, eigentlich genug zu haben? Oder bei 8.000?
Sechstens: ...

Da zeichnet sich ein Prinzip ab, oder? Wenn ich materielles Glück quantifiziere, wenn ich ihm einen absolut Wert zuweise, beende ich damit die eklige, kommerzgetriebene, unethische, erniedrigende, instinktbasierte, hirntote, autokatalytische Jagd nach immer mehr. Es ist völlig schnuppe, wo dieser Wert ganz genau liegt, auf tausend oder zweitausend Euro kommt es da gar nicht an. Wenn aber jemand jährlich 100.000 Euro mehr erarbeitet, als er zum Leben braucht und wenn gleichzeitig allgemein bekannt ist, dass bei spätestens 13.000 oder 15.000 Euro die Sinnhaftigkeit aufhört, dann steht "Mister 100.000" plötzlich wie der totale Volltrottel da.

Was für ein ausgesprochen befriedigender Gedanke!

Was für ein herrlicher Start in eine intelligentere, vernünftigere, nachhaltigere, sozialere, kurz: bessere Zukunft!



(stark verändert via wiki commons)






* könnte auf einer Studie von Deaton basieren.

** angeblich nach Alexander von Humboldt







Donnerstag, 10. Januar 2019

Lustvoll Dummes tun


Eigentlich wollte ich heute nur nach zwei Monaten wetterbedingter Zwangspause den Motor meines Flugzeugs im Stand laufen lassen, damit die Batterie lädt und Kühlwasser und Öl mal wieder umgewälzt würden. Zum Fliegen war's viel zu kalt und die Schichtwolken hingen so niedrig, und für nachher war noch Regen- und Schneeniesel angesagt.

Und die Vernunft sagte: "Fliegen is' nicht, Du brauchst die Sachen gar nicht erst mitzunehmen!" Und die Unvernunft sagte: "Wer weiß!"

Und die Vernunft hatte recht und die Unvernunft hatte auch recht: Es war viel zu kalt, aber für drei sehr kurze, bibbernde aber herrliche Platzrunden ging's dann doch, und der Aufwand stand in überhaupt keinem sinnvollen Verhältnis zu gut 20 Minuten Airtime, aber das Herz jubilierte!

Und die Landungen waren derart präzise, elegant-locker-flockig-fluffig-flauschig, dass nur die Metaphorik kitschiger Soft-Pornos * oder früher Condom-Werbung ** sie angemessen beschreiben können.

Was lernen wir daraus? Gar nichts. Es bestätigt sich nur wieder der barocke Spruch (frei zitiert):

"Sex, Geld, Ehre, Fliegerei - je weniger man hat, desto mehr redet man drüber!"



Ja, ich weiß, die Fotos fangen an, sich zu ähneln. Aber dies ist von heute!










* "Sein laaanges, langsames Flaren steigerte ihre Lust ins Unendliche, und als die Räder schließlich die Grasnarbe berührten, stöhnte die Landebahn lustvoll auf ..."

** "gefühlsecht", "sensitiv gesteigert"


Montag, 7. Januar 2019

Nicht so schlecht!


Es wäre dümmlich-paradox, begänne ein Blog-Text mit den Worten "Ich bin sprachlos." Daher formuliere ich furztrocken: Dass und wie der Habeck seine Fehler im Umgang mit Facebook und Twitter offen eingesteht und dass er daraus richtige und angemessene persönliche Konsequenzen zieht, nämlich die accounts aufzulösen und dass er aus der ganzen Malaise allgemeingültige Lehren ableitet und die "Kurzatmigkeit", die Schnellschuss-Mentalität und mangelnde Sorgfalt bei der Texterstellung kritisiert - das rechne ich ihm ganz hoch an!

Bald kommt es noch so weit, dass ich meine prinzipielle Plittikörrverdrossenheit aufgeben muss! Womöglich muss ich dann, statt einfach nur "Plittikör" zu sagen und damit meine allumfassende Verachtung auszudrücken, wieder zu so laaangweiligen Differenzierungen kommen, wie "Natürlich sind alle Plittikör*Innen korrupte, inkompetente, egomanische, prinzipienlose, krankhaft machtgeile Arschlöcher, aber es gibt auch ein paar Politiker*Innen wie den Habeck ..."

Was für ein Schnarchnasen-Harmonie-Geschwurbel! Opa erzählt aus der kalten Häimat ... , sowas will doch kein Mensch hören! Mannmannmann noch drei, vier Leute dieser Art in die Führungsriege der Grünen, und die gehen richtig durch die Decke.

Chapeau, Habeck, Chapeau!



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Sonntag, 6. Januar 2019

Voll in die Fresse!


Eine scheidende evangelische Bischöfin fordert presseöffentlich, man müsse "Ostdeutschen mehr Zeit für Einüben von Demokratie geben“ (sic) und erläutert, die Ossis würden nur deshalb tendenziell rechtsradikal sein, weil sie eben erst 30 Jahre Demokratierfahrung hätten. *

Diese Aussage ist wahrscheinlich irgendwie salbungsvoll gemeint, beträfe sie mich, wäre ich allerdings auf's Äußerste erzürnt.

  • Die Ossis sind demnach so doof, dass sie auch nach 30 Jahren immer noch nicht kapiert haben, worum es in der Freiheitlich-Demokratischen-Grundordnung geht. Ich finde, nach 30 Jahren hätte man das Grundgesetz schon mal gelesen haben können, aber anscheinend sind die Ossis sehr, hm, sorgfältige Leser*Innen.
  • Die Ossis dürfen demnach bis auf Weiteres an keinen demokratischen Wahlen teilnehmen, außer in isolierten Sandkasten-Umgebungen. Sie müssen ja noch üben, und "Üben" ist per definitionem niemals der Ernstfall. Alle bisherigen Wahlergebnisse, an denen Ossis beteiligt waren, sind also zu annullieren, sofern der rechtslastige Ossi-Faktor nicht eindeutig rausgerechnet werden kann.
  • Auch die Wiedervereinigung Deutschlands ist demnach ungültig, denn die Ossis hatten ja damals gesagt, sie wollten endlich in einem toleranten, freien, demokratischen Land leben. Anscheinend waren es aber gar keine Demokratie-Freunde, sondern 17 Millionen braune Spießerbratzen, die 1989 "unter Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt" (§263 StGB, vulgo "Betrug") und sich qua Wiedervereinigungs-Vertrag zu Wessis Schaden maßgeblich bereichert haben.


Dumm, unfähig, kriminell, das sind heftige Vorwürfe. Dabei haben Frau Bischöfin es doch bestimmt nur gut gemeint, oder?

Nicht zwingend. Erdogan und Putin schöpfen viel ihrer diktatorischen Macht aus dem oft und gern wiederholten Hinweis, ihre Völker seien einfach nicht reif für die Demokratie. Das italienische Volk, so erläuterte mir mal jemand, neige deshalb hemmungslos zum Faschismus, weil es seiner Selbstwahrnehmung nach viel zu verspielt und zu albern sei, sich eigenverantwortlich selbst zu regieren. Erhellend in dem Zusammenhang auch Trumps (wahrscheinlich zutreffende) Aussage, er könne öffentlich jemanden niederschießen und würde trotzdem gewählt werden.

In der Sache bleiben drei Hypothesen:

  1. Die Bischöfin hat Recht, die Ossis sind tatsächlich dumm, unfähig und kriminell.
  2. Die Bischöfin ist ein bisschen dumm und sehr arrogant und hat, ohne es selbst zu merken, alle Ossis ganz fies beleidigt und öffentlich diskreditiert.
  3. Die Bischöfin betreibt altbekannte, perfide Machtpolitik, indem sie als "Oberhirtin" den "dummen Schäfchen" durch eine seit der Bronzezeit von allen abrahamitischen Religionen tradierte Rollenzuweisung jeden Funken Selbstachtung nimmt, um sie dadurch gefügiger zu machen. Letzteres auch noch besonders hinterhältig unter dem Mäntelchen verständnisvoller christlicher Nächstenliebe.


Finde ich eine der drei Hypothesen NICHT zum Kotzen?

Ähm ... nein.


Wäre es nicht viel schöner, wenn wir allen Menschen zugestehen würden, dass sie eigenverantwortliche Entscheidungen fällen. Und wenn wir jene, die kluge, mitfühlende Entscheidungen treffen, offen und ehrlich bewundern und jene, die die AfD wählen, offen und ehrlich verachten und scheiße finden dürfen?

Das ganz Geschwurbel drumherum macht's nur noch unerträglicher.







(stark verändert via wiki commons)


Refugees welcome, aber Abraham und sein Familiennachzug haben tatsächlich mittelfristig die damalige europäische Kultur plattgemacht. Ok, das war vermutlich kein großer Verlust, aber nach dreieinhalbtausend Jahren bedarf die Ethik bronzezeitlicher Wüstennomaden dringend eines Updates.




*
Übrigens habe ich im Rahmen meiner Recherche erstaunt zur Kenntnis genommen, dass Frau Bischofs Kirchengau, oder wie immer das heißt "Evangelische Kirche in Mitteldeutschland" heißt, obwohl das Bundesland Sachsen, das östlichste unserer Beitrittsgebiete, dazugehört. Wie süß, da laufen ja immer noch die kleinen, dreckigen revanchistischen Wortspiele aus der Nachkriegs- und Kaltkriegs-Zeit. Wenn Sachsen Mitteldeutschland ist, wo ist dann Ostdeutschland? Genau! In Polen! Also, da wo jetzt Polen ist, ... angeblich ... aber eigentlich ... nur eine Frage der Zeit ... Siegerwillkür ...

Kann mir mal jemand erklären, wie eine Kirche, die sich für so einen Dreck hergibt, glaubhaft gegen Faschismus auftreten kann? Die Evangelen in Thüringen und Sachsen waren auch seinerzeit schon stramme Nazis gewesen. Außer in der DDR, da waren sie stramme Sozialisten/Kommunisten. Also, wahrscheinlich hat Frau Bischöfin doch Recht: Eingesessene Demokrat*Innen sucht man in der Ecke vergebens!







Mittwoch, 2. Januar 2019

Rattenplage


Kein Lehrer-bashing kann dümmlich genug sein, damit der Doitschlandfunk sich nicht dranhinge. Warum das so ist, weiß ich nicht. Und insgesamt ist der DLF auch nicht relevant, aber er reproduziert immerhin punktgenau viele Vorurteile gegen unser Bildungssystem .

Nun wird's aber doppelt dümmlich: DLF berichtet, der Bildungs-Böberschte der OECD kritisiere mangelndes "Eigenengagement" (sic!) * doitscher Lehrer. Sie mögen sich bitte stärker über ministerielle Vorgaben hinwegsetzen und sich mehr für Reformen einsetzen.

Ok.

Dazu  muss man wissen, dass die OECD gegründet wurde, um in der Nachkriegszeit die Mittel des Marshall-Plans zwischen Deutschland und Frankreich (und ein paar anderen) fair zu verteilen. Das Thema war 1952 erledigt. Seitdem ist die OECD eine der ganz fetten und besonders dreisten "Ratten in der Bildsäule" ** der Europäischen Gemeinschaft: Getrieben von einer Lobby von Leuten, die sich immer wieder mit irgendwelchen kostenintensiven Pseudo-Projekten selbst beauftragen, unterstützt von großen politischen Interessengruppen, die dort ihre personellen Altlasten entsorgen und gegen üppige Tantieme pseudowissenschafliche Gefälligkeitsgutachten ordern können.

Mit Bildung hat die OECD überhaupt nichts zu tun, aber in relevanten Wirtschaftsthemen will man sie längst nicht mehr haben, weil die global agierenden Konzerne ihre Lobbyarbeit inklusive der Gefälligkeitsgutachten und gekaufter Parlamentarier lieber selbständig durchsetzen. Da ist Bildungspolitik als Ersatzbefriedigung immer gut, denn da braucht man keine Kenntnis, kann hochwichtig rumlabern und läuft nicht Gefahr, für irgendwas zur Verantwortung gezogen zu werden. Bildungspolitik ist immer schon der ideale Nährboden für Ratten gewesen.

Apropos "hochwichtig rumlabern", Teil 1: Die OECD hat den PISA-Test eingeführt. Was misst der PISA-Test? Schulqualität. Was ist Schulqualität? Das, was der PISA-Test misst. Wer hat am wenigsten Probleme mit PISA? Die Niederländer. Warum? Weil sie festgestellt haben, dass der Test keine objektiven Qualitätskriterien hat, keine signifikanten und falsifizierbaren Ergebnisse liefern kann und sie deshalb schlicht nie dran teilgenommen haben.

Apropos "hochwichtig rumlabern", Teil 2: Wie kann der OECD-Knallkopp kritiseren, wir Lehrer*Innen "seien zu stark auf Vorgaben aus dem Ministerium" fixiert und sollten lieber selbständig überlegen, wie wir die Kinder auf die Zukunft vorbereiten sollten. Schon mal was vom Zentral-Abitur gehört, Knallkopp? Schon mal was davon gehört, dass wir Lehrer*Innen uns zwar auch immer gerne als freischaffende Künstler*Innen betrachten, aber im tiefsten Innern wissen, dass wir es nicht sind, sondern dass wir, im Gegenteil einen demokratisch legitimierten Dienstherren haben, der zwar im Regelfall inkompetent und lobbyhörig ist und meistens genau die falschen Entscheidungen trifft, dass dieser Dienstherr aber trotzdem das Recht hat, zu erwarten, dass wir seinen Anweisungen folgen oder, wenn wir das nicht wollen, uns einen anderen Job suchen?

Und überhaupt: Warum fordert der OECD-Knallkopp, dass wir Lehrer*Innen angesichts des Schwachsinns, der von oben kommt, revoltieren? Warum fragt Knallkopp nicht, wie überhaupt so viel Schwachsinn aus einem Ministerium heraussickern kann und warum die dort ansässigen Inkompetenzlinge da weiterhin ungestraft Ausfluß produzieren dürfen? Ganz einfach: Weil diese Inkompetenzlinge Knallkopps wichtigste Auftraggeber sind! Als taktisch gewiefte Ratte beißt man doch nicht die Hand, die einen füttert!

Ein bisschen öffentlichkeitswirksames Lehrer-bashing, das läuft. Da widerspricht auch keiner. Auch nicht im Kultus-Ministerium. Würden unsere vorgesetzten Ministerialen nämlich eingestehen, dass wir Lehrer*Innen, die wir ganz unten in der Nahrungskette stehen, gar nicht Schuld am beschissenen Zustand unseres Schulsystems seien, dann könnten unangenehme Fragen folgen. Dann könnte - Gott bewahre! -   sich der satte, träge Blick des Volks-Souveräns, des mündigen Bürgers, die Hierachie hinaufarbeiten und mit laserartiger Schärfe die wahren Verantwortlichen ausmachen.

Deshalb sind die Dinge, wie sie sind: Da oben gibt es zwei kooperierende Ratten-Clans, einerseits die Bildungspolitiker und andererseits die OECD bzw. Bertelsmänner. Die tun sich nix, sondern gießen sich, im Gegenteil, gegenseitig das Blümchen. Und da unten sind die Lehrer*Innen, die den ganzen Scheiß ausbaden, indem sie schon vor Jahrzehnten zur Guerilla-Pädagogik übergegangen sind. Wir machen sehr guten Unterricht. Nicht wegen, sondern trotz der Bedingungen.

Warum weiß der Knallkopp das nicht? Sollte der denn wirklich ÜBERHAUPT KEINE Ahnung vom Thema haben?





(1937 - Die Ratten eines [!] Schiffes - stark verändert via wiki commons)




* Hat er wirklich "Eigenengagement" gesagt? Was für eine interessante Wortneuschöpfung! Leider völlig bescheuert. Man ist entweder aus sich selbst heraus engagiert bei der Sache oder man ist schlicht nicht engagiert. Analog erfinde ich hiermit den Neologismus "Selbst-Masturbation" zur Beschreibung der intellektuellen Verfasstheit der OECD/PISA-Leute.



** Hier nochmal zur Erinnerung:

Herder: Das größte Übel des Staats, die Ratte in der Bildsäule
Hoan-Kong frage einst seinen Minister, den Koang-Tschong, wofür man sich wohl in einem Staat am meisten fürchten müsse. Koang-Tschong antwortete: »Prinz, nach meiner Einsicht hat man nichts mehr zu fürchten, als was man nennet: die Ratte in der Bildsäule.«

Hoan-Kong verstand diese Vergleichung nicht; Koang-Tschong erklärte sie ihm also:

»Ihr wisset, Prinz, daß man an vielen Orten dem Geiste des Orts Bildsäulen aufzurichten pflegt; diese hölzernen Statuen sind inwendig hohl und von außen bemalet. Eine Ratte hatte sich in eine hineingearbeitet; und man wußte nicht, wie man sie verjagen sollte. Feuer dabei zu gebrauchen getraute man sich nicht, aus Furcht, daß solches das Holz der Statue angreife; die Bildsäule ins Wasser zu setzen, getraute man sich nicht, aus Furcht, man möchte die Farben an ihr auslöschen. Und so bedeckte und beschützte die Ehrerbietung, die man vor der Bildsäule hatte, die - Ratte.«

»Und wer sind diese Ratten im Staat?« fragte Hoan-Kong.

»Leute«, sprach der Minister, »die weder Verdienst noch Tugend haben und gleichwohl die Gunst des Fürsten genießen. Sie verderben alles; man siehet es und seufzet darüber; man weiß aber nicht, wie man sie angreifen, wie man ihnen beikommen soll. Sie sind die Ratten in der Bildsäule.«