Kein Lehrer-bashing kann dümmlich genug sein, damit der Doitschlandfunk sich nicht dranhinge. Warum das so ist, weiß ich nicht. Und insgesamt ist der DLF auch nicht relevant, aber er reproduziert immerhin punktgenau viele Vorurteile gegen unser Bildungssystem .
Nun
wird's aber doppelt dümmlich: DLF berichtet, der Bildungs-Böberschte der OECD kritisiere mangelndes "Eigenengagement" (sic!) * doitscher Lehrer. Sie mögen sich bitte stärker über ministerielle Vorgaben hinwegsetzen und sich mehr für Reformen einsetzen.
Ok.
Dazu muss man wissen, dass die
OECD gegründet wurde, um in der Nachkriegszeit die Mittel des Marshall-Plans zwischen Deutschland und Frankreich (und ein paar anderen) fair zu verteilen. Das Thema war 1952 erledigt. Seitdem ist die OECD eine der ganz fetten und besonders dreisten "Ratten in der Bildsäule" ** der Europäischen Gemeinschaft: Getrieben von einer Lobby von Leuten, die sich immer wieder mit irgendwelchen kostenintensiven Pseudo-Projekten selbst beauftragen, unterstützt von großen politischen Interessengruppen, die dort ihre personellen Altlasten entsorgen und gegen üppige Tantieme pseudowissenschafliche Gefälligkeitsgutachten ordern können.
Mit Bildung hat die OECD überhaupt nichts zu tun, aber in relevanten Wirtschaftsthemen will man sie längst nicht mehr haben, weil die global agierenden Konzerne ihre Lobbyarbeit inklusive der Gefälligkeitsgutachten und gekaufter Parlamentarier lieber selbständig durchsetzen. Da ist Bildungspolitik als Ersatzbefriedigung immer gut, denn da braucht man keine Kenntnis, kann hochwichtig rumlabern und läuft nicht Gefahr, für irgendwas zur Verantwortung gezogen zu werden. Bildungspolitik ist immer schon der ideale Nährboden für Ratten gewesen.
Apropos "hochwichtig rumlabern", Teil 1: Die OECD hat den PISA-Test eingeführt. Was misst der PISA-Test? Schulqualität. Was ist Schulqualität? Das, was der PISA-Test misst. Wer hat am wenigsten Probleme mit PISA? Die Niederländer. Warum? Weil sie festgestellt haben, dass der Test keine objektiven Qualitätskriterien hat, keine signifikanten und falsifizierbaren Ergebnisse liefern kann und sie deshalb schlicht nie dran teilgenommen haben.
Apropos "hochwichtig rumlabern", Teil 2: Wie kann der OECD-Knallkopp kritiseren, wir Lehrer*Innen "seien zu stark auf Vorgaben aus dem Ministerium" fixiert und sollten lieber selbständig überlegen, wie wir die Kinder auf die Zukunft vorbereiten sollten. Schon mal was vom Zentral-Abitur gehört, Knallkopp? Schon mal was davon gehört, dass wir Lehrer*Innen uns zwar auch immer gerne als freischaffende Künstler*Innen betrachten, aber im tiefsten Innern wissen, dass wir es nicht sind, sondern dass wir, im Gegenteil einen demokratisch legitimierten Dienstherren haben, der zwar im Regelfall inkompetent und lobbyhörig ist und meistens genau die falschen Entscheidungen trifft, dass dieser Dienstherr aber trotzdem das Recht hat, zu erwarten, dass wir seinen Anweisungen folgen oder, wenn wir das nicht wollen, uns einen anderen Job suchen?
Und überhaupt: Warum fordert der OECD-Knallkopp, dass wir Lehrer*Innen angesichts des Schwachsinns, der von oben kommt, revoltieren? Warum fragt Knallkopp nicht, wie überhaupt so viel Schwachsinn aus einem Ministerium heraussickern kann und warum die dort ansässigen Inkompetenzlinge da weiterhin ungestraft Ausfluß produzieren dürfen? Ganz einfach: Weil diese Inkompetenzlinge Knallkopps wichtigste Auftraggeber sind! Als taktisch gewiefte Ratte beißt man doch nicht die Hand, die einen füttert!
Ein bisschen öffentlichkeitswirksames Lehrer-bashing, das läuft. Da widerspricht auch keiner. Auch nicht im Kultus-Ministerium. Würden unsere vorgesetzten Ministerialen nämlich eingestehen, dass wir Lehrer*Innen, die wir ganz unten in der Nahrungskette stehen, gar nicht Schuld am beschissenen Zustand unseres Schulsystems seien, dann könnten unangenehme Fragen folgen. Dann könnte - Gott bewahre! - sich der satte, träge Blick des Volks-Souveräns, des mündigen Bürgers, die Hierachie hinaufarbeiten und mit laserartiger Schärfe die wahren Verantwortlichen ausmachen.
Deshalb sind die Dinge, wie sie sind: Da oben gibt es zwei kooperierende Ratten-Clans, einerseits die Bildungspolitiker und andererseits die OECD bzw. Bertelsmänner. Die tun sich nix, sondern gießen sich, im Gegenteil, gegenseitig das Blümchen. Und da unten sind die Lehrer*Innen, die den ganzen Scheiß ausbaden, indem sie schon vor Jahrzehnten zur Guerilla-Pädagogik übergegangen sind. Wir machen sehr guten Unterricht. Nicht wegen, sondern trotz der Bedingungen.
Warum weiß der Knallkopp das nicht? Sollte der denn wirklich ÜBERHAUPT KEINE Ahnung vom Thema haben?
(1937 - Die Ratten eines [!] Schiffes - stark verändert via wiki commons)
* Hat er wirklich "Eigenengagement" gesagt? Was für eine interessante Wortneuschöpfung! Leider völlig bescheuert. Man ist entweder aus sich selbst heraus engagiert bei der Sache oder man ist schlicht nicht engagiert. Analog erfinde ich hiermit den Neologismus "Selbst-Masturbation" zur Beschreibung der intellektuellen Verfasstheit der OECD/PISA-Leute.
** Hier nochmal zur Erinnerung:
Herder: Das größte Übel des Staats, die Ratte in der Bildsäule
Hoan-Kong frage einst seinen Minister, den Koang-Tschong, wofür man sich wohl in einem Staat am meisten fürchten müsse. Koang-Tschong antwortete: »Prinz, nach meiner Einsicht hat man nichts mehr zu fürchten, als was man nennet: die Ratte in der Bildsäule.«
Hoan-Kong verstand diese Vergleichung nicht; Koang-Tschong erklärte sie ihm also:
»Ihr wisset, Prinz, daß man an vielen Orten dem Geiste des Orts Bildsäulen aufzurichten pflegt; diese hölzernen Statuen sind inwendig hohl und von außen bemalet. Eine Ratte hatte sich in eine hineingearbeitet; und man wußte nicht, wie man sie verjagen sollte. Feuer dabei zu gebrauchen getraute man sich nicht, aus Furcht, daß solches das Holz der Statue angreife; die Bildsäule ins Wasser zu setzen, getraute man sich nicht, aus Furcht, man möchte die Farben an ihr auslöschen. Und so bedeckte und beschützte die Ehrerbietung, die man vor der Bildsäule hatte, die - Ratte.«
»Und wer sind diese Ratten im Staat?« fragte Hoan-Kong.
»Leute«, sprach der Minister, »die weder Verdienst noch Tugend haben und gleichwohl die Gunst des Fürsten genießen. Sie verderben alles; man siehet es und seufzet darüber; man weiß aber nicht, wie man sie angreifen, wie man ihnen beikommen soll. Sie sind die Ratten in der Bildsäule.«