Neulich für drei, vier Wochen peruanischen Austausch-Schüler in meiner 10. Klasse gehabt. Habe ihn gebeten, Info-Referat über sein Heimatland Peru zu halten. Er hat auch ganz bereitwillig eine PP-Präsentation erstellt und uns über Land & Leute berichtet.
Tage später, zu seinem Abschied, frage ich ihn, wie seine weiteren Pläne aussähen. Naja, meint er, eigentlich wollte er Informatik studieren. Aber, um ehrlich zu sein, ginge es seinem Land aufgrund jahrelanger Korruption und Misswirtschaft wirtschaftlich miserabel (was er in seinem Referat nicht erwähnt hat) und deshalb werde er "Economics" studieren, weil Peru solche Leute dringender brauche.
Leider reichten meine Sprachkenntnisse in Englisch nicht aus und die Situation war auch nicht danach, ihm vollumfänglich meine Bewunderung und neidvolle Anerkennung für diese selbstlose und solidarische * Einstellung auszusprechen. Hier hat doch tatsächlich ein 17-jähriger den guten JFK richtig verstanden: "Frag' nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern, was Du für Dein Land tun kannst."
Ganz naheliegend ist natürlich, den vergleichenden Blick auf unsere hiesige Jugend zu richten und mit alttestamentarischem Zorn mahnende Vergleiche herauszuschleudern. Aber das wäre völliger Quatsch. Wir erziehen doch, wo wir nur können, unsere Kiddos zu rücksichtslosen, nur auf sich selbst bezogenen, hedonistischen, unkritischen Geistern. Schaue ich mir die gesellschaftlichen "Vorbilder" an, die wir ihnen anbieten **, wundere ich mich vielmehr, dass die Gören nicht noch viel, viel bekloppter und bescheuerter agieren, als sie es ohnehin schon tun.
Lasst uns doch einfach zu einer kritischen Didaktik zurückkehren, d.h. lasst uns doch auch einfach mal (wieder) die Unterrichtsinhalte danach ausrichten, wo es gesellschaftlich am schlimmsten knirscht ***. Ich will die Kindlein schon lehren, aktiv Verantwortung zu tragen. Und sie werden es lieben, wirklich! Die Spießer hingegen nicht so sehr ...
Auch für mein Referendariat gilt:
Es war ja nicht ALLES schlecht, damals ...
* Sollte man diese Einstellung "patriotisch" nennen? Nein. Zu missverständlich. Zu gefährlich. Das "Vaterland" um seiner selbst willen hochzujubeln, ist schwachsinnig und endet über das Motto "Right or wrong - my country!" zwangsläufig in Terror, Gewalt und Ethnoziden. Besagter Schüler ist übrigens Lichtjahre von dieser dümmlichen Form des Patriotismus entfernt, und eine übersteigerte Heimatliebe ist da auch nicht. Er sieht nur, dass es den Leuten dreckig geht und will was dagegen tun.
** An dieser Stelle hatte ich eine Liste von Beispielen, aber mir ist beim Tippen schlecht geworden, und so habe das wieder gelöscht.
*** Die Idee stammt nicht von mir, ist uralt. In meiner Ausbildung musste ich mal ein Referat zu Winkel R.: "Die kritisch-kommunikative Didaktik" halten. Das hat mich nie wieder losgelassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für Ihren / Deinen Kommentar