Samstag, 12. Januar 2019

Glück hat seinen Preis. Gut so!


Ein ganz großartiges Buch, Trentmanns "Herrschaft der Dinge", über die Sozialgeschichte des Konsums.


Man wird nur regelrecht von interessanten und wissenswerten Fakten überrollt, es ist eines von den Büchern, die man zweimal lesen kann und muss.

Ich stecke in den letzten Zügen der Erstlektüre und scheitere daran, eine Textstelle wiederzufinden, die mir weniger beim Erstlesen, dafür um so mehr beim Nach-Denken auffiel. Da zitiert Trentmann  eine Quelle*, laut der ab einem jährlichen Einkommensüberschuss von 15.000 $ über Grundbedarf eine weitere Zunahme individuellen Glücksgefühls durch weitere Einkommenssteigerungen nicht signifikant nachweisbar sei.

Einfacher formuliert: Wenn ich meine Ausgaben für Wohnen, Essen und Kleidung, Kommunikation refinanzieren kann und dann etwa 13.100 Euro pro Jahr oder 1.092 Euro pro Monat übrig habe, bin ich materiell maximal glücklich, weitere Erhöhungen meines Salairs machen mich nicht glücklicher.

Mir ist absolut klar, dass diese Gedanken für arme Menschen wie blanker Zynismus wirken. Es gibt aber auch sehr viele Menschen, die oberhalb dieser Grenze leben und trotzdem dauernd rumnöhlen und nach immer mehr lechzen.

Die Bedenken seien dahingestellt, meinetwegen auch die Zahlen und die Methoden der empirischen Sozialforschung, das muss natürlich alles hinterfragt werden. Aber das Prinzip finde ich außerordentlich bedenkenswert. Setzen wir doch einfach mal die 13.100 € p.a. als Platzhalter für einen Wert, mit dem ich materielles Glück mathematisierbar mache. Was folgt daraus?

Erstens: Ich kann über meine eigenen materiellen Ansprüche vergleichend nachdenken.
Zweitens: Ich kann über meine Definition von Grundbedürfnissen nachdenken. Erreiche ich vielleicht die 13.100 Euro Überschuss deshalb nicht, weil meine Ausgaben für Wohnen, Essen, Kleidung etc. zu hoch sind? Kann ich daran vielleicht was ändern?
Drittens: Um die Schallgrenze von 13.100 Euro zu erreichen, kann ich mich beruflich stärker engagieren, um mein Einkommen zu steigern. Ich kann aber - bei gleichbleibendem Einkommen - auch versuchen, die Kosten für meine Grundbedarfe zu senken, und ich kann mich im Extremfall sogar zu einem konsequent minimalistischen Lebensstil entschließen, der mich dann gleich aus mehreren Gründen glücklich macht.
Viertens: Ich kann also über die Sinnhaftigkeit erhöhten beruflichen Engagements nachdenken. Arbeite ich an dem, was mir Spaß macht? Oder gehöre ich zu der ganz überwiegenden Mehrheit, die in einem alltäglichen globalen Rattenrennen mitläuft, um Geld zu verdienen, um Sachen zu kaufen, die man nicht braucht, um Leute zu beeindrucken, die man nicht mag? **
Fünftens: Trifft für mich vielleicht der Wert von 13.100 gar nicht zu? Habe ich, wenn meine Grundbedürfnisse sowieso befriedigt sind, vielleicht schon bei 10.000 Euro Überschuss das Gefühl, eigentlich genug zu haben? Oder bei 8.000?
Sechstens: ...

Da zeichnet sich ein Prinzip ab, oder? Wenn ich materielles Glück quantifiziere, wenn ich ihm einen absolut Wert zuweise, beende ich damit die eklige, kommerzgetriebene, unethische, erniedrigende, instinktbasierte, hirntote, autokatalytische Jagd nach immer mehr. Es ist völlig schnuppe, wo dieser Wert ganz genau liegt, auf tausend oder zweitausend Euro kommt es da gar nicht an. Wenn aber jemand jährlich 100.000 Euro mehr erarbeitet, als er zum Leben braucht und wenn gleichzeitig allgemein bekannt ist, dass bei spätestens 13.000 oder 15.000 Euro die Sinnhaftigkeit aufhört, dann steht "Mister 100.000" plötzlich wie der totale Volltrottel da.

Was für ein ausgesprochen befriedigender Gedanke!

Was für ein herrlicher Start in eine intelligentere, vernünftigere, nachhaltigere, sozialere, kurz: bessere Zukunft!



(stark verändert via wiki commons)






* könnte auf einer Studie von Deaton basieren.

** angeblich nach Alexander von Humboldt







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