Mittwoch, 10. Mai 2017

FURRRRZ!


Köstlich! Lustig! Amüsant ... bescheuert!

Zitat DLF: "Im Schulunterricht sollten nach Ansicht von Experten mehr digitale Lehrmittel eingesetzt werden. Grundschüler, die einmal pro Woche am Computer arbeiteten, hätten deutlich bessere Kompetenzen im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften, erklärte der 'Aktionsrat Bildung' in einem Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 
(...) 
Mit Blick auf den demografischen Wandel in Deutschland plädierte der Aktionsrat zudem für eine bessere Ausbildung der Lehrer im Umgang mit Flüchtlingen."

Dazu ergänze ich, dass der "Aktionsrat Bildung" ledigleich eine formlose Gruppe ist, die von der formlosen "Vereinigung der bayrischen Wirtschaft e.V." beauftragt und gesponsert wird. Hochwertvokabeln wie "Experten" und "Gutachten" machen völlige Sinnfreiheit wett.

Gleichzeitig moniert der Deutsche Arbeitgeberverband, wieder mal und zufällig ebenfalls auf dem DLF-Portal, dass die Schulen im Allgemeinen und Gymnasien im Besonderen die Berufsorientierung stärker in den Vordergrund schieben sollen.  

Es bleiben wieder diese bohrenden Fragen:

  • Woher wissen die Jungs, dass monokausal die Computer ursächlich für die deutlich besseren Kompetenzen der SchülerInnen waren? 
  • Was genau meint man eigentlich, wenn man von digitalen Kompetenzen spricht?
  • Wer wird den ganzen Krempel finanzieren? 
  • Wie dummdreist muss man eigentlich sein, um sich mit so viel vorgetäuschter Kompetenz und Legitimation an die Medien zu wenden?
  • Warum filtern professionelle journalistische Institutionen diese Null-Informationen nicht rechtzeitig?
  • Was hat eigentlich Priorität: Integration? Inklusion? Soziale Kompetenzen? Erziehungsdefizite bei den SchülerInnen aufarbeiten? Berufsorientierung, also kapitalistische Verwertungsinteressen? Computerei? Oder, worüber niemand mehr spricht, der ursprüngliche, der verfassungsmäßige Auftrag von Schule, die Erziehung zu mündigen, kritischen StaatsbürgerInnen?

Und bezogen auf den letzten Punkt sage bitte niemand, alles sei gleichermaßen prioritär.

Wer alles wichtig findet, hat keinen Plan.


(verändert via wiki commons)
 Wieder mal nur reichlich heiße Luft ...





Montag, 8. Mai 2017

Eigentlich kein schlechtes Wochenende



Frankreich: Ich verstehe nicht, warum so viele Kommentatoren maulen. Zwei Drittel für Europa und für gute, neue, fortschrittliche, menschenwürdige Ideen. Ein Drittel hirntoter Protest. Das Ergebnis ist doch vergleichsweise in Ordnung. Ich mag - mit allen notwendigen Einschränkungen natürlich - Frankreich und die Franzosen.

Schleswig-Holstein: Das Ergebnis gefällt mir persönlich zwar nicht so sehr, aber wir sehen Demokratie bei der Arbeit.



 (verändert via wiki commons)





Freitag, 28. April 2017

Erfahrungswissen - gimme an "F" ...


Gesamtkonferenz. [*1] Nervenzerfetzende Langeweile. Intellektuelles Waterboarding: Du denkst, Du müsstest jeden Augenblick ersticken, zumindest einer gnädigen Ohnmacht anheimfallen, doch die perfide Kunst des Kerkermeisters dort vorne mit seiner Powerpoint-Präsentation lässt weder schnellen Tod noch todesnahe Agonie als Ausweg. Gäbe es ein Elixier des Lebens, eine flüssigkeit-gewordene vis vitalis, und wäre sie ein silberlachendes, diamantenglitzerndes und feenstaubhellklingelndes, honigsüßfarbenes, göttliches Ambrosia, so tropfte sie hier nur träge aber unerbittlich, unaufhaltsam und unwiderbringlich in einen großen Pfuhl voller schwarzem, stinkenden Schlick kollektiver Trübsinnigkeit ...

"Du kannst Erfahrungswissen nicht weitergeben!", stellt die mir in den Tischreihen gegenübersitzende Kollegin plötzlich nebensächlich flüsternd fest. Ah, da hatte wohl irgendein Referent - oder war's jemand aus dem Publikum? -  eine entsprechende Bemerkung fallen lassen. Ich blicke sie, aus dem Halbdämmer erwachend, fragend an. "Erfahrungswissen kann man nicht weitergeben.", bekräftigt sie. "Dann wär's nämlich kein Erfahrungswissen mehr." "Ahso ... ja, nee, hast Recht ...", antworte ich  lahm und sinke in meinen energiearmen Konferenzmodus zurück, eine Geistes- und Körperhaltung, die es analog den Galapagos-Schildkröten ermöglicht, über 200 Jahre alt zu werden.

Aber in mir arbeitet es. Was für ein Gedanke! Wie oft habe ich den Wunsch verspürt, wie viele untaugliche und durch und durch erfolglose Versuche habe ich schon unternommen, die sogenannten "jungen Leute" vor eben den Fehlern zu bewahren, derer ich schon so viele in meinem Leben gemacht habe und von denen ich denke, sie  müssten ja nicht allesamt von jeder Generation immer wieder auf's Neue zelebriert werden. Und was hat's gebracht? Genau so viel, wie, als ich jung war, das betuliche Geseiere der damaligen Alten gebracht hat, die mich, zumindest dem Prinzip nach, vor genau den Fehlern warnen wollten, die ich dann reihenweise erstmal selbst begehen musste, um aus ihnen zu lernen.

Man kann Erfahrungswissen nicht weitergeben. Nicht nur, weil es dann den Begriff sprachlogisch ad absurdum führte, sondern auch, weil einfach kein Schwein auf Dich hört.

Und vielleicht ist das auch nicht nur schlecht. Die "jungen Leute" müssen nämlich gar nicht vor "meinen" Fehlern gewarnt werden, sondern müssen mit den Fehlern ihrer eigenen Generation, ihrer eigenen Zeit auf die Fresse fallen, und das sind nun mal, zumindest teilweise, andere Fehler. [*2]

Eine etwas traurige Erkenntnis. Kann man denn gar nichts machen? Doch! Als erstes hören wir "Alten" mal mit dem Klugscheißen auf. Wenn ich mir anschaue, in was für einem Zustand wir die Welt an unsere NachfolgerInnen übergeben, dann wäre es der absolute Gipfel der Dumm-Dreistigkeit, wenn wir uns auch noch bemüßigt fühlten, aufgrund unserer großen Erfahrung  "gute Tipps" zu geben. Wir haben's einfach nur voll verkackt! Und wir haben bislang noch NICHTS draus gelernt, was man als brauchbare Information weitergeben könnte. Eine kleinlaute Entschuldigung wäre angebracht, vielleicht ergänzt durch die Bitte an die NachfolgerInnen, es doch irgendwie besser zu machen. Oder wenigstens anders. Denn jedes "anders" kann eigentlich nur besser sein, als das, was wir verzapft haben.

Und zweitens: Machen wir den "jungen Leuten" klar, dass Fehlermachen zum Geschäft, nein, zum Leben dazugehört. Machen wir sie stark, mit Fehlern und mit dem Scheitern zu leben. Hören wir auf damit, sie mit Erwartungen nach ständiger Top-Leistung dichtzuschmeißen und zu blockieren.

Ich bin zwar noch nicht ganz in dem Alter, in dem man abschließend bilanzieren sollte oder könnte, aber eines weiß ich: Wenn ich die gelungenen und die mißlungenen Dinge meines Lebens und Handelns gegenüberstelle, meine ethisch korrekten und meine ewig-beschämenden Verhaltensweisen abgleiche, meine brillianten Geistesblitze gegen meine hochnotpeinlichen Idiotien aufrechne, dann würde ich mal grob schätzen, dass ich, wenn ich in meiner Restlaufzeit keinen allzugroßen Mist mehr baue, vielleicht (!) auf eine "schwarze Null" komme.

Das ist ok! Das ist kein schlechtes Ergebnis. Aber es ist ganz sicher auch keine Lizenz, andere Menschen zu bewerten oder zu glauben "Erfahrungswissen" an sie weitergeben zu müssen oder dürfen.

Lasst Euch, Ihr "jungen Leute", von uns Alten nicht unter Druck setzen. Arbeitet an einer glücklichen Zukunft, und das heißt: Macht frohgemut Eure eigenen Fehler.





 (via nasa.gov)

Apollo 13, beschädigtes Service-Modul. Der zugrundeliegende Fehler wurde analysiert, und man hat daraus neues technisches Wissen gewonnen. Neues technisches Wissen wurde weitergegeben, kein "Erfahrungswissen".








[*1] Natürlich rede ich hier nicht von der Schule, an der ich tätig bin, sondern von einer ... äh ... Schule ... äh ... ganz weit weg. Autor und Ich-Erzähler haben rein gar nix miteinander zu tun.

[*2] Die großen Weltreligionen leiden doch allesamt darunter, auf einem Regelsystem zu basieren, das auf den gemachten Fehlern (und Lehren) der Bronzezeit beruht. Natürlich wollten die biblischen Altvorderen nur "Erfahrungswissen" weitergeben und meinten es zweifellos gut mit den "jungen Leuten". Aber wenn man sich bewusst macht, wie oft im Alten Testament zum Völkermord aufgerufen wird, dann erscheint es ganz gut, dass "die Jugend von heute" "einfach nicht zuhört".







Donnerstag, 20. April 2017

Groovy kind of love


Die taz liefert einen selten dämlichen Kommentar zum Türken-Referendum. Bezugnehmend auf  eine (zumindest von mir) nicht im I-net findbaren Presseerklärung des Migrationsrates Berlin-Brandenburg (Wer ist das? Haben die Allgemeingültiges zu sagen?) wird beklagt, dass jetzt, da fast zwei Drittel der hier lebenden Türken sich für Erdogans Machtergreifung ausgesprochen haben, alle Welt wieder auf den armen Migranten rumhackt.

Und weiter: "'Die Rede von ‚Integration‘ tut ein weiteres Mal so, als ließe sich Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die hier wohnen, arbeiten, leben, alt werden, und eines Tages hier sterben werden, das Bekenntnis zu einem Konsens abverlangen, der nie existiert hat.'“

Und noch weiter wird bedauert, dass Kritik "nicht nur von NPD, AfD, Pegida oder aus der 'Das­wird­man­ja­nochmalsagendürfen'-Ecke, sondern auch aus linken Kreisen..." käme.


Okay, taz, da Ihr es für tunlich haltet, alle Menschen, die Kritik am derzeitigen politischen Kurs der Türkei üben, in ein und dieselbe schmutzig-braune Ecke zu stellen, hier nochmal, und ich weiß, dass ich mich wiederhole und nehme es bewusst in Kauf, für Langsamversteher:

  1. Ich stehe ein für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN, wie sie die Generalversammlung der UN am 10.12.1948 verabschiedet hat.
  2. Außerdem habe ich mehrfach Eide auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geschworen und fühle mich der FDGO verpflichtet, und das ist keineswegs nur ein Lippenbekenntnis, um an die unerschöpflichen Pfründe eines beamteten Lehrers ranzukommen.
  3. Außerdem finde ich es einfach herrlich, geradezu berauschend, in einer Gesellschaft bunter Vielfalt, selbstbewussten, angstfreien Andersseindürfens zu leben. So, nur so, und nicht anders, will ich leben!

Klar soweit? 

Ok. Und jetzt visualisiert daneben doch einfach mal Erdogan, diesen machtgeilen alten Mann. 

Und jetzt ein Werturteil, das ich nicht quantifizieren, aber, wenn ich ehrlich bin, auch nicht ignorieren kann und das politisch nicht korrekt ist: Mich kotzt der verbreitete kleingeistige, spießige, rückwärtsgewandte, bildungs- und demokratiefeindliche, gewaltaffine Machismo vieler türkischer Männer an! 

Kann es wirklich sein, dass ich durch einen jahrzehntelang andauernden Riesen-Zufall nur wenige kluge, humorvolle, kritische und zur Selbstironie fähige Türk*Innen kennengelernt habe? Es gibt sie, und einige durfte ich kennenlernen, ich würde sagen, etwa ein Drittel, was für'n Zufall, genau die Quote, die Erdogan aktuell NICHT unterstützt hat ...

Ich bin kein Rassist und kein Integrationsgegner und erst recht kein Nazi, wenn ich sage, dass ich
kleingeistige, spießige, rückwärtsgewandte Machos zum kotzen finde, denn dieses Urteil ist rasse-, religions-, geschlechts-, alters- und nationenübergreifend.

Und ich stehe geistig NICHT mit den Braunbratzen in einer Ecke, denn ich sage nicht "Ausländer raus!", sondern ich sage "Ich will generell keine ->Arschlöcher und -> Idioten in meiner Umgebung!" Es gibt bessere Orte für Leute mit Blockwart-Mentalität oder dem krankhaft übersteigertem Bedürfnis, sich einer dominanten Vaterfigur devot unterwerfen zu dürfen. Die Türkei zum Beispiel. Aber auch Ungarn, Polen, Bayern, USA, Nord-Korea ...

"Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch." B.Brecht

Deutschland ist derzeit - geistig, politisch und ethisch betrachet - auch in keinem guten Zustand, wirklich nicht. Aber wir können es im Brecht'schen Sinne lieben, indem wir versuchen, es dem Entwurf, s. Punkte 1 - 3, ähnlicher zu machen. Vielleicht sollten sich alle Menschen so ein Land suchen, das sie auf diese Weise lieben können, ein Land, das tendenziell schon in die Richtung des jeweiligen Ideals geht. Und wenn sie da dann leben und kräftig mithelfen, das jeweilige Land diesem ihrem jeweiligen Ideal immer weiter anzunähern, das könnte man dann "Staatsbürgerschaft" nennen.




 So nicht!















 

Montag, 17. April 2017

Hochwert-Probleme


Jestern im Jarten was zu reparieren jehabt. Von Regenschauer überrascht worden. Ergreife eilig meinen Werkzeugkoffer und meine gar nicht mal so kleine, sehr üppig ausgestattete Kleinteile- und Schrauben-Box. Letztere unverriegelt. Inhalt verteilt sich ballistisch auf - genauer: in - 8 bis 10 Quadratmeter klatschnassen, matschigen, moosigen Rasens.

Banales Problem, eigentlich. Die Sachen mühsam aufsammeln, reinigen, trocknen, ja, das ist nervig, aber, herrje, andere bemalen Ostereier oder puzzlen. Dann kann ich bei dem Mistwetter auch Schrauben etc. sortieren, oder? 

Machte mir bewusst, dass das Kleinteile-Magazin eines Hobby-Bastlers nach über 30 Jahren beständigen Sammelns, Benutzens, Austauschens den Status eines schützenswerten Kulturgutes haben sollte. Wenn die Bibliothek von Alexandria einfach nur von einem Wirbelsturm verwüstet und nicht, wie leider geschehen, abgebrannt wäre, dann hätten die Bibliothekare beim Aufräumen bestimmt denselben ambivalenten Spaß, wie ich gerade.

Endlich mal Gelegenheit, sich einen Überblick zu verschaffen, falsch oder doppelt sortierte Dinge strukturiert abzulegen und die sogenannten "gewachsenen Strukturen" zu roden. Wahre Kleinodien wiederzuentdecken. Angesammelten, sentimental mitgeschleppten Schrott zu entsorgen. Die kleinen Fächer vom Staub zu reinigen (Ich will es mal "Staub" nennen und nicht darüber nachdenken, was sich in über 30 Jahren in so einem kleinen Fächlein sonst noch alles anreichert).

Es gibt schlechtere Möglichkeiten, verregnete Ferien zu verbringen.



Himmel! Ich hatte bis dato Unterlegscheiben und Sprengringe gemeinsam in einem Fach gelagert. Wahnsinn! Der reine Wahnsinn!











Gedämpftes Hurra: Die Schwalben sind da!


Man hört ja immer wieder sehr viel Erstaunliches, geradezu Mystisches von besonderen sensorischen Fähigkeiten von Tieren: Kröten, Hunde und Esel, die Erdbeben vorhersehen, Vögel, die sich am Einfallswinkel des Erdmagnetfeldes navigatorisch orientieren, Bienen, die ultraviolettes Licht sehen, Schmetterlinge, die über Entfernungen von 1.500 km unter Wasser kommunizieren ... ach nee ... aber irgendwas machen Schmetterlinge auf 1.500 Kilometer ... oder Meter ... oder wasauchimmer.

Es gibt aber auch reichlich Beispiele für richtig blödes Verhalten von Tieren, und damit meine ich nicht die vollverblödeten Hunde-und-Katzen-Youtube-Videos, die mehr über den Geisteszustand der Menschen als über den der Tiere aussagen, sondern das anscheinend normale, naturbelassene Verhalten normaler, naturbelassener Wildtiere.

Konkretes Beispiel heute: Die Schwalben sind wieder da!

Ist das nicht blöd?!

Ich meine: Die kommen doch direkt aus Afrika. Und hier ist es ja nun wirklich richtig kalt und nass und mies. Ist es denn von einem kleinen Vogel, der jährlich zwei Mal eine Strecke von 8.000 km zielsicher navigiert, zu viel verlangt, sich unterwegs mal Gedanken über das Wetter zu machen? Dazu braucht man doch nicht mal mystische Vorhersagefähigkeiten. Ich merke doch, wenn ich mir in einem eisekalten Nordnordwest-Wind meinen kleinen Vogelhintern abfriere, oder? Warum machen die nicht einfach mal Pause, wo's noch erträglich ist?

Aber ich will mich nicht aufregen. Der Tag, an dem ich die ersten Schwalben des Jahres sichte, ist eigentlich ein Tag der Freude. Ich bin nur ein wenig besorgt, dass die kleinen, munteren Gesellen im weiterhin zu kalt angesagten Wetter nicht überleben können. Außerdem schwingt natürlich eine gehörige Portion Selbstmitleid mit.



 Hier besonders gut nicht zu sehen: Die ersten Schwalben 2017!










Mittwoch, 12. April 2017

Nicht einfach: Qualitativ wertvolles Beleidigen.


Och wie süüüß, Trumps Trompete, Spicer, der mit den wässrigen Schweinsäuglein, hat sich mit einem Assad-Hitler-Vergleich überhoben und bis auf's Knochenmark blamiert.

Jaja, richtiges Beleidigen will gelernt sein und setzt ein Minimum an Allgemeinwissen voraus. Die "schwule Sau" beispielsweise, früher verbreitet, hört man heute nur noch selten, da sich, wenn auch mit quälender Langsamkeit, herumgesprochen hat, was sowohl der eine als auch der andere Bestandteil genau bedeuten und dass es einer Fügung aus beidem der inneren Logik gebricht.

Ist auch nicht einfach. In meinem neunten oder zehnten Lebensjahr beschloss ich daher, mir ein Set der schlimmst-denkbaren Fluch- und Beleidigungs-Formeln zurechtzulegen, damit ich sofortigen Zugriff hätte, wannimmer die Umstände es erforderten. Der Versuch scheiterte kläglich, im Ergebnis nicht mehr als ein paar unvollendete und unintelligente Kompositionen, die sich alle mehr oder weniger um die Wortfelder "Arsch" und "Kacke" drehten. Da war nichts, was durch schiere Wortgewalt den Gegner zermalmen könnte. Ernüchternd. [*1]

Mal sehen, was sich da in der heutigen globalisierten Welt machen lässt:

"X ist ein faschistischer, schwuler Nazi-Kommunisten-Gülen-Terroristen-Eliten-Aggressor!"

Okay, das ist jetzt kein maßgeschneiderter Qualitäts-Fluch, aber für alltägliche internationale Beziehungen reicht's allemal, scheint mir. Modifikationen wie "-Kurde-" oder "-Neger-" oder "-Hitler-" oder "-Intellektueller-" oder "-Lügen-" kann man je nach Bedarf modular ergänzen. [*2]



(via wiki commons)
Ich wünsche ihm ehrlich und von ganzem Herzen, dass er nie, nie bemerkt, wie peinlich er vor der Weltöffentlichkeit wirkt, wie sehr ein ganzer Planet sich für ihn fremdschämt.






[*1] Meine Eltern berichteten aber von einem erstaunlichen Vorfall, der sich in meinem vierten Lebensjahr abgespielt haben soll und darin bestand, dass ich einem gleichaltrigen Mädchen quer über die Straße ein lauthalses "Dörthe, Du schwarzes Arschloch!" nachgekräht habe. Ich erinnere die Sache nicht mehr, weiß nur noch, dass ich wegen irgendwas, das Dörthe gemacht hat, aufrichtig  zutiefst empört war.

Interessant an der Geschichte ist, dass ich bis dato das Wort "Arschloch" eigentlich gar nicht kennen konnte und sollte, weil es weder im Familiolekt noch im Umfeld üblich war, und dass ich darüberhinaus spontan ein wirkungsmaximierendes Adjektiv davor setzte und also quasi sprachschöpferisch tätig war. Ich muss richtig sauer gewesen sein!Vielleicht müssen gute Flüche und Beleidigungen so sein: Spontan und aus einer großen emotionalen Spannung heraus.


[*2] Mir fällt auf, dass Bezüge auf mangelnde Intelligenz des zu Beleidigenden in heutiger Zeit gar keine Rolle mehr spielen. Wo ist das gute alte "Assad ist doof!" geblieben? Es scheinen im Gegenteil eher Bildung und Intelligenz Beleidigungspotential zu haben, vgl. "Elite-" im Westen und "Intelligenzija-" im Osten.









Dienstag, 11. April 2017

Hirnloser Plot


Was ich bei der aktuellen Eskalation des Nordkorea-Konfliktes beängstigend finde, ist, dass nunmehr auf beiden Seiten vermindert Reaktionsfähige am roten Knopf herumspielen.

Sowohl Kim Jong Un als auch Trump agieren nach einem ganz simplen Muster: Sie machen ihr (gefühltes) Problem zu einem Problem ihrer Umwelt. Sie kündigen marktschreierisch an, was ihr Egoismus ihnen gerade eingibt und fordern den Rest der Welt auf, willfährig zu sein, um Konflikte zu vermeiden.

Babies machen das so. Wenn Babies Kohldampf haben oder wenn ihnen zu warm oder zu kalt ist oder ihnen sonstwas nicht gefällt, dann schreien sie. Nicht mal ansatzweise machen sie den Versuch, selbst etwas gegen ihre Unpässlichkeit zu unternehmen. Ihre Strategie zielt ausschließlich darauf, Aufmerksamkeit zu erheischen, indem sie in einer nervtötenden Weise rumbrüllen. Solange, bis sich jemand ihrem Willen unterwirft. [*1]

Dieses baby-typischeVerhaltensmuster haben Schwabbelbacke, Trump, Erdogan, Seehofer, Netanjahu und Konsorten nie wirklich hinter sich gelassen.

Und nun stoßen zwei solcher Deformierten aufeinander, zwei Menschen, die nicht nur nie gelernt haben, dass Kompromisse was Gutes sein können und dass Kommunikation auch bedeutet, durch den Kopf Deines Gegenübers zu denken und nicht nur Deinem eigenen Wollen ausgeliefert und verpflichtet zu sein, sondern die darüber hinaus überzeugt sind, es sei ein Zeichen persönlicher Stärke und Macht, besonders stumpf, besonders autistisch, besonders rücksichtslos und egoistisch zu sein und das mit allen (!) Mitteln durchzusetzen.

Trump und Schwabbelbacke sind beide nicht wirklich reaktionsfähig. Sie haben keine Optionen, sondern nur ein - identisches - Schema. Wäre das, was jetzt kommt, ein Ballerspiel, würden Kritiker den hirnlosen und langweiligen Plot beklagen.

Wie beängstigend. Und wie durch und durch lächerlich.



(Vinson - via wiki commons)
"Welche Seite spielst Du?" 
"Phhh, is' doch egal!"


 

[*1] Bei Babies ist dieses Verhalten ja noch einigermaßen verständlich, weil sie in vielen, den meisten Fällen ja auch rein technisch kaum in der Lage sind, alleine Abhilfe zu schaffen.

Übrigens ist dieses frühkindliche Verhalten, das es ja auch bis weit über die Pubertät hinaus bei Quengelkindern jeden Alters gibt, nicht ungefährlich: Evolutionär gibt es bei Erwachsenen nur zwei mögliche Reaktionsmuster auf ein schreiendes, quengelndes Kind: Füttern oder Töten.

Das hängt damit zusammen, dass früher ein dauerschreiendes bzw. dauerquengelndes Kind ein untrügliches Zeichen dafür war, dass die Umweltbedingungen zu miserabel waren, um Junge aufzuziehen. Damit wenigstens die Erwachsenen überleben, war es als schlichte Überlebensstrategie klüger, das Kind an die Wand zu klatschen und erst dann ein neues zu machen, wenn sich die Umweltbedingungen wieder verbessert haben. Im vorletzten Jahr, als der Frühling viel zu kalt war, haben Schwalben das mit ihren ersten Jungen reihenweise im Prinzip genau so gemacht. Die Kulturtechnik, Dauerquengler konsequent zu töten, ist unter Menschen seit 80 - 100 Generationen aber ziemlich verpönt, und manches Mal denke ich, man spürt die Auswirkungen.






















Montag, 10. April 2017

Bildergucken

Bilderalben sind IMMER peinlich, aber das ist mir jetzt einfach mal sowas von latte ... Hier Bilder von gestern:




"The sky above, the earth below ..." 
Amy McDonald



Irgendwann tauchst Du aus der Dunstschicht auf, die Du, als Du unten warst, nicht mal bewusst wahrgenommen hast. Über Dir "the great wide open" ...





Erzählt mir NIE wieder, Grün und Blau gingen nicht zusammen. Klar gehen sie. Vor allem, wenn man sie mit ein bisschen Purpur und Weiß voneinander absetzt.




Ja, ich war nur 1.000 Meter hoch und ja, der Hintergrund ist unscharf. Aber hier geht's um die Farben und Kontraste. Klarer, schärfer, greller. Übrigens habe ich bei den Bildern nur an der Größe manipuliert, sonst nix.



 
Dieses Bild ist verwackelt, weil's mir im Moment des Auslösens kräftig unter die rechte Fläche gehauen hat. Thermik ist an sich nichts Schlechtes, aber wenn Dein Vogel nur 96 Kilo wiegt, dann biste eben nur ein kleines Böötchen auf der kabbeligen See des Luftmeeres. Weiter oben geht's, aber unten fühlste Dich manchmal wie'n Preisboxer auf'm Jahrmarkt.

 
Ich habe sehr ernsthaft überlegt, das folgende, voll peinliche Zufalls-Selfie [*1] überhaupt zu veröffentlichen, weil es in unerträglicher Weise an die heldisch-verkrampften Fliegerportraits der futuristischen und ein bisschen faschistischen Technikverliebtheit der1920/30er Jahre gemahnt. Ich hab's dann doch getan, obwohl ich kein bisschen futuristisch und erst recht nicht faschistisch bin und nur ein klitzebisschen technikverliebt.

Der von mir gezeigte Gesichtsausdruck spiegelt ein bisschen was davon, wie man so drauf ist, wenn man da oben in einem ultraleichten Flugzeug rumgondelt. [*2] Man ist, wie beim Autofahren, nie ganz unkonzentriert, prüft unterbewusst Instrumente und Motorsound. Man schaut weit nach Vorne, weiter als beim Autofahren, weil man geistig eigentlich immer ein paar Minuten voraus sein sollte und weil da Leute mit erheblich höheren Geschwindigkeiten als im Straßenverkehr unterwegs sein könnten und nicht durch Leitplanken auf Spur gehalten werden. Und beim Nach-Vorne-Schauen sieht man nebenbei so viele sprichwörtlich überirdisch schöne Dinge, dass man zuweilen richtig ergriffen ist. Und wenn ich ergriffen bin, dann gucke ich nun mal ernst. Oder zumindest nicht albern oder ironisch oder so.

Außerdem stellte sich ernsthaft die Frage geistiger Gesundheit, wenn ich in einem Einsitzer (!) in einer Höhe von 1.000 Metern (!!) über der norddeutschen Tiefebene (!!!) krampfhaft um dauer-ironisierende, perma-tiefentspannte Coolman-Mimik bemüht wäre. Wem, bitteschön, soll ich da denn was vormachen?

 



[*1] Ja, dieses Selfie entstand wirklich zufällig. Ich hatte die Kamera in der Hand und blindlings 3D 360° geschwenkt und draufgehalten.
[*2] Ich verallgemeinere hier. Falls wer meint, dass sei alles Bullshit, dann nehme ich sofort alles zurück und spreche nur von mir. Aber ehrlich gesagt meine ich, Recht zu haben.




Dienstag, 4. April 2017

Sprachpragmatisches Problem


Jestern Sprachproblem jehabt. Eine Kollegin hat unerträglich nutzlosen, verhassten Verwaltungskram vorfristig bei der Leitungsebene abgeliefert, und ich wollte ihr daraufhin kollegial-neckisch vorwerfen, sie sei eine Streberin. Stellte aber fest, dass "Streberin", zu einer Frau gesagt, nicht dasselbe Beleidigungspotential hat, wie "Streber", zu einem Mann gesagt.

Ganz offensichtlich haben wir verinnerlicht, dass Frauen tatsächlich strebsamer sind als Männer, auf eine viel natürlichere, viel unprätentiösere, viel weniger schleimige Weise, wohingegen strebsame Männer mindestens etwas Peinliches, wenn nicht gar widerwärtig Machtbesessenes haben. Daher zieht "Streberin" eben nicht so wie "Streber".

Um besagte Kollegin nun doch adäquat beleidigen zu können, haben wir dann gemeinsam (!) Formulierungen gesucht, die bei selbem Inhalt eine dem "Streber" vergleichbare pejorative Wucht entwickeln. "Streberschlampe" schien uns als Widerspruch in sich. "Streberzicke" hat dann doch eine andere inhaltliche Wertigkeit. "Strebertussi" könnte vielleicht gehen, aber so ganz glücklich wurden wir mit dieser Alternative auch nicht.

Bleibt die Erkenntnis, dass es für diese Bedeutung kein Bedeutendes gibt. Vielleicht ist es noch nicht lange genug her, dass Frauen jemals in den Genuss einer Funktion kamen, in der sie regulär durch Strebsamkeit beruflichen Erfolg generieren können. Da hinkt die Sprachentwicklung einfach hinterher.



(via wiki commons)