Donnerstag, 20. April 2017

Groovy kind of love


Die taz liefert einen selten dämlichen Kommentar zum Türken-Referendum. Bezugnehmend auf  eine (zumindest von mir) nicht im I-net findbaren Presseerklärung des Migrationsrates Berlin-Brandenburg (Wer ist das? Haben die Allgemeingültiges zu sagen?) wird beklagt, dass jetzt, da fast zwei Drittel der hier lebenden Türken sich für Erdogans Machtergreifung ausgesprochen haben, alle Welt wieder auf den armen Migranten rumhackt.

Und weiter: "'Die Rede von ‚Integration‘ tut ein weiteres Mal so, als ließe sich Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die hier wohnen, arbeiten, leben, alt werden, und eines Tages hier sterben werden, das Bekenntnis zu einem Konsens abverlangen, der nie existiert hat.'“

Und noch weiter wird bedauert, dass Kritik "nicht nur von NPD, AfD, Pegida oder aus der 'Das­wird­man­ja­nochmalsagendürfen'-Ecke, sondern auch aus linken Kreisen..." käme.


Okay, taz, da Ihr es für tunlich haltet, alle Menschen, die Kritik am derzeitigen politischen Kurs der Türkei üben, in ein und dieselbe schmutzig-braune Ecke zu stellen, hier nochmal, und ich weiß, dass ich mich wiederhole und nehme es bewusst in Kauf, für Langsamversteher:

  1. Ich stehe ein für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN, wie sie die Generalversammlung der UN am 10.12.1948 verabschiedet hat.
  2. Außerdem habe ich mehrfach Eide auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geschworen und fühle mich der FDGO verpflichtet, und das ist keineswegs nur ein Lippenbekenntnis, um an die unerschöpflichen Pfründe eines beamteten Lehrers ranzukommen.
  3. Außerdem finde ich es einfach herrlich, geradezu berauschend, in einer Gesellschaft bunter Vielfalt, selbstbewussten, angstfreien Andersseindürfens zu leben. So, nur so, und nicht anders, will ich leben!

Klar soweit? 

Ok. Und jetzt visualisiert daneben doch einfach mal Erdogan, diesen machtgeilen alten Mann. 

Und jetzt ein Werturteil, das ich nicht quantifizieren, aber, wenn ich ehrlich bin, auch nicht ignorieren kann und das politisch nicht korrekt ist: Mich kotzt der verbreitete kleingeistige, spießige, rückwärtsgewandte, bildungs- und demokratiefeindliche, gewaltaffine Machismo vieler türkischer Männer an! 

Kann es wirklich sein, dass ich durch einen jahrzehntelang andauernden Riesen-Zufall nur wenige kluge, humorvolle, kritische und zur Selbstironie fähige Türk*Innen kennengelernt habe? Es gibt sie, und einige durfte ich kennenlernen, ich würde sagen, etwa ein Drittel, was für'n Zufall, genau die Quote, die Erdogan aktuell NICHT unterstützt hat ...

Ich bin kein Rassist und kein Integrationsgegner und erst recht kein Nazi, wenn ich sage, dass ich
kleingeistige, spießige, rückwärtsgewandte Machos zum kotzen finde, denn dieses Urteil ist rasse-, religions-, geschlechts-, alters- und nationenübergreifend.

Und ich stehe geistig NICHT mit den Braunbratzen in einer Ecke, denn ich sage nicht "Ausländer raus!", sondern ich sage "Ich will generell keine ->Arschlöcher und -> Idioten in meiner Umgebung!" Es gibt bessere Orte für Leute mit Blockwart-Mentalität oder dem krankhaft übersteigertem Bedürfnis, sich einer dominanten Vaterfigur devot unterwerfen zu dürfen. Die Türkei zum Beispiel. Aber auch Ungarn, Polen, Bayern, USA, Nord-Korea ...

"Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch." B.Brecht

Deutschland ist derzeit - geistig, politisch und ethisch betrachet - auch in keinem guten Zustand, wirklich nicht. Aber wir können es im Brecht'schen Sinne lieben, indem wir versuchen, es dem Entwurf, s. Punkte 1 - 3, ähnlicher zu machen. Vielleicht sollten sich alle Menschen so ein Land suchen, das sie auf diese Weise lieben können, ein Land, das tendenziell schon in die Richtung des jeweiligen Ideals geht. Und wenn sie da dann leben und kräftig mithelfen, das jeweilige Land diesem ihrem jeweiligen Ideal immer weiter anzunähern, das könnte man dann "Staatsbürgerschaft" nennen.




 So nicht!