Interviewer: Die Achtsamkeit, Kern aller buddhistischer Philosophie und Lebensführung, wird zunehmend Ziel ironischer Aneignung, nicht erst mit Karsten Dusses Geschichten. Stört Sie das?
Gobba-Lan: Kennen Sie die Hebdo-Mohammed-Karikatur mit der Unterschrift 'C'est dur d'être aimée par des cons', übersetzt 'Es ist hart, von Arschlöchern verehrt zu werden'? Was aktuell durch den Kakao gezogen wird, ist nicht das Konzept der Achtsamkeit, sondern der Fetisch, der daraus gemacht wird. Dumme, lebensgelangweilte Reiche treffen auf pfiffige, profitgeile Geschäftsleute - voilà, fertig ist der exklusivste, albernste Hochpreis-Schickimicki-Pseudo-Buddhismus-Taoismus-Wasauchimmer.
Interviewer: Aber das macht doch sehr viel von Ihren Ideen kaputt...!
Gobba-Lan: Könnte man eine philosophische Haltung so leicht beschädigen, wäre sie nix wert. Aber wir freuen uns sehr, dass die kommerzialisierten Perversionen des Buddhismus (oder wie auch immer wir das nennen wollen) von der allgemeinen Kritik auf's Korn genommen werden. Dusses Sachen sind großartig, ich könnt' mich wegschmeißen vor Lachen.
Interviewer: Und was hat es mit der Achtsamkeit tatsächlich auf sich?
Gobba-Lan: Ich weiß nicht, ob Sie schon mal die Erfahrung gemacht haben, jahrelang, jahrzehntelang ohne nachzudenken irgendwelchen Verhaltensmustern gefolgt zu sein und dann plötzlich festzustellen, dass das völliger Quatsch war, völlig unnötig, völlig kontraproduktiv, complete waste of time and energy? Wenn man einmal anfängt, zu üben, überflüssige Verhaltensmuster zu erkennen und abzustellen, dann passieren in der Tat wundersame Dinge. Das Leben wird sehr viel einfacher und angenehmer.
Interviewer: Paradiesisch?
Gobba-Lan: Nein. Paradiesisch nicht. Dazu geschehen immer noch zu viele Dinge, die nicht eben lustig sind. Aber nach einer gewissen Zeit der Achtsamkeit hast Du so viel Müll aus Deiner Gedankenwelt verbannt, dass nur noch ein paar wenige, kristallklare Strukturen übrigbleiben.
Interviewer: Das klingt schön...
Gobba-Lan: Mnja. Einige Dinge, die da übrig bleiben, sind aber auch sehr profan. Geradezu robust alltäglich.
Interviewer: Beispiel?
Gobba-Lan: Ich habe großartige Dinge gelernt. Wie zum Beispiel, im Umgang mit Leid und Tod nahestehender Menschen mit Bewertungen achtsam zu sein. Das ist ein sehr hohes, sehr edles Ziel, an dem ich lange und leidvoll gearbeitet habe. Ich habe aber auch gelernt, dass es mir wichtig ist, in Ruhe und Sauberkeit kacken zu können.
Interviewer: Bitte ... Was?!
Gobba-Lan: Man darf derartige Dinge nicht bewerten. Das eine zur Hochwert-Norm, das andere zur schamhaften Selbstverständlichkeit erklären, das geht nicht. Ich habe beim Üben des Weges festgestellt, dass Geld und Besitz mir gar nicht so viel bedeuten, wie ich früher glaubte. Ich brauche auch kein protziges Haus. Aber der Wunsch, in Ruhe und Sauberkeit kacken zu können, das ist nichts, was sich durch rationales Hinterfragen, durch Meditation, Achtsamkeit undsoweiter aufgelöst hat. Auch weiß ich ein rattenschnelles Internet sehr zu schätzen und würde nicht sagen, dass ich da an etwas festhalte, was es nicht wert ist.
Wie gesagt, die Dinge, die man durch Achtsamkeit herausfindet, sind nicht alle im herkömmlichen Sinne schön oder glamourös. Wir bewerten sowas nicht.
Wichtig ist, dass man Überflüssiges aussortiert, so dass am Ende ein paar wenige, sehr einfache, klare Formen übrigbleiben. Wannimmer ich mich von diesen einfachen Formen entferne, das heißt: wieder anfange, mich an irgendwelchen Verhaltensmustern festzuklammern, fühle ich mich blöd. Umgekehrt: Wannimmer ich mich blöd fühle, forsche ich nach irgendwelchem Schwachsinn, an dem gerade grundlos festhalte.
Das ist die ganze Sache mit der Achtsamkeit. Das Leben wird herrlich klar dadurch.
(verändert via Charlie Hebdo)
aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band V: Erkenntnisse III; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 799
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