Dienstag, 11. Mai 2021

Demokratische Obsession


Adre: Mann, Du hämmerst ständig auf den Politiker*innen rum. Das hat schon was Obsessives. Oder bist Du im tiefsten Innern einfach nur neidisch?

Homlu: Da Du mir niedrige Motive wie Obsession und Neid unterstellst, zwingst Du mich zu einer besonders objektiven Prüfung. Beginnen wir mit dem Neid. Da einige meiner ehemaligen Mitschüler "in die Politik" gegangen sind und ich beiläufig verfolgte, wie es ihnen da erging, kann ich Neid definitiv ausschließen. Je höher Du aufsteigst, desto mehr musst Du Dich verbiegen und Deine Seele verkaufen, ethische Grundsätze und Freunde verraten, lügen, betrügen, taktieren, ganz allgemein: ein Arschloch sein. Glücklich diejenigen, die ohnehin keine ethischen Grundsätze hatten, denen tat's nicht so weh. 

Adre: Naja, aber die Belohnung ist politische Macht...

Homlu: Ach? Nur ein brutal winziger Bruchteil der Menschen, die "Politik machen" kommt je in eine öffentliche Machtposition. Der ganz, ganz überwiegende Teil verbrennt seine Energie nutzlos in partei-internen Drecksspielen. Tut mir leid, Neid kann ich da nicht empfinden. Auch kein Mitleid. Bestenfalls Schadenfreude. Und Ekel.

Adre: Du hackst schon wieder auf Politikern rum. Ist das obsessiv?

Homlu (gespielt zornig): Verflucht, Du zwingst mich zu Geständnissen!

Adre (ungerührt): Nur zu!

Homlu: Ich habe in Wirklichkeit nichts gegen machthabende Politiker, solange sie einen verantwortungsvollen, selbstlosen Job für die Allgemeinheit machen. Beispiel sei Merkel. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung weist den Parteien hier einen eindeutigen, zentralen Auftrag bei der demokratischen Willensbildung zu. Laut unserer Verfassung sind die Parteien und damit auch die Politiker notwendige Lakaien, quasi ein Schmiermittel, ein Verbrauchsartikel, ohne den aus 80 Millionen Einzelmeinungen kein handlungsfähiges Staatsgefüge entstehen kann.

Adre: Bingo! Aber...?

Homlu: Wenn ich eine Obsession habe, dann ist das die Angst, dass das thumbe, blöde Wahlvolk je vergessen könnte, dass die Politiker nur Hilfs-Fuzzies sind! Die Politiker selbst, die aufgrund ihrer psychischen Verfasstheit und ihrer Schädigung durch innerparteiliche Selektionsmechanismen per defintionem die am wenigsten geeigneten Menschen sind, politische Macht auszuüben, versuchen natürlich alles, um ihr Dasein als Diener aufzuwerten und so zu tun, als seien sie wichtig. Wenn wir je vergessen, dass Politiker nur Marionetten des wahren Souveräns in diesem, unserem Staate, des Volkes, sind und sein dürfen, dann Gute Nacht!

Adre: Ach herrje. Hältst Du die Gefahr für so groß? 

Homlu: In unserem Land derzeit gerade nicht. Allerdings kann sich das schnell ändern. Schau Dir Erdogan, Orban, Trump und diesen polnischen Gartenzwerg - wie heißt er doch gleich? - an: Sobald das Wahlvolk vergisst, dass ihre Marionetten nicht mehr als nur Marionetten sind, drehen die Marionetten durch und machen auf dicke Hose. Und so eine einst demokratische Verfassung ist dann ratzfatz umgeschrieben und Du hast die nächste Autokratie vor der Haustür!

Adre: Nicht gut.

Homlu: In der Tat, Du treue Stichwortgeberin. Und deshalb werde ich nicht aufhören, auf den Politikern rumzuhacken. Tausend Mal wichtiger ist aber, auf dem Teil des Wahlvolkes rumzuhacken, der meint, man könne und solle Politik den Politikern überlassen. Von der verschnarchten Mehrheit des Volkes geht die größte Gefahr aus. Dass Politiker allesamt krankhaft machtgeile Arschlöcher sind, ist weniger gefährlich, weil allgemein bekannt und ergo kalkulierbar.

Adre: Hack, hack!

Homlu: Was!? Schau Dir mal die aktuellen Kommentare zur Kür von Kanzlerkandidaten an! Da war niemals die Rede von Fakten, Inhalten, Zielen. Es ging und geht ausschließlich um Einzelpersonen, um ihre Taktiererei, ihre Egoismen und brunftartigen Machträusche. Wir erwarten von Politikern schon längst nicht mehr, dass sie etwas für die Mehrheit tun. Wir beobachten nur noch, was sie unternehmen, um ihren psychopathologischen Egozentrismus zu befriedigen.

Adre (nachdenklich): Hm.

 

aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XIV: Gespräche; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 887 f. 


 


(stark verändert via vevo)








 

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