Über Geheimnisse und Erinnerungen:
S. 150: "Das Aufstandsgebiet besteht nicht mehr. Um Cap Juby [...] ist alles Geheimnis verschwunden. Die bunten Fernen, die wir ansteuerten, sind eine nach anderen zur blassen Nähe geworden [...] Und doch lebten wir nicht in eitler Verblendung, als wir ihnen zustrebten. Wir täuschten uns nicht, als wir ausgingen, sie zu entdecken. [...] Wir lebten vom Zauber des Sandes [in der Sahara, Anm. von mir], andere werden Erdölquellen darin erbohren und sich mit Handel bereichern. Aber sie kommen alle zu spät.[...] Die Sahara hatte nur eine heilige Stunde [...] zu verschenken, und wir haben sie erlebt."
Saint Ex vergleicht dieses Gefühl des Geheimnisses und seiner Entdeckung mit den Gärten und Parks seiner Kindheit. Dem Erwachsenen sind deren Unendlichkeit, deren Geheimnisse und Gesetze auch fremd geworden. "Es reicht nicht aus, wieder in den Park zu treten; man müsste in das Spiel selbst zurückfinden können." (ebd.)
Über die Wahrheit:
S. 227: "Wahrheit ist eine Sprache, die Allgültiges sagt. Newton hat nicht etwa ein lange unerkanntes Gesetz 'entdeckt', wie man etwa ein Rätsel löst. [...] Er hat ein Stück menschlicher Sprache geschaffen, das den Fall des Apfels und den Lauf der Sonne zu erfassen erlaubt. Wahrheit besteht nicht in Beweisen, sie besteht im Zurückführen auf die letzte Einfachheit."
Über Arbeit:
S. 227 f: "Der Spatenstich eines Gefangenen ist entehrend und hat nichts gemein mit dem Spatenstich eines Goldsuchers, der ihn adelt. [...] körperliche Arbeit ist kein Schrecknis - nur da, wo Spatenstiche ohne Sinn getan werden, Spatenstiche, die den Menschen nicht an die Gemeinschaft der Menschen binden. [...] Es gibt Allzuviele, die in das Räderwerk der Berufe geschmiedet sind, denen alle Freude des Bahnbrechers, des Gläubigen, des Wissenden versagt sind. Man meinte, es genüge, sie zu bekleiden, zu nähren und sonstige Bedürfnisse zu befriedigen, um sie groß zu machen. Man hat auf diese Weise nur den kleinen Spießer [...] den Maschinenmenschen großgezogen. Man bildet sie aus, statt sie zu unterrichten. Eine armselige Auffassung von Kultur greift um sich, die im Formelgedächtnis das Höchste sieht."
Merkt Ihr was? Ich kommentiere nicht. Die Sachen können alleine stehen. Für 1926 nicht schlecht, oder? Für die Erinnerungen eines Fliegers schon recht tiefschürfend, oder?
Und wenn ich fliegerisch, philosophisch, literarisch und überhaupt im Vergleich zu Saint-Exupéry nur ein erbärmlicher Wurm, ein Nichts, weniger als ein Nichts bin, so kann ich mir aus eigener Erfahrung ziemlich genau vorstellen, wie seine Art der Fliegerei Anfang der 1920er und seine Art zu denken einander bedingen.