Im umsonsten Sonntags-Werbe-Blatt¹ informiert ein oldenburgisch-ostfriesischer Wasser-Versorger über geplante Preissteigerungen in Höhe von 20 % und begründet wie folgt:
- Man sei damit immer noch nicht der teuerste Anbieter.
- Man habe schon lange keine Preiserhöhungen mehr durchgezogen.
- Man brauche das Geld für Investitionen.
- Klimawandel und Energiewende "stünden (...) im Mittelpunkt"
- Pandemie und Ukrainekrieg seien "Preistreiber".
En detail:
1. und 2. sind genaugenommen überhaupt keine Argumente, und Nummer 3 ist eine Binse. Meinen nächsten Bankraub werde ich, falls jemand fragt, nach demselben Schema begründen: 1.) Es gibt Leute, die haben viel mehr geklaut, 2.) ich habe schon lange nicht mehr geklaut, und 3.) ich brauche das Geld.
Mit Nummer 4 kann ich gar nichts anfangen, weil nicht mal im Ansatz erklärt wird, ob und wenn ja welchen Einfluss Klimawandel und Energiewende auf die Arbeit eines Wasserversorgers haben.
Nummer 5 verstehe ich auch nicht, weil Corona, soweit ich weiß, keinen Einfluss auf den Netto-Wasserverbrauch hat. Und wir beziehen kein Trinkwasser aus der Ukraine und liefern da auch nichts hin, sind bei der Trinkwasserversorgung weder von Russland noch von irgendwelchen Wüsten-Diktaturen, nicht von China und nicht einmal von den Amis abhängig - so what?
Ansonsten könnten 4. und 5. aber auch gut für die Begründung eines Bankraubs herhalten: "Ich musste das Geld klauen, denn ich wollt' mir ein CO₂-neutrales Auto kaufen und Klopapier für den nächsten Lockdown, und die Inflation hat mein Erspartes aufgefressen...!" Da sehe ich ethisch keine Probleme, wirklich nicht.
Spaß beiseite: Der Inhalt des Textes ist also wieder mal die übliche intellektuelle Beleidigung. Verärgert bin ich nur über mich selbst, da ich wieder mal angefangen habe, den Fehler bei MIR zu suchen. Ich habe tatsächlich kurz überlegt, nicht mal die Macher*innen dieses Drecksblattes würden so einen hanebüchenen Schwachsinn drucken, es müsse also an mir liegen, gewisse globale Zusammenhänge, die eine 20%ige Preissteigerung beim Trinkwasser begründeten, nicht hinreichend zu erfassen.
Das ist die eine Lehre aus diesem Text.
Die andere ist: Besagter Wasserversorger ist einfach nur ein weiterer Teilnehmer am kapitalistischen Marktgeschehen, der sich gedacht hat "HARRHARR! Jetzt, da alle die Preise erhöhen, jetzt, da wir sowieso eine Inflation von über 10 Prozent haben, da gönnen wir uns auch mal einen kräftigen Schluck aus der Pulle, und wenn wir schon zuschlagen, dann gleich richtig, also doppelt oder nichts, 20 Prozent! Her mit der Kohle, Du kleines, wehrloses Konsumenten-Arschloch, ich bin der Monopolist, und Du kannst GAR NICHTS dagegen unternehmen, HARRHARR!"
Ok, für das "HARRHARR" verbürge ich mich nicht, aber lest mal das Statement der OOWV-Böberschten, da hört Ihr es deutlich im Subtext.
Die dritte Lehre aus dem Text ist: Indem der OOWV mit so viel bierärschiger Selbstsicherheit annimmt, etwas unglaublich Cleveres getan zu haben, stehen die kundigen Beobachter kopfschüttelnd daneben und denken sich:
- "Ihr wisst aber schon, dass Ihr wieder mal viel zu spät reagiert, oder?"
- Oder: "Euch ist klar, dass gerade ALLE Marktteilnehmer haargenau so reagieren wie Ihr und dass der Effekt für die Anbieter dadurch bis praktisch null reduziert wird, oder?"
- Oder: "Wenn Ihr die Endverbraucher zwingt, mehr Geld für Trinkwasser auszugeben, dann haben die weniger Geld, um es für etwas anderes auszugeben. Das Gleiche gilt für Sprit, Gas, etc. Euer egoistischer Traum, Eure Profite zu erhöhen, ist global betrachtet ein dummes Nullsummen-Spiel, das aber letztendlich die Lebensgrundlage des Homo sapiens² zerstört."
- Oder: "Ihr haltet Euch für so schlau und mächtig und seid in Wirklichkeit so dumme und gehetzte Mitläufer in einem Rattenrennen, das Ihr in Eurer Betriebsblindheit nicht mal ansatzweise durchschaut."
¹ genauer: Nordwest Sonntagsblatt vom 17.12.2022, Seite 2
² Über diese Selbstbezeichnung ("der wissende, vernünftige Mensch") könnte ich mich ewig beölen!
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