Freitag, 12. Juli 2019

Platter Aufreger


Nicht die hirntoten neubraunen Horden, nicht Bannon, Putin, Hacker, Influencer, Islamisten, Konzerne oder Aliens verschulden den derzeitigen Niedergang unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Es sind die mündigen Staatsbürger*innen, jene, die eigentlich die verantwortungsvollen Machthaber in diesem unserem Staate sein sollten. Sie zerstören selbst die derzeit beste - oder, wenn man so will: die am wenigsten schlechte - Staatsform der Weltgeschichte. Sie tun das, weil sie Demokratie mit "Wähl' Dich reich!" verwechseln und weil sie sich dümmlich korrumpieren lassen mit Geschenken, die sie selbst erwirtschaften und die sie sich von den am wenigsten zur Machtausübung geeigneten Menschen, den Plittikörrn zurückschenken lassen und dann auch noch vor Begeisterung sabbern.

Und die gewählten Plittikörr interessieren sich einen Dreck für das Wohl des Staates, hingegen  ausschließlich für den persönlichen Machterhalt und, wo möglich, -ausbau. Pfiffigerweise betrügen sie uns mit dem abstrusen Gedanken, das eine sei mit dem anderen identisch und idiotischerweise lassen wir uns damit betrügen. Unsere politische Führung liegt in den Händen von prinzipienlosen, pseudodemokratischen Egomanen, die über alle Parteigrenzen hinweg austauschbar sind, sofern es zum je persönlichen Vorteil gereicht. Da ist niemand, der unbequeme Wahrheiten durchkämpft oder sich für die Grundlagen unserer Verfassung in Stücke hauen ließe oder wenigstens offensiv (/aggressiv?) für unsere FDGO eintritt und wirbt. 

Die AfD in D und die Nazi-Populisten weltweit sind nicht Ursache des Untergangs, sondern Symptom.



Ja, ich weiß, ich rege mich nur wieder auf. Dieser Text ist überhaupt nicht elegant oder gar intelligent, da ist kein feiner Humor, kein Esprit ... Aber bevor die Titanic auf den Eisberg krachte, rief der Ausguck auch "Eisberg!!!" und nicht "Ich sehe was, was Du nicht siehst ...!"





Zum Glück stammt dieses Bild aus wiki commons und nicht aus meinem Haus. 
Wenn man so einen Pilz erstmal hat, geht der ganz schlecht wieder weg.



Montag, 8. Juli 2019

Wenn das denn so ist ...


Selten, aber überaus erfreulich, dass doitsche Staatslenker*innen den Amis so offen und direkt Paroli bieten, wie bei der Ablehnung der Forderung der Trump-Junta nach deutschen Bodentruppen in Syrien. Früher wären sowohl die Forderung als auch die Zurückweisung diplomatisch in Hinterzimmern ausgekungelt worden. Und in einer besseren Welt als der uns'ren wäre die Forderung gar nicht erst erhoben worden.

Trumps dumm-arrogante Egomanie-Trips führen dazu, dass heutzutage laut-schallend grobe Keile auf grobe Klötze treffen. Frage ist, ob unter derartigen Diskursbedingungen intelligente Politik überhaupt noch zustandekommen kann.





(verändert via wiki commons)
Man muss auch dazu stehen können, 
ein gewaltaffines, egomanisches dummes 
Arschloch zu sein.











Dienstag, 2. Juli 2019

Doittschärrr!!!


Falls jemals irgendein heutiger Nazi an meiner doittschän Herkunft zweifeln sollte: Ich bin ganz zweifelsfrei ein direkter Nachkomme von Arminius, oder, wie fälschlich eingedeutscht: Herrrmann dem Cherusker, der, wie wir alle wissen, dem welschen Erbfeind, den Römern unter Varus, im Jahre 9 n. Chr. den Garaus gemacht hat. Noch germanischer geht's ja wohl nicht, oder?

Hier der Beweis:

Ich habe 2 Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern, 16 Ur-Urgroßeltern ... etc. Man könnte auch sagen, ich hätte 2^2 Großeltern, 2^3 Urgroßeltern, 2^4 Ur-Urgroßeltern

Rechnen wir das auf etwa 2.000 Jahre hoch und veranschlagen wir die Dauer einer Generation mit zwanzig Jahren, wie das in den historischen Wissenschaften üblich ist, dann liegen also 100 Generationen zwischen mir und der Varus-Schlacht. Jede Generation braucht 2 Eltern, eine Mama, einen Papa, und wenn die sich jeweils ganz doll liebhaben, kommen wir auf den Wert von

2^100 = 1.267.650.600.228.229.401.496.703.205.376,

in alphanumerischer Schreibweise also auf 


1 Quintillion 267 Quadrilliarden 600 Quadrillionen 600 Trilliarden 228 Trillionen 229 Billiarden 401 Billionen 496 Milliarden 703 Millionen 205 Tausend 376 Menschen.

Da das viel mehr Menschen sind, als je lebten, leben und leben werden, MUSS Arminius zwangsläufig, mit der Unausweichlichkeit mathematischer Logik, zu meinen direkten Vorfahren gehört haben. Genauso wie Lao-Tse, Siddartha Gautama, König Salomo, Julius Cäsar, Jesus, Mohammed, Dschingis Khan, König Artus ... Tja, da staunt Ihr, oder?

Gute Güte! Die Vorstellung, dass die alle Sex miteinander hatten, wenn auch über Generationen verteilt, ist ja irgendwie auch schon wieder unhygienisch ...




(Arminius - verändert via wiki commons)

Oh, ich wusste nicht, dass es am Tag der Varusschlacht
so warm war, dass man auf Klamotten verzichten konnte.
Egal, Hauptsache, alle haben ihren Spaß!
















Freitag, 28. Juni 2019

Menschenbilder


Schon interessant, wie unterschiedlich die Bilder sein können, die wir uns von Menschen machen:

Hier das "offizielle" Bild von der gestrigen Freisprechungs-Feier der Kreishandwerkerschaft:



Thore ist mein Sohn, daher darf ich versichern: Er sieht überhaupt nicht so aus, wie auf dem obigen Foto -  es sei denn, er möchte absichtsvoll in hochintelligenter Selbstironie den absoluten Honk mimen. Familienintern nennen wir diesen Gesichtsausdruck "hirnloser Grinsemichel" und natürlich zeigen wir ihn ausschließlich bei hochoffiziösen Anlässen. Im engsten Familienkreis wird diese Mimik nur verwendet, um einander zu erheitern. Gut gemacht, Thore!

Dann das private Foto. Mnja, das ist schon näher dran, am real life:



Aber das einzig wahre, das einzig richtige Menschenbild finden wir immer nur in der ästhetischen Umsetzung, durch den Blick der Künstler*in:





Was ich eigentlich sagen wollte: Mein Sohn Thore hat bei der diesjährigen Gesellenprüfung der Tischler in Hildesheim mit einem Schnitt von 1,0 den 1. Platz gemacht, und ich bin wahnsinnig stolz auf ihn! [*1]




[*1] Ich bin sowieso unendlich stolz und glücklich und dankbar auf, mit und über meine/n beiden Söhne/n, aber so 'ne Nummer kommt dann immer mal wieder obendrauf ... :-)






Mittwoch, 26. Juni 2019

Evolution?


Lese gerade mit halber Kraft, halb beruflich, halb privat, Friedemann Schrenk "Die Frühzeit des Menschen", München, 6. Aufl. 2019.

Auf S. 94 finde ich über Homo erectus, unsere Vorfahren, die Zeilen "... ging die Weiterentwicklung der Werkzeugkultur nur schleppend voran. Über eine Million Jahre lang änderte sich an der urspünglichen Art der Steinwerkzeugherstellung durch Abschlagen einiger Splitter wenig."

Ich werde den völlig blödsinnigen Gedanken nicht los, was das wohl für eine Szene war, als nach einer Million Jahre jemand an die kollektive Feuerstelle trat und sagte: "He Jungs, schaut mal, was ich gemacht habe: Viel besser als unsere Faustkeile...!" Ich tippe auf folgende Reaktionen:


  • "Verpiss Dich, Du Spinner, wir haben zu tun!"
  • "Fang erstmal an, richtig zu arbeiten, Du Penner, dann lernst Du auch den Faustkeil zu schätzen!"
  • "Wir sind Homo erectus! Wir haben Faustkeile! Immer schon! Wer keinen Faustkeil hat, ist kein Homo erectus, sondern ein Verräter!"
  • "Faustkeil first! We have the bestest Faustkeil in the world."
  • "Nur schwule / andersdenkende / elitäre / demokratisch-kommunistische / iran-irakisch-mexikanisch-europäische / jüdisch-bolschewistische / rot-rot-grün-versiffte Homo erectii meinen, es könnte was Besseres als einen Faustkeil geben."
  • "Wir werden unsere heimische Steinwerkzeugherstellung keinesfalls durch irgendwelche Experimente gefährden. Da werden in unverantwortlicher Weise Arbeitsplätze auf's Spiel gesetzt." 

Diese Optionen klingen ein wenig gewollt witzig bzw. anekdotisch, aber mir graust es bei der Vorstellung, wie oft in den Million Jahren sich diese Szene zugetragen und permanent wiederholt hat. Eine Million Jahre, mannmannmann, das ist eine verdammt lange Zeit für Leute, die eine gute Idee haben und immer wieder an der bierärschig-dümmlichen Arroganz ihrer macht-habenden Zeitgenossen scheitern ...

Und ein paar Seiten weiter (S. 97) geht's dann um die sogenannten "Hobbits", Homo floresiensis. Über deren vergleichsweise geringes Hirnvolumen heißt es: "Die absolute und relative Verkleinerung des Gehirns [bei dieser Spezies] dürfte ein evolutives Inselphänomen darstellen. Dies wurde erstmals bei fossilen Gemsen auf Mallorca nachgewiesen. Dort dauerte die Rückentwicklung des Gehirns mehrere Millionen Jahre."

Diese Zeilen haben mich - und das meine ich komplett un-lustig - sehr betroffen gemacht. Ich war bislang immer davon ausgegangen, dass die nachweisliche Vergrößerung des Neocortex bei Homo sapiens im Zusammenspiel mit immer komplexeren sozialen Interaktionen und im Zusammenspiel mit permanentem technischen Fortschritt ein unausweichlicher, sich selbst stabilisierender  (autokatalytischer) Prozess sei. Ist Floresiensis tatsächlich ein Beispiel für eine Spezies, deren Hirnvolumen bei der evolutionären Fitness keine Rolle mehr spielte?

Wir wissen schon lange, dass unser Großhirn nur ein Überlebensapparat, nicht jedoch ein Erkenntnisapparat ist. Es wird Zeit, sich wieder bewusst zu machen, dass eine ständige Zunahme der Intelligenz auch bei Homo sapiens, also bei uns Jetztmenschen, keine Selbstverständlichkeit ist. Der Rückwärtsgang, das kollektive Verblöden ist denkbar, und nicht erst seit Trump Potus wurde und die Nazi-Populisten wieder auf dem Vormarsch sind, eigentlich auch schon Realität. Können wir, bitte, bald mal wieder in einen Vorwärtsgang schalten?



(verändert via wiki commons)
In den letzten Jahren lernen wir,
dass der Neanderthaler viel klüger und flexibler war als bisher angenommen.
Ich achte ihn auch ganz hoch. Aber ich möchte evolutionär da nicht wieder hin. 







Samstag, 22. Juni 2019

Filterfunktion


Bin gerade beim noch-nicht-ganz-wachen Klicken durch die Nachrichten-Portale auf den Link "Estragon - Das solltest Du über Anbau und Anwendung wissen" gestoßen. Eigentlich wollte ich nur wissen, ob der unberechenbare Idiot in Washington übernacht den nächsten Weltkrieg losgetreten hat, aber nun scheint es, dass wir den Problemen des Estragons zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätten.

Beim zweiten Hinschauen waren die geistigen Filter dann doch so weit hochgefahren, dass ich die Estragon-Problematik und den möglichen Dritten Weltkrieg in angemessene Relation setzen konnte.

Dennoch sollte die schreibende Zunft ein paar sakrosankte Floskeln den wirklich überlebenswichtigen Themen vorbehalten:

  • Krieg 
  • andauerndes massenhaftes Leid
  • fortgesetzte Verbrechen gegen die Menschlichkeit 
  • entstehender und fortgesetzter polit-religiöser Fundamentalismus und 
  • Zerstörung der für den Menschen lebenswerten Umwelt. 

Punkt. Das sind die Themen, bei denen niemand sagen können darf, hen habe nichts davon gewusst. Und da wäre es richtig, mit Titeln zu arbeiten, wie "Was Sie über Trumps niedere Motive im Iran-Konflikt wissen müssen" oder "Was Sie über die Unterstützung europäischer Rechtspopulisten durch die Russen wissen müssen".

Alle anderen Themen sollten hingegen eine klar erkennbare "nice-to-know"-Signatur tragen, wie zum Beispiel "Überraschung: Estragon ist gar keine Provinz in Spanien!"



(verändert via wiki commons)
Man verstehe das nicht falsch: Ich habe nichts gegen Estragon an sich. 












Freitag, 21. Juni 2019

Unerbittlicher Dreisatz der Lüge



  1. Der Präsident der U.S. of A. lügt nachweislich öffentlich und hemmungslos, wannimmer es seinen persönlichen Zwecken dient.
  2. Die Behauptung, die vom iranischen Militär abgeschossene amerikanische Drohne habe den iranischen Luftraum NICHT verletzt, dient seinen persönlichen Zwecken.
  3. Die Behauptung ist eine Lüge.


Jaja, da ist ein kleiner aussagenlogischer Knick drin, wobei es wohl um die Unterscheidung notwendiger und hinreichender Bedingungen geht.

Aber es bleibt die Feststellung: Aktuell ist den Aussagen des menschenrechtsverachtenden, fundamentalistisch theokratischen iranischen Regimes mehr zu vertrauen, als dem Führer des mächtigsten Landes des Planeten. [*1] Ich könnte kotzen, wenn ich mir bewusst mache, wie verstrickt wir mit den Amis in einem militärisch-wirtschaftlichen Bündnis stecken. Wie tief sind wir gesunken, die Mullahs für glaubhafter halten zu müssen, als den POTUS? Wie wollen die USA eigentlich jemals das Bild der Verteidiger von Demokratie und Freiheit wiedererlangen? 

Wir müssen uns ganz schnell klar machen: Uns blindlings an die Amis ranzuhängen, mag ein Not-Rezept für die Politik der direkten deutschen Nachkriegszeit gewesen sein. Heute ist es Wahnsinn und ethisch unvertretbar.




(verändert via wiki commons)
Möchtest Du diese Dummbratze zum Nachbarn haben? 





[*1] Warum ist dem Iran MEHR (nicht nur gleichviel) zu trauen, als den Amis? Ganz einfach: Wer hat derzeit wohl mehr zu verlieren, wenn die kriegerische Eskalation weiter geht? Wer hat derzeit mehr bzw. überhaupt ein Interesse an einem Krieg da unten? Die Iraner ganz sicher nicht.










Samstag, 15. Juni 2019

Gleiwitz lässt grüßen


Die zwei Tanker im Golf von Oman bla bla bla ... Es bleiben so schrecklich einfache Fragen. Hier nur eine vorläufige Auswahl:

Wenn der militärisch wohlausgerüstete Iran zwei Tanker direkt vor seiner Haustür abschießen will - wie groß ist die Chance, dass ihm das NICHT gelingt?

Wie plausibel ist es, dass der Angriff mithilfe von Haftminen durchgeführt wird, die medienwirksam gut sichtbar weit oberhalb der Wasseroberfläche angebracht wurden? Zumal alle modernen Tanker mit Doppelhüllen ausgestattet sein müssen.  [*1]



(Foto des US-Militärs, daher gemeinfrei via wiki commons)

Wann und wie sollen die Haftminen denn angebracht worden sein? Warum wurde das nicht bemerkt?

Wie plausibel ist es, dass so eine Mine nicht explodiert, die iranischen Revolutionsgarden deshalb mit einem deutlich erkennbaren iranischen Schnellboot zu dem Tanker fahren, um - offenbar vergeblich - zu versuchen, die Mine zu entfernen und dabei von einer zufällig vorbeifliegenden amerikanischen Drohne gefilmt werden?

Warum sagt die Crew des Tankers, dass so ein Boot gar nicht da war, dass es aber Luftangriffe gegeben habe? [*2]

Ich muss nochmal nachfragen: Keine Toten? Keine Verletzten?  Interessante Art der Kriegführung.

Welches Interesse sollte der Iran zum gegenwärtigen Zeitpunkt daran haben, einen halbherzigen, miserabel ausgeführten Angriff ohne Vorankündigung, ohne Drohung, ohne Anlass, ohne damit verbundene Forderung durchzuführen?


Am meisten quält mich an der Sache wieder mal die Erkenntnis, dass die Plittikörr uns alle für so vollverblödet halten, dass sie glauben, uns mit so einem Mist abspeisen zu können. Wenn ich von den Macht-Habern schon belogen werde, dann bitte so, dass ich hinterher glaubhaft behaupten kann, ich hätte es nicht besser gewusst. Beim Überfall auf Polen haben die Nazis sich noch richtig Mühe gegeben und  obwohl ich nicht dabei war, kann ich mir vorstellen, dass viele Deutsche keine Chance hatten, die Gleiwitz-Geschichte zu falsifizieren. [*3]




(Völkischer Beobachter 31.08.1939 verändert via wiki commons)









[*1] Die Erklärung ist ganz einfach: Der Revolutionswächter, der die Mine platziert hat, hat Rücken. Der konnte sich nicht tiefer runterbeugen, das hat der Arzt ihm auch verboten. Aber ernsthaft: Man frage mal Kampfschwimmer, wie man vorgeht, wenn man Schiffe zerstören will.

[*2] "Die Besatzung des japanischen Tankers berichtete ihrerseits, ein "fliegendes Objekt" habe ihr Schiff getroffen. Demnach hatte es bereits drei Stunden zuvor einen Angriff gegeben, woraufhin die Besatzung 'Ausweichmanöver' vorgenommen habe." (tagesschau.de)

[*3] Um das ganz klar zu machen: Ich rede hier ausschließlich von der Gleiwitz-Sache. Zu allem Anderen bleibt uns nur die ewige Scham.



Mittwoch, 12. Juni 2019

Schade: Rammstein entzaubert



Wäre übertrieben, mich als Fan von Rammstein zu bezeichnen. Früher haben sie ein paar Sachen gemacht, die mich beeindruckten: "Amerika" zum Beispiel. Oder die "Engel"-Inszenierung im Madison Square Garden. Oder "Keine Lust", welches zu pfeifen, zu grunzen und zu murmeln manches Mal meinen Berufsalltag sowohl kommentiert als auch erleichtert hat.

Daneben waren aber auch Texte wie "Benzin", bei dem ich den üblen Gedanken nicht los wurde, dass, wenn ein entsprechend vorgeschädigt-bemackter Spätpubertierender den auch nur ansatzweise in den falschen Hals kriegte, ein Inferno die Folge sein könnte.

Jetzt lese ich, sie hätten nach Jahren der Abstinenz wieder ein Album rausgebracht, das im Hinblick auf das provokante Spiel mit Nazi-Symbolen nicht ganz hasenrein sei. Wenn man aber sehr genau hinschaue, stelle man fest, Rammstein sei gar nicht rechtsextrem, und vor ein paar Jahren habe es auch einmal eine Zeile gegeben, die eventuell sogar auf linkes Gedankengut schließen lassen könnte. Und auch aus dem Ausland lauten Kommentare eher in die Richtung, haha, so sei Rammstein eben, immer provokant, hart an der Grenze entlang. So machten die halt Werbung für sich, diese ausgebufften Bengels.

Ja, ja, nein, mag alles sein, und ich glaube eigentlich auch nicht, dass die Jungs rechtsextrem sind, jedenfalls habe ich zwei Bücher von Flake, Rammsteins Mann an der Tastatur, gelesen [*1], und da war nix in der Richtung.

Aber dieses Spiel mit dem Un-Eindeutigen ist trotzdem völlig inakzeptabel.

Begründung 1: Es ist eine hohe und seltene Kunst, mit dem Uneindeutigen so zu spielen, dass am Ende dabei eine pointiert gesellschaftskritische Provokation herauskommt. Bedingung dafür ist aber ein Publikum, das dieses Spiel auf hohem intellektuellen Niveau mitgehen kann. Rammstein hat aber ein internationales Massenpublikum, das überwiegend nicht-deutscher Muttersprache ist und folglich Probleme bei der Umsetzung feinstofflicher Nuancierungen haben dürfte.

Begründung 2: Rammstein konzertiert in einer Welt, in der Rechtspopulisten und Rechtsextreme außerordentlich erfolgreich darin sind, mit bis zur Schwachsinnigkeit vereinfachten Welterklärungsmodellen auf Menschenfang zu gehen. Die Nazis fragen nicht lange, wie Rammstein dieses oder jenes wohl gemeint haben könnte, die Nazis vereinnahmen einfach für ihre Zwecke. Dass Rammstein sich dieser Gefahr aussetzt, ist entweder ein Zeichen grober Fahrlässigkeit oder gewaltiger Dummheit bzw. politischer Blindheit und Verantwortungslosigkeit.

Begründung 3: Meine übelste Befürchtung ist, dass Rammstein mit der Nazi-Symbolik eine brutal-effektive Marketing-Masche fährt. Analog zu irgendwelchen minderbemittelten Rappern, die mit Pseudo-Gangsta-Gewalt, Homophobie und Frauenfeindlichkeit ihre tägliche Fuhre medialer Aufmerksamkeit einholen, entdeckt Rammstein die Nazi-Verherrlichung für sich. Das ist ja auch etwas, worauf die gut zahlenden Amis total abfahren, und wenn die Nazi-Scheiße dann auch noch von real Germans gemacht wird, ist das doch total authentisch!

Zum letzten Argument stellt sich ergänzend die Frage, warum bei Rammstein eine klare politische Zuordnung der Inhalte eigentlich in keine Richtung möglich ist.

Sollte es tatsächlich das Erfolgsgeheimnis der Gruppe sein, dass das ganze Wumm-tata-Rock-Gedröhne im Kern völlig beliebig interpretierbar ist? Dass sich jede/r Linke/Rechte, jeder Spießer, jeder Ami, jeder Chinese, jeder Alt-68er und jeder Achtklässler ihr/sein Rammstein-Credo zusammenbasteln kann?

Kann es sein, dass die Jungs so hohl, so grenzenlos trivial sind?

Bevor ich diesen ungeheuerlichen Verdacht nicht entkräftet habe, werde ich keinen Spaß mehr an "Amerika" haben. Verdammter Mist!




(verändert via wiki commons - Weird Tales, Deckblatt Juni 1936)

Trivial ist's, wenn es aus kommerziellen, 
nicht gesellschaftskritischen Motiven gemacht wird.









[*1] ... dessen eines übrigens bei Amazon in einer Reihe mit Kinderbüchern angezeigt wird, was unfassbar unangemessen ist.








Montag, 10. Juni 2019

Altersmilde mit mir selbst


Es hat ziemlich lange gedauert, über 50 Jahre, bis ich mit mir wenigstens halbwegs einverstanden war. Zwei Krebserkrankungen, eine dann doch glimpflich verlaufene bei mir und eine tödliche bei meiner Frau, waren dabei sehr hilfreich. Bessere Maßstäbe menschlicher Werte als während der Jonglage an derlei absoluten Grenzbedingungen findest Du kaum.

Aber auch nachdem ich beschlossen hatte, mit mir einverstanden sein zu dürfen, fand ich den Typen, der ich davor war, herzlich zum Kotzen, na, sagen wir: zum Schämen. Zu vorwitzig weil eigentlich unsicher, zu arrogant weil eigentlich unwissend, zu provozierend weil eigentlich Weichei, zu ich-bezogen weil eigentlich Nullnummer  ...

Nun erwische ich mich dabei, mich auch mit den peinlichen Stadien meiner Entwicklung auszusöhnen. Der Knallkopp, der ich früher war, ist auch nicht allmorgendlich mit dem Vorsatz aufgestanden, auch diesen Tag wieder als Knallkopp zu verbringen und den Mitmenschen damit auf die Nerven zu gehen. Ich habe im Gegenteil immer unfassbar viel Energie damit vergeudet, das zu sein, wovon ich annahm, dass Andere es als "lieb & nett" oder "voll ok" oder zumindest als "nicht völlig daneben" betrachten würden.

Und gerade dann, wenn ich mich am stärksten bemüht habe, den Leuten zu gefallen, bin ich ihnen am meisten auf die Nerven gegangen.

Aber: Das konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht wissen. Ich war doof, und ich lebte nicht gerade in einem Milieu, in dem derlei taoistisch-philosophisches Gedankengut [*1] Alltagsgeschäft war. Ich erwarb meine Erkenntnisse auf die harte Tour [*2]. Zweites Aber: Ich habe mich stets bemüht (in bester faustischer Tradition) und mich auch durch die immerwiederkehrende Erkenntnis, nach wie vor ein Knallkopp zu sein, nicht entmutigen lassen. Das rechne ich dem damaligen Ich ganz hoch an.

Und wo wir gerade dabei sind: Ich bin natürlich in vielerlei Hinsicht immer noch ein Knallkopp und mit Sicherheit werde ich mich auch in zukünftigen Rückblicken über ganz viele Dinge schämen, die ich aktuell verzapfe. Aber mittlerweile kann ich das (inklusive der fälligen Scham) akzeptieren, denn ich bin immer noch Suchender, Strebender, Unfertiger, Unsicherer. Und ja: Wenn ich je damit aufhören sollte, das zu sein, dann soll auch mich der Teufel holen.

Aber es ist ok, so, wie es jetzt ist.





(Verändert via wiki commons: Hans Stubenrauch, Faust-Illustrationen)




[*1] Z.B.: "Hör' auf, Dich krampfhaft zu bemühen, damit machst Du alles kaputt." "Mach' Dir kein Bild von Dir selbst." "Ängste und Hoffnungen sind gefährliche Kategorien." etc. etc. etc. 

[*2] Oh Scheiße: Opa erzählt vom Krieg!!!