Es liegt in der Natur der AfD,
SchülerInnen zur Denunziation ihrer Lehrer aufzufordern. Das haben die Nazis auch so gemacht, deshalb muss es einfach gut sein.
Wenn also ein/e LehrerIn die latente und potentielle Verfassungsfeindlichkeit der Braunbratzen anprangert, dann soll das internetöffentlich gemeldet werden. Was anschließend passieren soll, habe ich nicht richtig verstanden, aber die seinerzeit übliche Einweisung in ein KZ zu fordern, das haben sich die Herrschaften dann doch noch nicht getraut. Egal.
Als rot-grün-links-öko-pax-fairtrade-menschenrechts-versiffter Lehrer beschwere ich mich hiermit ausdrücklich gegen diese Idee der AfD und begründe wie folgt:
Natürlich betrachteten es alle normal denkenden und empfindenden Menschen als riesengroße Ehre, namentlich auf der Liste der denunzierten LehrerInnen zu erscheinen. Selbst hirntote AfDler müssen doch verstehen, dass es seit den Berufsverbote-Prozessen der 1960/70er Jahre für uns keine sinnvollen Anlässe mehr gab, unsere Treue zur Verfasssung ganz persönlich, konkret und valide unter Beweis zu stellen und dass wir folglich nach solchen Fascho-Scheiß-Methoden süchten, wie ein Ertrinkender in der Wüste.
Darüberhinaus haben die meisten von uns mehrfach beeidet, alles zu tun, um auf diese Liste zu kommen. Ich erlaube mir, mein eigenes Beispiel anzuführen. 1981 gelobte ich nach §9 des Soldatengesetzes "..., der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." und 1991 und 2006 schwor ich den Diensteid nach §65 des niedersächsischen Beamtengesetzes "... dass ich, getreu den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen
und sozialen Rechtsstaates, meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen,
das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die
Niedersächsische Verfassung wahren und verteidigen, in Gehorsam gegen
die Gesetze meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit
gegenüber jedermann üben werde."
Übersetzt heißt das: Selbstverständlich werde ich in aller Offenheit eine Gruppierung kritisieren, die, wie die AfD, unsere FDGO latent in Frage stellt. Ich bin dazu verpflichtet!
Und übersetzt heißt das weiter: Jede Lehrerin und jeder Lehrer, der oder die nicht alsbald auf der AfD-Liste namentlich erwähnt wird, setzt sich dem Verdacht aus, allergrundlegendste Dienstobliegenheiten vernachlässigt zu haben. Wahrscheinlich gibt es in ein paar Monaten eine Menge sehr unangenehmer Personalgespräche, in denen peinvolle Fragen gestellt werden, wie z.B. "Frau X, / Herr Y, Ihr Name taucht in der AfD-Liste nicht auf - wie halten Sie es eigentlich mit Ihren staatsbürgerlichen Pflichten, mehr noch: Was bedeutet Ihnen eigentlich noch Ihr Diensteid? Wie fest stehen Sie eigentlich auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, da die AfD offenbar kein Problem mit Ihnen hat??!!!"
Tja, da möchte man natürlich schnellstmöglich auf die Liste. Aber dazu muss man SchülerInnen (oder deren Eltern) haben, die ethisch und psychisch so deformiert und krank sind, dass sie sich wirklich wie die schmierigen Denunzianten von Annodunnemals verhalten. Und was tut man, wenn man nur SchülerInnen hat, die ethisch fit und geistig und seelisch stabil sind? Da kann man noch sehr gegen die Nazis wettern und unsere Verfassung verteidigen, die applaudieren, aber niemand von denen käme auf die Idee, das an die Faschos weiterzugeben.
Und einfordern kannste das ja auch nicht, als Lehrer. Das verträgt sich nicht mit der Lehrerrolle, SchülerInnen zu bitten, Dich bei der AfD zu melden. So etwas fällt ja auch auf die SchülerInnen zurück, die rennen für den Rest ihres Lebens mit dem Stigma herum, ihren Lehrer an die Nazis verpfiffen zu haben. Dass das abgesprochen war, weiß doch in ein paar Jahren niemand mehr, und die AfD wird jede derartige Meldung als einen Erfolg feiern. Da können die Jugendlichen bzw Jung-Erwachsenen für's Leben traumatisiert werden.
Bleibt natürlich die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen. Aber das ist ... unnatürlich. Man kann sich schlecht selbst denunzieren, denn ein Aspekt der Denunziation ist ja, dass der Denunziant zum eigenen, niedrigen Nutzen handelt. Außerdem bestünde die Gefahr, dass KollegInnen, die noch gar nicht pflichtgemäß, will sagen: gemäß des von ihnen geleisteten Eides, gegen die AfD zu Felde gezogen sind, dies wahrheitswidrig zu Protokoll geben.
Wir kommen also zwangsläufig zu dem Schluss, dass die AfD hier wieder einmal nicht zu Ende gedacht hat. Man kann nicht einfach eine so wichtige Ehren-Liste installieren, ohne klare, unhintergehbare Regeln zu ihrer Umsetzung zu definieren.
Ich sag's ganz offen: Es wäre mir eine Ehre und es erfüllte mich Stolz, wenn mein Name eines Tages auf dieser Liste erschiene, und ich finde, ich habe mir das auch wirklich verdient, mehrfach sogar. Aber dies muss zu klaren, transparenten Bedingungen geschehen.
(Pellizza da Volpedo: Il quarto strato, 1901)