Mittwoch, 15. Juni 2016

Sprach-Geschichten


"Plattdeutsch gehört untrennbar zu Niedersachsen." banal-tümelt der Lokal-MdB im heroischen Versuch, der spargezwungenen niedersächsischen Landesregierung 272.000 Euro für das "Institut der niederdeutschen Sprache" abzuschwatzen, "damit Plattdeutsch auch eine Zukunft hat.".

Mich zwicken wieder diese grundlegenden Fragen:
  1. Wenn Plattdeutsch sowieso untrennbar zu Niedersachsen gehört, warum sollte man dann so viel Geld zum Fenster rauswerfen?
  2. Verstehe ich richtig? Ohne dieses Geld hat Plattdeutsch also keine Zukunft, mit diesem Geld aber schon?
  3. Wie funktioniert das, mit 272.000 Euro einer Sprache eine Zukunft zu kaufen? Besticht man damit Leute, die Sprache zu benutzen? Oder finanziert man damit eine geistig inzestuöse Lobby-Truppe, deren ausschließliche Aufgabe in der autokatalytischen Selbstlegitimation  besteht: Plattdeutsch gehört "untrennbar zu Niedersachsen" => deshalb wird das Institut subventioniert, das genau diese Behauptung unterstützt  => deshalb gehört Plattdeutsch "untrennbar zu Niedersachsen" => deshalb wird das Institut .. ad ultimo
Ich muss das unbedingt wissen, denn falls Sprachen jetzt auch für Geld zu kaufen sind und durch mafiose Seilschaften von Plittikörrn und arbeitslosen Linguisten gepusht werden können, wäre alles, was ich seit 26 Jahren über Sprache, Sprachentwicklung und Sprachgebrauch unterrichte, falsch.


 (via youtube)






Freitag, 10. Juni 2016

Wahlrecht für alle!


Neulich war ja wieder mal ganz kurz die medial gehypte Strohfeuerdiskussion um das Wahlrecht für 16-jährige. Wahrscheinlich losgetreten von der Kohorte fünftklassiger Plittikörr, die zwar einerseits einen unkontrollierbaren Drang zur Macht haben, andererseits aber so unerträglich unfähig sind, dass deren Parteien sie auf definitiv hoffnungslose Listenplätze verbannt haben. Diese Leute würden auch Garnelen das Wahlrecht zusprechen, wenn es denn Bruchteile von Wahlstimm-Prozenten brächte.

Das beste Argument gegen das Wahlrecht mit 16, das ich las: 16-jährige sind für ihr Handeln nur eingeschränkt verantwortlich und ergo nur eingeschränkt strafmündig, sollen aber uneingeschränkt wahlmündig und für die Zukunft unseres Landes (mit-) verantwortlich sein?  Eine unüberwindbare Bruchkante in der Logik.

Gleichwohl: Ich kenne einige 16-jährige, die wohlinformiert sind über staatstragende Dinge und denen ich durchaus zutraute, mit der Verantwortung der Wahlberechtigung kompetent und sorgsam umzugehen. Und ich kenne andererseits eine Menge, eine viel zu große Menge, von 18plus-jährigen, bei denen der Gedanke, sie seien wahlberechtigt, mir eisekaltes Grausen ins Gedärm jagt.

Was also tun?

Führerschein!

Nee, Wählerschein!

Wie wär's denn, wenn wir die nicht zielführende Altersgrenze für Wahlberechtigung komplett abschafften und stattdessen eine einmalige Prüfung einführten, in der die Menschen nachweisen, dass sie wissen, was sie tun und dass sie wirklich im Stande sind, demokratische Prozesse unfallfrei mitzugestalten und mitzubestimmen, ohne sich und andere über Gebühr zu gefährden?

Prüfungsthemen müssten sein: Menschenrechte, Menschenrechte, Menschenrechte, Demokratie, FDGO, Solidarität, Toleranz, Nachhaltigkeit, Grundzüge der Innen-, Außen-, Sozial- und Wirtschaftspolitik, Naturwissenschaft, Geschichte und ein Nachweis, in den wesentlichen politischen Fragen auf einem leidlich aktuellen Stand zu sein.

Und wer meint, sich auf diese Prüfung vorbereiten zu müssen, darf das, solange er oder sie will, jahrelang auf Kosten der Gemeinschaft in extra dafür geschaffenen, vollsubventionierten  Institutionen unter professioneller Anleitung tun.

Wir nennen diese Institution "Schule", und sie steht buchstäblich jedem Menschen offen, und es gibt nur ein einziges Abschluss-Zertifikat, die

"Berechtigung, an allen freien, gleichen und geheimen Wahlen teilzunehmen".


Das bisherige Schulsystem wird ersatzlos gestrichen. Das brauchen wir dann nicht mehr.




(verändert via wiki commons)
Die Nordseegarnele (Crangon crangon). 
Wichtiger Bestandteil des Ökosystems, 
faszinierende Lebensweise, 
außerordentlich wohlschmeckend 
- aber Wahlrecht?
Nö!





Mittwoch, 8. Juni 2016

Wo warst Du, Bauer?


Ich sollte aufhören Zeitung zu lesen. Ein tägliches Panoptikum menschlicher Idiotie.

Beispiel heute: 
  • Die Bauern produzieren irrsinnige Milchüberschüsse. Deshalb werden sie dabei jetzt staatlich subventioniert.
  • Die Fischer haben durch Überfischung die Bestände ruiniert. Deshalb werden sie dabei jetzt staatlich subventioniert.
Die offensichtliche Widersprüchlichkeit ist nur erklärbar durch kriminelle Kungelei der Lobbyverbände mit den Plittikörrn sowie durch die bedingungslose Machtgeilheit ebendieser Plittikörr sowie durch ein faules, dummes und selbstzufriedenes Wahl- und Konsumvolk.

Die Bauern und Fischer tanzen nur vor, was die anderen Branchen allzubald werden lernen müssen. Das profitbesoffene Delirium vom grenzenlosen Wachstum wird unser aller Leben um so brutaler gegen die Wand fahren, je später wir anfangen, nüchterne Vernunft in konkretes Verhalten umzusetzen.

Auf die Gefahr hin, mich ganz konkret unbeliebt zu machen: Ich bin gegen die Subventionen für die leidenden Hersteller von Milchüberschüssen und begründe wie folgt:

Ich habe in den 1980ern zum Thema "Agrarindustrie" wissenschaftlich gearbeitet, auch sehr konkret vor Ort im Vechtaer "Schweinegürtel", damals Europas höchstkonzentrierter Fleischproduktionsstätte. Und ich habe sie kennengelernt, die klugen, progressiven, weitsichtig wirtschaftenden Bauern, die bereits vor 30 (!) Jahren wussten (!!!), dass das Ganze ganz offensichtlich so nicht weitergehen konnte und die sich Gedanken gemacht haben, wie und was man ändern könnte und müsste und die für die Entwicklung möglicher Alternativen mutig eine Menge Geld investiert und hohe wirtschaftliche Risiken in Kauf genommen haben.

Und ich habe die anderen Bauern kennengelernt, die bierärschigen, die profitgeilen, die fetten, ewig-konservativen, spießigen, dummen, die ja bekanntlich sowieso immer die dicksten Kartoffeln haben. Und ich habe gehört, wie sie ihre verächtliche Besserwisserei und Häme über die angeblichen "Ökos" ihrer Zunft auskübelten, wie sie dümmlich-arrogant lachten, als sie ihre von keinem Argument angekränkelten Sprüche vom Stapel ließen.

Es sind genau diese Bauern, die Letzteren, die jetzt am lautesten nach Subventionen schreien. Nö, sage ich! Unterstützen wir doch bitte endlich mal die Zukunftsgewandten, die Vorausdenkenden, die Flexiblen, Progressiven, statt immer nur die dümmstmöglichen, geldgeilsten, rücksichtslosesten, arrogantesten Betonköpfe der Branche.



(via wiki commons)

Wo warst Du, Bauer, als die Probleme offensichtlich wurden und neue Gedanken gedacht werden mussten?












Montag, 6. Juni 2016

Der Unterschied


Ich browse durch die Nachrichten-Portale: Der Ober-Philippino gibt Lynch-Justiz an Drogendealern frei, der Obertürke nennt deutsche MdBs Terroristen, die potentiellen Ober-Amis attestieren sich gegenseitig Knastreife, westeuropäische Ober-Rechte machen sich rassistische Nazi-Parolen zu eigen usw. usw. ...

Die Diktion wird härter, marktschreierischer, greller, durchgedrehter, und die Mainstream-Journaille tut so, als sei das normal oder irgendwie lustig.

Jaja, Leute wie Wehner und Strauß neigten in frühbundesrepublikanischen Zeiten rhetorisch auch eher zum schweren Säbel als zum Florett: Schwein, Strolch, Quatschkopf, Schleimer ... Aber sie arbeiteten sich an einem ernstzunehmenden Gegner ab, und nur an dem. Sie griffen - bei aller sonstigen Schärfe - niemals zu dem perversen Mittel, den einen Teil des Wahlvolkes mit niederinstinkten Dreiwortsätzen zu Hass und Mord gegen den anderen aufzuwiegeln. Wehner und Strauß wussten aus ureigenster Biographie, wie vergiftet dieses Mittel ist.

 (verändert via Bundesarchiv via wiki commons)
Ganz gewiss kein Sympath. Menschlich eher eine Drecksau, politisch ein intriganter Machtmensch, nach allem, was man hört. Aber stets einer grundsätzlichen Ethik, einem uneingeschränkten Ja zu Freiheit, Demokratie und Menschenrechten verpflichtet.




Mittwoch, 1. Juni 2016

Lob der Sprache!


Im Käseblatt lese ich, der Ziegenpeter vom Bosporus droht uns mit Liebesentzug, falls wir den Völkermord an den Armeniern Völkermord nennen, und die Saudis wollen uns keine Panzer mehr abkaufen, weil hier jedesmal öffentlich darüber diskutiert wird.

Ich nehme erfreut zur Kenntnis: Allmachtsphantasierende Diktaturen betrachten vor allem die Sprache als ernstzunehmenden Gegner.

Gut so! Richtig erkannt, Ihr Arschlöcher!


 (Völkermord an Armeniern - via wiki commons)
"Na, das war doch kein Völkermord. Das war nicht mal 'ne Polizeiaktion gegen Terrorismus. Das war ... sagen wir ... eine besonders konsequent durchgeführte allgemeine Verkehrskontrolle. Genau! So war das!"






Montag, 23. Mai 2016

Die wollen doch nur spielen



(verfremdet via tagesschau.de)

Aktuelles Bild von irakischen Soldaten, die gegen den IS kämpfen. Eigentlich also irgendwie die "Guten". Wenn ich aber sehe, wie stolz sie ihre erigierten RPG-Pimmel exhibieren, dann fürchte ich im Stillen, die kämpfen gar nicht für das Gute. Die kämpfen, weil sie Spaß dran haben. Für wen oder gegen was ist nebensächlich.


Mittwoch, 18. Mai 2016

Lebenstraum geht vor!


10 Jahre Frust schieben und plötzlich wird ein alter Traum wieder erreichbar.

Verzeiht, Leute, wenn ich jetzt etwas sparsamer schreibe.



Ist es nicht wunder- wunderschön?
Ja, es ist wunder- wunderschön!




Sonntag, 15. Mai 2016

Von wegen geschichtslos!


Tut mir leid, dass ich nochmal auf meine neue alte neue Tasche aus vorangegangenem Artikel zurückkommen muss, aber ich habe ihr Unrecht getan, und das muss aus der Welt geschaffen werden. Ich habe behauptet, diese polnische Kaltkriegs-Kampftasche von 1965 hätte keine Geschichte zu erzählen. Stimmt - bei genauer Betrachtung - nicht.

Hier ein Detailbild der Rückseite. Man beachte die unterschiedlichen Farben:


  1. Der "Taschenkörper". Hauptfarbe. Dunkelgrün ... mit ein bisschen Grau. Erinnert sehr an das Grün der Heeresfelduniformen der Wehrmacht. (Knöpfe, Halteringe, Schnallen etc. sind absolut baugleich mit denen der Wehrmachtstaschen.)
  2. Haltegurte: Ein helles Grün, wie es die Alliierten im Zweiten Weltkrieg für Cockpit-Innenfarbe, Gurtzeug etc. verwendeten.
  3. Applikation: Olivgrün, Allerweltsfarbe bei allen Militärs.
  4. Tragegurt: Sattes Dunkelgrün, auch die Webart macht einen ungewöhnlich modernen Eindruck. Nachträglicher Anbau?
  5. Umsäumung der Nähte: Wie 1, nur etwas heller.
Was lernen wir daraus?
  • Nichts.
  • Oder nur: Dass die polnischen Hersteller der Tasche sich ganz pragmatisch aller möglichen Materialquellen bedienten, sofern das Zeug irgendwie grün-ähnlich gefärbt war. 
  • Und dass das auch die endgültige Antwort auf die ewige Fragerei der Hobby-Historiker und Modellbauer nach dem 100%exakten Farbton irgendwelchen Equipments ist.
  • Und dass keine Sache der Welt banal oder gar langweilig ist, wenn man nur genau hinschaut. 
  • Und dass Kriege immer gleich sind.

"(...)
And he knows he shouldn't kill,
And he knows he always will,
Kill you for me my friend and me for you.

(...)
He's the Universal Soldier and he really is to blame,
His orders come from far away no more,
They come from here and there and you and me,
And brothers can't you see,
This is not the way we put the end to war."

Donovan, Universal Soldier



Samstag, 14. Mai 2016

Warum nicht?


Neue, jrößere Tasche für's Geocachen jesucht. Heute in den tieferen Sedimentationsschichten eines Grabbeltisches eines Militärklamottenladens fündig jeworden. Jekauft und mitjenommen. Bei Reinijung der Tasche Prüfzettel des Herstellers jefunden. Aus Spaß und Neugier Prüfziffer und Seriennummer im Internet einjejeben.

Ergebnis: Feldtasche - beim Bund sagte man früher auch "Kampftasche" - der polnischen Armee, in Polen hergestellt von 1961 bis 1985, dieses spezielle Exemplar vermutlich 1965, also zu hochgradigen Kaltkriegszeiten. Ganz klar erkennbar ist, dass diese, meine Tasche nie benutzt worden ist. Sie wurde produziert und dann vermutlich in irgendwelchen Militärdepots eingelagert, dann abgeschrieben, später vielleicht an irgendwelche Händler vertickt und ist so über weiß-der-Geier-wieviel Zwischenhändler schließlich ins friesisch-verpennte Jever gelangt.

Was für eine Paradoxie: Sie ist einerseits 51 Jahre alt und andererseits nagelneu. Sie ist einerseits ein Stück extremkonflikthafter globaler Geschichte und hat andererseits keine Geschichte zu erzählen.

Mein aktuelles Problem: Ich habe die Tasche eigentlich nur als Basis für massive und schwerstinvasive Modifikationen zu einer höchst individuellen, sehr, sehr pfiffigen und unschlagbar praktischen Geocacher-Tasche gekauft. Jetzt stehe ich davor, ergriffen von der Historie, und traue mich nicht, den heißersehnten Umbau zu beginnen. Käme mir vor wie ein Denkmal-Schänder.

Allerdings: Ich bin drei Jahre älter als diese Tasche, und mich baue ich quasi täglich um, warum also Rücksichtnahme einer blöden Tasche gegenüber? Außerdem: Soll ich die Tasche etwa wieder einlagern, damit sie weitere Jahre vor sich hin müffelt, bis meine Erben (oder deren) sie dann in die Tonne hauen? Und schließlich: 15 Ocken for nothing?

Beschluss: Umbau. Und um das Dilemma zu mildern, folgt hier ein schickes Foto der Tasche im O-Zustand. Und den Prüfzettel habe ich laminiert, der hält jetzt eine Ewigkeit länger, als es unserer Umwelt lieb sein könnte. Falls irgendwelche HistorikerInnen den Zettel mal brauchen: Einfach Bescheid sagen. Ich helfe gern.

Und Dir, liebe Tasche, sage ich: Du hast lange genug gepennt. Jetzt kommen aufregende Zeiten. Showtime!





"It's astounding:
Time is fleeting,
Madness takes its toll.
But listen closely:

Not for very much longer

I've got to keep control.
I remember doing the Time Warp,
Drinking those moments when
The blackness would hit me

And the void would be calling

Let's do the Time Warp again
Let's do the Time Warp again  ..."

Richard O'Brien, Rocky Horror Picture Show




Donnerstag, 12. Mai 2016

Überwältigt


Hier ist mal wieder Sendepause, weil mich das Werk eines Profis ganz kleinlaut werden lässt:


Ziemlich klare Beweisführung, dass wir alle selbst ganz genau wissen, dass wir mit unserem Lebensstil alle  wichtigen Bereiche unseres Lebens gegen die Wand fahren - und trotzdem weitermachen, sogar immer mehr Gas geben. Leider gut und wasserdicht recherchiert, leider zwingend in der gedanklichen Logik, leider wieder ein Punkt, den unsere Enkel uns um die Ohren hauen können und werden: Ihr habt es gewusst! Ihr habt es zugelassen! Ihr habt es sogar unterstützt! Ihr wart wissentlich ein Teil davon! Aus Bequemlichkeit. Aus Egoismus.

Und wir werden nicht mal den lahmarschigen, verlogenen Versuch machen können, Unwissenheit oder Befehlsnotstand zu heucheln.



Ein paar Dinge, die Welzer schreibt, ein paar Konsequenzen, die er entweder prophezeit oder fordert, muss ich noch in Ruhe ventilieren. Klar ist: Wir müssen viel grundsätzlichere Veränderungen denken und leben.