Einy usa-ische Benutzy fragte neulich¹ im Fediverse, welche roten Linien eigentlich noch überschritten werden müssten, damit man begönne, aktiv Widerstand zu leisten.
Sier meinte damit natürlich die Höllenfahrt des Trumpismus, die USA in den Faschismus zu gurken. Aber auch als Nicht-Ami spürte ich schmerzhaft stechende Betroffenheit: Wann fangen wir denn an, uns zu wehren?
- Wir wissen, dass das fundamentalistisch-kapitalistische Mantra vom ewigen Wachstum eine mathematische und logische Unmöglichkeit ist.
- Wir spüren jeden Tag, dass eine Gesellschafts- und Wirtschaftsform, die auf der skrupel-freien, völlig enthemmten, grenzenlosen, krankhaft-egomanischen Gier nach Geld und Macht basiert, zu immer katastrophaleren Ergebnissen führt.
- Wir haben überreichlich valide Daten, die belegen, dass wir mit unserem Lebensstil eine lebenswerte Umwelt in den Senf drücken.
- Wir ..
Genug davon! Es ist alles so bekannt, klingt so gebetsmühlenartig, durch ewige Wiederholung so langweilig und die Klagen darüber so antiquiert.
Problem ist: Wir werden nicht anfangen, uns zu wehren. Wir verhalten uns wie der vielzitierte Frosch, den man nur kochen kann, indem man das Wasser, in dem er hockt, peu à peu erwärmt.
Ich wüsste nicht mal, wie ich das anfangen sollte, aktiven Widerstand.
Linnemann auf's Maul hauen? Bringt nur Ärger, und der Mann nervt fürchterlich, ist aber ersetzbar, aber sowas von ersetzbar. Und es gibt zu viele, die auf's Maul kriegen müssten. Gewalt ist sowieso ganz großer Mist, führt nie zu den gewünschten Ergebnissen, dreht sich immer (!) ins perverse Gegenteil.
Heimlich Flugblätter drucken und verteilen? Ach nee, das waren die Geschwister Scholl. Wir haben ja das Internet! Au ja, ich schreibe irgendwo einen Aufruf zur Revolution. Völker, hört die Signale ... Super, das bringt NULL, weil alles dichtgemüllt ist. Das Internet als Kommunikationsplattform ist eine Illusion, immer schon gewesen.
Eine Partei! Ich gründe eine revolutionäre Partei! Die fünfhunderttausendste wahrscheinlich. Und falls, was aber völlig ausgeschlossen ist, diese Partei Wirksamkeit entwickeln sollte, wird sie ohnehin verboten.
Also muss ich Leute in meinem Bekanntenkreis persönlich anquatschen. Erfahrungsgemäß das größte Problem: Termine finden. Und dann ist so eine Revolution auch mit weiterführenden terminlichen und persönlichen Verpflichtungen verbunden. Da kann man gar nicht genau absehen, was da auf einy zukommt. Also, ich hätte da umgekehrt auch überhaupt keinen Bock drauf.
Und je mehr Leute Du anquatschst, desto mehr Meinungen kommen zusammen. Meinungen! Raisonnements! Bauchgefühle! Laber, laber, laber, ... und tschüss, Revolution!
Das ist natürlich mein ganz persönliches Problem: Eine tendenziell misanthropische Grundhaltung verträgt sich eher nicht so gut mit einer kollektiven, konzertierten Aktion.
Bleibt wieder nur die One-man-show: Konsum-Boykott. Ja. Toll. Mache ich schon ganz weitgehend, aber niemand macht mit, erst recht nicht global. Und meine Weblog-Artikel sind zugegebenermaßen auch nicht so die spritzigen, radikalen, euphorisierenden Appelle, die weltweiten Missstände mit einem Schlag zu beseitigen. Ich könnte noch nicht einmal sagen, was für ein Schlag das sein müsste oder könnte. Bedenken, Bedenken, Zweifel, Zaudern, Zagen.
Wird wieder nix mit der Revolution.
mit Zitrone und Schnittlauch.
Eine Vorspeise, oder?
¹ Leider finde ich die Quelle nicht wieder.