Was für ein Wort, oder?!
"Ver-herrlich-ung" fiel mir neulich als Begriff auf, als ich zum gefühlt fünfzilliardsten Mal versehentlich in irgendeine Hitler-Bio oder "Geheimwaffen-des-III.-Reichs"-Doku reinzappte. "Verherrlichung" gibt es anscheinend nur in Zusammenhang mit Krieg, Gewalt, Faschismus und Religion, entweder wahlweise oder in beliebiger, auch multipler Kombination. Zum Beispiel: "Wir müssen die Ungläubigen töten, ihre Länder zerstören, zum ewigen Ruhme Allahs/Jesu/Jahwes [Unzutreffendes streichen]. Der größte Feldherr aller Zeiten hat das schon ganz richtig vorgemacht!"
Allerdings wird nur in Religionen die Verherrlichung auch metasprachlich realisiert und normativ eingefordert [1]. Eine Formulierung nach dem Schema "Preiset alle Hitler / Erdogan / Orban etc. etc." kommt nur in sehr diktatorischen Diktaturen vor, denkbar Nordkorea oder Saudi-Arabien - oder eben analog alltäglich in jedem Gottesdienst ("Preiset alle Gott etc. ..." s.o.).
Bei der Gewaltverherrlichung fallen uns natürlich noch die bösen, bösen Gangsta-Rapper, zahllose TV-Serien und ihre schwerst-mehrfach pubertierenden Bewunderer ein. Aber die Ersteren bedienen einfach nur eine perverse Geschäftsidee, und die Letzteren sind dumme Achtklässler. Weder über die einen noch über die anderen muss hier viel gesagt werden. [2]
Eine weitere Spielart der Verherrlichung ist die Selbstverherrlichung, aber da wird's schwammig: Wir kennen alle die individuelle Selbstbeweihräucherung [3] einzelner Kolleg*innen, aber die Reichweite dieses Verhaltens ist gering, die Wirkung nutzt sich rasant ab und schlägt alsbald ins Gegenteil um. Dagegen steht natürlich die professionelle Selbstverherrlichung der ohnehin Mächtigen, die ihre krankhafte Neigung auch noch fremdgesponsert finanzkräftig medial befeuern: Trump, Kim Jong Un, tendenziell eigentlich alle Plittikörr und viele Wirtschafts-Mächtige.
Eine Friedens-Verherrlichung habe ich nicht gefunden, nicht mal in Google. Auch keine Demokratie-Verherrlichung und keine Menschenrechts-Verherrlichung.
Was für eine niederschmetternde Bilanz!
Ich trete hiermit dafür ein, dass wir das Verherrlichen nicht weiterhin kampflos den Arschlöchern dieses Planeten überlassen. Ich fordere, dass wir auf der Stelle beginnen, die Demokratie, die FDGO, die Menschenrechte und Schutz einer menschenwürdigen Umwelt zu verherrlichen.
Begründung: Ich habe es so satt, dass scheinbar nur der Abschaum jeder Gesellschaft, die Nazis, egomanische Plittikörr, religiöse Fundamentalisten und Unternehmensberater, in der Lage sind, ihre Visionen den Menschen dieses Planeten nahezubringen! Warum müssen freidenkende, aufgeklärte, demokratische, humanistische, umweltbewusste Menschen immer erstmal streiten und alles zerreden? Natürlich soll und muss diskutiert werden, aber wir vergessen, den Leuten immer wieder klarzumachen, dass das, worauf wir hinauswollen, eine wundervolle Vision, die einzige, die wirklich lebenswert ist und dass wir uns da, trotz allem, völlig einig sind: Wir kämpfen für eine friedliche, freiheitliche, freie und gleichberechtigte Welt.
Es ist an der Zeit, dass wir mal wieder für unser Projekt werben, denn das ist es wert, statt uns, was ja viel einfacher ist, in internen Grabenkämpfen aufzureiben. Es ist an der Zeit, dass nur noch aufrechte Menschenrechts-Kämpfer als "cool" gelten und dass jene, die das nicht teilen, eben nicht "cool" oder angesagt sind, sondern einfach nur blöde Arschlöcher, die man zu keiner Party einlädt, von denen man sich nicht einladen lässt, mit denen man keine Geschäfte macht, erst recht keine Waffengeschäfte usw. usw.
Was ist negativ daran, ein "Gutmensch" zu sein? Ich find's herrlich! Lasst es uns offensiver sein.
(stark verändert via wiki commons)
Ich bin "Gutmensch" und stolz darauf.
Wenn ich mir die Leute anschaue, die es nicht sind, wird mir kotzelend.
[1] "Verherrlichung Gottes bedeutet, Gott Ehre zu erweisen. Von der Selbstverherrlichung Gottes kann die Rede sein, wenn Gott seine Stärke in der Geschichte erweist."
Lexikon Bibelwissenschaft[2] An anderer Stelle habe ich schonmal erwähnt, warum "Gangstaz" ihre Wumme immer so cool quer halten, wenn sie, mutig, mutig, unbewaffnete Opfer bedrohen: Wenn man mit einer Waffe nicht umgehen kann, haut der Rückstoß den Lauf nach oben. Bei quergehaltener Waffe habe ich so eine bessere Chance, auf Höhe der Mündung irgendwas anderes zu treffen. Kein Witz. Unter Profis ist die quergehaltene Pistole etwa so stigmatisierend wie Stützräder an einem Fahrrad. Gewaltverherrlichend ist es jedenfalls nicht wirklich, aber Achtklässler LIEBEN sowas...
[3] Auch hier wieder eine enge Verknüpfung von Verherrlichung und Ritus.