Gerade im Radio Bericht zum neuerlichen Grubenunglück in Indien gehört, darin u.a. folgende Aussage, näherungsweise wörtlich zitiert: "Illegaler Bergbau ist seit 2014 in Indien verboten."
Ja, dem Satz gebricht es, scheint's, an inhaltlicher Logik. War der Bergbau, als er verboten wurde, denn auch schon gesetzeswidrig, also verboten? Oder wurde der Bergbau erst durch das Verbot von 2014 illegal, war es bis dato also nicht?
Das ist aber nur die arrogante Krittelei weltfremder Deutschlehrer. In der richtigen Welt gehört die Frage nach logischer Konsequenz nämlich längst in den Elfenbeinturm. Abgaswerte, Rüstungsexporte, Umweltverbrechen, Geschwindigkeitsüberschreitungen, Datenschutz, etc. etc. etc., wir haben uns doch längst daran gewöhnt, dass es Vorschriften gibt, die zwar Gesetzeskraft haben, aber einfach nicht durchgesetzt werden. Nur weil's illegal ist, muss es noch lange nicht verboten sein.
Das ist nicht unbedingt schlecht. Das vergessene Tempo-30-Schild auf einsamer, mitternächtlicher Landstraße, bis zum Horizont kein Mensch außer Dir, und nur der Mond schaut zu - wie blöd müsste man sein, hier keine eigenverantwortliche Entscheidung zur Geschwindigkeit über Grund zu treffen? Und kein verantwortungsbewusster Gesetzeshüter gäbe sich die Blöße, für den Verfolg derlei Fipsigkeiten seine steuerfinanzierte Dienstzeit zu verpulvern, und das ist gut so.
Wenn hingegen Autokonzerne den Tatbestand organisierter Betrugs-Kriminalität mehrfach übererfüllen und dadurch Millionen von Kunden und unsere Umwelt weltweit in erheblichem Maße schädigen, dann erwarten wir natürlich schon, dass bestehendes Recht angewendet wird. Doch die Zeiten sind nicht so.
Ich reime mir die Sache mit den indischen Bergwerken also so zurecht: Außerhalb staatlich zugelassener, quasi TÜV-zertifizierter Bergwerke war Bergbau in Indien schon länger verboten. Aber, sei es durch Korruption oder weil der indische Staat einfach die Kohle brauchte (Wortspiel!), man ließ die Sache laufen. Nach den ersten 15.000 Toten (ein Wert aus dem o.g. Bericht) sah man ein, dass das irgendwie doch nicht ging, und man beschloss 2014 ein Gesetz, das sinngemäß lautet: "Das, was wir sowieso schon längst verboten haben, ist ab jetzt aber ganz in echt richtig verboten, also so richtig richtig, das ziehen wir jetzt voll durch, passt bloß auf, ey!"
Die Tatsache, dass nun, Ende 2018, wieder 40 meist jugendliche Bergarbeiter in so einem illegalen Bergwerk "nur wenig Hoffnung auf Rettung" haben, beweist die Wirksamkeit derartiger Gesetze.
Ich bleibe ratlos zurück. Habe nur einen Wunsch: Lasst uns doch alle Gesetze, Vorschriften und Regeln, die wir sowieso nicht konsequent durchsetzen wollen oder können, rausschmeißen. Auf der mitternächtlichen Landstraße interessiert's keine Sau, wie schnell Du fährst. Wenn Du Dich wegen überhöhter Geschwindigkeit um einen Baum wickelst, bist Du dran (falls Du überlebst)! Wenn alles gut geht, ist doch alles gut, oder?
Oder: Konzernbosse und Bundesminister werden für ihr Tun niemals (!) zur Verantwortung gezogen. Wenn das die juristische Praxis ist, warum halten wir uns dann mit anderslautenden Gesetzen auf? Warum haben wir Gesetze zur Begrenzung von Rüstungsexporten? Sagen wir's doch ganz offen und ehrlich: "Rüstungsexporte in Krisengebiete sind verboten, außer die Leute zahlen RICHTIG gut und nehmen gleich größere Mengen ab." Das klingt jetzt ethisch nicht ganz astrein, aber immer wieder zu lügen und ständig dabei erwischt zu werden, ist auch nicht so pralle.
Lasst uns mit Lügen und Selbstbetrug aufhören und nur ein paar wenige, wahre, klare, durchsetzbare Gesetze machen, und nur da, wo wir auch wirklich zuschlagen wollen, wenn jemand dagegen verstößt. Das Leben wird dadurch für alle Beteiligten viel einfacher!
(Elfenbeinturm - verändert via wiki commons)
Obwohl ... so'n Elfenbeinturm sieht natürlich geiler aus, als die kalte, düstere Wahrheit.