Sonntag, 25. September 2022

Analyse (von gr. "Auflösung")

 

Auf tass.ru, einem der wenigen verbliebenen uns noch erlaubten russischen Nachrichten-Portalen, finden wir einen Bericht über Lawrows letzte Rede vor der UN-Generalversammlung, selbstverständlich stramm aus russischer Sicht. Was ich mir wünschte, wäre, dass sich westliche Kommentator*innen mal daran machten, diese Rede (oder vergleichbare) auseinanderzunehmen und sich Punkt für Punkt mit den Aussagen auseinanderzusetzen. 

Ich wünsche mir das deshalb so sehr, weil ich immer stärker das Gefühl habe, unsere Diskurs-Kultur sei bereits so weit verkommen, dass es als Argument gilt, darauf hinzuweisen, eine Aussage stamme von der Gegenseite. Das wäre das Ende vernunftbasierter Diskussion.

Um es nochmal ganz klar zu machen: "Putin sagt das auch!" ist KEIN Contra-Argument¹. Es enthebt uns im Diskurs NICHT der inhaltlichen Auseinandersetzung.

Dass die aktuelle Journaille - die Plitik sowieso - sich gerade im Ukraine-Konflikt auf diese miese Masche einlässt, halte ich für höchst gefährlich. Es war bislang nur die Taktik aller religiösen und politischen Fundamentalisten, jede rationale Diskussion auf diese Weise im Keim zu ersticken. Wenn wir uns darauf einlassen, wenn wir zulassen, dass das salonfähig wird, sind wir geliefert.


Es ist ein Merkmal totalitärer Systeme,
nicht nach dem Inhalt einer Aussage zu fragen,
sondern nach dem Motiv.

Hannah Arendt



"Diskutiere nicht mit Dummköpfen.
Sie ziehen Dich runter auf Ihr Niveau
und schlagen Dich dort durch Erfahrung."

Mark Twain








¹ Nein, es ist natürlich erst recht kein Pro-Argument. Ich hatte gehofft, nicht extra darauf hinweisen zu müssen.






Freitag, 23. September 2022

Forderungen an den Journalismus (und meine Landungen)

 

In der Sache Stellung zu nehmen, dazu fehlt den meisten von uns eine tragfähige Datenbasis, aber wie die "Scheinreferenden" in Donezk, Luhansk etc. in unseren öffentlichen Medien behandelt werden, das sehen wir deutlich, und mich beängstigt es. Alles ist gleich. Die Begrifflichkeit, der Zeitpunkt, der Tenor, das Framing, die Interpretation, die Kommentare. Als gäbe es keine selbständig denkenden und kritischen Redaktionen in konkurrierenden Nachrichten-Portalen, die doch alles daransetzen müssten, einer Nachricht ein ganz eigenes Gepräge zu geben.

Gleichgeschaltete Presse hat keine Existenzberechtigung. Es spielt keine Rolle, ob die Gleichschaltung durch staatliche Gewalt (s. Nazi-Zeit) oder Unfähigkeit und Desinteresse der Journalist*innen (s. "Sonntags-Umsonst-Blätter") erfolgt oder durch den irrsinnigen Zeitdruck, schnell, schnell, schneller veröffentlichen zu müssen und ergo den Dreck der großen Agenturen ungefiltert ins Freie zu blähen. 

Journalismus muss analytisch, kritisch und selektiv sein. Wenn ich nur Schnellficker-Nachrichten rezipieren will, reichen mir die Schlagzeilen der Öffentlich-rechtlichen. Und daraus mache mir dann meinen eigenen kritisch-zynischen Reim. 

Apropos "kritisch-zynisch". Es soll niemand behaupten können, ich berichtete nur über die schönen Seiten des Fliegens. Heute lief's richtig mies. Wind (praktisch 0 aus 200) und Thermik (praktisch 0) ließen lt. offizieller Vorhersage direkt vorm Start einen Flug von Oldenburg nach Dankern a.d. Ems zu, eine Sache, die ich schon länger auf'm Zeddel hatte. 

Eine halbe Stunde nach dem Start begann es unvorhergesagt zu nieseln - wenig, aber mit Aussicht auf mehr, und wir Trike-Flieger sind da wirklich mega-empfindlich. Also Abbruch. 

Zurück am Platz wollte ich wenigstens eine besonders elegante Landung hinlegen, habe das aber total verkackt, was den Flugleiter zu der Bemerkung veranlasste, er werde den zeitlichen Mittelwert der Aufschläge als Landezeit notieren. Die Landung war nicht wirklich schlecht oder gar problematisch, nicht riskant oder gefährlich, es war einfach nur ästhetisch eine Katastrophe. Flieger*innen haben da eine besondere Sensorik, vielleicht vergleichbar mit Kunstturner*innen, die ja auch gewaltige Fehler sehen, wo unsereine*r*m überhaupt nichts auffällt. 

Wie auch immer: Die Landung war Mist, und es gab keine äußeren Umstände, die ich zur Mitverantwortung ziehen konnte. Da ich mein Flugzeug vor dem nahenden Regen im Hangar haben wollte, konnte ich diesmal auch nicht - wie sonst - mit drei anschließenden Touch-and-Go's mir und der Welt beweisen, dass ich's eigentlich voll drauf habe. 

Egal, man braucht solche Kack-Tage, damit man nicht verlernt, wertzuschätzen, wenn's mal wieder gut läuft.



(verändert via wiki commons)








Donnerstag, 22. September 2022

Drei philosophische Phliege-Bilder.

 

Bläut noch der Himmel, grünt noch das Laub, so lässt sich doch so rein bauchgefühlsmäßig-emotional der Herbst aus der Landschaftsbetrachtung nicht heraushalten.



Meinen Spaß hatte ich heute, dem fließenden Verkehr auf den Landstraßen in zulässiger Mindesthöhe zu folgen. Aber ganz ehrlich & arrogant: Ich bin lieber obendrüber als mittendrin.



Was ich an Oldenburg so mag, ist, dass es sich als Großstadt so diskret in die flache, grüne Landschaft kuschelt. Keine Dombaumeister, die sich prätentiöser Gottesnähe befleissigen, Keine alten Männer mit zu kleinen Pimmeln, die mit Skyscraper-Phalli kompensieren wollen ...



 






Sonntag, 18. September 2022

Zermatschte Igel


Herbstanfang, die thumben Igel suchen die Restwärme des Asphalts und finden massenhaft einen (meist) plötzlichen Tod. 

Nicht schön, aber Schlimmeres lässt sich vorstellen, als nach einem warmen, satten Sommer voller Liebe, Sex und Abenteuer mir nichts, dir nichts in den Igel-Himmel katapultiert zu werden. Die Alternative, nach einem kalten, klammen, trüben Winter im nächsten noch kalten Frühjahr halbverhungert aufzuwachen, um dann, wenn Du Pech hast, von Nachbarskatze mählich zu einem qualvollen Tod gefoltert zu werden, klingt dagegen viel weniger prickelnd. Das Ganze machste zwei bis fünf Jahre lang mit, dann ist ohnehin Feierabend.

So betrachtet verstehen wir jede*n Igel*in, die*der Ende September beschließt, auf die Straße zu gehen. Was lernen wir aus dieser Analogie? Suizid als Ausdruck einer realistischen Weltsicht¹? "Die young, stay pretty²"? 

Falsch! Wir lernen: Im Gegensatz zum Igel kannst und musst Du als Mensch dafür sorgen, dass Dein Leben, perspektivisch voller Liebe, Sex und Abenteuer ist - und da wir Menschen und keine Igel sind, könnten auch noch ästhetischer Genuss, Kreativität, Philosophie, Diskurs, Erkenntnis usw. dazukommen. 

Vielleicht sollten wir einen provokanten Schritt weiter gehen und definieren: Mensch-Sein bedeutet unter anderem auch die Pflicht (!), Dein Leben lebenswert zu machen. Das ist, wenn man es genau überlegt, eine sehr, sehr radikale Forderung. Du darfst nicht nur, sondern Du musst aktiv nach Erfüllung streben. Wir postulieren den klassisch-hedonistischen Imperativ.


Oij, seht nur: Der Depressive therapiert sich selbst. Ja, und? Ist schließlich mein Blog, oder? Vielleicht erklärt's auch, warum ich mir ganz bewusst diese oder jene Exzentrizität erlaube ...




(stark verändert via wiki commons)
Epikur 341 - 270 v. Chr.




¹ Ich glaube, das habe ich gerade unbewusst bei D. Wischmeyer geklaut. Erstes Logbuch?

² Blondie, 1979






Mittwoch, 14. September 2022

Nur für's Logbuch

Mehr ein Logbuch-Eintrag als ein tiefschürfender Blog-Artikel:

Gestern Umzug von Wittmund-Burhafe nach Wiefelstede-Borbeck. Der bleibende Eindruck, die philosophische Erkenntnis: Was ist wichtig? Welche Dinge vermisst Du am meisten, wenn Du umzugshalber mal nicht drauf zugreifen kannst? Dusche, Klo und Internet waren mir in ihrem prioritären Range schon vorher wohl bewusst. Kühlschrank, Bier, Toaster, Regale, Schränke und Normalo-Fernsehen sind im Wertschätzungs-Ranking deutlich gestiegen.   

Memo an mich selbst: Umzugs-Firma Mansholt positiv erwähnen.











Freitag, 9. September 2022

Niedersachsen-Qualwahl


Habe heute den Wahlomaten zur Niedersächsischen Landtagswahl ausprobiert. Nur die wichtigsten demokratischen Parteien angeklickt und, aus morbider Neugier, die AfD. Erschütterndes, wiewohl antizipiertes Ergebnis: Übereinstimmung zwischen minimal 43 und maximal 56 %. 

Ich kann also bestenfalls eine Partei wählen, bei der ich 44 %  ihrer Inhalte ablehne. Verschärfend kommt hinzu, dass mir die*der Kandidat*in dieser Partei persönlich bekannt ist - und zwar auf eine Weise, die es mir völlig unmöglich macht, ihn*sie mit politischer Verantwortung zu betrauen.

Ich habe mich deshalb entschlossen, Herrn Montana zu wählen. Seine Bereitschaft und die Fähigkeit, sich für einen ästhetischen Zweck freiwillig ¹ (!) der Lächerlichkeit preiszugeben, zeugen von einer klugen und demutsvollen Weltsicht. Sowas brauchen wir so dringend!





¹ Un-freiwillig kann das ja Jeder, das ist praktisch politisches Tagesgeschäft.






Dienstag, 6. September 2022

Thema verfehlt: Heißer Herbst 2022


Es erfüllt mich mit Sorge

  • dass so viele Ostdeutsche nach wie vor mit der Demokratie und unserer Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung fremdeln und
  • dass Die Linke und die AfD auffällig vermehrt übereinstimmende Positionen und Strategien entwickeln, ohne deshalb panisch-allergisch zu reagieren und
  • dass Forderungen an eine Obrigkeit erhoben werden, der damit in dümmlichster, vor-aufklärerischer Untertanen-Gläubigkeit die Macht und Kompetenz zugesprochen wird, diese Probleme zu bearbeiten und 
  • dass diese Forderungen erhoben werden, da es den Leuten an den Geldbeutel geht, nicht aber, wenn es um die mittelfristige Rettung einer für Menschen lebenswerten Umwelt geht. 

Wenn wirklich ein "heißer Herbst" mit flächendeckenden Protesten auf uns zu kommt, dann ist jetzt schon klar, dass da die falschen Leute ¹ mit falschen Mitteln ² aus falschen Grundhaltungen ³ falsche Forderungen stellen werden. 

Über die Forderungen der Rechten brauchen wir nicht zu reden, die sind eo ipso schwachsinnig. Von einer zeitgemäßen Linken müssen wir allerdings viel, viel mehr erwarten, als diese erbärmlich hilflose, pubertäre Dauerquengelei an der gewählten Regierung.

In Zeiten, in denen der US-Imperialismus ⁴ fröhliche Urständ hält, in denen die Konzerne wieder vollkommen ethikbefreit mörderische Profite aus kriegerischen Auseinandersetzungen ziehen und das Normalo-Volk von Vorne und Hinten belogen, betrogen und ausgebeutet wird - warum traut sich da die linke Opposition nicht, einen möglichst brutalen, d.h. flächendeckenden und unbegrenzten Konsum-Streik vorzuschlagen? Möglichst international, Proletarier aller Länder und so weiter. Warum streiken wir eigentlich nicht gegen den Ukraine-Krieg, gegen die Sprit-Preise, gegen die Übergewinne, gegen den Klimawandel, indem wir nichts mehr kaufen?

Nichts zu kaufen, jaja, gemeint ist natürlich: so wenig wie möglich zu kaufen, DAS träfe den Nerv der Macht-Haber. 

Aber das trauen wir uns selbst, trauen uns die Oppositionsführer längst nicht mehr zu. Wir haben keinen Arsch mehr in der Hose, stattdessen greinen wir nur herum, und wenn im Herbst die machtgeilen Arschlöcher von rechts und links uns einfache, bequeme Lösungen anbieten werden, nämlich einfach auf Regierenden rumzuhacken und unsere Verfassung in Frage zu stellen, dann werden wir zugreifen, weil das immer noch besser ist, als sich der Eigenverantwortung zu stellen und einzugestehen, dass wir es gar nicht so schlimm finden, von den Amis regiert und von den Konzernen sediert zu werden. 

Willkommen in der Matrix.  






¹ Linke und rechte Fundamentalisten, die, austauschbar, mehr an persönlichem Machtgewinn als an irgendwas anderem interessiert sind

² Es steckt hinter diesen Demos eine latente Gewaltdrohung. Die Organisatoren spielen permanent mit der Möglichkeit, aus einer als friedlich angekündigten Demo könne ein rasender Mob werden, der unsere demokratischen Institutionen zertrümmern will.

³ Es geht erwiesenermaßen nicht um die Energiepolitik. Es geht um den casus belli wider unser System der parlamentarischen Demokratie und der FDGO.

⁴ Hach, diesen Begriff hat man ja so ewig lange nicht mehr gehört. Aber mittlerweile, finde ich, wird er wieder so schamlos ausgelebt, da darf man ihn auch so benennen. 





Samstag, 3. September 2022

Berufliches Ideal: Quiet Quitters


Nur flüchtig hörte ich heute in eine nicht allzu gute Radio-Diskussionsrunde zum Thema berufliche Resignation, Dienst nach Vorschrift, quiet Quitters, innere Kündigung. Was mich berührte: Einer der Diskutierenden vermutet als eine Ursache die Erkenntnis, dass anfallende Arbeit wie ein Fluss sei, der am nächsten Morgen unverändert fließen würde, egal, wie viel am Vortage geschuftet worden war. ¹

Mich berührte das, weil ich mich darin wiedererkannte, sowohl in der Illusion, wenn man viel arbeite, würde die Arbeit irgendwann weniger als auch in der Ernüchterung bei der Feststellung, dass diese Annahme völlig falsch ist.

Eine Zeitlang habe ich mich mit der Auffassung selbstbetrogen, ich könne, wenn sich schon nicht die Flut der anfallenden Arbeit verringere, mit immer effizienteren Arbeits- und Ablaufprozessen mir Erleichterung verschaffen. Das hat aber nicht funktioniert, denn wenn jemand bemerkt, dass Du den jeweils letzten Schritt der Arbeitsverdichtung überlebst, wird Dir automatisch mehr aufgebürdet, so dass Du immer schön so gerade eben vor dem Zusammenbruch agierst. 

Was lernen wir daraus? Dienst nach Vorschrift und Innere Kündigung sind die einzig wirklich probaten Mittel im beruflichen Überlebenskampf. Schade, dass ich das 30 Jahre zu spät gemerkt habe.  

Bei überflüssigem Verwaltungsscheißkram funktioniert das quiet Quitten sowieso nur so halb, wie jede*r Prokrastinat*in bezeugen wird.


(1911 - verändert via wiki commons)




¹ Ein lieber Bekannter nannte vergleichend die Schnupfennase: Man glaubt, je mehr Sekret man absondere, je intensiver und öfter man das Taschentuch fülle, desto eher sei das Elend vorbei. Stimmt leider nicht. Es gibt keine Menge "x", nach der Du "fertig" bist mit Schnupfen. 






Mittwoch, 31. August 2022

Kluge Kinder

 

Huuh! Eine Studie im Auftrag des Chemie-Giganten Bayer hat ergeben, dass über ein Drittel der Jugendlichen kein Vertrauen in die Medien und ihre Informationsvermittlung hat. Das sei, so der Studienleiter, ganz schlimm, weil ... ja, und das Weitere habe ich nicht verstanden. 

Medien SIND manipulativ, das war schon immer so. Mit welcher Absicht ignoriert ein Studienansatz so eine Binsenweisheit? Es gibt keine neutrale Nachricht, denn bereits bei der Auswahl der für berichtenswert erachteten Themen findet Manipulation statt. Warum ist das Leiden in der Ukraine wichtig, das im Yemen aber nicht?

Was sich im Gegensatz zu früher vielleicht geändert hat, sind die exponentiellen Steigerungen in der Quantität, die Omni-Kanalität in der Vermittlung, die nahezu vollständig zeitgleiche globale Verfügbarkeit, die zunehmende Dominanz des Schnellficker-Bewegtbildes gegenüber den betulichen, analysierbaren Texten, vor allem aber die immer erbärmlicher werdende dumme Offensichtlichkeit und Durchschaubarkeit der Manipulationsversuche. 

Die vom Studienleiter konstruierte Hypothese, Jugendliche würden sich den Informationen verschließen, da sie ihnen Angst machten, ist völlig abwegig. Jugendliche stellen sich durchaus den Grausamkeiten, die die Erwachsenenwelt ständig produziert. Nach meiner Erfahrung registrieren Jugendliche aber auch sehr sensibel (wenngleich nicht immer bewusst), wenn Verlogenheit ins Spiel kommt, wenn sie ausgenutzt, betrogen und belogen werden.

Einwurf: Dass Jugendliche trotzdem immer noch leicht verführbar sind, steht außer Frage. Was erwarten wir denn? Zwölfjährige mit dem dreckigen Zynismus und dem paralysierenden Skeptizismus eines Sechzigjährigen?

Das Erstaunen der Studie erstaunt mich. Problematisch finde ich das Ergebnis überhaupt nicht. Ah, doch: Dass offenbar fast zwei Drittel der befragten Jugendlichen immer noch Vertrauen in die Medien haben, dagegen muss man dringend etwas tun!

Hier die Groblernziele:

  1. Traue niemandem. Zuverlässig sind Aussagen nur dann, wenn sie durch ein Experiment widerlegbar sind (= Def. naturwissenschaftlicher Aussage).
  2. Es gibt keine intentionsfreie Information, das beginnt bereits bei der Auswahl der Themen. Schon die Auswahl der Themen konstituiert gesellschaftliche Realität. Achte also auch darauf, welche Themen NICHT erwähnt werden.
  3. Prüfe, wer welches Interesse daran hat, dass Du eine bestimmte Information bekommst bzw. nicht bekommst. D.h.: Wer verdient dadurch letztlich Geld, wer gewinnt dadurch an persönlicher Macht? Meistens stehen am Ende der Kette krankhaft egomanische alte weiße Männer. Oder afrikanische Klanchefs. Oder stalinistische / kommunistische Nomenklatura. Oder arabische Potentaten. Oder fundamentalistische Theokraten of any colour and any kind. Oder ... 

Konzepte zum Unterricht in Medienkunde sind ja gerade wieder mal sehr en vogue. Dabei kann das so einfach sein.

Mein persönlicher Tipp zur informationellen Selbstermächtigung:

  1. Wenn Du erfahren willst, was wirklich los ist in der Welt, musst Du Informationen aus ganz vielen verschiedenen Ecken sammeln. Das heißt, lesen, lesen, lesen. Lass Dich nicht durch Bilder / Videos einlullen. Lies Texte, verdammt nochmal. Und dann musst Du - ja, Du allein - die Informationen in einen Zusammenhang bringen. Was hat Hunger mit CO₂ zu tun? Dazu brauchst Du Allgemeinbildung, und das heißt lernen, lernen, lernen. Es gibt keinen einfachen Weg, sry.





(via wiki commons)
Geht doch!






Dienstag, 30. August 2022

Unkontrolliert leben


Interessanter Aspekt im therapeutischen Gespräch: Ich stellte fest, es sei mir wichtig, die Dinge im Griff zu haben. Die Therapeutin paraphrasierte dies versuchsweise mit der Formulierung, ich wünschte Kontrolle über Dinge zu haben.

Dank dieser Nachfrage konnte ich ¹ herausfinden: Zumindest so viel haben meine jahrzehntelangen Übungen zur taoistischen Philosophie wenigstens bewirkt: Dass ich nicht mehr die Illusion hege, Dinge seien kontrollierbar. "Dinge im Griff haben" bedeutet für mich, fähig zu sein, tätig einzugreifen, durch eigenes Tun mehr oder weniger bescheidenen Einfluss auf den Lauf der Dinge ausüben zu können.

Ich erlaube mir die Metapher vom trägen Floß in reißendem Fluss voller Stromschnellen und Hindernisse. Idiotisch das Ansinnen, die Fahrt vorab en detail zu kalkulieren und zu planen. Idiotisch auch der Traum, ein Floß so hochenergetisch zu motorisieren, dass es in so einer Situation nach Belieben zu manövrieren wäre. Diese Arten von Kontrolle stehen nicht zur Verfügung und werden von mir auch nicht angestrebt. 

Was ich aber wünschte, wäre irgendein Ruder ², irgendein Paddel oder Stab, mit dem ich wenigstens ein bisschen in meinem Sinne tätig sein könnte. Müsste ich in dieser Floß-und-Fluss-Situation passiv bleiben, fänd' ich's richtig scheiße.  

Das ist der Unterschied zwischen "Kontrolle haben" und "Dinge im Griff haben".


(stark verändert via wiki commons)




¹ zunächst spontan, im Nachgang dann viel bewusster und präziser 

² Ja, es müsste in diesem Zusammenhang "Riemen" heißen. Ich weiß.