Mittwoch, 31. August 2022

Kluge Kinder

 

Huuh! Eine Studie im Auftrag des Chemie-Giganten Bayer hat ergeben, dass über ein Drittel der Jugendlichen kein Vertrauen in die Medien und ihre Informationsvermittlung hat. Das sei, so der Studienleiter, ganz schlimm, weil ... ja, und das Weitere habe ich nicht verstanden. 

Medien SIND manipulativ, das war schon immer so. Mit welcher Absicht ignoriert ein Studienansatz so eine Binsenweisheit? Es gibt keine neutrale Nachricht, denn bereits bei der Auswahl der für berichtenswert erachteten Themen findet Manipulation statt. Warum ist das Leiden in der Ukraine wichtig, das im Yemen aber nicht?

Was sich im Gegensatz zu früher vielleicht geändert hat, sind die exponentiellen Steigerungen in der Quantität, die Omni-Kanalität in der Vermittlung, die nahezu vollständig zeitgleiche globale Verfügbarkeit, die zunehmende Dominanz des Schnellficker-Bewegtbildes gegenüber den betulichen, analysierbaren Texten, vor allem aber die immer erbärmlicher werdende dumme Offensichtlichkeit und Durchschaubarkeit der Manipulationsversuche. 

Die vom Studienleiter konstruierte Hypothese, Jugendliche würden sich den Informationen verschließen, da sie ihnen Angst machten, ist völlig abwegig. Jugendliche stellen sich durchaus den Grausamkeiten, die die Erwachsenenwelt ständig produziert. Nach meiner Erfahrung registrieren Jugendliche aber auch sehr sensibel (wenngleich nicht immer bewusst), wenn Verlogenheit ins Spiel kommt, wenn sie ausgenutzt, betrogen und belogen werden.

Einwurf: Dass Jugendliche trotzdem immer noch leicht verführbar sind, steht außer Frage. Was erwarten wir denn? Zwölfjährige mit dem dreckigen Zynismus und dem paralysierenden Skeptizismus eines Sechzigjährigen?

Das Erstaunen der Studie erstaunt mich. Problematisch finde ich das Ergebnis überhaupt nicht. Ah, doch: Dass offenbar fast zwei Drittel der befragten Jugendlichen immer noch Vertrauen in die Medien haben, dagegen muss man dringend etwas tun!

Hier die Groblernziele:

  1. Traue niemandem. Zuverlässig sind Aussagen nur dann, wenn sie durch ein Experiment widerlegbar sind (= Def. naturwissenschaftlicher Aussage).
  2. Es gibt keine intentionsfreie Information, das beginnt bereits bei der Auswahl der Themen. Schon die Auswahl der Themen konstituiert gesellschaftliche Realität. Achte also auch darauf, welche Themen NICHT erwähnt werden.
  3. Prüfe, wer welches Interesse daran hat, dass Du eine bestimmte Information bekommst bzw. nicht bekommst. D.h.: Wer verdient dadurch letztlich Geld, wer gewinnt dadurch an persönlicher Macht? Meistens stehen am Ende der Kette krankhaft egomanische alte weiße Männer. Oder afrikanische Klanchefs. Oder stalinistische / kommunistische Nomenklatura. Oder arabische Potentaten. Oder fundamentalistische Theokraten of any colour and any kind. Oder ... 

Konzepte zum Unterricht in Medienkunde sind ja gerade wieder mal sehr en vogue. Dabei kann das so einfach sein.

Mein persönlicher Tipp zur informationellen Selbstermächtigung:

  1. Wenn Du erfahren willst, was wirklich los ist in der Welt, musst Du Informationen aus ganz vielen verschiedenen Ecken sammeln. Das heißt, lesen, lesen, lesen. Lass Dich nicht durch Bilder / Videos einlullen. Lies Texte, verdammt nochmal. Und dann musst Du - ja, Du allein - die Informationen in einen Zusammenhang bringen. Was hat Hunger mit CO₂ zu tun? Dazu brauchst Du Allgemeinbildung, und das heißt lernen, lernen, lernen. Es gibt keinen einfachen Weg, sry.





(via wiki commons)
Geht doch!






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