Sonntag, 18. September 2022

Zermatschte Igel


Herbstanfang, die thumben Igel suchen die Restwärme des Asphalts und finden massenhaft einen (meist) plötzlichen Tod. 

Nicht schön, aber Schlimmeres lässt sich vorstellen, als nach einem warmen, satten Sommer voller Liebe, Sex und Abenteuer mir nichts, dir nichts in den Igel-Himmel katapultiert zu werden. Die Alternative, nach einem kalten, klammen, trüben Winter im nächsten noch kalten Frühjahr halbverhungert aufzuwachen, um dann, wenn Du Pech hast, von Nachbarskatze mählich zu einem qualvollen Tod gefoltert zu werden, klingt dagegen viel weniger prickelnd. Das Ganze machste zwei bis fünf Jahre lang mit, dann ist ohnehin Feierabend.

So betrachtet verstehen wir jede*n Igel*in, die*der Ende September beschließt, auf die Straße zu gehen. Was lernen wir aus dieser Analogie? Suizid als Ausdruck einer realistischen Weltsicht¹? "Die young, stay pretty²"? 

Falsch! Wir lernen: Im Gegensatz zum Igel kannst und musst Du als Mensch dafür sorgen, dass Dein Leben, perspektivisch voller Liebe, Sex und Abenteuer ist - und da wir Menschen und keine Igel sind, könnten auch noch ästhetischer Genuss, Kreativität, Philosophie, Diskurs, Erkenntnis usw. dazukommen. 

Vielleicht sollten wir einen provokanten Schritt weiter gehen und definieren: Mensch-Sein bedeutet unter anderem auch die Pflicht (!), Dein Leben lebenswert zu machen. Das ist, wenn man es genau überlegt, eine sehr, sehr radikale Forderung. Du darfst nicht nur, sondern Du musst aktiv nach Erfüllung streben. Wir postulieren den klassisch-hedonistischen Imperativ.


Oij, seht nur: Der Depressive therapiert sich selbst. Ja, und? Ist schließlich mein Blog, oder? Vielleicht erklärt's auch, warum ich mir ganz bewusst diese oder jene Exzentrizität erlaube ...




(stark verändert via wiki commons)
Epikur 341 - 270 v. Chr.




¹ Ich glaube, das habe ich gerade unbewusst bei D. Wischmeyer geklaut. Erstes Logbuch?

² Blondie, 1979






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