Donnerstag, 29. Juni 2023

Sag' nicht "Inflation"!

 

Die Inflationsrate sei wieder gestiegen, titelt es gerade wieder allüberall. Und wikipedia erklärt uns dazu: "Inflation, auch Preissteigerungsrate oder Teuerung, bezeichnet den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus einer Ökonomie. (...) Steigt das allgemeine Preisniveau, kann man für jede Geldeinheit weniger Güter und Dienstleistungen kaufen (Verteuerung)."

In der Sprachanalyse nennen wir so eine sprachliche Konstruktion eine Deagentivieurng: Die Aussage enthält keinen Hinweis auf die handelnden Personen (Agens). In der Schulgrammatik (aus Zeiten, da sowas noch unterrichtet wurde) finden wir so hübsch altbackene Begriffe wie "täterabgewandte" bzw. "täterlose" Form¹.

Ich halte diese Definition und die grammatisch-logische Implikation für falsch. Inflation findet nicht nach demselben Prinzip statt, wie z.B. Regen. Wenn wir sagen "Es regnet." haben wir auch kein Agens, und wenn wir eins finden wollten, müssten wir mit physikalischen Größen wie Luftfeuchte, Temperaturgradienten, Taupunkt etc. jonglieren und hätten am Ende trotzdem niemanden, den wir für eine verregnete Gartenparty regresspflichtig machen könnten. 

Bei der Inflation ist das anders. Inflation beruht nicht auf physikalischen Gesetzen, sondern auf menschlicher Gier und menschlicher Bierärschigkeit. Kapitalistische Unternehmen haben das ausschließliche (!) Interesse der Profitmaximierung. Das heißt, sie müssen und werden für ein Produkt / eine Dienstleistung grundsätzlich den höchsten am Markt realisierbaren Preis verlangen, unabhängig von tatsächlichen Kosten oder Wert dieses Produktes / dieser Dienstleistung.

Die Endkund*innen müssen entscheiden, ob sie dieses Produkt / diese Dienstleistung zum aufgerufenen Preis kaufen oder nicht. Wenn die Endkund*innen den immer höheren Preis zahlen, dann setzt der sich natürlich durch. Wenn nicht, dann nicht. Das klingt so schrecklich banal, aber lasst Euch, liebe Leser*innen dieses Blogs, bitte nicht einreden, es sei komplizierter - und zwar so kompliziert, dass nur Plittikör und Konzernbosse es wirklich richtig verstünden.  

Lasst uns also bitte aufhören, das Märchen von den "steigenden Preisen" zu glauben. Lasst uns künftig nicht mehr sagen "Oh weh! Alles wird immer teurer, ts, ts, ts!"  Stattdessen wollen wir sagen "Holla, ich bin erstaunt, wie viele Leute bereit sind, diese hanebüchenen Preise zu bezahlen! Ich bin längst dabei, dieses Produkt zu boykottieren, bis die Konzern-Arschlöcher mal wieder auf den Teppich kommen." Wenn das Alle - oder wenigstens hinreichend viele - Menschen konsequent durchziehen würden, gäb's keine Inflation.

Das Ganze läuft mal wieder darauf hinaus, dass ich dagegen bin, immer nur (!) die Schuld bei Anderen, z.B. bei den Konzernen zu suchen.² Es steht außer Frage, dass die Konzerne erheblich Mitschuld trifft, durch ihr Marketing, ihren Konsumterror, ihre Lobby-Arbeit usw.. Aber irgendwann müssen wir auch mal verstehen, dass die Konzerne mit ihren Drecks-Taktiken vor allem deshalb so erfolgreich sind, weil sie unglaublich solidarisch und global zusammenhalten, um ihre Profit-Ziele zu erreichen. 

Wenn wir, die Endverbraucher*innen, die 99 % am unteren Ende der Nahrungskette, es nicht mal ansatzweise schaffen, uns zum Zwecke eines punktuellen, wirksamen Boykotts zu solidarisieren, dann ist doch klar, dass die Shit-Show ewig weiterläuft, und dann haben wir auch nichts Besseres verdient.

Zusammenfassung:

Es ist korrekt zu sagen: "Es regnet.", weil da kein Mensch die Finger drin hat.

Es ist NICHT korrekt zu sagen: "Die Preise steigen.", weil die Preise von Menschen festgelegt werden und weil andere Menschen zulassen, dass die Preise immer höher festgelegt werden. Die richtige Formulierung in diesem Fall lautet also: "Die Arschlöcher versuchen schon wieder, ihren Profit noch weiter in die Höhe zu schrauben, und wir wären Idioten, wenn wir das einfach so hinnehmen würden!" 

Wem das zu lang ist, sagt: "Die Tyrannen sind nur stark, weil wir schwach sind!" Boétie


Boétie (1530 - 1563)




¹ Duden Schulgrammatik 5. - 10. Klasse; S. 18 ff

²  Selbst die EZB-Chefin Lagarde, der man ja wirklich keinen Anti-Kapitalismus vorwerfen darf, hat's neulich mit dem Spruch von der "Gierflation" gemacht. 







Mittwoch, 28. Juni 2023

Fahrrad fah'n

 

Heute konnte ich mich endlich aufraffen, mit dem Rad in die Stadt zu fahren, immerhin knappe 10 km, ein kleiner Schritt für leidlich trainierte Menschen, ein großer Schritt für einen faulen, alten Sack.

Was mir auffiel:

  1. Wie schön Radfahren ist - insbesondere, wenn man keinen Termindruck hat, sondern gemütlich durch die Gegend trödeln kann; wenn die Temperaturen angenehm, der Wind gnädig und Niederschläge nicht vorhanden sind.

  2. Wie unterirdisch meine Kondition ist. Ja, ich habe mir das je angenehmste Tret-Tempo und die je angenehmste Gang-Schaltung gegönnt, und die resultierende Geschwindigkeit war mir eigentlich wumpe. Aber irgendwann fiel mir dann auf, dass ich von vielen normalen Leuten überholt wurde, die auch nicht sonderlich athletisch aussahen, aber offenbar mit größerer Leichtigkeit höhere Geschwindigkeiten durchhalten konnten. Überrascht nahm ich meine Eitelkeit zur Kenntnis, in dem Moment, in dem sie verletzt¹ wurde. Entweder fange ich an, bewusster an meiner Kondition zu arbeiten oder ich gewöhne mich an den Gedanken, in Sachen Fitness-Selbstwahrnehmung ein, zwei Gänge runterzuschalten. ²
    [edit 29062023: Man hat mir zwischenzeitlich den Tipp gegeben, es könne sich bei den mich Überholenden um E-Biker:innen gehandelt haben. Stimmt, darauf habe ich gar nicht geachtet. Ich amüsiere mich trotzdem über meine Eitelkeit. :-)]

  3. Überraschung: Fahrradhelme sind ja wohl sowas von out! In der Fahrradstadt Oldenburg haben heute geschätzt (!) 10 - 15 % der Radfahrenden einen Helm getragen. Wir können das nicht bewerten, nur die je eigenverantwortliche Entscheidung³ achten. Aber verglichen mit dem Riesen-Hype vor ein paar Jahren, ist's schon ernüchternd. oder? Am schlimmsten ist, dass damals ALLE ganz aufgeregt über die zwingende Notwendigkeit von Fahrradhelmen lamentiert haben und heute NIEMAND mehr darüber redet.

    Dieser Kontrast ist deshalb so schlimm, weil er das Ganze als eine weitere kurzatmige, kurzfristige Polit-Aktion entlarvt. Es musste eine Sau durch's Dorf getrieben werden, die krankhafte Sucht unserer Politikör*innen nach Profilierung musste befriedigt werden, coûte que coûte⁴. Wir, als Aussenstehende, die wir eigentlich oberster Souverän sein sollten (Art. 20 GG), fragen uns, ob Politik in diesem unseren Lande wohl grundsätzlich so funktioniert: Eine Karnevalsveranstaltung, Muster ohne Wert, geschuldet der Profilneurose der politischen Classe zum alleinigen Zweck, Opium für's Volk zu sein? 

Und wenn nein, wenn Politik mehr sein sollte, als eine Aneinanderreihung schnelllebiger Gigs mit der Halbwertszeit weniger Wochen, woran erkennen wir noch den Unterschied? 

Ich bin nicht wirklich glücklich mit Fahrradhelm, trage ihn nur widerwillig und nur aus Vernunft. Aber es hätte mich beeindruckt, wenn zwischenzeitlich mal jemand aus der Führungs-Camarilla nachgefasst hätte. Dann hätte ich das Gefühl haben können, die würden selber ernst nehmen, was sie da tagtäglich machen. Aber so? Näh!  



(stark verändert via lobbycontrol)

Ein Pausenclown! Unsere Politik wird von Pausenclowns gemacht!






¹ "verletzt" ist übertrieben. Sagen wir "touchiert".

² Von der Kategorie "Soweit ok" in die Kategorie "Nicht ganz scheiße für das Alter, so la la."

³ Nein, es gibt keine gesetzliche Helmpflicht in Doitschland.

⁴ Warum schreibe ich "coûte que coûte" und nicht das doitsche "Koste es, was es wolle!"? Weil die französische Fassung wörtlich übersetzt "Koste es, was es kostet!" bedeutet. Und das beschreibt viel besser, dass diese hinrissige Polit-Clownerie Steuer-Millionen verschlungen hat, ob wir es wollten oder nicht.








Montag, 26. Juni 2023

Was mir spontan zu den Faschos von Sonneberg einfällt.

 

AfD gewinnt in LK Sonneberg. Ich wurde gefragt, was mir dazu einfiele. Musste ich drüber nachdenken. Hier der aktuelle, vorläufige Denk-Stand.

1.) In einer freien, gleichen und geheimen Wahl hat die Mehrheit der Wähler*innen klargestellt, dass sie mit einem politischen System, das auf freien, gleichen und geheimen Wahlen basiert, nichts anfangen können. Statt Eigenverantwortung und Freiheit wollen sie von machtgeilen Arschlöchern gegängelt werden. 

Das haben wir nicht zu bewerten. Es gibt Menschen, die stehen drauf, sich devot zu unterwerfen. Für andere, die meinen, die Fähigkeit zu Eigenverantwortung und Freiheit sei ein Merkmal, das Menschen von Tieren unterscheide, klingt dieses bewusst herbeigewählte Untertanentum natürlich fremd.   

2.) Im Fediverse kursiert folgende These unwidersprochen: "Es gibt keine Protestwähler*innen. Wer Nazis wählt, ist ein Nazi." Ich unterstütze diese Aussage vollumfänglich. 

3.) Ebenfalls im Fediverse habe ich die These aufgeschnappt, der Erfolg der AfD sei nicht der Anfang einer neuen Entwicklung zum Nazismus in Deutschland. Der Rassismus, Antisemitismus, Anti-Demokratismus, Anti-LGBTQI+, der Frauenhass, Klimakatastrophenleugnung etc. etc., kurz: die Nazi-Grundhaltung, war immer schon in den Köpfen der Leute in Thüringen. Bisher waren sie nur zu feige, das auszudrücken. Nun hat die AfD ihnen gesagt, dass es ok ist, ein dummes, unbelehrbares Arschloch zu sein, dass man es sogar laut in die Welt posaunen sollte. Zum Dank dafür haben die Thüringer*innen ihnen politische Macht in die Hände gegeben.

4.) Leider kann ich den hirntoten Nazis in einem Punkt nicht widersprechen: Die sogenannten etablierten Parteien geben aktuell und schon seit Jahren ein erbärmliches Bild ab. 

  • Die Linken haben sich erfolgreich selbst zerlegt, schlimmer, als jede/r politische Gegner*in es gekonnt hätte.
  • Die Grünen haben die Kompromisse ihrer Partei-Böberschten so willig hingenommen, dass kein wahrnehmbares Profil mehr existiert, erst recht kein grünes und ganz erst recht kein progressives, mit positiven und radikalen, anti-bürgerlichen, anti-kapitalistischen Lösungsansätzen.
  • Die SPD ... ochnee, seit der Agenda 2010 frage ich mich, warum ich die wählen soll und was ich da wählte, falls ich sie wählte. 
  • Die CDU/CSU macht post-merkel nur noch Politik zurück zu den späten 1950er Jahren. Die von einzelnen namhaften Partei-Honchos angedachten Techtelmechtel mit den Nazis kann die Parteiführung kaum noch unter der Decke halten. 
  • Die FDP ist inzwischen erstaunlich offen, zuzugeben, dass sie ausschließlich Handlanger der großen Konzerne ist und dafür üppig entlohnt wird. Die FDP hält das für ein hinreichendes Programm.

Den verfassungsgemäßen Auftrag gemäß Art 21 GG nimmt KEINE Partei wahr. Ich sehe, wohin ich sehe, unter den Spitzen-Plittikör*innen nur Kreaturen, die jahrzehntelang dem Selektionsdruck beim Aufstieg durch die Parteihierarchien ausgesetzt waren. Das ist ein Prozess, dem sich nur subklinische Psychopathen aussetzen und den nur sie überstehen können. 

Im Ergebnis haben wir kaum Menschen, die für die Ideale der FDGO glaubhaft und selbstlos kämpfen, stattdessen eine Horde austauschbarer, machtgeiler Platzhalter. Mag sein, dass es vereinzelte Ausnahmen gibt (Pistorius? Keine Ahnung). Aber zu oft wurden meine naiven diesbezüglichen Hoffnungen zu bitter enttäuscht.

Die AfD bekommen wir weder mit "Augen-zu-und-durch" weg (SPD) und erst recht nicht mit billiger Ranschmeiße (CDU/CSU). Was helfen würde, wäre eine brutalstmögliche und glaubhafte, aufopferungsvolle Werbung für die Demokratie, für Toleranz, Diversität usw. Und wir brauchen Führungskräfte, die diese Ideale vertreten, statt sich und ihre Classe einfach nur mit immer üppigeren Apanagen und Lobby-Tantiemen zu versorgen.




(verändert via wiki commons)







Sonntag, 25. Juni 2023

Überflug 24.06.2023

 

Gestern endlich mal wieder den Allerwertesten in die Luft bekommen. Den geplanten Streckenflug am Vormittag habe ich abgebrochen, weil die Thermik dann doch etwas mehr als nur "mäßig" und das Fliegen mit einem kleinen 120-kg-Trike darin recht nervend wurde - und weil meine Nieren die eine morgendliche Tasse Kaffee zu viel aus dem Körper spülen wollten. Der 18:00-Uhr-Flug war dagegen großartig.

Ja! Ja! Ja! Ich wiederhole mich, ich weiß! Aber die Farben! Diese wunderschönen Farben ...!




... und das Licht! Dieses wunderschöne Licht ...!

Hans-Werner Sahm hat viel mit diesem Licht und diesen Farben gearbeitet. ¹



Aber auch der Intellekt kommt beim Fliegen nicht zu kurz, denn man entdeckt zwischendurch immer wieder Unerklärliches. "A" ist ein Entwässerungskanal, d.h. hier wird Wasser vom Feld weg geleitet. "B" ist eine Bewässerungsanlage, die allerdings nur einen winzigen Bruchteil des Feldes bewässert (obwohl für 48 Stunden später Regen angesagt ist), und diese Bewässerungsanlage steht nicht irgendwo, sondern in ziemlicher Nähe zu "A". Frage: (Was) denkt der Bauer? Oder will er nur aus schlichtem Menschenhass den Grundwasserspiegel weiter absenken? 

"C" ist übrigens der Schatten meines Flugzeugs. Ich find's immer witzig, den über Wiesen und Felder hoppsen zu sehen. 



Bei diesem Bild habe ich die Farben und den Kontrast bearbeitet, weil man die quadratischen Strukturen in den Feldern rings um den ehemaligen Torfabstich (oben im Bild) kaum erkennt. Die Konturen der einstmals stehengelassenen Wände zeichnen sich heute noch durch stärkere Vegetation aus. Das hieße ja, wenn man das Moor nicht bis zum Mineralboden abgebaut hätte, würde da heute mehr wachsen? When will they ever learn?






Jaaa-aa! Ich habe schon eine Zilliarde Fotos von meinem Flugzeug gemacht, und hier kommt nun noch eins. Aber zwei erlebnisreiche Stunden mit so einem Vogel, das macht was mit einem. Motorradfahrer*innen verstehen vielleicht, was ich meine.


¹ Ich hoffe, ich habe das Sahm-Bild genug verfremdet. Zumindest kann ich sagen, dass ich mal einen Druck davon gekauft habe, als ich jung war.



Freitag, 23. Juni 2023

Richtigstellung

 

Vorweg: Mein Mitgefühl den Angehörigen der fünf Menschen, die bei der Titan-Implosion ums Leben gekommen sind.

Mittlerweile wurde im Internetz massenhaft auf das quantitative und qualitative Missverhältnis der Berichterstattung über die Hunderten von Ertrunkenen im Mittelmeer einerseits und den fünf Titanic-Besuchern andererseits hingewiesen, und auch ich habe ja spontan in die Kerbe geschlagen. 

So berechtigt die Kritik ist, greift sie doch zu kurz. 

Medien-Konzerne unterliegen wie alle kapitalistische Unternehmen dem Gebot der Profitmaximierung. Profit erzielen sie,

  • wenn Auftraggeber direkt für Berichterstattung gemäß ihren Partialinteressen zahlen
  • oder über Werbung
  • oder über die Erfassung und den Weiterverkauf von Nutzerdaten.

Für die beiden letztgenannten Punkte brauchen Medien-Konzerne Klicks. (Für den ersten eigentlich auch, denn es bringt beispielsweise einem global agierenden Energie-Konzern gar nichts, den Streaming-Dienst von Webradio Ostfriesland zu kaufen. Größe zählt, heißt: Nutzerzahlen zählen.)

Ja, Medien-Konzerne haben eine ungeheure Macht, sie können zweifellos die Denke dieses Planeten steuern. Aber diese Macht ist nicht unbegrenzt, denn die meisten von uns sind in der Lage, die schlimmsten, manipulativsten, menschenverachtendsten und anti-progressivsten Portale schlicht durch Missachtung, sprich: Boykott, sprich: Nicht-Anklicken zu bestrafen. Theoretisch.

Wenn wir also die Berichterstattung zum Titan-Drama versus Mittelmeer-Dramen betrachten, dürfen wir uns nicht vorstellen, es hätte irgendwo auf der Welt in einem hochgeheimen, hochgesicherten Steuerungs-Zentrum einen hyper-super-bösen Medien-Mogul gegeben, der seinem hyper-super-nerdigen, blassen, übernächtigten Chef-Programmierer die Anweisung gab: "Den Tod meiner Milliardärs-Kollegen, den bringste richtig nach vorne, die Sache im Mittelmeer muss ASAP untergepflügt werden!" 

Ich glaube, so funktioniert das nicht. Stellen wir uns lieber vor, dass auch die größten Medien-Konzerne sich tagtäglich an dem dreckigen, erbärmlichen Rattenrennen um die Profitmaximierung beteiligen. Stellen wir uns vor, dass es da Abteilungsleiter*innen gibt, die ein Mörder-Gehalt einstreichen, dafür aber auch unter erbarmungslosem Erfolgsdruck stehen, immer und immer höhere Profitraten einzufahren. 

Und dazu brauchen sie Klicks. UNSERE Klicks! Da kommt also unser aller Verhalten ins Spiel und damit unser aller Verantwortung. Und da habe ich die allergrößten Befürchtungen. Ich fürchte nämlich, es sind vielleicht gar nicht die Medien-Konzerne, die uns durch fiese Manipulation dazu bringen, fünf tote Milliardäre gegenüber 600 toten Flüchtenden zu bevorzugen. Ich fürchte, aus irgendeinem perversen Grund kann das Massen-Publikum die Milliardärs-Geschichte mit mehr freudig-perversem Gruseln rezipieren als die Mittelmeer-Geschichte ... 

Wer ist jetzt böse? Die Masse der I-net-Nutzer*innen, die die Konzerne zwingt, ethisch Unverantwortliches zu tun? Oder befeuern die Konzerne den perversen Voyeurismus der Masse? Oder haben wir einen Aufschaukelungskreis?

Ich weiß keine Antwort. Und keine der Optionen gibt Anlass zur Hoffnung.



(stark verändert via wiki commons)
Alte Volxweisheit: In einem Rattenrennen kann nur eine Ratte gewinnen.










Donnerstag, 22. Juni 2023

Ich stehe fest an der Seite ... und verzweifle.

 

Hm, ok, Bunzelkanzler Scholz erklärt heute, "(w)ir stehen fest an der Seite der Ukraine." Niemals würde ich dem widersprechen. Fragen und der Wunsch nach Präzisierung bleiben aber.

Frage 1: Wer ist wir? Scholz und seine Partnerin? Scholz und die SPD? Scholz und sein Pluralis majestatis? Scholz und die Leute, die gerade zufällig im Raum sind?

Frage 2: Was umfasst das An-der-Seite-stehen? Wohlwollendes Nicken? Froindliche Anteilnahme? Das Erkaufen des Eindrucks von Pseudo-Solidarität durch Multi-Milliarden-Euro-Zahlungen? Die Lieferungen von Waffen auf unüberschaubare Kosten der steuerzahlenden Menschen und zum üppigen Wohle der deutschen Rüstungskonzerne? Oder signalisiert Scholz nur, dass wir die Ukraine zwar dringend verdächtigen, zusammen mit Polen hinter dem terroristischen Anschlag auf die NordStream2-Leitung zu stecken, dass wir bis zum Erhalt zweifelsfreier Beweise vorläufig aber trotzdem nicht beginnen werden, Doitschlands Sicherheit im unbesetzten Teil der Ukraine zu verteidigen. ¹ 

Oderr schwörrt Scholz hier den heiligen Eid, derr Ukraine beizustehen bis zurr rrrücksichtslosen Vörrnichtung des Bolschewismus, bis auch wirrr sagen können: 'Diesorr Gägnerr wirrd sich nicht wieder erheben!'? ²  Wir Doitschen stehen ja auf diese bedingungslose Nibelungen-Treue. Da sind wir richtig gut drin. Das ist quasi eine Kern-Kompetenz, unser Unique selling point. Außerdem muss man sich keine Gedanken mehr um ethische Verantwortung machen. Im Fall der Ukraine müssen wir nicht mal selber kämpfen, bequemer geht's nicht.

Zum Schluss die Präzisierung: Ich kann nicht ausschließen, dass Menschen Scholz' Aussage in dem Sinne missverstehen, alle Doitschen würden so ticken. Daher lege ich großen Wert auf folgende Feststellung: Mein Mitgefühl gilt allen Menschen, die unter dem Ukraine-Krieg leiden, russischen Menschen, ukrainischen Menschen, gleichermaßen. Und den Menschen, die im Jemen leiden. Und in Palästina. Und im Sudan. Und im Mittelmeer. Und .... und ... und ...




(stark verändert via wiki commons)
Jetzt auf keinen Fall Mitleid zeigen! Vielleicht sind das ja Putin-Versteher.
Für die hat Scholz nix übrig!








¹ Klingt ein klitzebisschen brutal, aber den doitschen Militär-Einsatz in Afghanistan haben wir mit viel weniger ernstzunehmenden Argumenten begründet, und niemand hat sich beschwert. 

² Hitler A.: etwas verfrüht im Sportpalast, Ende 1941. Aber auch Austin L., US-Verteidigungsminister, 2022






Mittwoch, 21. Juni 2023

Mehrwert-Menschen

 

Interessant: Im Mittelmeer sinkt ein Schiff mit 750 Menschen an Bord, von denen 104 gerettet werden. Mit 600+ Todesopfern unter den Flüchtenden ist demnach zu rechnen. Praktisch zeitgleich geht ein Touri-U-Boot verloren, in dem fünf (!) Superreiche eine Luxustauchtour just for fun zum Wrack der Titanic unternehmen wollten und pro Nase etwa 250.000 Dollar bezahlen wollten und konnten. 

Ich will nicht belehrend sein, ich will hier auch keine langweiligen Vergleiche herunterzählen. Aber ich bitte die geneigten Leser:innen, die offiziöse Berichterstattung über den einen wie den anderen Fall nach Quantität, Qualität, Mitleidsgedusel, Click-Baiting-Performance und angehängten Narrativen zu vergleichen. 

Können wir vielleicht einen Faktor errechnen, um den ein Superreicher mehr wert ist als ein Mensch auf der Flucht? 200? 500? 1.000? Soviel zum Thema Menschenrechte: "Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt ... blablabla"

Was für eine verlogene Kack-Kack-Kack-Welt, in der wir leben. 



(verändert via wiki commons)

Es war nicht Alles schlecht, damals.













Freitag, 16. Juni 2023

Mediterrane Reminiszenz

 

Habe mich in letzter Zeit öfter gefragt, warum ich vertrocknete Grasflächen am Straßenrand oder im eigenen Garten (Bild unten) nicht nur nicht schlimm finde, sondern im Gegenteil richtiggehend schön. Die Antwort: Als ich fünf Jahre alt war, also vor (oh Kacke!) 56 Jahren, machte meine Familie den ersten Camping-Urlaub in Italien, und da fiel mir zum ersten Mal die flächig vertrocknete Vegetation auf, die ich aus norddeutschen Sommern nicht kannte. 

Seitdem, so meine Vermutung, assoziiere ich verkokelten Rasen mit kindheitsglücklichen Urlauben an der Adria.

Buchen wir das als eine Anekdote aus dem Buch "Opa erzählt vom Klima-Krieg", ok?


Die Farbkombi aus Strohgelb und Survivor-Grün finde ich immer noch total chique. 


Und bevor die selbstgemachte Klimakatastrophe uns ohnehin zwingt, es hinzunehmen, ob wir wollen oder nicht, lasst uns doch eingestehen, dass wir  Norddoitschen den Wüsten-Look eigentlich immer schon ziemlich geil fanden. 














Donnerstag, 15. Juni 2023

Au-dessus de la mêlée

 

Aus dem Exil schrieb Tucholsky "... ich bin au-dessus de la mêlée, es geht mich nichts mehr an. Ich bin damit fertig." 

Zwar bin ich nicht so größenwahnsinnig, mich in irgendeinem Punkt mit K.T. vergleichen zu wollen, aber ich mag die Aussage. Wünschte mir, ich könnte das konsequenter umsetzen, wünschte, ich könnte die tausendfach bestätigte Erkenntnis, die Reichen und Mächtigen seien allesamt Arschlöcher und die Armen und Ausgebeuteten allesamt unsolidarische, speichelleckerische, korrumpierte Idioten, nutzen, mich zurückzuziehen: In eine Welt, in der ich bescheiden, d.h. ressourcenschonend, nachhaltig, tolerant, freundlich und neugierig mein kleines, persönliches Privat-Paradies leben könnte, in der ich aber ignorieren kann, dass Andere rundherum abgrundtief dumm, selbstzerstörerisch, krankhaft egoistisch nur auf ihren eigenen, kurzsichtigen  Vorteil bedacht agieren, dass die ganze Suppe mittelfristig den Bach runtergehen wird. 

Doch die Zeiten, sie sind nicht so. Weder gibt es außer mir nur Arschlöcher und Idioten auf der Welt, noch bin ich selbst gänzlich frei vom Arschloch- und Idiot-Sein. Mein bisheriger Lebensstil kostete extrapoliert garantiert drei Planeten, und in meiner Restlaufzeit wird die Rückzahlung dieser Schuld auch deshalb nicht gelingen, weil ich es gar nicht verbissen genug versuche. 

Und nun?

Meine Specie ekelt mich an, meine eigene Inkonsequenz ekelt mich an. Das Einzige, was ich versuchen kann, Tag für Tag nach bestem Wissen und Gewissen so gut wie es mir möglich ist, zu handeln, mich immer ein wenig weiter über jenen Punkt hinaus zu verhalten, den meine Bequemlichkeit als Grenze des mir ökopax nachhaltig Guten und Machbaren vorgaukelt. 

Klingt erbärmlich.



(verändert via wiki commons)








Dienstag, 13. Juni 2023

Derrr hintärrerrhällltige Iwan


Was, bitte, ist ein "Kreml-Hinterhalt"? Wenn eine gegnerische Fahrzeug-Ansammlung erfolgreich mit Artillerie bekämpft wird, ist da eigentlich nichts Hinterhältiges dran. Bei militärischen Auseinandersetzungen ist das, im Gegenteil, sogar eine häufig anzutreffende, fast schon etwas altbackene Kulturtechnik.

Etwas anderes ist es anscheinend, wenn dabei aber auch einer der mega-gehypten Leopard-2-Panzer abgeschossen wird. Dann kann es sich natürlich nur um hinterhältiges Handeln handeln, denn sonst wäre sowas natürlich völlig undenkbar, allein schon betriebswirtschaftlich und aus Fairness so weiter. Putin, die Pottsau, macht nicht mal vor unseren High-Tech-Panzern halt, dieser elende Kultur-Bolschewist!

Ernsthaft: Neulich las ich, wenn Journalismus nicht kritisch sei, sei es Propaganda. Hier ist sie wieder mal allzu deutlich erkennbar. Problem: Die deutsche Berichterstattung im Ukraine-Krieg ist so offensichtliche und so primitive westliche Propaganda, dass man sich beim besten Willen nicht mehr ehrlich betrogen fühlen darf. Wer die brechreizerregende Verlogenheit, Einseitigkeit und Durchschaubarkeit nicht wahrnimmt, hat eine bewusste, d.h. verantwortliche Entscheidung zur Bewusstlosigkeit getroffen - und darf hinterher trotzdem nicht sagen, sie*er habe nichts davon gewusst.

Frage: Wie kann ich jemals wieder diesen Journalist*innen vertrauen, die sich derzeit so tabulos an den Regierungs-Sprech ranschmeißen? Und da der glaubwürdige, kritische Journalismus auch bei uns gerade zu Grabe getragen wird, was für ein Freibrief ist das dann für die AfD-Querdenker-Nazi-Propaganda of any colour and any kind?

Noch 'ne Frage: Wo bleibt eigentlich der Aufschrei, da nun immer klarer wird, dass die Ukraine den terroristischen Anschlag auf Nord-Stream 2 durchgeführt hat? So ein Terror-Regime hat weder in der NATO noch in der EU etwas zu suchen ... dachte ich bisher. Deutsche Sicherheit wird am Hindukusch  und irgendwo in Afrika verteidigt. Vielleicht sollten wir sie tatsächlich auch mal in der Ukraine verteidigen. Weder die Hindukuscher*innen noch die Malier*innen haben uns je etwas getan, je eine doitsche Pipeline angerührt. Wo ist da also die Logik?  

Es ist alles so verlogen, so verrottet und verkommen, es macht keinen Spaß mehr.


(stark verändert via inet)

Jaaa, peng, bumm, kaputt! Na und? 
Um die Menschen tut's mir natürlich leid, keine Frage.