Liegt bestimmt am trüb-kalten Wetter, dass mir heute Morgen so nach Sentimental Journey war und ich spontan meine Alma Mater besuchte und mich durch die Trakte treiben ließ.
Erster Eindruck: So richtig viel Grundlegendes hat sich eigentlich nicht verändert. Der Befund erstaunt mich, da wir immerhin von einer zeitlichen Distanz von knapp 35 Jahren sprechen. Klar, Digitalisierung hat Einzug gehalten, aber sonst?
Zweiter Eindruck: Wie die Studies über ihren Laptops hocken, mit welcher Konzentration und Ernsthaftigkeit - darf ich sagen: Beflissenheit? Waren wir damals weniger beflissen, vielleicht auch weniger naiv? Cooler? Kann ich nicht sagen. Vielleicht haben wir uns damals einfach mehr selbst betrogen in Blütenträumen von Autonomie.
Dritter Eindruck, oder, wie eine Kollegin es gerade formulierte: Die Uni ist kein politischer Ort mehr. Zu "meiner Zeit" (- was für eine blöde Formulierung!) waren Mensen und Caféten, Gänge und Treppenhäuser mit stramm linken Plakaten, Aufrufen zu Demos und Widerstand plakatiert. Davon ist nichts mehr übrig. Von ein paar Hinweisen zu Kulturveranstaltungen und Aushängen der Verwaltung abgesehen sind die Wände quasi steril.
War mehr Politik besser oder schlechter? Betrachten wir den Output, den tatsächlichen Effekt unseres damaligen spät-spät-spät-68er Links-Seins, so muss man zugeben, dass es nahezu NULL Wirkung hatte. Über 95 Prozent der Energien gingen in interne Grabenkämpfe. Schon damals war es einfacher, über andere linke Gruppen herzufallen, als sich mit dem wahren politischen Gegner auseinanderzusetzen. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Sind die Studies von heute in dieser Hinsicht schlauer geworden? Oder züchten wir gerade eine Horde hochangepasster, unkritischer (=unpolitischer) Geister heran?
Ich mache mir da keine Sorgen. Die Studies von heute pumpen eine erfrischende Menge kritischen, progressiven Potentials in die Gesellschaft. Natürlich gehen viel zu viele hochangepasste Konformist*innen aus den Studiengängen hervor, aber das war früher auch schon so.
Wenn ich mir anschaue, was aus den meisten meiner Kommiliton*innen geworden ist, bleibt nur die bittere Erkenntnis, dass deren, ach, so kritisches Bewusstsein auch nur ein Riesen-Beschiss gewesen ist. Einigen kann man wohl zugutehalten (naja!), dass sie das selbst gar nicht bemerkt haben.