Dienstag, 28. Juni 2022

Wählte Ungnade

Nicht schlecht, die Grabstein-Inschrift "Wählte Ungnade wo Gehorsam nicht Ehre brachte."

In Kürze: J.F.A. v.d. Marwitz erhält von meinem und seinem Lieblings-König, dem Alten Fritz, einen Befehl, den J.F.A. für ethisch nicht ganz koscher hält (den Befehl, nicht den König) und ergo ablehnt und ergo um Abschied bittet, die Ungnade des Königs billigend in Kauf nehmend. 

Ja, ich weiß, dass die Geschichte von Marwitz' Clinch mit F. II möglicherweise nicht so ganz historisch belegbar ist. Nichtsdestotrotz birgt die Anekdote ganz viel von dem, was ich am Preußischen, sagen wir: am Ideal des Preußischen so mag. Da kann man nämlich noch ganz problemfrei von Ehre und von Gehorsam reden, weil die Begriffe noch nicht von irgendwelchen Spießern und Nazis pervertiert waren. 

"Gehorsam", das heißt damals nichts Sklavisches, sondern, ich habe mich damit einverstanden erklärt, Dinge zu tun, die Leute, die, mehr Ahnung haben als ich, mir auftragen. "Ehre" ist ein Sammelbegriff von Aspekten aus den Wortfeldern  Selbstachtung und v.a. Eigenverantwortlichkeit. Und wenn Gehorsam einerseits und Ehre andererseits in Konflikt miteinander geraten, dann muss ich den Mut haben, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Das kann z.B. passieren, wenn die Leute - oder heute: die Institutionen, denen gegenüber ich gehorsam zu sein mich einst bereiterklärt habe, sich zunehmend dumm oder, schlimmer, unethisch verhalten und ich also durch blindlings fortgesetzten Gehorsam meine Selbstachtung, meine selbstgesetzten Regeln auf's Spiel setzte. Diese Grenzen sind nicht immer klar, und man kann sich eine Weile selbst betrügen, aber irgendwann, irgendwo muss da, sagt der preußische Ehrenkodex, ein Limit sein. 

Und wer meint, diese Auslassungen beruhten auf 250 Jahre alten Ereignissen und seien doch nicht mehr zeitgemäß, die*der recherchiere doch mal zu Pinchots Regeln für Intrapreneure. Preußen lebt! Q.e.d.




(J.F.A. Marwitz - verändert via wiki commons)






 

Freitag, 24. Juni 2022

Informationelles Unwohlsein

 

Ich frage rein informativ, ich schwör's. Selenskij, der immer wieder betont, Jude zu sein, kritisiert - vergleichsweise moderat aber doch deutlich - die israelische Regierung, weil die sich weigert, Waffen an die Ukraine zu liefern und sich mit Kritik an Russlands Krieg in der Ukraine auffällig zurückhält.  

Dann heißt es in dem Sammel-Artikel der Deutschen Welle weiter: "Ein Grund für Israels Zurückhaltung im Ukraine-Krieg könnte die Lage in Syrien sein: Russland, das auf der Seite von Machthaber Baschar al-Assad steht, toleriert stillschweigend, dass Israel in der Region regelmäßig Luftangriffe fliegt."

Hier die Fragen: Warum können die USA die Europäer erpressen, sich militärisch zu involvieren, und warum geht diese Erpressung bei Israel nicht? Warum darf Israel mit Russland Stillhalte-Abkommen schließen? Wie kann Russland mit Israel Stillhalteabkommen schließen, während die Israelis, toleriert durch die Russen, deren Verbündeten, Assad bombardieren? Warum berichtet hier niemand mehr, dass Israel da regelmäßig rumbombt? Etc. etc.

Ich bin absolut sicher, dass es auf allen Seiten reichlich geschulte Vertreter des jeweiligen Big Cheese gibt, die uns die Sachzwänge souverän erläutern können. Ich bin mir aber auch absolut sicher, dass uns die Souveränität der Erklärungen nicht mehr darüber hinwegtäuschen kann, dass das alles total widersprüchlich und dumm ist und wir von vorne bis hinten vergackeiert werden.

Sehr bedauerlicherweise ist die zunehmende Gewissheit, allerseits nur belogen und für dumm verkauft zu werden, ein allzu fruchtbarer Nährboden für antidemokratische Kräfte of any colour and any kind.



(verändert via wiki commons)

Einen wie kleinen Penis muss man haben,
sich da drei Stiel-Handgranaten hinzuhängen?









Donnerstag, 23. Juni 2022

Wer sagt was warum?


„Eine der größten Errungenschaften der totalitären Eliten der zwanziger und dreißiger Jahre war es, jede Tatsachenbehauptung in eine Frage nach dem Motiv zu verwandeln.“

Hannah Arendt, Die Urspünge des Totalitarismus


Die Arendt ist in ihrem Denken so großartig, dass wir eigentlich nur ergriffen betrachten und schweigen sollten. Ergreife ich hier dennoch keck das Wort, dann nur, um mich in Demut anzunähern.  

Die Begrenzung auf die neunzehnhundertzwanziger und -dreißiger Jahre halte ich für unzutreffend. Vielmehr ist die zitierte Beobachtung überzeitlich, und sie ist auch nicht zwingend auf die staatsbeherrschenden Eliten zu beschränken. Wir alle hören immer wieder von Leuten, die so krankhaft narzisstisch sind, dass sie jede schlicht-sachliche Aussage aus ihrem Umfeld zunächst auf den vermuteten persönlichen Affront scannen - und surprise, surprise, tausendfach fündig werden. Was in autokratischen Regimes regelmäßig zu strafrechtlicher Verfolgung führt.

Recht hat die Arendt, da unter derartigen Bedingungen ein rationaler Diskurs unmöglich wird und folglich der irrationale Diskurs à la longue zu dem vom kranken Hirn vorhergesehenen Ergebnis führen wird. 





(verändert via wiki commons)

Hauptsache, alle haben ihren Spaß!

"Happy days are here again
The skies above are clear again
So let's sing a song of cheer again
Happy days are here again."











Mittwoch, 22. Juni 2022

Denk' ich an Doitschland ...


Lese gerade C.-H. Hermanns "Deutsche Militärgeschichte". Deprimierend, wie nach dem Hochgefühl und den wirklich progressiven Entwicklungen im preußischen (deutschen?) Heer um 1813 die Restauration schlagartig alle freiheitlichen Hoffnungen zunichte macht. Noch deprimierender, wie nach 1848 die vergleichsweise wenigen Machthabenden mit Hilfe Ihrer devoten Speichellecker die zarten Ansätze demokratischer Reformen plattmachen konnten. Am deprimierendsten, wie ein paar krankhaft egomanische, machtgeile Menschen das Rad schließlich so weit zurückdrehen konnten, dass ein erster und in der Folge ein zweiter Weltkrieg führbar wurden. 

Wo war der Widerstand? Ein paar im inneren und äußeren Exil, nunja. Aber die betroffene Masse? Weggeduckt. Man kommt ja irgendwie durch. Wenn man nicht zu aufmüpfig ... Eigentlich geht's ja ...



(via wiki commons)

"Der Deutsche gleicht dem Sklaven,
der seinem Herrn gehorcht,
ohne Fessel, ohne Peitsche,
durch das bloße Wort,
ja durch einen Blick.
Die Knechtschaft ist in ihm selbst,
in seiner Seele;
schlimmer als die materielle Sklaverei
ist die spiritualisierte."
(Heine)











Sonntag, 19. Juni 2022

Noch 'ne Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral (edit 24062022!)


An dieser Stelle hatte ich mich vor ein paar Tagen selbst auf's Korn genommen und bissige  Selbstbeobachtungen zu meinem eigenen Umgang mit dem burn-out und den Depressionen, die mich gerade plattmachen, vom Stapel gelassen.

Ich kann nicht ausschließen, dass ich damit andere Betroffene verletzt habe. Das war nicht meine Absicht und tut mir leid. Es ist meine Schuld, denn Kommunikation ist das, was ankommt.¹











¹ frei nach Watzlawick

 


Mittwoch, 8. Juni 2022

Unangemessener Kotz-Ton

 

Jaja, ich stelle in Rechnung, dass der ukrainische Botschafter in Deutschland ob der Lage in seinem Lande unter Druck steht. Aber allmählich bin ich des Kotz-Tones leid, den der Mann sich hier dauerhaft gönnt. Mit graut vor der Aussicht, in ein paar Jahren, wenn die Ukraine-Sache Geschichte sein wird, ein weiteres ehemaliges Warschauer-Pakt-Land in der EU zu haben, das nichts weiter tut und kann, als auf Deutschland rumzuhacken, wohl wissend, dass wir aufgrund unserer Geschichte gegen jeden noch so dümmlichen und an den Haaren herbeigezogenen Vorwurf hilf- und wehrlos sind und also zahlen, zahlen, zahlen werden.  

Halt einfach mal die Fresse, Melnyk, alleine die Amis haben Euch seit April 54 Milliarden Dollar gesponsert, das entspricht 80 Prozent des gesamten russischen Militär-Budgets (vgl. LMD von heute). Dazu kommen die Donationen der Europäer. Was denn noch? Oder genießt Du nur die Dir durch den Krieg zugewachsene Macht, uns einfach mal so ans Bein pinkeln zu dürfen? Übt Ihr schon mal für die künftige Koalition mit den anderen pseudo-demokratischen Ätz- und Quengel-Autokratien Polen, Tschechien, Ungarn, Türkei? 

Lech Walesa hat neulich den Vorschlag gemacht, Frankreich und Deutschland sollten die EU neu gründen, ohne den Fehler zu wiederholen, die rechts-demagogischen östlichen Zweit-Welt-Staaten ins Boot zu holen. Spontan hielt ich die Idee für völlig bescheuert. Mittlerweile ... seufz.





(Weird Tales, September 1937.verändert via wiki commons)

1937 durfte man noch weibliche Brustwarzen im Internet zeigen?
Das wusste ich nicht.

Egal. Links das satanische Deutschland, rechts die Visegrad-Staaten?
Oder umgekehrt?


 





Sonntag, 5. Juni 2022

Auf zum herrlichen Endsieg!


Wiegolds Bundeswehr-Blog ist nach wie vor höchst kompetent und ergo lesenswert. Für einige seiner Kommentatoren¹ mag das auch gelten, bei manchen müssen wir allerdings durch die psychopathologische Brille lesen, wie z.B. in diesem Kommentar vom 04.06.2022: :

"Russland wird die alleinige Kriegsschuld anerkennen müssen und Reparationen nach internationalen Standards leisten. Hierbei hat Russland die Wahl sich gegen Aufhebung von Sanktionen zurückzuziehen oder rausgeschmissen zu werden und einen Diktatfrieden des Westens zu akzeptieren. Anders ist die regelbasierte Ordnung nicht mehr zu retten."

Ui, da hat aber einer 'ne schwere Kindheit gehabt. Wer sowas fordert oder wer - wie Selenskij - sagt, man werde nur aus einer Position der Stärke über Frieden verhandeln, der sollte offen und ehrlich dazu stehen, Krieg, egal welchen, einfach geil zu finden, in einem ganz sexualisierten Sinne von "geil". 

Wie kann man im Jahre 2022 mit dem Schlagwort "Diktatfrieden" so brechreizerregend naiv umgehen? 

Findet die Leute, die immer mehr Geld und Macht gewinnen, je länger der Krieg dauert, und findet jene, die an Einfluss verlören, wenn der Krieg endete.



(Versailles 1919, stark verändert via wiki commons)
Wie sehen eigentlich selbstzufriedene Sackgesichter aus?


Merke: Wer einen Diktatfrieden will, will keinen Frieden.







¹ Ich verzichte hier ganz bewusst auf die weiblichen Sprachformen. Kriegsgeilheit ist für mich ein rein männliches Phänomen, egal, ob und wieviele X- oder Y-Chromosomen beteiligt sind. 







Sonntag, 29. Mai 2022

Noch ein aussichtsloser Versuch, Wu wei zu erklären.


Das Handeln durch Nicht-Handeln ist das Konzept, das uns immer wieder freidrehen lässt, denn erstens widerspricht es so vollkommen unserer You-can-get-it-if-you-really-want-Sozialisation, zweitens haben wir alle schon x-mal die Erfahrung gemacht, dass unser Leben gut läuft, wenn wir Wu wei beachten und dass es beschissen läuft, wenn wir es nicht tun und drittens sind wir völlig außerstande, auch nur sprachliche Annäherungen oder einigermaßen einleuchtende Metaphern zu finden, obwohl wir seit zweieinhalbtausend Jahren versuchen, Wu wei zu definieren. 

Um mir selbst zu erklären, wie Wu wei  funktioniert, benutze ich u.a. folgende Alltagsdefintionen:

  • Mach nichts auf Krampf.
  • Arbeite nicht "gegenan".
  • Versuche nicht etwas zu erzwingen. 
  • Wenn ein Projekt viel Energie kostet, beruht es entweder auf einem Irrtum oder es ist eine Sportart. 
  • Arbeite nicht ehrgeizig auf hochgesteckte, langfristige Ziele hin.
  • Versuche nicht, andere Menschen zu beeindrucken.
  • Versuche nicht, Dich selbst zu beeindrucken.
  • Wenn eine Tätigkeit nur ganz zäh und schwerfällig vorangeht, prüfe, wo der Einklang fehlt. 




(via wiki commons)









Freitag, 20. Mai 2022

Regenabend-Gedanken

Zufällig wieder auf dieses herrliche alte Branduardi-Video gestoßen ... Äh, kann ein Video alt sein, wenn es aktuell auf Youtube streambar ist? Oder sind I-net-Inhalte, anders als z.B. Bücher, stets neu? Bücher als Informationsträger altern zweifellos, Bits und Bytes hingegen sind immer gegenwärtig, immer heutig, immer sekündlich ...

Egal. Was ich eigentlich sagen wollte: Wie der junge Branduardi hier auftritt, das hatte und hat für mich  den Hauch eines fernen, fernen Ideals, das ich niemals erreichen werde. Sehr schlank, gutaussehend, bemerkenswerte Kondition, Vollblut-Künstler, ganz seiner Kunst verschrieben, leicht, spielerisch, fröhlich, mit Tiefgang, träumerisch, verträumt, fast ein wenig zerbrechlich (dann aber doch nicht), gelebte Ästhetik, bringt Leute zum Lachen und Tanzen ...

Dagegen ich: Unbeweglich, gefühlt ein bisschen zu dick, ein bisschen unsicher und auf der Suche. Voller Fehler, voller Spießer-Macken und Sozialisations-Defekte, ein bisschen zu ernst, zu nachdenklich, zu unflexibel vielleicht. Verglichen mit dem damaligen A.B. ist mein Sternbild irgendwo zwischen Preisboxer und Bergepanzer. 

Nun, mit 60, am Ende des dritten Viertels, könnte ich in der Sache resignieren, denken "Du warst nie wie er, und die Chancen dazu werden nicht eben größer. Gestehe Dir ein, es endgültig verkackt zu haben." 

Seltsamerweise kommen diese Gedanken nicht. Mit retrospektiver Distanz betrachte ich interessiert den Menschen, mich, der dieses Branduardi-Bild so schön fand und findet. Ich bin zufrieden mit dem Weg, den ich hatte und noch habe. Mein Weg fand und findet in einer ganz anderen Ecke des Universums statt. Verdächtig wär's, wenn ich je die selben Wegpunkte wie A.B. erreicht hätte.   

Alles gut. Und immer noch eine großartige Show - in einer Zeit, in der Musikstücke noch über acht Minuten dauern durften.  


(stark verändert via wattwohl)






Montag, 16. Mai 2022

Hoch in der Luft ...

 

Gestern endlich wieder unterwegs. Mit dem Wind auf der Nase von Oldenburg/Hatten nach Kührstedt/Bederkesa und nach kurzer Pause im Kreise sehr freundlicher Menschen wieder zurück.


"Davy's on the road again
Wearin' different clothes again
Davy's turnin' handouts down
To keep his pockets clean"


Da unten ist nix Graubraunes mehr. Nur noch pralles Grün.



Irgendwo nördlich des Teufelsmoores. Man sieht deutlich die Lage des einst mäandrierenden Flusses. Klar erkennbar, wieviel wertvolle Flussmeter es gekostet hat, den Landwirten eine noch effizientere, profitablere Bodenbearbeitung zu ermöglichen. Lasst uns mal gemeinsam raten, wer die Kosten trägt und wer die Profite einstreicht.




Obwohl ich hier 300 m über Grund fliege,
ist der Schatten meines kleinen Flugzeugs
noch deutlich erkennbar.