Ich lese, in der chilenischen Atacama-Wüste gibt es mittlerweile wilde Deponien für Textilien, die auf dem globalen Markt für Gebraucht-Textilien nicht weiter zu verramschen sind und die ein zunehmendes Umwelt- und Entsorgungs-Problem darstellen.
Nun weiß ich, warum es sich neulich schon so ein bisschen komisch anfühlte, als ich mehrere Säcke mit Altkleidern in die Sammel-Container versenkte. Dass ich damit möglicherweise die Textilproduktion in Drittwelt-Staaten¹ torpediere, war mir teil-bewusst, aber ich dachte, es würde der Großteil der in Europa "gespendeten" Klamotten ohnehin geschreddert und als Dämmstoff oder Putzwolle wiederauferstehen.
In meiner Kindheit pflog ich sogar noch die dümmlich-naiv-arrogante Illusion, die abgelegten Klamotten, die man hier spendete, würden einem armen, bedürftigen, minderbemittelten Menschen irgendwo auf diesem Planeten das selige Leuchten dankbarer Freude in die trauer-trüben Augen zaubern ...
Stattdessen muss ich nun feststellen, dass ich mit jedem Altkleider-Sack zum immer größeren Umwelt-Drecksack mutiere.
Je länger ich drüber nachdenke, desto zynischer die Gedanken: Wenn wir ohnehin einen so immensen globalen Textilüberschuss haben, warum sollte ich dann bedauern, dass die Drittwelt-Textilindustrie durch europäische Gebrauchtkleider abgewürgt wird? Sollen wir uns etwa mit Kleider-Recycling zurückhalten, damit die Menschen dort in Ruhe die grauenhaft falschen Pfade nachlaufen, die wir vorgetrampelt haben?
Oder kommen die Leute "da unten" irgendwann selbst auf den Bolzen, dass mit Textilien keine Kohle mehr zu machen ist? Vielleicht ginge noch was im Ethno-Bereich? Ach nee, da hat man sich ja durch die angepisste Diskussion um die kulturelle Aneignung selbst in den Fuß geschossen. Ich werde mir doch keinen kuscheligen peruanischen Alpaka-Poncho und keinen superpraktischen, superleichten chinesischen Strohhut mehr kaufen, wenn ich mich damit dem Verdacht aussetze, ich würde eine ohnehin gebeutelte Minderheit "sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch" (s.o.) immer weiter in den Senf drücken ².
Das ist alles so anstrengend! Es werden die Sachverhalte - wenn man anfängt drüber nachzudenken - alle so complicado, so unübersichtlich! Und es werden die Menschen - wenn man anfängt drüber nachzudenken - so deprimierend dämlich oder so psychopathisch egomanisch oder beides.
Was bleibt?
Nur das eigene Denken und Handeln.
Kaufe keine Klamotten mehr. Nie wieder. Oder nur noch solche, die Du witterungsbedingt absolut benötigst, aber nicht hast.
Leider kein Scherz: Nur Du kannst die Welt retten.
¹ Nein ich mag den Begriff "Drittwelt" auch nicht wirklich. Er klingt zu sehr nach "drittklassig". Aber mir ist kein politisch korrekter Alternativ-Begriff bekannt. "In-der-Industrialisieurng-herausgeforderter-Staat" evoziert auch ganz was Falsches.
² Moment mal: "militärisch"? Echt jetzt?