Freitag, 10. April 2020

Phänomenologische Feststellung


Es gibt alljährlich vier Beweise dafür, dass der Frühling eifrig den Sommer vorbereitet:

  1. Schmetterling-Imagos flattern umher. Die ersten habe ich am 31.03. gesehen.
  2. Schwalben sind zurück. Die erste habe ich heute gesehen.
  3. Die seltsamen 50-cent-Ferngläser für die Touries sind an der Küste installiert.
  4. Eduard Mörike (1804 - 1875) redet mit mir.    



(heute in N-siel)


Er ist's 
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
— Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!

Eduard Mörike, 1828

Donnerstag, 9. April 2020

Schützenswerte Wort-Denkmäler


Da wird gerade wieder ein Wort zu Tode geritten, dessen ursprüngliche Bedeutung unbedingt unter Schutz gestellt werden muss: Solidarität.

Wikipedia beschreibt es ganz treffend: " ...Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. [Solidarität] drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus ..."

Zur Zeit wird gerade mal wieder die Solidarität innerhalb der EU beschworen, insbesondere von den Ländern, die von der Pandemie so richtig übel erwischt worden sind. Aber da wird der Denkfehler ganz deutlich. Diese Länder wollen keine Solidarität, sondern Geld. Sie wollen, dass man ihnen hilft, und das ist auch nachvollziehbar, und ich bin auch dafür.

Solidarität wollen sie aber nicht, da sie, außer, wenn sie was zu ihrem eigenen Vorteil einfordern, keine Haltung der Verbundenheit zu Europa, keine Unterstützung gemeinsamer Ideen, Aktivitäten und Ziele zeigen. Diese utilitaristische Haltung, salopp: Abzocker-Mentalität, ist weltweit zwar sehr en vogue, und wir Doitschen machen's genau so, aber das ist das genaue Gegenteil von Solidarität.

Solidarität ist eine Grundhaltung. Man kann sie nicht punktuell haben und fallbezogen ein- oder ausschalten. Man vergleiche "solidarisch" und "nett". Ein Mensch, der nur im Einzelfall "nett" ist, ist eigentlich überhaupt nicht nett, sondern höchstwahrscheinlich sehr gefährlich ("Mama, der fremde Mann auf dem Spielplatz war heute richtig nett zu mir...!")

Also sagen wir's nochmal richtig: Italien braucht Kohle ohne Ende. Punkt. In der geographischen Nachbarschaft gibt es das sehr reiche Doitschland, das sich seit Jahrzehnten an der EU dumm und dusselig verdient. Punkt. Her mit dem Geld!

Es gibt keine europäische Idee, weder in Italien noch in Deutschland.

Das Gleiche gilt für unsere Kolonien im Osten, die Vizegrad-Gruppe: Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn haben mit der europäischen Idee, mit unserer Kultur, unseren Zielen noch viel weniger zu tun als Great Britain, aber wir pampern sie, um nicht mehr selber Frontstaat der NATO im Osten sein zu müssen. Dafür zahlen wir irrwitzige Agrarsubventionen und tolerieren schafsköpfig die zunehmende Abschaffung der demokratischen Grundordnungen in diesen Ländern. Das ist kalte, zynische Berechnung, aber keinesfalls Solidarität.

Wenn wir europäische Solidarität wollen, dann müssen wir die Nationalstaaterei abschaffen. Das setzte allerdings eine weitgehende Entmachtung der herrschenden plittischen Klasse voraus.

Uups, vom Thema abgeglitten.

Tl, dr: Solidarität ist ein grundlegendes Gefühl von Verbundenheit. Alles andere lässt sich mit Geld bezahlen und ist daher wertlos.







(verändert via wiki commons)

















Dienstag, 7. April 2020

Unsere Seele ist ein Mosaik unserer Entscheidungen.


Na großartig! Ganz großartig, da rette ich einen süßen, kleinen Marienkäfer, der es irgendwie fertiggebracht hat, innen an der Fensterscheibe meines Ankleidezimmers herumzukrabbeln, und dann offenbart sich mir bei näherer Betrachtung ein Individuum der Species Harmonia axyridis, vulgo "Asiatischer Marienkäfer", einer invasiven Art, die sich anheischig macht, unsere heimischen Marienis zu vertreiben.



Frage: Was tun? Soll ich der fremden, wiewohl invasiven Kreatur Gnade willfahren lassen? Oder den Usurpator meucheln, bevor er unsere heimischen Marienkäfer umvolkt?

Es sind diese ewigen, alltäglichen Gewissensfragen, die mich fertig machen.





Samstag, 4. April 2020

Schöne neue Lernwelt


Soso, der Polit-Sprech bereitet gerade die Spatzen darauf vor, künftig von den Dächern zu pfeifen, was aufmerksamen Beobachter*innen ohnehin ahnbar ist: Am 20.04. wird NICHT planetenweit der Corona-Virus besiegt und also der Alltag wieder ausgerufen werden.

Mit Amüsement nehmen wir zur Kenntnis, was die doitschen Medien für diesen Fall als Pädagogik-Ersatzbefriedigung hypen: Besinnungslose Digitalisierung. Die entsprechenden Nachrichten-Schnipsel, selten länger als 60 Sekunden, folgen schon seit Wochen etwa folgender Dramaturgie:

  1. Engagierter Junglehrer (ja, immer nur Männer!) sitzt im Home-Office in einer Video-Konferenz mit seiner ganzen Klasse, 
  2. die seltsamerweise nur aus 8 bis 12 Schüler*innen zu bestehen scheint. 
  3. Die Übertragung zu den einzelnen Kiddos ruckelt ein bisschen, aber alle sind freudig erregt. 
  4. Besagter Junglehrer hat den Schüler*innen digitale Aufgaben zukommen lassen, 
  5. die diese zu Hause mit Smartphone, Laptop oder wasauchimmer lösen und zurückschicken. 
  6. Zwischenschnitt: Der Lehrer äußert sich im Skype-Interview orgasmisch über die Wahnsinns-Lernerfolge, die er erzielt.
  7. Der Lehrer tippt umfangreiche individuelle Feedbacks, grundsätzlich des Inhaltes, dass die/der Schüler*in ausgezeichnete, wundervolle Fleißarbeit geleistet habe. 
  8. Der freudig-erregte böberschte Dienstherr oder irgendein*e beliebige*r Plittikörr*in, ist im Interview des Lobes voll und schwört heilige Eide, man werde mit Hochdruck daran arbeiten, derartige Lösungen zu pushen, bla bla bla ...

Ich fühle mich so alt und ganz schrecklich "old-school", aber wenn ich diese strahlend-optimistischen Gigs sehe, befallen mich Fragen, lästig und juckend und ekelhaft, wie ekle Räude. Ich hasse mich selbst dafür, aber der Zweifel nässt aus mir heraus.


  • Wieso hat der nur so wenig Schüler*innen? 
  • Wie groß muss ein Monitor sein, damit alle, Lehrer und Schüler, eine übliche Klassenstärke von, sagen wir, 28 Schüler*innen sinnvoll fenstern können? 
  • Laut Landesamt für Statistik hatte das Land Niedersachsen im Schuljahr 2017/18 839.681 Schüler*innen. Selbst wenn die nicht alle gleichzeitig video-unterrichtet werden: Reichen unsere Übertragungskapazitäten? Gibt es in anderen Bundesländern eigentlich auch Schüler*innen? Du liebe Güte, ja, insgesamt 8,33 Millionen in 2019! Viel Erfolg mit den Video-Konferenzen!
  • Was, wenn die Eltern keine Flat-Rate haben? 
  • Was, wenn im Elternhaus überhaupt keine Infrastruktur für sowas vorhanden ist? Ein wenig technisches Know-how? Rattenschnelles Internet? Desktop-Rechner für jedes Kind und ungestörte Arbeitsecken zum Beispiel?
  • Wer beurteilt den Arbeitsaufwand individueller schriftlicher Feedbacks, und wir sprechen, bitteschön, von pädagogisch wertvollen Feedbacks? Aus meiner Erfahrung: Gute Arbeiten sind schnell zurückgemeldet: "Super!", "Gut gemacht", "Weiter so!" etc. etc. Bei problematischen Ergebnissen reicht aber leider nicht "Schwachsinn!", "Idiot!", "Nochmal!". Erklär' mal einem doofen, pardon: fachlich herausgeforderten, Schüler, der eine Aufgabe von vorn bis hinten verkackt und sichtlich keinen Bock darauf hat, was er falsch gemacht hat. Schriftlich. Kleinschrittig. Von Grund auf. Ach, übrigens: Du hast in einer Klasse nicht nur einen doofen Schüler, sondern, sagen wir, fünf. Und Du hast vier, fünf Lerngruppen. Viel Spaß!


Ich will ja nicht nur rummaulen. Konstruktiv: Lasst uns Trainingshefte zum Selberlernen anschaffen. Ich meine Bücher. Aus Papier. Die gibt es bereits massenhaft. Für jedes Fach und jede Jahrgangsstufe. Selbst das schlechteste Trainingsheft ist besser als eine Technologie, die technisch und ablauforganisatorisch nicht reif ist. Und dann lasst uns auf einfachen, erprobten,  datenschutzkonformen Plattformen kommunizieren, z.B. Foren und Chats, um gemeinsam, im Klassenverband, über die Aufgaben sprechen. 

Das Gemeinsame ist das wichtigste am Unterricht!

(verändert via wiki commons)

Apropos "Bücher" und "aus Papier": Wenn darüber nachgedacht wird, demnächst wieder Läden zu öffnen, dann bitteschön an erster Stelle die Buchläden! Es gibt derzeit tausende von Ratschlägen, wie man ausgangsbeschränkte Zeiten überstehen kann. Lest Bücher, verdammt nochmal! Bücher sind Lebensmittel.









 

Freitag, 3. April 2020

Berechtigte Selbstzweifel


Liebes Tagebuch!

Heute kam ich mir wieder so schrecklich dumm vor. Die Experten und Plittikörr sagen, Alles wird gut, und Jonny Hopkins sagt, es sieht ziemlich kacke aus. Was verstehe ich nicht?










Nachklapp, etwa einen Tag später:



Ich weiß zwar immer noch nicht genau, was Spahn damit sagen will, wenn er sagt "Die Richtung stimmt!" (s.o.), aber es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn einer so stramme Parolen raushaut. 


Mittwoch, 1. April 2020

Cui bono Corona?



Es fällt uns unglaublich schwer, die vierzehntägige Phase zu überstehen, in der wir einfach nur abwarten müssen, welche Ergebnisse die bisherigen Maßnahmen gegen die Pandemie zeitigen. Gute Zeit für Legendenbildung, Verschwörungs- und sonstige Theorien. Hier ein flüchtiger Überblick über Dinge, die mir begegnet sind. Quellenangaben gipps nicht, da ich über vieles einfach weggeklickt habe.

1. Die globale Finanz-Oligarchie will das nächste, fällige Platzen der "Blase" vertuschen. 
Es widerspräche den bisherigen Erfahrungen, wenn die "globale Finanz-Oligarchie" nach einem koordinierten, schlüssigen Plan vorginge und / oder in der Lage wäre, einen Virus zu dienstbaren Zwecken zu lancieren. Allerdings entspricht es den bisherigen Erfahrungen, dass in einem Umfeld, in dem man profitabel auf das Scheitern von Staaten und Konzernen wetten kann, es den ganz großen "global players" ein Leichtes sein wird, aus der wirtschaftlichen Not und dem gesundheitlichen Leid der Menschen Profite zu schlagen. 

2. Der SARS-CoV-2 wurde staatlicherseits lanciert und wird in seiner Wirkung propagandistisch gepusht, um Menschenrechte auszuhebeln, insbesondere das Recht auf Datenschutz. 
Richtig ist, dass einige der Maßnahmen gegen die Pandemie unsere Grundrechte tangieren. Richtig ist weiterhin, dass Ohnehin-schon-Autokraten wie Orban, Erdogan usw. die Pandemie gerade als Vorwand benutzen, orgasmische Machträusche zu inszenieren und festzuschreiben. Aber sonst? Was für eine unelegante Art, den Planeten zu versklaven! Wozu brauche ich einen Virus, um Datenschutzgesetze auszuhebeln, wenn ich Facebook habe? Himmel nochmal, die Leute machen sich doch längst freiwillig selbst zum Dulli, da muss ich doch nicht noch mit einem unberechenbaren Virus nachhelfen.

3. Die Nazis waren's.
Yup, is' klar! Die Dummpfbirnen entwickeln per Zufall in einem Gen-Technik-Labor in Thüringen ein Corona-Update, infizieren sich absichtsvoll damit, fahren nach Wuhan und rotzen einen Flughund an. Typisches Vorgehen bei Nazis. 

4. Die Russen waren's.
Hat sich schonmal jemand gefragt, warum während des Kalten Krieges beide Seiten auf Tonnen extrem fieser biologischer Kampfstoffe gesessen haben, aber Abrüstungsverhandlungen im Wesentlichen immer nur um nukleare und konventionelle Waffen gingen? Vor der brutalen Unberechenbarkeit der biologischen Kampfstoffe hatten alle, die damit zu tun hatten, so dermaßen viel Schiss, dass sie sich lieber mit einer schönen, sauberen Kernwaffenexplosion auseinandersetzen wollten. Nein, ich glaube nicht, dass es die Russen waren.

5. Die Juden waren's.
Genau: Die Juden immer an allem Schuld. Was ich nie verstanden habe, ist, ob wir vom internationalen Finanz-Judentum oder von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung sprechen. Die müssten ja diametrale Interessen vertreten. Wem von denen nützt denn jetzt der Virus? Ein ungeklärter Widerspruch.   

6. Die Flüchtlinge waren's.
Das klingt richtig! Ich habe die Geschichte förmlich vor Augen: Kaum ist die syrische Familie in ihrer Heimat ausgebombt, lässt sie sich von einem eigens dafür abgeordneten Corona-Imam anrotzen, um dann 8.000 Kilometer zu Fuß und per Schlauchboot nach Wanne/Eickel oder Heinsheim zu wandern, um dort aktiv die Umvolkung dieses, unseres Landes voranzutreiben. Die Syrer sind so! Die werden schon von klein auf zu sowas erzogen! Alle! Es gibt keine Ausnahmen!

7. Gott will uns strafen!
Jawohl! Und verdient habt Ihr's, Ihr spießig-faschistoiden Seelen. Wie kann man nur einen so strafenden, bösen Gott anbeten? Ekelhaft! Und dabei ist es scheißegal, ob dieser Gott Gott oder Allah oder Jahwe oder Pupsi oder Papsi heißt. Zum Teufel damit!

8. Merkel war's.
Och nöö, jetzt hab' ich keine Lust mehr.


Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass dieser Scheiß-Virus in der Welt ist. Und ja, einige Leute werden daraus gnadenlos ihren Vorteil ziehen. Gegen den Virus muss man sich schützen, die Leute muss man verachten.

It's always the same, it's just a shame, that's all ...
























Dienstag, 31. März 2020

Gedankenspielereien


Natürlich ist es völlig widersinnig, aktuell irgendwelche verbindlichen Corona-Zukunfts-Szenarien einzufordern. Man betrachte das Dashboard von Johnny Hopkins. Man sieht, dass man nichts sieht, außer, dass sich die Kurven nicht ernsthaft abflachen, dass also das Risiko eines Belastungsbruchs der medizinischen Infrastruktur immer noch ins Haus steht.

Hinter dieser verniedlichenden technischen Metapher verbirgt sich der ethische Horror der umgekehrten Triage, der notwendigen Entscheidung, Patienten mit kritischen Symptomen nicht mehr zu behandeln und sterben zu lassen, damit weniger schwere Fälle vielleicht eine größere Chance bekommen.

Das Gerede um Ausstiegs-Szenarien aus dem shutdown mag zwar widersinnig sein, macht mich aber doch etwas nachdenklich. Wie wird das werden, wenn "die Kurve" tatsächlich so weit abgeflacht ist, dass die Kontakt-Restriktionen staatlicherseits wieder aufgehoben werden können?

Wird dann mein Dienstherr zu mir kommen und sagen: "Ey, S., wir haben jetzt wieder genug Betten auf den Intensiv-Stationen frei, Du kannst Dich mit Deinen 58, 59 Jahren wieder vor eine Klasse stellen. Zwar haben wir 1.300 Schüler*innen an dieser Schule und Du wirst Dir mit großer Wahrscheinlichkeit den SARS-Cov-2 einfangen, aber ein Bett und ein Beatmungsgerät stehen für Dich jetzt bereit. Dass Du stirbst, ist also eher unwahrscheinlich als wahrscheinlich. In jedem Fall bist Du anschließend immun, und falls Du überlebst, wirst Du Dich dann besser fühlen."?

Ich bin insgesamt gesehen recht gerne Lehrer, und jeder Gig im Klassenraum macht mir Freude, und ich vermisse die Routine und die Menschen und wünschte, diese ganze Corona-Chose wäre schnellst vorbei oder besser: nie passiert. Wenn ich in die Zukunft schaue, spüre ich derzeit noch keine corona-bedingten wirtschaftlichen Sorgen und gehöre daher - ich sage das in tiefer Demut und Dankbarkeit - zu einer privilegierten Minderheit.

Was mich im Hinblick auf meine Corona-Zukunft aber neugierig macht, ist, wie stilvoll oder weniger stilvoll meine Böberschten mir eines Tages mitteilen werden, dass das Risiko für mein kleines, unbedeutendes Leben in Relation zu meinem gesellschaftlichen Mehrwert den Faktor X oder 42 oder was auch immer erreicht habe und dass ich doch nun, bitteschön, wieder in die Bütt treten möge.

Das ist herrlich am Corona-Virus: Er fordert mathematisierbare ethische Entscheidungen.



 (Rembrandt van Rijn: Besazar; verändert via wiki commons)


Menetekel: Gezählt, gewogen und für zu leicht befunden. 

Ethik, die Lehre vom richtigen Verhalten, 
ist nicht quantifizierbar, 
man kann auch keinen Preis draufkleben. 

Aber sie ist trotzdem nicht beliebig!












Sonntag, 29. März 2020

Zahlenspielereien


Man sollte den Einwurf der Ex-MdB Lengsfeld ernst nehmen, Corona-Zahlen mit Grippe-Zahlen zu vergleichen: 25.000 Tote in 2017/18 in Deutschland versus knappe 500, Stand heute. Dass der Einwurf und die Schlussfolgerungen inhaltlich total schwachsinnig und in der Konsequenz gemeingefährlich sind, braucht hier nicht extra begründet zu werden, das ist durch namhaftere, kompetentere Leute längst hinreichend geschehen. Aber dass so ein Einwurf von populistischer Seite kommt, war erwartbar und ist ein merkenswertes Datum.

Dennoch. Mag man auch vor der böswilligen Blödheit der Vergleiche verzagen, reizvoll ist's schon, sich die Dimensionen zu vergegenwärtigen, denn man ist dann besser im Stande, die Reaktionen der Menschen ins Verhältnis zu setzen. 

Da wäre zum Beispiel die Spanische Grippe 1918/20: 25 bis 50 Millionen Todesopfer bei 500 Millionen Infizierten. Damals gab es aber auch nur weniger als 2 Milliarden Menschen. Schlimme Sache, aber in der Nachkriegszeit ging das ziemlich unter.

Attentate von 09/11: ca. 2990 Todesopfer. Wenn man sich überlegt, was für ein Bohei darum gemacht wurde ... Die Zahl sollte man sich merken, wenn es demnächst in irgendeinem Zusammenhang heißt, es seien ja "nur" 3.000 Tote. 

Auch interessant: Verkehrstote in Deutschland: 3089 in 2019. Nach immerhin über 20.000 jährlich Anfang der 1970er Jahre. Tempolimits, Gurtpflicht, Promille-Grenzen etc. wirken! Man kann also was gegen die Todesfälle tun, auch, wenn's der (Auto-)Industrie nicht gefiel!

In dem Zusammenhang: Tote bei Flugunfällen in 2019: 283 im Jahr. Bei durchschnittlich 106.000 Flügen pro Tag. Das gefährlichste beim Fliegen ist nach wie vor der Weg zum Flugplatz.

to be continued: GIYF!




  • Was die Populisten nicht verstehen: Im Falle einer Pandemie reden wir von einem DURCH VERNUNFT VERMEIDBAREN EXPONENTIELLEN WACHSTUM der Zahlen von Betroffenen und also auch der Todesfälle.
  • Was die Populisten nicht verstehen wollen: Den Teil mit der Vernunft.
  • Was die Populisten stattdessen machen: Den Leuten suggerieren, es sei ok und geradezu erwünscht, die un-vernünftige Verhaltensoption zu wählen, die so hübsch bequem ist und den Ergüssen des Stammhirns, wo sonst nur Atmen, Fressen, Saufen und Verdauen koordiniert werden, so sehr entspricht. 



(via wiki commons)
 









Mittwoch, 25. März 2020

Ein Rezept?


Ich erwische mich bei sehr merkwürdigen Gedanken: Mir gefällt es, unseren gewählten Vertreter*innen dabei zuzusehen, wie sie Macht ausüben. Wie sie ziemlich autoritär ziemlich offen ziemlich an die Grenzen der Legalität gehen, um dieser Pandemie und ihren Auswirkungen zu begegnen.

Zwar blicke ich stets kritisch darauf, zwar bin ich nicht mit allem restlos einverstanden, aber in der Summe ungewohnt positiv gestimmt. Wohlwollend sehe ich das Primat, das den medizinischen Fachleuten eingeräumt wird. Ich freue mich, dass man versucht, Gründe für Entscheidungen möglichst genau und transparent zu erklären und auch, wo Unsicherheiten und Unwägbarkeiten sind und wie man beabsichtigt, damit umzugehen.

Besonders freudig erregt bin ich ob der Tatsache, wie vollkommen abgemeldet und irrelevant die Populisten jedweder Couleur da plötzlich sind. Natürlich versuchen die Fascho-Dummbratzen, die Fundamentalisten, die psychopathen Allseits-Intoleranten ihren Mist dazwischenzublähen. Aber auf der Folie guter, kluger, ernsthafter Politik entlarvt sich taktisch gewollte Unterkomplexität selbst bei den dafür anfälligsten Idioten recht schnell.

Wenn Erwachsene ernste, drängende Probleme erörtern, ist der quengelnde Frühpubertierende mit der Karnevalströte kein gerngesehener Gast. 

Der Effekt findet globale Entsprechung. Zwar können wir nicht verstehen, warum Trump. Johnson, Bolsonaro, Duterte und Konsorten sich bislang so verhältnismäßig leicht an der Macht halten konnten, aber wer das Corona-Dashboard der John-Hopkins-Universität genau studiert, findet vielleicht Korrelationen zwischen den nationalen Fallzahlen, den Pandemie-Todesraten und der Frage, ob das jeweilige Land von einem Trump oder Mini-Trump beherrscht wird oder von einer Regierung, die nicht auf Populismus und "alternative Realitäten" setzt.

Kluges, entschlossenes, experten-basiertes Regieren, dazu selbstlose Übernahme konkreter Verantwortung (im Sinne der bewussten Inkaufnahme eventuellen Scheiterns und Übernahme ethischer Schuld und - in einer funktionierenden Demokratie - daraus resultierendem finalen Machtverlust), DAS scheint das Rezept gegen hirntote Braunbratzen zu sein.



















Montag, 23. März 2020

Ganz wichtig: Nicht vergessen!


Also, das ist ja der Gipfel der Ruchlosigkeit: Das corona-bedingte Schwächeln der doitsch-geführten Konzerne, in Sonderheit der Auto-Konzerne, soll offenbar von arabischen und / oder chinesischen Großaktionären für feindliche Übernahmen missbraucht werden! Aber da sei Gott vor, und damit meint die Autobranche sich selbst und schickt ihren all-time-unterwürfigsten Lakaien vor, den Scheuer Andy.

Und nun werden die armen, "finanziell durch die Krise geschwächte(n) Firmen", die "in Not geratene(n) Großunternehmen", die "ins Visier internationaler Investoren geraten" sind, durch Rettungsfonds der Bundesregierung, d.h. durch uns, durch jede*n Einzelne*n von uns, gepampert, bis der Arzt kommt.

Die Fragen sind bekannt:

Erstens: Welcher gemeine, brutale und und hinterlistige Lumpenhund hat unsere armen Konzerne eigentlich so vergewaltigt, dass sie gezwungen waren, weltweit und in erheblichem Rahmen Anteilsscheine zu verkaufen? Oder war da nur die kranke, unersättliche Gier der Vorstände und dann der Shareholder?

Zweitens: Ist die Kulturtechnik, Aktien zu kaufen, wenn sie billig zu haben sind, nur feindlichen - und das heißt hier offenbar ausschließlich arabischen und chinesischen - Aktionären zu eigen oder machen doitsche Institute so etwas umgekehrt etwa auch? Falls ja: Wie und warum wird das durch unsere Medien und Bundesregierung ethisch bewertet? Warum wird Geld der Solidargemeinschaft reingebuttert, um so etwas zu verhindern? Warum schützen wir global operierende Konzerne vor einer Praxis, die international anerkannt ist und die sie selbst anwenden und gutheißen?

Drittens: Leiden fremdländische Aktienunternehmen eigentlich weniger unter Corona als Mercedes und VW? Werden die Unternehmen in ärmeren Ländern von dem steuerzahlenden Teil der Bevölkerung ihres Landes auch so gepampert? Wenn nein: Wie kommen die dann klar? Besseres Management? Kann man diese Jungs und Mädels dann nicht für uns abwerben?

Viertens: Corona ist eine Pandemie, d.h., sie betrifft die ganze Welt gleichermaßen. Warum haben einige Unternehmen in einigen Ländern soviel freie Spitzen, dass sie eine feindliche Übernahme dieser nicht eben unbedeutenden Konzerne planen können? Kann es sein, dass andere trotz Corona besser wirtschaften, als Mercedes und VW? Ist Corona vielleicht gar nicht Problem? Wird hier vielleicht nur die Möglichkeit konstruiert und genutzt, mit der ganz großen Kelle Nettigkeiten zu verteilen?

Fünftens: Die Unternehmen werden doch ohnehin schon durch Rettungspakete und die Stützung ihrer Hausbanken ganz weitgehend von den Konsequenzen der Pandemie entlastet. Warum reicht das eigentlich nicht? Stehen die wirtschaftlich so grottig da? Wenn die so morsch und moderig sind, sollte man sie dann nicht besser verkaufen? Vielleicht ist eine feindliche Übernahme das beste, was passieren kann?

Letztens: Und wieso überhaupt Scheuer? Der Mann schauspielert den Verkehrsminister. Warum entblödet er sich nicht, hier aufzumucken? Als wäre nur die Auto-Industrie von Corona betroffen ...

Wir pampern die Banken, wir pampern die Auto-Konzerne, schwarze Nullen spielen plötzlich keine Rolle mehr ...  Ganz wichtig: Wir müssen uns das merken! Wir müssen jeden einzelnen Euro aufschreiben, der gerade rausgepulvert wird. Und wenn die ganze Nummer vorbei ist, dann sollen die Konzerne zurückzahlen, und dann finanzieren wir endlich mal alle Projekte, die ethisch und vernunftgemäß immer schon geboten, aber bislang angeblich nicht finanzierbar waren.

Niemals vergessen: Das Geld ist da! Viel Geld! Und es ist unser Geld, nicht das der Konzerne!



(stark verändert via I-net)



Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht mir nicht darum, die wirtschaftlichen Hilfen für corona-betroffene Menschen und Betriebe zu verdammen. Ich bin nur sehr überrascht, festzustellen, was für atemberaubende Summen da plötzlich verfügbar sind. Diese Überraschung resultiert aus der jahrzehntelangen Litanei unserer Plittikörr, solidarische, humane und umweltsichernde Projekte seien leider, leider nicht finanzierbar. Für die Zukunft wissen wir: Wenn Geld da ist, um Mercedes, VW und Banken zu retten, dann ist auch Geld für menschenwürdige Projekte da. 

Wir, die mündigen Bürger*innen dieses reichen Landes, qua Verfassung der oberste Souverän, müssen uns unseres Geldes nur wieder bemächtigen.