Gerade im aktuellen "Freitag" (12/2020) ein wunderschönes Essay von Paolo Rumiz gelesen, der seine pandemie-bedingte Klausur in Triest beschreibt und zu dem Ergebnis kommt:
"Werden wir die Lektion verstehen? Das Schlimmste kommt wahrscheinlich nach dem Virus. Wenn wir feststellen, dass alles weitergeht wie davor."
Klingt ein bisschen nach unserem 1945er Bonmot "Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich!", aber der Vergleich hinkt wohl. Nichtsdestotrotz wage ich die Vorhersage, dass wir, wenn der allergröbste Mist vorbei ist, wieder mal feststellen werden, dass es auf der einen Seite unsägliche Opfer gegeben haben wird, aber auch stille, aufopferungsvolle, ausdauernde Hilfsbereitschaft, viele individuelle Leuchtfeuer von Vernunft, Toleranz und Disziplin - und auf der anderen Seite einen kleinen Haufen skrupelloser Schurken, die die ganze Zeit über nur daran gearbeitet haben, aus dem weltweiten Leid maximales Kapital zu schlagen.
Wir werden feststellen, dass die Guten sich ihre Belohnung im Wesentlichen mal wieder werden selbst zusammenbasteln müssen ("Ich kann guten Gewissens in den Spiegel schauen / Wenigstens biste anständig geblieben..."), während die psychopathischen Egomanen unfassbar viel Kohle einfahren und damit ihre gesellschaftliche Macht und Unangreifbarkeit noch weiter zementieren.
Die, die wir jetzt als "die Guten" wahrnehmen, die Selbstlosen und Solidarischen, werden à la longue bestenfalls als nützliche Idioten, schlimmstenfalls als gesellschaftliche Loser dastehen. ("Für das mickrige Gehalt in der Pflege riskierst Du Dein Leben? Wie blöd muss man sein?!")
Bitte, bitte, lasst mich mit dieser Prognose falsch liegen!
Wie abgeranzt unsere Ethik inzwischen ist:
Man kommt sich schon blöd vor,
wenn man irgendwas Idealistisches macht.