Dienstag, 19. Februar 2019

Die notwendige Kunst aktiven Nicht-Verstehens



Heute wieder eins von diesen Gesprächen gehabt, man müsse die Leute verstehen, die auf die AfD reinfallen. Die fühlten sich vom Diskurs der Eliten ignoriert und von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt und forderten doch  nur, dass man sich erstmal um sie kümmere, bevor man dahergelaufene Migranten pampert.

Mir fällt dann immer nur die Rettung der HSH-Nordbank ein: 13 Milliarden Euro wurden den Steuerzahlern zur Rettung einer eher kleinen Bank aus der Tasche gezogen, bevor sie für eine Milliarde an eine US-Heuschrecke verkauft wurde. Die Menschen in den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein werden noch jahrelang darunter leiden, sehr real, nicht nur gefühlt. Und die HSH ist nur ein verhältnismäßig überschaubares, mittelgroßes Beispiel für Geschenke an die Konzerne. *

Warum kloppen die angeblich enttäuschten, abgehängten kleinen Leute nicht auf den wahren Gegnern rum, dem berühmten einen Prozent der Menschheit, das über 50 % der planetaren Ressourcen bestimmt und immer noch reicher wird? Warum werden nicht die wesentlichen gesellschaftlichen Problematiken thematisiert, sondern nur das wirtschaftlich vergleichsweise nebensächliche Thema der Migration?

Macht es einfach mehr Spaß, auf hilf- und schutzlosen Leuten rumzuprügeln? Sind die angeblich abgehängten Leute vielleicht vom Kapitalismus längst so korrumpiert, dass sie dieses System gar nicht angreifen wollen, selbst wenn sie begriffen, dass der scheinbar unkontrollierbar gewordene Markt für ihre Lage hauptverantwortlich ist? Warum greift die AfD nie die Konzerne an? Warum stoppen die global players nicht den Irren im Weißen Haus? Weil die thumben Massen damit so schön beschäftigt, so schön gegeneinander aufgewiegelt werden, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, sich nach dem tatsächlichen Feind umzuschauen?

Nee, liebe Leute, wenn ihr nur Aufmerksamkeit wollt und um die zu bekommen Euch nichts weiter einfällt, als auf  die Schwächsten einzuprügeln, wenn ihr euch freiwillig den Populisten unterwerft oder gar mit ihnen kollaboriert, dann könnt ihr stinken gehen. Dann bleibt dem denkenden Rest der Welt nur, euch zu verachten, und wenn ihr das dann elitär findet, bitteschön.

Wenn ihr hingegen irgendwann mal anfangt, nach den wahren Urhebern eurer gefühlt oder real miesen Lage zu suchen und wenn ihr womöglich internationalen, solidarischen, gewaltfreien Widerstand leisten wollt, dann, liebe Brüder*innen und Schwester*innen, seid willkommen, geherzt und geküsst.













* Ein Flüchtender kostet pro Aufenthaltsmonat 1.000 Euro. Man kann also eine Bank, die selbst eine Bilanzsumme von 77 Milliarden ausweist, mit weiteren 13 Milliarden Steuer-Euros pampern oder man kann einemillionunddreiundachtzigtausenddreihundertdreiunddreißig Menschen ein Jahr lang unterstützen. Natürlich entscheiden wir uns für die Bank! Das ist nicht mal drei Jahre her. Warum dreht niemand durch?







Montag, 18. Februar 2019

Wieder im Angebot: Die Erde ist eine Scheibe.


Ich weiß, ich sollte so nicht denken, aber ich find's richtig, richtig gut: Forscher haben herausgefunden, dass der Glaube, die Erde sei eine Scheibe, wieder fröhliche Urständ feiert und zwar, weil unglaublich viele pseudowissenschaftliche Videos auf Youtube diesen Glauben befeuern. Man sollte sich das Material nur in homöopathischen Dosen anschauen, denn nach einer Weile führt der Konsum des dogmatischen Schwachsinns zu echtem Unwohlsein. Unbedingt sollte man nicht nur die Videos, sondern auch die deutschsprachigen Flat-Earther-Foren anschauen, damit nicht etwa der Irrtum entsteht, soviel Hirntot könnten nur die doofen Amis.

Der Ausgangspunkt der gefährlichen Skurrilität ist natürlich der religiöse Fundamentalismus, genauer: Der Wunsch, auf Biegen und Brechen an einer wortwörtlichen Auslegung der abrahamitischen Schriften festzuhalten*. Interessanterweise folgt daraus, dass man sich grundsätzlich gegen Vernunft und Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode immunisieren muss, und das macht man heutzutage mit Verschwörungstheorien und mit Verschwörungstheorien über Verschwörungstheorien.






Um nämlich irgendeine Verschwörungstheorie plausibel zu machen, muss ich sie durch eine weitere stützen. Wer an die flache Erde glaubt, muss auch glauben, dass die Mondlandungen gefaked waren. Die Mondlandung zu faken, setzte aber voraus, mindestens 400.000 beteiligte Menschen zu manipulieren. Das ist zugegebenermaßen nicht einfach, sondern nur mit Hilfe von Chemtrails überhaupt möglich. Chemtrails setzen natürlich einen ganz und gar bösartigen "deep state" voraus, und Trump und alle Populisten profitieren von den damit verbundenen Ängsten genau so wie die abrahamitischen Fundamentalisten. 

Das Prinzip ist immer gleich: Je unglaubbarer der eine Schwachsinn ist, desto noch viel hanebüchener muss der nächste sein, der ihn erklärbar macht, und alle Einzel-Schwachsinnigkeiten stehen netzartig miteinander in Beziehung. Wer auch nur an einem Punkt zweifelt, gefährdet die ganze Konstruktion. Das erklärt auch, warum politische und religiöse Fundamentalisten eigentlich immer ganz gut miteinander können und warum Zweifler schon im Ansatz ausgemerzt werden müssen. Das ist im Iran nicht anders als in Polen oder in Israel.

Widerstehen wir dem Impetus, Plattformen wie Youtube wegen der Flat-Earther oder Reichsbürger oder Ufo-Spotter oder Katholiken oder Populisten oder Trumpisten oder Islamisten zu verurteilen oder sonstwie im Internet dagegen zu intervenieren. Diese Seiten zeigen doch ganz hervorragend, was das Internet ist und was nicht: Es ist ein Ort, an dem jeder Vollidiot seinen Seich ausbreitet und wo sich Vollidioten suchen und finden und einander den Bauch pinseln. Es ist kein Ort der Ratio oder des vernunftgeleiteten Diskurses.

Es ist gut, dass die Vollidioten einen Ort haben, sich weltöffentlich als solche zu bekennen. Und es ist gut, dass Leute, die doof genug sind, sich davon beeinflussen zu lassen, im Licht der Öffentlichkeit geistig vergiftet werden. Da kann man wenigstens nachvollziehen, auf welchem Wege die Scheiße in die Köpfe kommt. 

Wir reden so viel von Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Ich find's gerecht, wenn die selbstsicheren, überheblichen Doofen auf die Fresse fallen. Auf der anderen Seite sind die Chancen, vernunftgemäß zu leben, zu denken und zu handeln auch angemessen gleich verteilt: Jeder hat sie, es bedarf nach Alt-Vater Kant nur des Entschlusses, sie zu nutzen. Das ist ein absolut faires Angebot.













*Obwohl ja schon im AT widersprüchliche Angaben zur Gestalt der Erde auftauchen. Das interessiert die Flat-Earther aber auch nicht. Es geht, wenn man ganz tief analysiert, auch nicht um die Erdgestalt, sondern um die Ur-Frage der Macht: Wer darf wem seine Meinung aufzwingen?





Freitag, 15. Februar 2019

Heute nach dem Abrödeln


Heute war mal wieder Fliege-Wetter *. Wegen einer falschen Kameraeinstellung waren alle meine Luftaufnahmen Grütze, aber es gab sowieso nicht viel Erbauliches zu sehen. Alles ist noch ziemlich graubraun, die schüchternen Krokusse und Schneeglöckchen sieht man von oben nicht wirklich.



Beim Abrödeln ** des Flugzeugs gelang mir noch ein schöner Schnappschuss gegen die Sonne.

Besonders gut ist die geometrische Schränkung der Tragfläche erkennbar: Von der Mitte nach Außen wird der Einstellwinkel der Fläche geringer. Sollte der Pilot die Fläche so stark anstellen, dass der Luftstrom abreißt, so geschieht dieser Abriss zuerst in der Mitte. An den Flächenenden, die zum Steuern besonders wichtig sind, bleibt der Luftstrom länger erhalten. Der berüchtigte "Stall" des Flugzeugs kann vermieden werden. Bei modernen Drachentrike-Flächen (s.o.) passt sich die Schränkung der jeweiligen Fluggeschwindigkeit an. Dafür sorgen die speziellen Kunststofflatten, die den Flächen ihre Form geben und definiert flexibel sind.

Das ist eine unauffällige, schlichte Eleganz der Technik, die mich mehr beeindruckt, als ein A380 oder ein Eurofighter. Und ja: Die Zeiten, da solche Flächen aus Maurerplane, Tape und Draht bestanden, sind lange vorbei.



* "Fliege-Wetter" ist im Prinzip das, was man vor über 100 Jahren wohl als "Kaiser-Wetter" bezeichnet hat. Es bedeutet, dass angenehme Flüge möglich sind. "Flugwetter" betrachtet hingegen die meteorologischen Bedingungen aus fliegerischer Sicht. "Flugwetter" ist immer, selbst dann,  wenn es so miserabel ist, dass man nicht fliegen kann. Dümmliche Paradoxie, eigentlich!

** "Gerödel" ist Kleinkram. Funkgerät, Sitzbezug, Kamera baue ich vor dem Flug an (= Aufrödeln) und nach dem Flug wieder ab (= Abrödeln). Auch das Auftanken gehört für mich zum Abrödeln.




Donnerstag, 7. Februar 2019

Abflug


Ist ja auch schon lange her: 2007 erfüllt sich der niedersächsische Finanzminister Möllring (CDU) bei dem Jagdgeschwader in Wittmund "einen Jugendtraum" und lässt sich mit einer Phantom auf Steuerzahler-Kosten für 8.700 Euro pro Stunde über die norddeutsche Tiefebene gondeln. "Skandalöser Vorgang", "Amtsmissbrauch", "nicht hinnehmbar" dröhnen daraufhin die Böberschten der SPD-Opposition.

Gestern, 06.02.2019: Die Wittmunder SPD-MdB Möller lässt sich vom Jagdgeschwader in Wittmund mit einem Eurofighter auf Steuerzahler-Kosten eine Stunde lang über die norddeutsche Tiefebene gondeln. 

Fragen:

Dass PlittikörrInnen per definitionem kein Schamgefühl, kein ethisches Empfinden und keine Skrupel haben, ist ja klar. Das ist Teil ihrer Arbeitsplatzbeschreibung. Aber warum hat kein Berater der MdB Möller darauf hingewiesen, wie offensichtlich widersprüchlich ihr Verhalten ist? Wenn schon nicht der moralische Kompass, so müsste doch zumindest taktisches Kalkül so eine Aktion verbieten?

Möllring hat vor zwölf Jahren völlig zurecht mächtig Zunder bekommen, weil er so leichtfertig  Steuergelder zum Fenster rausschmeißt. Aber die Angebote für die Lustflüge kommen von der Bundeswehr, und die bucht das als Werbekosten.

Fragen: Was für eine Art Werbung ist das? Welche Aussage bleibt da in den Köpfen der Leute hängen? Was denken die SoldatInnen, die sich ihre Einsatzausrüstung für die Krisengebiete aus eigener Taschen kaufen müssen, wenn sie denn was Vernünftiges haben wollen? Für 8.000 Euro bekommt man schon gute schusssichere Westen, die in Afghanistan oder Mali Leben retten. Aber eine Stunde Privat-Spaß für Möller ist ja auch ein Realgewinn.

Apropos Gewinn: Ganz uneigennützig hat die BW gewiss nicht gehandelt. Welches konkrete Entgegenkommen erwartet denn die Bundeswehr von der Abgeordneten? Und wer muss die Kosten für die fälligen Gefallen tragen?

Kurz und schlecht: Wie ist es erklärlich, dass Frau Möller sich so eine Instinktlosigkeit erlaubt?
Hypothese 1: Sie ist Plittikörrin in Doitschland und als solche gewohnt, rücksichtslos alle denkbaren Privilegien* mitnehmen zu können, ohne, dass das tumbe Wahlvolk sie unverzüglich abstraft.
Hypothese 2: Der Zustand und die Prognosen der SPD sind dergestalt, dass es überhaupt keine Rolle mehr spielt, wenn namhafte Bonzen sich so völlig danebenbenehmen. Der Ruf ist so unwiederbringlich ruiniert ... blablabla ...
Hypothese 3: Der Zustand und die Prognosen der SPD sind dergestalt, dass es sogar höchste Zeit wird, noch ein bisschen Spaß zu haben, bevor der Laden dicht ist. Und wenn demnächst die übliche  "Aktion Abendsonne" anläuft, dann ist eine rechtzeitige Ranschmeiße an die Rüstungsindustrie immer hilfreich.
Hypothese 4: Das jahrzehntelange totale ethische Versagen aller Groko-Parteien führt beim Wahlvolk nicht zu Politikverdrossenheit, aber zu Plittikörrverdrossenheit. Die Erfolge der Demokratiefeinde werden damit befeuert. Ein weiteres Argument für Frau Möller, noch ein bisschen Spaß mitzunehmen, bevor der von ihr mitzuverantwortende Untergang der FDGO dem einen Riegel vorschiebt.**




(verändert via wiki commons)





* Privileg = Die besondere Rechtsprechung, die nicht für die Allgemeinheit, sondern nur für eine einzelne, ausgewählte Person gilt.

** Ja, das klingt ein bisschen pathetisch und hochgegriffen. Aber ich stehe tagtäglich vor dem Problem, jungen Menschen Beispiele für das Funktionieren unserer Gesellschaftsordnung liefern zu müssen. Soll ich denen wirklich sagen: "Diene Dich immer nur recht fleißig in der Hierarchie einer beliebigen Partei nach oben, dann kannste auch eines Tages fröhlich-sinnlos die Kohle verpulvern, die andernorts fehlt."? Oder soll ich sagen: "Ja, unsere Schul-Rechner sind total veraltet, aber wenn irgendwo 8.000 Euro übrig sind, dann muss die MdB dieser Region mal eben 'n Stündchen lustfliegen. Das musste einfach verstehen..."?

Der AfD wird es dadurch so verdammt einfach gemacht, zu sagen, das System müsse weg.




Sonntag, 3. Februar 2019

Tagebuch Venezuela (oder sonstwo)

Liebes Tagebuch!

Heute bin ich verwirrt.

Und das kam so: Seit Tagen verfolge ich beiläufig die ganzen Sachen über Venezuela in den Online-Portalen. Von Anfang an habe ich Vieles nicht richtig verstanden, weil Alles total widersprüchlich war, und immer, wenn ich versuchte herauszufinden, wer der Gute und wer der Böse ist, wurde es richtig schwierig.

Heute Abend sieht die Sache anscheinend so aus: Da ist ein dicker, alter Mann, der eigentlich links und sozialistisch ist, sich aber von dem Tarn-Nazi Erdogan unterstützen lässt und unterstützt wird, weil er (der alte Dicke) den Tarn-Nazi bei dessen Machtergreifung 2016 ebenfalls unterstützt hat, was für einen Linken ja eigentlich eine komische Sache ist.

Auf der anderen Seite gibt es einen jungen Dünnen, der als glorreicher jugendlicher Rebell und Freiheitskämpfer gegen die alten Machteliten dargestellt wird, aber von Oberarsch Trump und seinen Speichelleckern, den europäischen Konservativen einschließlich der SPD, gepampert wird. Ich glaube, wasauchimmer von Trump unterstützt wird, kann per se nur scheiße sein und ist damit für alle Ewigkeit korrumpiert. Die Nummer mit dem jugendlichen Rebellen ist damit erledigt.

Jetzt lese ich auch noch, dass der alte Dicke dem Tarn-Nazi auffällig viel Gold verkauft hat, damit der das illegal über die Grenze in den Iran verschiebt. Warum, zum Geier, unterstützen der Dicke und der Tarn-Nazi den Iran? Sind die einander nicht spinnefeind wegen ... äh ... der Kurden, die ... äh ... Achnein, es geht vielleicht darum, dass Trump, der den Dünnen unterstützt, gegen den Iran ist, weil er (Trump) von den Saudis, die einfach so gegen den Iran sind, ihm Geld und Öl dafür geben.

Vielleicht bin ich gar nicht verwirrt. Vielleicht sind die einfach alle bescheuert. Nein, viel wahrscheinlicher ist, dass allmählich immer klarer wird, dass es nur um kleine und große dreckige Machtspiele geht und dass die Inhalte, die in den Medien stets so betulich analysiert werden, dabei nur vorgeschoben sind und in Wahrheit überhaupt keine Rolle spielen.



(stark verändert via wiki commons)












Samstag, 2. Februar 2019

Hoffnung Jugend


Neulich für drei, vier Wochen peruanischen Austausch-Schüler in meiner 10. Klasse gehabt. Habe ihn gebeten, Info-Referat über sein Heimatland Peru zu halten. Er hat auch ganz bereitwillig eine PP-Präsentation erstellt und uns über Land & Leute berichtet.

Tage später, zu seinem Abschied, frage ich ihn, wie seine weiteren Pläne aussähen. Naja, meint er, eigentlich wollte er Informatik studieren. Aber, um ehrlich zu sein, ginge es seinem Land aufgrund jahrelanger Korruption und Misswirtschaft wirtschaftlich miserabel (was er in seinem Referat nicht erwähnt hat) und deshalb werde er "Economics" studieren, weil Peru solche Leute dringender brauche.

Leider reichten meine Sprachkenntnisse in Englisch nicht aus und die Situation war auch nicht danach, ihm vollumfänglich meine Bewunderung und neidvolle Anerkennung für diese selbstlose und solidarische * Einstellung auszusprechen. Hier hat doch tatsächlich ein 17-jähriger den guten JFK richtig verstanden: "Frag' nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern, was Du für Dein Land tun kannst."

Ganz naheliegend ist natürlich, den vergleichenden Blick auf unsere hiesige Jugend zu richten und mit alttestamentarischem Zorn mahnende Vergleiche herauszuschleudern. Aber das wäre völliger Quatsch. Wir erziehen doch, wo wir nur können, unsere Kiddos zu rücksichtslosen, nur auf sich selbst bezogenen, hedonistischen, unkritischen Geistern. Schaue ich mir die gesellschaftlichen "Vorbilder" an, die wir ihnen anbieten **, wundere ich mich vielmehr, dass die Gören nicht noch viel, viel bekloppter und bescheuerter agieren, als sie es ohnehin schon tun.

Lasst uns doch einfach zu einer kritischen Didaktik zurückkehren, d.h. lasst uns doch auch einfach mal (wieder) die Unterrichtsinhalte danach ausrichten, wo es gesellschaftlich am schlimmsten knirscht ***. Ich will die Kindlein schon lehren, aktiv Verantwortung zu tragen. Und sie werden es lieben, wirklich! Die Spießer hingegen nicht so sehr ...






Auch für mein Referendariat gilt: 
Es war ja nicht ALLES schlecht, damals ...









* Sollte man diese Einstellung "patriotisch" nennen? Nein. Zu missverständlich. Zu gefährlich. Das "Vaterland" um seiner selbst willen hochzujubeln, ist schwachsinnig und endet über das Motto "Right or wrong - my country!" zwangsläufig in Terror, Gewalt und Ethnoziden. Besagter Schüler ist übrigens Lichtjahre von dieser dümmlichen Form des Patriotismus entfernt, und eine übersteigerte Heimatliebe ist da auch nicht. Er sieht nur, dass es den Leuten dreckig geht und will was dagegen tun.

** An dieser Stelle hatte ich eine Liste von Beispielen, aber mir ist beim Tippen schlecht geworden, und so habe das wieder gelöscht.

*** Die Idee stammt nicht von mir, ist uralt. In meiner Ausbildung musste ich mal ein Referat zu Winkel R.: "Die kritisch-kommunikative Didaktik" halten. Das hat mich nie wieder losgelassen.



Montag, 28. Januar 2019

Schmerzliche Erkenntnis

Wer bestrebt ist, sich nicht im Dogmatismus festzufahren, muss beim Denken und Verhalten risikobereit sein, d.h. die Möglichkeit negativer Ergebnisse tolerieren.

Vor ein, zwei Jahren habe ich der papiernen Tagespresse entsagt, der einzig hier auf dem Lande morgendlich verfügbaren Provinz-Postille das Abonnement gekündigt, da sie im überregionalen Politik-Teil immer wieder und immer mehr rechtspopulistische Agitation verbreitete. Nun, nach langer Enthaltsamkeit, erhielt ich ein Probe-Angebot eines anderen Regionalanbieters, von dem ich zwar wusste, dass er unter derselben Fuchtel steht, aber vielleicht ja doch ... siehe oben.

Die Antwort lautet "Nein", das heißt, ich habe 9,50 Euro für ein vierzehntägiges Probeabo ein und desselben rechtsspießigen Populisten-Blattes rausgepulvert. Ich würde mir vor Wut ein Monogramm in den After beißen, wäre ich beweglich genug. Da ich es aber nicht bin, beruhige ich mich mit der Autosuggestion, dass ich eben ein optimistischer, undogmatischer, toller Hecht bin, der auch dem größten Drecksblatt noch eine Chance gegeben hat und der nun mit umso mehr Berechtigung konstatieren kann, dass ein Abonnement der Nordwest-Zeitung oder einer ihrer Regional-Ableger bedeutet, demokratiefeindliches, antieuropäisches Gedankengut zu unterstützen.

Und falls jemand meine Beurteilung für zu drastisch empfindet, empfehle ich folgende Vier-Schritt-Prüfung regelmäßig zu wiederholen:

  1. Lies die aktuellen Texte von Breitbart, dem ideologischen Obereinpeitscher-Portal der Demagogen, denen es gelungen ist, Trump als ihre POTUS-Marionette zu installieren.
  2. Lies "Russia Today Deutsch", das Propaganda-Portal Putins für Doitschland und Europa.
  3. Schnüffel die letzten Flatulenzen der AfD und aller anderen antidemokratischen und antieuropäischen Populisten weg.
  4. Und dann lies den jeweils letzten Kommentar von Alexander Will, dem Stürmer-Rechtsaußen der Nordwest-Zeitung und aller anhängenden Provinz-Blätter.

Finde Beweise gegen folgende Hypothese: Die Führungs-Camarillas der Amis und der Russen sowie aller Diktatoren bomben kontinuierlich propagandistisch gegen unsere FDGO und gegen ein vereintes, solidarisches Europa. Die europäischen Populisten sind dabei willfährige Kollaborateure, und Provinz-Propagandisten wie Will und Konsorten nähren sich kümmerlich von der Transkription der tiefbraunen Ausflüsse.

Es tut mir in der Seele weh, aber: Der gute alte, allseits kritische Journalismus, in traditionellen Zeitungen, so richtig auf Papier und so, ist tot. An der Illusion festzuhalten, es gäbe hier einen Hort des notwendigen Widerstandes gegen Fake News und gegen die Populisten, wäre dumm und gefährlich.





(stark verändert via wiki commons)










Samstag, 26. Januar 2019

Don't know much about Kunstkritik ...


Vor einiger Zeit zappte ich zufällig in "Das fünfte Element" und fand's gut. Bestellte mir die DVD und, ja, immer noch gut, aber anscheinend hängt es sehr von meiner Stimmung ab, wie fett aufgetragen Trivialität, auch selbstironisch verbrämte, ich ertrage.

Da mir die DVD-Sammlung also wieder ins Blickfeld geraten war, stellte ich fest, dass es eigentlich nur ganz wenige Filme gibt, die ich, in angemessenen zeitlichen Abständen, immer mal wieder gerne anschauen wollen würde. Viele andere werden durch mehrmaliges Anschauen immer öder und man fragt sich irgendwann, wie man so einen Mist überhaupt jemals gut finden konnte.

Völlig jenseits aller ästhetischer Theoriebildung und offiziöser Kulturkritik und durchaus ansprechbar für Triviales und die Darstellung knappst textilierter Frauen, scheint's, als wüsste etwas in mir immer genauer zu unterscheiden, was kurzlebiger Müll und was zeitlose Kunst ist.

Trivial, nicht-trivial, scheißegal. Was Du auch nach Jahren immer wieder sehen, lesen, hören magst, kann nicht schlecht sein.






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Natürlich nur das Original!









Samstag, 19. Januar 2019

Viel Feind.


Von Zeit zu Zeit les' ich ganz gern die für Deutschland bestimmte Ausgabe des Online-Portals von Russia Today. Es gibt dort kaum verbrämte Putin-Propaganda, die zwar wegen ihrer kleingeistigen und primitiven Machart ekelerregend ist, aber andererseits hübsch offen zeigt, welche mittelfristigen Ziele die Putin-Camarilla verfolgt und was sie uns gerne glauben machen möchte.

Möge sich die geneigte Leserin, der geneigte Leser selbst ein Bild machen, meinesteils beobachte ich  mit besonderem Interesse und besonderer Sorge "RT's" Bestreben, das vereinte Europa zu sabotieren. Warum unterstützt RT so überdeutlich die antieuropäischen und national-egoistischen Bestrebungen der Rechtsradikalen Europas, vor allem der ehemaligen Warschauer-Pakt-Genossen, warum die große, rassistische Aufmerksamkeit gegen Migration und Asylsuchende, warum das explizite Eintreten für den Brexit*?

Was lustig ist: Mit den andauernden Versuchen, das gemeinsame, einige Europa zu verhindern, steht Putin Seit' an Seit' mit den Amis und den Chinesen. Wäre es für uns nicht so absolut schädlich, könnten wir uns über das darin enthaltene Kompliment freuen.

Und natürlich müssen wir Europäer*Innen uns fragen, wie lange wir uns die Nummer noch widerstandslos gefallen lassen. Zeit für klare Bekenntnisse, oder? 





(verändert via wiki commons)
Zwölf Sterne, die EU-Flagge. Ja, wir hätten uns auf die zwölf wichtigsten, die solidarischsten, freiheitlichsten und demokratischsten Staaten beschränken sollen. 27 ist zu viel. Lassen wir jene, die sich mit der europäischen Kultur nicht mehr identifizieren wollen, mit freundlichen Grüßen gehen.






* Beim Brexit begehen Putins Lautsprecher allerdings aktuell einen strategischen Fehler: Sie unterstützen den "harten Brexit". Das ist falsch, ganz, ganz falsch! Wenn die Briten hart ausstiegen und die Folgen zu spüren bekämen, würde das den Zusammenhalt der Rest-EU stärken. Wenn man jetzt doch noch auf windelweiche Kompromisse hinarbeitete, wenn die Briten mit ihrem jahrzehntelang offen zur Schau getragenen Egoismus, ihrer ewigen Taktiererei und ihrer konsequent unsolidarischen Art wieder einmal durchkämen, dann, ja dann fände das selbstverständlich Nachahmer. Ein weiterer Sargnagel für die EU, ein großer.







Samstag, 12. Januar 2019

Glück hat seinen Preis. Gut so!


Ein ganz großartiges Buch, Trentmanns "Herrschaft der Dinge", über die Sozialgeschichte des Konsums.


Man wird nur regelrecht von interessanten und wissenswerten Fakten überrollt, es ist eines von den Büchern, die man zweimal lesen kann und muss.

Ich stecke in den letzten Zügen der Erstlektüre und scheitere daran, eine Textstelle wiederzufinden, die mir weniger beim Erstlesen, dafür um so mehr beim Nach-Denken auffiel. Da zitiert Trentmann  eine Quelle*, laut der ab einem jährlichen Einkommensüberschuss von 15.000 $ über Grundbedarf eine weitere Zunahme individuellen Glücksgefühls durch weitere Einkommenssteigerungen nicht signifikant nachweisbar sei.

Einfacher formuliert: Wenn ich meine Ausgaben für Wohnen, Essen und Kleidung, Kommunikation refinanzieren kann und dann etwa 13.100 Euro pro Jahr oder 1.092 Euro pro Monat übrig habe, bin ich materiell maximal glücklich, weitere Erhöhungen meines Salairs machen mich nicht glücklicher.

Mir ist absolut klar, dass diese Gedanken für arme Menschen wie blanker Zynismus wirken. Es gibt aber auch sehr viele Menschen, die oberhalb dieser Grenze leben und trotzdem dauernd rumnöhlen und nach immer mehr lechzen.

Die Bedenken seien dahingestellt, meinetwegen auch die Zahlen und die Methoden der empirischen Sozialforschung, das muss natürlich alles hinterfragt werden. Aber das Prinzip finde ich außerordentlich bedenkenswert. Setzen wir doch einfach mal die 13.100 € p.a. als Platzhalter für einen Wert, mit dem ich materielles Glück mathematisierbar mache. Was folgt daraus?

Erstens: Ich kann über meine eigenen materiellen Ansprüche vergleichend nachdenken.
Zweitens: Ich kann über meine Definition von Grundbedürfnissen nachdenken. Erreiche ich vielleicht die 13.100 Euro Überschuss deshalb nicht, weil meine Ausgaben für Wohnen, Essen, Kleidung etc. zu hoch sind? Kann ich daran vielleicht was ändern?
Drittens: Um die Schallgrenze von 13.100 Euro zu erreichen, kann ich mich beruflich stärker engagieren, um mein Einkommen zu steigern. Ich kann aber - bei gleichbleibendem Einkommen - auch versuchen, die Kosten für meine Grundbedarfe zu senken, und ich kann mich im Extremfall sogar zu einem konsequent minimalistischen Lebensstil entschließen, der mich dann gleich aus mehreren Gründen glücklich macht.
Viertens: Ich kann also über die Sinnhaftigkeit erhöhten beruflichen Engagements nachdenken. Arbeite ich an dem, was mir Spaß macht? Oder gehöre ich zu der ganz überwiegenden Mehrheit, die in einem alltäglichen globalen Rattenrennen mitläuft, um Geld zu verdienen, um Sachen zu kaufen, die man nicht braucht, um Leute zu beeindrucken, die man nicht mag? **
Fünftens: Trifft für mich vielleicht der Wert von 13.100 gar nicht zu? Habe ich, wenn meine Grundbedürfnisse sowieso befriedigt sind, vielleicht schon bei 10.000 Euro Überschuss das Gefühl, eigentlich genug zu haben? Oder bei 8.000?
Sechstens: ...

Da zeichnet sich ein Prinzip ab, oder? Wenn ich materielles Glück quantifiziere, wenn ich ihm einen absolut Wert zuweise, beende ich damit die eklige, kommerzgetriebene, unethische, erniedrigende, instinktbasierte, hirntote, autokatalytische Jagd nach immer mehr. Es ist völlig schnuppe, wo dieser Wert ganz genau liegt, auf tausend oder zweitausend Euro kommt es da gar nicht an. Wenn aber jemand jährlich 100.000 Euro mehr erarbeitet, als er zum Leben braucht und wenn gleichzeitig allgemein bekannt ist, dass bei spätestens 13.000 oder 15.000 Euro die Sinnhaftigkeit aufhört, dann steht "Mister 100.000" plötzlich wie der totale Volltrottel da.

Was für ein ausgesprochen befriedigender Gedanke!

Was für ein herrlicher Start in eine intelligentere, vernünftigere, nachhaltigere, sozialere, kurz: bessere Zukunft!



(stark verändert via wiki commons)






* könnte auf einer Studie von Deaton basieren.

** angeblich nach Alexander von Humboldt