Freitag, 7. Dezember 2018

Wie dümmlich darf Propaganda sein?


Interessante Berichterstattung über Huawei in unseren öffentlich-rechtlichen Kanälen. Der chinesische Internet-Konzern ist im Internet und rundherum außerordentlich erfolgreich, (Zitat:) "ist zum zweitgrößten Smartphone-Hersteller der Welt aufgestiegen, bietet außerdem Unternehmen seine Cloud-Dienste an und managt deren Datenverkehr. Den Aufbau des künftigen Mobilfunkstandards 5G wollen die Chinesen begleiten, und sie arbeiten zum Beispiel mit Daimler an der Entwicklung des autonomen Fahrens. Bei all diesen Aktivitäten fallen riesige Datenmengen an – wo die am Ende landen, weiß niemand, aber Vermutungen gibt es natürlich. Großbritannien etwa lässt Huawei durch seinen Geheimdienst beobachten und es ist anzunehmen, dass die übrigen westlichen Staaten dies ebenfalls tun."

Ich verstehe, dass ich jetzt empört und verängstigt sein soll und die Chinesen im Allgemeinen und Huawei im Besonderen hassen muss. Aber ich verstehe nicht, warum. Huawei tut nichts, was US-Konzerne nicht schon längst und viel länger und viel schlimmer praktizieren.

Drei Fragen:

  1. Merkt wirklich niemand, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird und dass den Chinesen, nur weil sie Chinesen und nicht US-Amerikaner sind, etwas vorgeworfen wird, was im Westen immer schon, spätestens aber seit dem "Patriot Act" 2001, globale, illegale Routine ist?
  2.  Fällt niemandem die zeitliche Koinzidenz der Festnahme der Huawei-CFO und des Strafexerzierens  deutscher Autobosse beim POTUS auf? Ist die Verschwörungstheorie, die Trump-Junta attackiere nun sämtliche privatwirtschaftliche global-players, die eine Konkurrenz der US-Konzerne darstellen könnten, ganz und gar abwegig? 
  3. Bin nur ich alleine angeekelt von der speichelleckerischen, kritiklosen Willfährigkeit, mit der unsere Öffentlich-rechtlichen jeden menschenrechts- und demokratiefeindlichen, unilateralen Auswurf des kranken Mannes im Oval Office verbreiten?
Es ist nicht schade um den Untergang des professionellen Journalismus, wenn er denn ohnehin nicht antritt, die Mächtigen zu kontrollieren und zu kritisieren.





(verändert via archives.org)
Streiche: Juden, setze: Chinesen.
Man erlaube mir, mich auch für unsere rezenten Journalisten fremdzuschämen.





Postscriptum v. 08.12.2018: Der Vorwurf gegen Huawei lautet, der Konzern habe sich nicht an die Iran-Sanktionen gehalten, die Herr Trump im Alleingang ausschließlich nach US-Recht eingeführt hat. Es gibt weder internationale noch UN -, noch sonstwie multilaterale Beschlüsse, und die Vorwürfe gegen den Iran, aus denen diese Sanktionen resultieren, sind bestenfalls windig.




 

Sonntag, 2. Dezember 2018

Sentimental journey


Jestern Hunderte alter Familien-Dias bei und mit meinen Eltern geschaut. Darunter zeigen vier, fünf meinen damaligen Freund B. Ein Schatzkästchen von Erinnerungen und späten Erkenntnissen öffnet sich.

B. und ich waren beide acht Jahre alt und hatten einander lieb, in einer Zeit und einer Art, bei der man natürlich nicht hinterschicken musste, dass das natürlich nichts mit Erotik o.ä. zu tun habe, sondern nur bedeutete, dass wir das Zusammen-Sein sehr genossen. Da musste gar nicht drüber geredet werden, so kristallklar war das.

Deshalb war ich auch nur einen halben Schritt hinter B., als er von einem schwerst-alkoholisierten Autofahrer aus seinem und meinem Leben gefetzt wurde. Ziemlich furchtbare und blutige Erinnerungen tauchen auf. Blöd auch, dass B. nicht sofort richtig tot war, sondern nur hirntot, so dass am nächsten Morgen eine ethische Entscheidung getroffen werden musste, die Maschinen abzuschalten. B.s Mutter, am Abend davor verständlicherweise völlig durchgedreht, frug schließlich, warum es denn ihren Sohn erwischt hätte, und nicht mich. Das Verhältnis zwischen B.s Eltern und meinen rutschte, Verständnis hin oder her, schlagartig auf einen Wert unterhalb des absoluten Nullpunkts.

Ich schwöre, jetzt kommt nichts Weinerliches. Aber die Frage hat mich damals auch umgetrieben. B. war klüger, viel sensibler, nachdenklicher und netter als ich. Warum er? Oh, ich habe nie gewünscht, an seiner Stelle zu sein. Die Option existierte nicht, und ich habe sie damals nicht mal theoretisch erwogen. Da bin ich, bei aller Liebe, sehr unsentimental und pragmatisch, sowohl als Achtjähriger als auch als Sechsundfünfzigjähriger.(*1)


Damit zurück zum "Schatzkästchen von Erinnerungen und späten Erkenntnissen" (s.o.). Die Erinnerungen lassen wir mal weg, das ist mein Privatkram.

Mir ist gestern Abend bewusst geworden, dass ich seit B.s Tod über Themen wie "Gerechtigkeit", "Schicksal" etc. etc. nachdenke. Als Achtjähriger bist Du natürlich auf der Suche nach den Funktionen, nach denen die Welt tickt. Du willst die Regeln herausfinden.

Und, Erkenntnis numero uno, Gerechtigkeit gehört nicht dazu.

Erkenntnis numero due: Das Konzept vom göttlichen Lenker, vom "lieben Gott" war mit B.s Tod auch vom Tisch. Allerdings habe ich mit großem Interesse und stets "sehr gutem" Erfolg am Religionsunterricht teilgenommen - zum Schluss nur noch, um wirklich ganz sicher zu sein, dass "göttliche Gerechtigkeit" nichts weiter ist, als ein Bullshit-Konzept, um die Massen ruhig zu halten. Nein, konfirmiert bin ich nicht.

Erkenntnis numero tre: Ich war damals äußerst empört, dass der Besoffene, der B.s Tod verschuldet hat, mit einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe davonkam, weil, gerichtliche Begründung, sein Besoffen-Sein strafmildernd angerechnet wurde. Zweifellos eine Folge dieser Geschichte: Schon als achtjähriger Knabe begann ich, eine sehr enge, fast schon brutale Definition der Begriffe "Verantwortung" bzw. "Eigenverantwortung" zu entwickeln.

Letzte Erkenntnis, passend zu "Spätfolgen" und "Verantwortung": Bin ich traumatisiert? In einer früheren Fassung dieses Textes habe ich B.s Unfall detailliert beschrieben, und es war wirklich fies. Und dass mir nahestehende Menschen auf ganz erbärmliche Weisen starben, erlebte ich anschließend noch ein paar Mal, ein Mal ganz besonders schlimm und ganz besonders nah. Ja, natürlich bin ich traumatisiert. "Trauma" meint eine "lange nachwirkende Verletzung"(*2). Wie stumpf soll und muss man denn andernfalls sein? Wie stark B.s Tod mich verletzt hat, habe ich jahrzehntelang nicht aktualisiert, erst gestern durch die Fotos ... Aber "Trauma" heißt nicht zwingend, dass mein alltägliches Leben in sozial-auffälliger Weise tangiert ist. Die Erinnerung an B.s Tod ist überhaupt nicht vergleichbar mit z.B. einem appen Bein. Die Dinge prägen uns. Es sind die Narbenmuster, die uns zu Individuen machen. Möchte ich sie missen? Auf keinen Fall!



 (RCAF-Spitfire, 1942; verändert via wiki commons)




 (*1) Fragt jetzt nicht, wie ich wohl entschieden hätte, wenn es eine Option gegeben hätte. Ich behaupte, derartigen Fragen können immer nur retrospektiv beantwortet werden.

(*2) Die schönste mir bekannte Trauma-Geschichte ist die einer Italienerin, die 2012 angab, sie sei traumatisiert vom Untergang der "Titanic", weil ihre Großmutter ihr so oft erzählt habe, dass deren Bruder, also der Großonkel, hundert Jahre vorher mit der "Ttanic" untergegangen sei. Wohlgemerkt war besagte Großmutter nicht mit an Bord, sondern viereinhalbtausend Kilometer entfernt auf dem Trockenen. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wer für das Trauma der Enkelin zahlen muss:

  • A.) Die Großmutter, da sie so fahrlässig ihre Enkelin mit zusammenfantasierten Geschichten traumatisierte.
  • B.) Die Eltern, die offensichtlich nicht rechtzeitig eingriffen.
  • C.) Die Cunard-Line, die die "Titanic" betrieb.
  • D.) Die Betreiber der "Costa Concordia", anläßlich deren Unterganges bei besagter Enkelin die ganze Geschichte wieder hochkochte.  
  • E.) Die Journaille, die aus niederen Motiven Trauma-Stories pusht.
 Mehrfachantworten sind möglich.


















Freitag, 30. November 2018

Schluss damit.


Lese gerade Kretschmanns "Worauf wir uns verlassen wollen", Untertitel "Für eine neue Idee des Konservativen" (Fischer, 2018). Kretschmans Versuch, wahrhaft Erhaltenswertes in Politik, Kultur etc. von einfach nur Spießigem, Verknöchertem, Rückwärtsgewandtem zu trennen, ist klug und löblich, aber beim Lesen befiel mich eine seltsame Ungeduld. Mir dämmerte: Das ist alles Quatsch. Konservativismus ist immer und grundsätzlich Quatsch.

"Konservativ" bedeutet, Bestehendes zu bewahren. Und bei genauer Betrachtung haben wir praktisch nichts, was wir konservieren sollten.

Ich beginne mit dem Beispiel, das mich selbst am stärksten betrifft: Hochtönend schwadronierte ich (auch hier, auf diesem Blog), ich sei ja, ach, so verfassungskonservativ. Das mag stimmen. Aber nur, wenn es darum geht, unsere Verfassung gegen jene Dummbratzen zu verteidigen, die sie abschaffen und durch etwas viel, viel Schlechteres und Menschenverachtenderes ersetzen wollen. Andererseits enthalten FDGO bzw. GG bzw. die Menschenrechts-Charta noch unglaublich viele Macken. Allein die Tatsache, dass unsere Politik, unsere Gesellschaft in dem Zustand sind, in dem sie sind, beweist, wie unendlich viel da noch nachgearbeitet werden muss. Es gibt keinen Grund, unsere Verfassung zu konservieren, zu bewahren, wie sie ist. Es gibt ein paar Gründe, die bisherigen Errungenschaften nicht wieder kaputtmachen zu lassen, aber sonst? Da muss ganz viel verändert werden!

Oder unsere Geschichte: Jaja, ich beziehe mich ja mitunter sehr positiv auf den "Alten Fritz", auf Goethe, Kant u.v.a.m. Aber aus jenen Epochen oder auch nur von jenen herausragenden Individuen etwas geistig konservieren zu wollen? Nee, also dazu waren sie, jeder für sich, dann doch zu arschig. Und es gibt keine einzige Epoche unserer lokalen, regionalen, nationalen, europäischen oder globalen Vergangenheit, die - auch nur in Teilen - des Konservierens würdig wäre. Es ist skandalös und ernüchternd, wie langsam wir uns geistig weiterentwickeln, aber wir entwickeln uns. Mir fällt jedenfalls keine Epoche ein, in der ich ruhiger, entspannter, behüteter leben könnte, als unsere gegenwärtige.

Ein weiteres Beispiel ist die Umwelt, die erhalten werden soll. Jaaa - neeh! Zweifellos wäre es klug, wenn wir eine Umwelt erhalten würden, in der wir als Menschen menschenwürdig, d.h. mit Lust und Freude, leben könnten. Im Moment sieht es aber so aus, als würde unsere evolutionäre Programmierung, blinder Egoismus, blutgierige Unersättlichkeit, gepaart mit fiesen, hinterhältigen kognitiven Fähigkeiten uns qua Über-Angepasstheit ins biologische "Aus" manövrieren. Das ist prinzipiell nix Neues: Der Säbelzahntiger starb aus, weil immer größere Eckzähne zwar sexy wirkten, ihn aber schließlich verhungern ließen, der eiszeitliche Riesenhirsch brachte dieselbe Nummer mit seinem Geweih und der Riesen-Hai Megalodon wurde einfach so immer größer, bis plötzlich kleinere Haie ihm das Essen wegschnappten. Und wir werden immer cleverer, immer opportunistischer, und obwohl wir uns damit in die Grütze fahren, können wir dieses Verhalten offenbar nicht abstellen. Wenn ich richtig, richtig natur- und umweltkonservativ wäre, müsste ich das sogar begrüßen. Und die paar Lebewesen, die den Abgang unser Art überleben, werden darob in der Tat sehr erleichtert sein.

Kretschmann erarbeitet dann noch aktualisierte Konservativismus-Definitionen für Familie, Religion, Nation usw., aber das fand ich eher langweilig, da hat mein alter Kumpel, der  Dalai Lama, schon viel früher viel schlauere Sachen viel genauer auf den Punkt gebracht.

Kurz: Alles Festhalten ist grundsätzlich schlecht. Von nun an möchte ich nicht mehr konservativ sein. Nicht mal als Abwehr gegen die Bekloppten, die uns unbedingt nach 1933, ins Mittelalter oder die Steinzeit zurückführen wollen.

Statt früheren Vorbildern zu folgen, sollten wir wieder mehr kreative Energie darauf verwenden, eine eigene, neue, friedliche, fröhliche, menschliche Utopie zu leben.

 





 (verändert via wiki commons)







It's okay to start again cause change is gonna come
Nothing ever stays the same, it's not like we're still young
Let's blow it up and burn it down so we can start anew
No fear of change, no fear of the unknown.

All my hopes and memories are blowing in the wind
I started off with nothing and I'm back here once again ...


Amy Macdonald: From the Ashes







Samstag, 24. November 2018

Fragen zum Kinderfernsehen


Jemand hatte mir "Weihnachtsmann &Co KG" ans Herz gelegt, eine Zeichentrickserie für Kinder, die derzeit mit neuen Folgen auf Super-RTL startet. Zur Abwechslung, aus purer Neugier und zur Prokrastination in anderer Sache schaute ich mir die aktuelle Folge an. Ganz miserabler Plot, völlig dumm, und selbst als perverser Abklatsch der durchaus empfehlenswerten, süßen "Caillou"-Serie unbrauchbar.

Schwachsinns-Serien und RTL gehören unverbrüchlich zusammen, daher hatte ich keine Erwartungen, die enttäuscht werden konnten. Eingerastet bin ich allerdings an der Stelle, da der Bösewicht "Grantelbart" seinen side-kick als "Spastiker" beleidigte.

Es braucht hier jetzt überhaupt nicht diskutiert zu werden, wie vollkommen untragbar und eigentlich und bislang undenkbar so etwas ist. Diesen Teil können wir, hoffe ich, überspringen, da er für normaldenkende und -empfindende Menschen selbsterklärend ist.

Die Frage nach den Ursachen beschäftigt mich aber sehr, und folgende Hypothesen sind mir dazu bisher eingefallen:

Hypothese 1: Die SynchrontexterInnen versuchten eine billige Ranschmeiße an das, was sie für Jugendsprache hielten. Entweder sind sie so abgrundtief dämlich, gar nicht zu wissen, dass eine spastische Lähmung ein ziemlich fieses Handicap ist oder sie wissen es, sind aber hirnzerfetzend ethikfrei.

Hypothese 2: Die SynchrontexterInnen sielen sich darin, politisch unkorrekt sein zu dürfen, in dem sicheren und arroganten Bewußtsein, dass ihre ZuschauerInnen noch einen ganzen Zacken dämlicher sind als sie selbst und dass von RTL-Guckern intelligible Reaktionen, wie z.B. kritisches Bewusstsein und / oder Mitgefühl  grundsätzlich nicht zu erwarten sind. 

Hypothese 3: Die SynchrontexterInnen begrüßen die mit dem Privatfernsehen seit je einhergehende Verrohung und Verdummung der Massen, leisten dem aktiv Vorschub und haben beschlossen, dass es trump-sei-dank wieder salonfähig ist, auf den Schwachen und Wehrlosen dieser Gesellschaft herumzuhacken, z.B. den Menschen mit Behinderungen. Im nächsten Schritt sind dann wieder die Ausländer, die Juden, die Homosexuellen und die Linken dran.

Hypothese 4: Die Privatsender sind per definitionem profitgeil und haben folglich längst keine Drehbuch-Lektoren, keine Regie, kein Vieraugen-Prinzip mehr, und falls doch: Waren die also alle mit dem Text einverstanden?

Wie gesagt: Dass sind nur Hypothesen. Allerdings fallen mir keine Sachverhalte ein, die die Schlussfolgerung, dass die RTL-Leute allesamt dumme Arschlöcher sind, entkräften könnten.








Wie kommen die gescheiterten Medien-Existenzen von RTL wohl auf die Idee, dass 










Freitag, 23. November 2018

Die letzten ihrer Art






Neulich nochmal einen richtigen Brief bekommen! So richtig aus Papier! Und offensichtlich hat da ein oder haben da mehrere Menschen so richtige persönliche und fünffältige Mühwaltung betrieben:

  1. eine richtige, wohlausgesuchte Briefmarke, kein Frankiermaschinenstempel, 
  2. ein handaufgeklebter Aufkleber  "BY AIR MAIL"
  3. ein handgesemmelter "FRAGILE"-Stempel 
  4. ein maschinengedrucktes aber handaufgeklebtes Adress-Etikett
  5. ein maschinengedrucktes aber handaufgeklebtes Absender-Etikett auf der Rückseite.
Dabei habe ich nur zwei mickrige Aufkleber für mein Flugzeug bestellt, nicht eben der überwältigende Umsatz.

Sollte sich jetzt noch herausstellen, dass dieser Brief von einem richtigen Menschen zu einem richtigen Post-Office getragen wurde, dann werde ich die freudig-nostalgische Erregung nicht bei mir halten können. Was für ein herrlicher, entschleunigender Lichtblick in uns'rer sonst so entmenschlichten Schnellficker-Kultur!

Und dann noch "by Air Mail" ... Alter Verwalter, dass ich das noch erleben darf!












Donnerstag, 15. November 2018

Zeitenwenden



Die kniffligste Analysemethode in der Kommunikationswissenschaft ist die Analyse dessen, was nicht gesagt wird. Diese Methode erfordert sehr viel kleinschrittige Arbeit, umfassendes Kontextwissen und sehr pingelige Logik und Selbstdisziplin, damit die Hypothesenbildung nicht aus dem Ruder läuft - sie ist aber auch unglaublich ertragreich. 

Wir kennen das berüchtigte Beispiel "Der Senf hat gut geschmeckt." bei kulinarischen Beurteilungen, und zeugnissprachliche Weglassungen sind mittlerweile so allgemeinbekannt, dass sie justitiabel geworden sind.

Zusammenhang: Mich quält die Frage, warum unsere recht-doitschen Po pulisten nicht längst auf der Türkei rumhacken. Himmelnochmal, da sind islamistische Fundamentalisten seit Jahren dabei, doitsche Landsloite wegen ganz und gar unplausibler Vorwürfe und unter Umgehung jeglicher internationaler Rechtsgrundlagen einzubuchten, da wird die doitsche Regierung übel beschimpft, da wird in Doitschland selbst gegen doitsche Interessen konspiriert - und was kommt von rechts? Nichts. Gar nichts! Kein Pieps!

Gut, Erdogan hat mal versehentlich presseöffentlich ehrlich zugegeben, worauf er à la longue hinauswill, aber das war 2016 und sowas kann doch nicht so langfristige Faschisten-Solidarität bewirken, oder?

Außerdem finde ich es außerordentlich befremdlich, dass jemand wie ich, nach AfD-Diktion ein grün-links-versiffter, ökofairer Vaterlandsverräter, Solidarität mit den gefangenen deutschen Staatsbürger*Innen in der Türkei einfordert und dass ausgerechnet ich mir Gedanken darum mache, was für ein  erbärmliches Bild des Verrates am eigenen Volk und der mangelnden Solidarität es ist, dass schon wieder hirntote doitsche Touristen zum Urlaub in die Türkei fahren. Wie kurios und verachtenswert und unverständlich muss sowas auf die türkische Regierung wirken? Wie auf die anderen Völker dieser Welt? Und - am niederschmetterndsten - wie auf die Betroffenen und ihre Angehörigen?

Mittlerweile gilt man also als grün-links-versifft, wenn man das zeigt, was man früher "Anstand" oder "aufrechten Gang" nannte.

So sei es denn!





(via wiki commons - Schrader J.: FdG etc)
"alle Religionen Seindt gleich und guht wan nuhr die leüte so sie profesiren Erliche leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land Pöpliren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen." 
 - Rand-Verfügung des Königs zum Immediat-Bericht des General-Directoriums. Berlin 1740 Juni 15



__. __

Come writers and critics
Who prophesize with your pen
And keep your eyes wide
The chance won't come again
And don't speak too soon
For the wheel's still in spin
And there's no tellin' who
That it's namin'.
For the loser now
Will be later to win
For the times they are a-changin'.


Bob Dylan, 1964














Samstag, 10. November 2018

Don't let them fool ya (Marley, B.)


Neulich hat mir jemand gesagt, man müsse auch mit AfDlern, Fundamentalisten, Faschisten und so weiter reden können. Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht stimmt.

Begründung:
  1. "Don't argue with a fool. He will drag you down to his level and beat you with experience."
    (Mark Twain)
  2. "Antworte dem Toren nicht nach seiner Narrheit, damit nicht auch du ihm gleich wirst!" (Christen-Bibel; Sprüche 26,4)
  3. Es ist ja gerade eine allzu offensichtliche Taktik religiöser und politischer Lautsprecher geworden, besonders krude Thesen rauszuhauen, einzig, um permanente öffentliche Aufmerksamkeit zu erheischen.* 
Statt Rassismus, Nationalismus, Faschismus und bedingslose Macht- und Geldgeilheit durch Aufmerksamkeit zu adeln, sollten wir die Arschlöcher durch Missachtung bestrafen. Unsere immanente Antwort auf irgendwelche menschenfeindlichen Ausflüsse darf nicht immer wieder bemühte Ernsthaftigkeit sein. Das kostet zu viel Energie, bewirkt niemals Veränderung, und die anderen lachen sich tot über uns und fühlen sich in ihrem Schwachsinn bestärkt.

Vorschlag: Wenn jemand sich als populistische Dummbratze outet, brechen wir solange den Kontakt ab, bis er/sie die Bereitschaft signalisiert, wieder auf den Boden der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder, wenn's um internationale Angelegenheiten geht, auf den der UN-Menschenrechtscharta von 1948 zurückzukehren. Und falls sie/er das Umdenken von sich aus nicht auf die Kette kriegt, dann hätten unsere therapeutischen Versuche auch nix gebracht.





(stark verändert via wiki commons)






*Die AfDler wissen selbst gut genug, dass sie eigentlich keine staatstragende Partei sind und auch nicht sein können, weil sie für 95 % aller Politikfelder gar keine Inhalte, keine Ideen, kein Programm und keine Leute haben.



Mittwoch, 7. November 2018

Superman is'n Dreck gegen uns!


Viele Lehrer bei Jugendmedienschutz überfordert

titelt der Doitschlntfonk und zitiert eine völlig unrepräsentative und fragwürdige Studie eines völlig irrelevanten, von niemandem außer sich selbst beauftragten und überhaupt nicht zitierfähigen Vereins.

Zentrale Aussage, Zitat: "Die Hälfte der Lehrkräfte und Fachpädagogen traut sich demnach nicht zu, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Online-Risiken zu unterstützen oder zu beraten. Mehr als die Hälfte der Befragten hält negative persönliche Folgen für denkbar."

Verschwenden wir bitte keine Energie auf die Überlegung, was der Unterschied zwischen "Lehrkräften" und "Fachpädagogen" sein mag, von denen 300 befragt wurden - bei gesamt 763.304 LehrerInnen allein an allgemeinbildenden Schulen, entsprechend 0,039 Prozent.

Mich verblüfft, dass immerhin 150 Lehrer (keine Frauen dabei, scheint's) der wahnsinnigen Hybris erliegen, Jugendliche gegen die globale politisch, militärisch und wirtschaftlich gewollte und hochsubventionierte, schwerst-professionelle Manipulation durch die Mächtigen und Möchtegern-Mächtigen dieser Welt auch nur ansatzweise schützen zu können. Sintemalen der Bericht nahelegt, dass niemand Anders als nur die Lehrer hierin eine Verantwortung hätten.

Aber gut, liebe Leute, spielen wir das Spiel. Ich habe noch ein paar Artikel in petto, für die ich auf der Stelle Urheberrecht und massenhaft Tantieme beanspruche:

Fortschrittsfeinde! Noch kein einziger Lehrer auf dem Mars!
Während weltweit die fähigsten Forschungseinrichtungen mit Hochdruck an der Reise eines Menschen zum Mars arbeiten, haben von 300 befragten Lehrern bislang alle (!) zugegeben, noch nie auf dem Mars gewesen zu sein. Für Oberstufen-Fahrten in die Toskana sind die Herrschaften sich aber gut genug...

 Oktober 2018: Empörender Bildbeweis für die geistige Rückwärtsgewandtheit der Lehrer 
(1. Reihe, links und rechts)




Umwelt-Kriminelle! Lehrer versagen völlig bei der Erreichung der globalen Klimaziele!
Obwohl es doch alles hochbezahlte, studierte Leute sind, konnte von 300 befragten Lehrern keiner (!!!) nennswerte Fortschritte bei der globalen Klimabilanz nachweisen, mehr als die Hälfte bezweifelt die zeitgerechte Erreichung des 2°-Ziels ...


Millionen Tote, und doitsche Lehrer tun nichts dagegen! Weltfrieden und universelles Glück trotz Bildungsauftrag* der Schule immer noch in weiter Ferne!
blabla bla ...


Magnetische Feldkonstante immer noch unverändert! Warum reagieren unsere Lehrer nicht?
blabla bla ... bla... bla!



Tja, soweit erstmal ... Bis diese Artikel raus sind, fallen mir bestimmt noch ein paar hundert Sachen ein, die wir den Lehrern in die Schuhe schieben können.





 (verändert via nasa.gov.com)

Okeee, es gibt halt Jobs, da müssen dann einfach wieder die Lehrer ran. Wer hat denn mehr Erfahrung darin, das Unmögliche möglich zu machen, das Unvorhersehbare vorherzusehen, das Unplanbare zu planen, das Unbekannte zu kennen, das Unsagbare zu sagen, das Unerhörte zu hören, das Unwägbare zu wiegen? Und das Geilste ist doch, dass wir dabei selbst im Angesicht des brüllendstenen Chaos' und der tödlichsten Gefahren des Universums suggerieren, verglichen mit heute Vormittag im Klassenraum sei das doch Alles Pippifax.

Ist ja irgendwie auch ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden.





* Erzählt mir nicht, dass "trotz" den Genitiv regiert. In Veröffentlichungen wie diesen finden Genitiv und Konjunktiv nicht statt, klar!?





Montag, 5. November 2018

"Anstand ist anstrengend für Viele." (H. Rether)


Im aktuellen Programm "liebe 2018" überrascht Hagen Rether mit der Aussage, Fremdenfeindlichkeit sei etwas ganz Natürliches, um anschließend zu erläutern, bei Menschen müsse allerdings nach der spontanen, reptilienhirn-gesteuerten Reaktion doch, bitteschön, der Neokortex die Kontrolle übernehmen und eine kulturgesteuerte, zivilisierte, der Menschen würdige Reaktion liefern.

Rethers Klugheit, Leichtigkeit und Eloquenz lassen mich immer wieder verzagen, eigene Gedanken zu verschriftlichen, aber dieser lässt mich nicht los.


(verändert via wiki commons)

Entwicklungsgeschichtlich ist der Neokortex unser jüngstes, modernstes Hirnareal, vereinfacht gesagt: der Ort der Kognition, wogegen der Hirnstamm viel urtümlichere Bereiche enthält und  anstrengungslos und weitgehend unbemerkt Atmung, Verdauung usw. steuert. Reptilien, wie das von Rether erwähnte Krokodil, kommen prima mit einem Gehirn zurecht, dass lediglich unserem Hirnstamm funktionsmorphologisch ähnelt. Des Homo sapiens' überdimensionierter Neokortex ist kein Grund zur Arroganz, sondern einfach eine Angepasstheit an eine bestimmte ökologische Nische, genauso wie des Krokodils Gebiss und Muskulatur.

Allerdings spricht viel für Rethers These, dass neokortikale Aktivität für viele Menschen anstrengend und daher unangenehm ist, während wir die Aktivität des Hirnstamms gar nicht oder nur neutral oder sogar positiv wahrnehmen. Beweis: Über den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik oder die "Verantwortung und Schuld der Deutschen im Jahr 2018" nachzudenken, erfordert Muße und Konzentration. Rülpsen und Pupsen können wir jederzeit, mitunter gar parallel. *

Rassismus, Fundamentalismus, Populismus funktionieren deshalb so gut, weil sie den RezipientInnen das Angebot machen, auf neokortikale Aktivität zu verzichten und sich nur des Reptilienhirns zu bedienen. Inhaltliche Analogien zu früheren Entwicklungsstadien unserer Art stützen diese Hypothese:

1. Der Hirnstamm steuert qua Reflex und Instinkt. Im Gegensatz zur Kognition sind Reflex und Instinkt aber "hard-coded", wie Programmierer sagen würden. Der Kniesehnenreflex ist eine reine Nervenverschaltung, die unser Hirn nicht mal peripher berührt. Ist mein Weltbild aber "hard-coded", dann bedeutet jede Veränderung Gefahr, da eine Neuanpassung ausschließlich biologisch erfolgen kann: Das Alte muss und wird untergehen. Erst durch zufällige Mutationen entstehen vielleicht Angepasstheiten einzelner Individuen künftiger Generationen, die positiv selegiert werden, und so kann eventuell eine neue Verschaltung entstehen und sich durchsetzen (es sei denn, die ganze Sache dauert zu lange und die Art stirbt vorher aus).

Daher ist doch klar, dass Populisten immer religiös fundamentalistisch, rassistisch, xenophob und homophob sind, tradierte Gewissheiten, festgestampfte Rituale und Dogmen lieben und soziale Strukturen durch ein faschistoides Führerprinzip betoniert sehen wollen - und zwar immer in exakt diesem Gesamtpaket!** Jeder Ansatz von Veränderung, von Flexibilität, jeder Hauch eines Zweifels am Bestehenden ist reale, nicht nur eingebildete Bedrohung. Und je tiefer man in diese Pampe hineinrutscht, desto dramatischer wirkt die allerkleinste Abweichung. Ein sich-selbst-verstärkender Prozess.

2. Der Hirnstamm entstand in einer Phase der Entwicklungsgeschichte, in der jedes Individuum permanent selbst verzweifelt nach der nächsten Mahlzeit suchte und gleichzeitig - ebenso verzweifelt - vermeiden musste, selbst eine Mahlzeit zu werden. Die Begriffe "Gewaltaffinität", "Gier", "Opportunismus" und "extremer Egozentrismus" beschreiben folglich nur ansatzweise die psychische und ethische Disposition dieser Kreaturen, und diese Disposition war evolutionstheoretisch betrachtet ebenfalls selbst-stabilisierend.

Manche EvolutionsforscherInnen denken, dass die entgegengesetzte Fähigkeit, nämlich solidarisch,  sozial und mitfühlend zu agieren, die Säugetiere im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen dahin katapultiert haben, wo sie jetzt stehen. Diese Fähigkeit ist aber brandneu und bedarf eines Neokortex', der die Komplexitätsexplosion bei der Kosten-Nutzen-Rechnung für soziale Bindungen in Großgruppen überhaupt berechnen kann.

Aber Evolution kann eben nicht alte, unaktuell gewordene Teile, schwupps, gegen neue austauschen. Und so geistert unser völlig veralteter, aber in Teilen immer noch notwendiger und, ach, so bequemer Hirnstamm mit seinem begrenzten Satz antiquierter Algorithmen durch unsere Kultur.

Und in scheinbar archaischen Situationen, nämlich wenn wir uns bedroht fühlen und in Situationen, in denen wir einfach zu faul und zu bierärschig und zu bequem zum richtigen Denken sind, da feiert der Hirnstamm fröhliche Urständ. Und die Riesen-Arschlöcher der Weltgeschichte verstehen es und haben es immer wieder verstanden, dieses leichte, anstrengungslose Nicht-Denken unseres Reptiliengehirns dominieren zu lassen, indem sie uns mit wahnsinnig überzogen dargestellten  Bedrohungen durch fiktive Feinde in Angst versetzen wollen und uns zu suggerieren, das Reptiliendenken sei das Wahre, das Gegebene, das einzig richtige Denken, und sie ermutigen uns immer wieder, den Einflüsterungen der Kreidezeit nachzugeben. Antike Tyrannen, Kaiser, Könige Gröfaze, Kanzler, Präsidenten, Konzernbosse haben es stets so getrieben und treiben es immer noch so.

Und die Errungenschaften, die den Menschen von den Tieren unterscheiden, die Vernunft, die Diskursaffinität, Solidarität, das Mitgefühl, die Neugier, die bewusste Toleranz, der Zweifel und die Erkenntnis, Ethik, Offenheit, Ästhetik, Freiheit, Individualität etc. etc., die sollen keinen Platz mehr haben ...
 
Wow, das ist jetzt viel zu lang und zu pathetisch geworden. Aber die täglich, stündlich von uns zu beantwortende Frage ist dadurch klarer geworden:

Willst Du lieber ein Reptil sein oder ein Mensch?




(verändert via wiki commons)









* Ich kann mir vorstellen, dass ein Reptilienleben, das ausschließlich aus einer Aneinanderreihung so antrengungsloser, befriedigender, vollautomatisierter, hirnstammgesteuerter Operationen wie beispielsweise dem Rülpsen besteht, glücklicher ist, als das eines, sagen wir, normal-nachdenkenden, normal-zweifelnden, hobby-bloggenden, hobby-fliegenden Provinz-Paukers.

**Es gibt keine Diktatur, die rassistisch ist, aber z.B. mit LGBTQ gut leben kann. Und Homophobie geht immer einher mit politischem und / oder religiösen Fundamentalismus.









Samstag, 3. November 2018

Wahrscheinlich letztgültige Antwort auf die jahrtausendealte Frage nach der Schönheit


Was mich allgemein im Bereich der Technik und ganz extrem in der Fliegerei fasziniert, ist, dass es praktisch keine ästhetische Diskussion gibt und dass die Produkte dennoch oder gerade drum immer eine schlichte, zuweilen raue, zuweilen romantische Schönheit ausstrahlen.




Form follows function und Vollkommenheit entsteht, wenn man nichts mehr weglassen kann, und Funktion und Reduktion sind nun mal die grundlegenden Prinzipien im Flugzeugbau.




Ein wirklich gutes Flugzeug ist immer auch schön, siehe oben, 
und ein kackenhäßliches Flugzeug ist nie wirklich gut.


Und wenn Du Dich mit so einem Brummer knappe drei Stunden lang durch argkalte Herbstluft geschlagen hast, und ihr beide durchgehalten habt, dann bist Du anschließend so verknallt in das Teil, dass Dir niemand mehr einreden kann, es handele sich dabei nur um seelenloses Material.