Lese gerade in der vielbändigen "Welt und Kulturgeschichte" der "Zeit" das Kapitel über die europäische Kolonisation Südamerikas, die sehr erstaunlich effektiven Eroberungszüge von Cortez und Pizarro. Übliche Erklärungen der Erfolge: Die überlegene Waffentechnik, die Pferde, die Infektion der Ureinwohner mit ihnen bislang unbekannten Krankheitserregern, blabla, das Übliche.
Nur in Nebensätzen wird erwähnt, dass die europäischen Eroberer sich auch immer wieder darauf verlassen konnten, die machtgeilen Potentaten der Ureinwohner immer wieder gegeneinander ausspielen zu können. Im Wesentlichen, so scheint es, haben sich schließlich die zigtausend Südamerikaner selbst und gegenseitig den Garaus gemacht, während die paarhundert Europäer nur hier und da das Zünglein an der Waage spielen mussten - und das außerordentlich geschickt und im äußersten Maße unethisch, brutal und rücksichtslos taten.
Wären die Ureinwohner solidarisch aufgetreten, wäre, Waffentechnik hin oder her, von den Eroberern nur ein bisschen ekliger Glibber im Urwald übriggeblieben.
Analoges ist mir schon beim Sklavenhandel aufgefallen: Es waren gar nicht, wie ich immer dachte, Europäer, die die Menschen in Afrika versklavten. Das machten afrikanische Potentaten, die ethisch mindestens genauso brechreizerregend fehlgeleitet waren, wie die Europäer, die ihnen die "Ware" abnahmen und nach Südamerika weiterverhandelten. Und es sind heute ja auch nicht die "Erstweltler", die Afrikaner zu sklavenähnlicher Arbeit in die Coltan-Minen schicken, sondern Superreiche vor Ort, die den Hals nicht vollkriegen.
Um Himmels Willen soll das jetzt keineswegs die Weißwäsche der Europäer oder anderer Conquistadores etc. sein. Es scheint nur so ein durchgängiges Prinzip in der Weltgeschichte zu geben, das besagt, dass keine Schandtat gegen Mitmenschen ungetan bleibt, sobald macht- und geldgeile Männer die Regie übernehmen und dass es von der Zivilcourage und Solidarität der normalen Menschen abhängt, ob man die Arschlöcher gewähren lässt oder nicht.
Und diese weltgeschichtliche Erkenntnis ist heute so richtig und so wertvoll wie selten sonst. Trump, Erdogan, Orban, Gauland - die sind allesamt nicht besonders schlau. Und trotzdem haben die einen irrwitzigen Einfluss auf unser Leben. Warum? Weil wir das zulassen. Weil der Rest der Welt uneins ist, weil man uns gegeneinander ausspielen kann und weil zahlreiche Mikro-Egoismen zusammengenommen einen mörderischen Impuls entwickeln. Die Arschlöcher brauchen auf der Welle nur noch zu surfen.
1532 - Pizarro landet in Südamerika - unbek. Künstler
Ich bin zwar kein Experte für sowas, aber ich stimme den Leuten zu, die sagen, militärisch wäre da eigentlich noch lange was gegangen, wenn die Südamerikaner sich einig gewesen wären ...