Sonntag, 24. Juni 2018

Bloggers Nabelschau


Gestern sprach ein ehemaliger Schüler mich auf diesen Blog an, und ich reagierte wie immer in diesen Fällen: mit einem Gemisch aus Freude ("Oh schön, da liest einer deine Texte!") und Verlegenheit ("Ach Du Scheiße, da liest einer deine Texte!"). Die allermeisten Menschen, die hin und wieder mal irgendwas Kreatives, Selbstgemachtes veröffentlichen, kennen diese Ambivalenz. *

Und da dieser Blog sowieso gerade in einer berufsbelastungsbedingten Auszeit, einer ästhetisch unattackierten Stasis, einer intellektuellen Totwasserzone dümpelt, ist's eine gute Zeit für die Grundfrage aller Philosophie: Warum? Warum so ein Blog?

Das entscheidende Motiv ist nach wie vor, die Tragfähigkeit von Gedanken zu testen. Dabei gilt: Ein flüchtiger Gedanke ist wahrscheinlich dann richtig und denkenswert, wenn Du ihn durch die Logik-Mühlen der Grammatik und der Lexik drehen und anschließend einem normalen Publikum kommunizieren kannst.

  • Es gab und gibt in meinem Kopf eine Menge von Ideen und Regungen, die so schwach, so blöd, so unkonzentriert sind, dass ich nicht mal im Ansatz auf die Idee käme, sie zu verschriftlichen. 
  • Es gibt weiterhin Gedanken, die zwar inhaltlich ganz schön knackig sind, bei denen ich aber das Gefühl habe, sie seien noch nicht zu Ende gedacht, noch nicht hinreichend gekürzt und strukturiert, um daraus einen Text zu machen. 
  • Drittens gibt es Sachen, die ich aufzuschreiben beginne, die aber unwiederbringlich in den Orkus wandern, weil ich es einfach nicht packe, daraus einen leseappetitlichen Artikel zu machen. 
  • Und Viertens gibt es ein ganze Menge Gedanken, die klug, strukturiert, wertvoll sind - aber ums Verrecken niemanden etwas angehen, außer mich und ein paar ganz wenige Nahestehende.
Und ein Teil dessen, was nicht in diesen Filtern hängengeblieben ist, ist hier nachlesbar ....

Ein Blog ist für mich persönlich die ideale Form für diese Kommunikation:
  • Messenger-Dienste wie whatsapp und Telegram sind zu schnelllebig und zu adressiert: Ich müsste den Text an bestimmte Personen schicken und könnte nie ausschließen, dass die sich nur aus Höflichkeit nicht dagegen wehren. Dito bei e-mails, aber da gipps wenigstens einen Spam-Filter.
  • Facebook, Twitter etc. lassen nur begrenzte Textmengen zu bzw. sind zu schnelllebig: Der Text würde sofort versacken. Und die User dieser Dienste wollen nicht unbedingt Langtext-Messages lesen.
  • Foren sind stets zu troll-gefährdet und bedürfen üppiger Moderationsdienstleistungen. Und es sind nicht immer die klügsten Köpfe, die sich dort am dauerhaftesten niederlassen und jede Äußerung, die über Dreiwortsätze hinausgeht, mit ihrer ungefilterten Meinungskacke zukleckern.
  • Die guten, alten Websites wären die nächstgelegene Alternative für mein Anliegen. Man kann auch mal längere Ausführungen unterbringen und selbst bestimmen, an wie prominenter Stelle ein Text stehen sollte. Aber auf Websites erwarte ich Themengebundenes. Meine Artikel schwirren hingegen thematisch durch das halbe Universum. Welchen Titel sollte so eine Website haben? "Die Gedanken des Markus S. aus W."? Klingt doch furchtbar! Ich würd's nicht lesen.
Nee, nee, ein Blog ist super: Technisch einfach und robust, kann man sich mit mehr oder minder langen Texten nebst kleinen Bildchen zu allen möglichen Themen verbreiten, jeder Mensch dieses Planeten kann frei entscheiden, ob sie / er sich die Lektüre antun will, und peu à peu sedimentiert der alte Quatsch nach unten, wo er nur noch von Leuten gefunden wird, die speziell danach suchen.

Demnäx auch wieder hier!










*Ausnahmen finden sich nur - und das ist keine Bewertung -  bei richtig narzisstischen Rampensäuen sowie bei VerfasserInnen streng fachbezogener, formal hochgradig standardisierter naturwissenschaftlichen Arbeiten.







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