Sonntag, 1. Mai 2016

Militär- und Technikgeschichte


Als Jugendlicher liebte ich es, mich mit Militär- und Technikgeschichte zu befassen, es war mir ein unglaublich befriedigendes Hobby. Man hat ein weites Feld zu beackern, so dass es nicht so schnell langweilig wird. Gleichzeitig kann man sich der Illusion hingeben, das Feld sei in sich abgeschlossen, wahnsinnig komplex zwar, letztlich aber überschaubar. Geschichte, insbesondere Technikgeschichte, war statisch, steril, stabil. Ich musste nur noch hingehen, die unzähligen Fakten zusammentragen und sie zu einem Bild zusammensetzen.



Historiker, Buchverlage und Modellbaufirmen leben immer noch gut von diesem Irrtum. 

Irgendwann kommst Du dahinter, dass Technik, v.a. Militärtechnik, nicht von den Menschen zu trennen ist, die damit umgingen. Und da triffst Du auf so viele Dumme, Verblendete, Feige, Duckmäuser und Mitläufer, auf so viel Leid und Schuld und auf so erbärmlich wenige, die klug genug und ethisch normal veranlagt waren, den Wahnsinn als Wahnsinn zu begreifen und auf noch weniger, die den Arsch in der Hose hatten, dagegen aufzustehen.

Je weiter Du ernsthaft forschst, desto mehr zerbröselt Dir das große Bild  unter den Fingern.

Was bleibt:

 Opfer eines Zeppelin-Angriffs auf London - 1916



 Opfer des Atombombenabwurfs auf Nagasaki - 1945 



Opfer eines Drohnenangriffs auf ein Dorf im Jemen
Opfer eines IS-Raketenangriffs auf Aleppo 
Opfer eines israelischen Raketenangriffs auf Gaza
Opfer eines türkischen Artillerieschlags auf eine kurdische Stadt
Opfer ... 
Opfer ...
Opfer ...
Opfer ...





Freitag, 29. April 2016

Gong!

"Ironischerweise kommen die größten Probleme aus industriell entwickelten Staaten, in denen ein noch nie dagewesenes Wissen lediglich Rastlosigkeit und Unzufriedenheit hervorgebracht zu haben scheint. Es gibt keinen Zweifel an unserem kollektiven Fortschritt in vielen Bereichen, besonders auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik, doch irgendwie reicht unser Wissensvormarsch nicht aus. Grundlegende menschliche Probleme bestehen weiterhin. (...) Für mich liegt daher der Schluss nahe, dass unser Verhalten möglicherweise ernsthafte Fehler aufweist."
(Lama, D.) [*1] 

Das haut mich bei dem alten Knaben immer wieder um: Man denkt, man könne seinen Gedanken folgen, wie einem ruhig dahinplätschernden Fluss. Aber plötzlich gongt dann so eine unscheinbare Conclusio durch die Birne, und man weiß, dass man den Absatz davor lieber nochmal lesen sollte - oder die Seite davor. Oder das Buch davor ...



 (Werbung für den Fortschritt 1922 - via wiki commons)




[*1] Jaaha, ich weiß, dass "Dalai Lama" ein Titel ist, und dass er eigentlich einen Namen als Mönch trägt und dass er ganz ursprünglich einen ganz normalen Privatnamen hatte und dass er außer dem Papst der einzige Mensch ist, der die Anrede "Eure Heiligkeit" beanspruchen darf. Ich habe seine Biographie gelesen. Aber auf Dauer ist das alles doch langweilig.

Oder wie es in dem brillianten Film "Duft der Frauen" heißt:

Al Pacino: [bestellt telefonisch bei der Hotelbar einen] "... John Daniels!"
Chris O'Donnel: "Äh ... meinen Sie nicht 'JACK Daniels!?"
Al Pacino: "Mag sein, dass er für Dich 'Jack' heißt, Söhnchen, aber wenn Du ihn so lange kennst, wie ich ... Das ist ein Scherz."





Montag, 25. April 2016

Gedanken zu TTIP



Nehme erstaunt zur Kenntnis, wie akribisch feindifferenzierend die Gewichtsklassen in verschiedenen Sportarten sind. Hier das Beispiel Profiboxen:

(via wikipedia)

Muss wohl so sein, denn wenn anabolikaüberschwemmte, testosterongesteuerte Profi-Schwergewichte auf Juniorfliegengewichte treffen, dann sind die Ergebnisse allzu vorhersehbar. Es wäre unfair, langweilig und doof. Und folglich würden die Zuschauerquoten der Sportkanäle sowie die Gewinne der legalen und illegalen Wettbüros einbrechen, und wenn die keine Gewinne mehr machten, könnte die gesamte Branche einpacken.

In der kapitalistischen Ökonomie gelten natürlich ganz andere Gesetzmäßigkeiten. Da ist es sogar richtig gut, wenn Profi-Schwergewichtsmeister im offenen, fairen Kampf im freien Spiel der freien Kräfte gegen, sagen wir, Kindergartenkinder antreten. Deutsche Bank gegen Sparkasse Leer-Wittmund, Blackstone gegen den dummen, hoffnungsvollen Kleinanleger, unbegrenzte westliche Finanzmittel gegen afrikanische Aufsteigervolkswirtschaften, VW gegen ... ach nee, in der Autobranche gibt es schon keine innovativen Kleinen mehr ...

Und weil in der kapitalistischen Ökonomie alles anders ist, darf dort auch der Boxring nicht auf maximal 6,10 x 6,10 m  Grundfläche begrenzt sein, sondern muss möglichst groß sein, möglichst planetenweit, damit die Schwergewichte ungehindert überall und jederzeit zuschlagen können. Das ist dann noch fairer. Und damit sie nicht jedes Mal, wenn sie mal wieder einem Kindergartenkind die Fresse poliert haben, wegen Körperverletzung verklagt werden können, umgekehrt aber jeden verklagen können, der lieber nicht so gerne die Fresse poliert haben möchte, auch deshalb brauchen wir TTIP.


 (via wiki commons)
TTIP: Damit wir auch morgen noch richtig zuschlagen können.  
Versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts dagegen, wenn sich dumm-brutale Giganten gegenseitig auf die Fresse hauen, im Gegenteil: ich gönn's ihnen. Aber man kann doch diese Idioten nicht unkontrolliert auf die Menschheit loslassen!











Samstag, 23. April 2016

Beihilfe zum Selbstbetrug



Wie erbärmlich
die Selbsterkenntnis,
dass ich mir die neue Hose heute,
nicht nur und nicht hauptsächlich
aber wohl doch zu einem beträchtlichen Teil,
deshalb gekauft habe,
weil sie von einem jugendorientierten Modelabel stammt
und "slim-fit" geschnitten ist.

Wie sehr muss ich
wohl doch
im Alltag unterbewusst und hinter meinem Rücken
mit meinen vierundfünfzig Jahren hadern
und mit insgeheim erschlaffendem Gewebe,
dass ich
hochprofessionellen Marketing-Ratten
ihr wohlfeiles Gewäsch abkaufe,
ich sei jugendlich und schlank.




 (via wiki commons)






Freitag, 22. April 2016

Non capisco


Dass VW in den USA den Schaden wiedergutmachen muss, den der Konzern durch fortgesetztes, bewusstes, dreistes Lügen und Betrügen aus pathologisch bedenklicher Profitgier angerichtet hat, verstehe ich.

Dass VW in den USA darüberhinaus keine Strafe zu zahlen hat, verstehe ich nicht. Reicht es,  wenn man bei einem Bankraub in flagranti erwischt wird, das Raubgut zurückzuzahlen? Die  Amis gelten doch sonst als nicht so zimperlich, wenn es um harte, schwere Bestrafungen geht.

Dass VW in Deutschland nicht einmal den Milliarden-Schaden wiedergutmachen muss, den es mit schwerstkriminellen Machenschaften bei Millionen von Kunden angerichet hat, geschweige denn eine darüberhinausgehende Strafe gegenwärtigen muss, verstehe ich. Jedenfalls verstehe ich das dann, wenn ich annehmen muss, dass der Konzern so flächendeckend Plittikörr und Pressefuzzis geschmiert hat, offen oder verdeckt, dass es da praktisch keine Trennungslinie zwischen dem privatwirtschaftlichen Mega-Konzern und der Führungs-Camarilla mehr gibt.

Dass VW in Deutschland mit der Nummer durchkommt, ohne, dass es einen empörten, wütenden Aufschrei der Betroffenen und des Rests des souveränen Wahlvolkes gibt, verstehe ich nicht.

Das verstehe ich überhaupt nicht, und diese bierärschige Lethargie angesichts so himmelschreiender Ungerechtigkeit, so offensichtlicher Ungleichbehandlung, dieses Über-sich-ergehen-lassen von soviel arroganter, kaltlächelnder Verachtung und Verdummung des Wahlvolks, das ist es, was mich am "VW-Abgasskandal" schreien macht.

Es ist kein Abgasskandal, es ist ein konzernmäßiger, globaler Betrug.
Es ist kein Abgasskandal, es ist der Beweis, dass der Souverän des deutschen Volkes, das deutsche Volk, zu bescheuert, zu faul, zu satt, zu fett und zu selbstzufrieden ist, um seine verfassungsmäßigen Pflichten und Rechte auszuüben.

Die weiteren Aussichten sind beängstigend.



(Star Wars - Prinzessin Leia als Sklavin von Jabba the Hut 1983 - verändert via melty.de)
Jabba the Hut, Bildmitte hinten, ist fett, egozentrisch, unethisch, gewaltaffin, unersättlich macht- und profitgeil. Aber es gibt auch einen Unterschied zu uns Deutschen: Jabba weiß - ein Stück weit -  was gut für ihn ist, lässt sich nicht ständig mit billigen Tricks über den Tisch ziehen und verfolgt konsequent und energisch seine Interessen.





Mittwoch, 20. April 2016

Fehlersuche


Wo liegt der Denkfehler in folgendem Monolog?

"Ich will ja gerne ökobewusster, nachhaltiger und fairer leben, aber es ist sauschwer. Nur mal ein Beispiel: T-Shirts. Kaufste billige, weißte sicher, dass das ökomäßig Schrott ist, mit irrsinnigem Umweltverbrauch hergestellt, unfair von versklavten, behinderten, nepalesischen Kindern mundgeklöppelt, drei Mal mit einem stinkigen Schiff um die Erde transportiert, und fällt nach drei Mal Tragen auseinander. Kaufste teure, haste aber auch keine Gewissheit, dass die Preisdifferenz ins Ökofaire gebuttert wird, es besteht lediglich eine gewisse Chance. 

Und die Chance, dass da jemand in der Lieferkette nur leere Versprechungen macht und Lügen-Labels einsetzt, Dir aber in Wirklichkeit für denselben unökologischen und unfairen Dreck den zehnfachen Preis abknöpft und sich über Deine unendliche, selten dämliche neureiche Naivität vor hämischem Lachen wegschmeißt, ist groß.

Das ist ja das Gemeine am Kapitalismus: Selbst Dein wohlmeinendes Gutmenschentum wird noch verschachert und zu Profit gemacht. Schweine, alles Schweine! Kommste praktisch nich' gegenan. Kannste ja gleich den billigen Dreck kaufen. Was soll's  ...?"
Quelle: Ich fürchte, dass ich das gerade eben selbst gedacht habe.

Na? Fehler gefunden?

Genau: Der Fehler ist natürlich die Prämisse, der "Ökofair"-Gedanke könne im System und mit den Methoden des kapitalistischen Wirtschaftssystems realisiert werden. "Preis" ist eine Methode des kapitalistischen Wirtschaftens und hat nichts, aber auch gar nichts mit "Wert" zu tun. Und "Wahrheit" ist ein ethisches Konzept, das dem kapitalistischen Konzept von "Profit" selten egal ist, ihm in den meisten Fällen aber entgegensteht (s. Banken- und Abgasskandale etc.). "Ökofair" funktioniert aber nur, wenn wir die wahren Werte eines Produktes, vom ökologischen Fußabdruck bis zur gerecht entlohnten Mühwaltung seiner Herstellung in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Blindlings mehr Geld ausgeben (wenn man's denn hat) und auf Labels vertrauen reicht nicht.


Zusammengefasst:
  • Du musst Dich sorgfältig informieren und sehr genau hinschauen, wenn Du ökofaire Sachen kaufen willst. Am besten kontrollierst Du die gesamte Lieferkette, und das geht am besten, wenn diese kurz ist - organisatorisch wie geographisch. 
  • Ja, das ist mühsam. Kauf einfach weniger, kauf regional, repariere mehr, dann hast Du weniger Arbeit.
  • "Ökofair" und "Kapitalismus" sind natürliche Feinde.

Ja, ich weiß, das klingt sektiererisch. Muss es auch, denn ich therapiere mich damit selbst. 




(verändert via wiki commons)









Samstag, 16. April 2016

Gedenken an die Skagerrakschlacht



Soso, zum hundertsten Jahrestag der Skagerrakschlacht soll es eine Gedenkveranstaltung geben. Kurz die Fakten: Erster Weltkrieg, die rivalisierende englische und deutsche Hochseeflotte, die in den Dezennien zuvor ihre jeweiligen Staatshaushalte quasi ruiniert haben, wollen ihre jeweilige Existenz legitimieren und treffen sich am 31.05.1916, 16:48 vor dem Skagerrak, um sich zehn Stunden lang zu beharken. Ergebnis: 8.600 Menschen sterben, was etwa dem durchschnittlichen täglichen Verlust an Menschenleben im Ersten Weltkrieg entspricht. Beide Seiten reklamieren den Sieg für sich: Die Briten, weil sie den deutschen Vorstoß abgeschmettert haben, die Deutschen, weil sie deutlich geringere Verluste hatten. Weder an den Kräfteverhältnissen, der zahlenmäßigen Überlegenheit der britischen Flotte, noch an der strategischen Lage ändert sich irgendetwas.

Warum gedenkt man so einer Sache hundert Jahre später?

Trauer? Schmerzbewältigung?

Klingt schräg, aber zum Hundertsten des Titanic-Unterganges haben sich 2012 tatsächlich Nachfahren der Opfer und Überlebender gemeldet und Posttraumatische Belastungsstörungen geltend gemacht: Sie litten, so sagten sie, immer noch unter dem Schrecken, weil, wasweißich, ihre Urgroßtante bei dem Untergang dabeigewesen sei, und wenn man sich vorstellte, was die durchgemacht habe, dann ... Ich weiß nicht, ob jemand ernsthaft versucht hat, die Titanic-Reederei Cunard auf PTBS in der F2-Generation zu verklagen, aber eine Skagerrak-Gedenkveranstaltung könnte Anlass sein, kollektiv derartige Forderungen zu stellen. Mein Opa war übrigens 1917 als Freiwilliger bei Verdun dabei und, weil's so schön war, nochmal (nicht ganz freiwillig) 1945 in der Tegeler Heide. Wenn ich mir das vorstelle, wird mir auch ganz anders. Falls es da also noch Geldtöpfe für das Leiden der Enkel gibt ...?

Spaß beiseite: Eine Skagerrak-Gedenkveranstaltung  kann nicht ernsthaft eine Veranstaltung sein, in der man Trauer teilt - oder wenn, dann nur in einem sehr, sehr abstrakten Sinne, und für diese Art von Trauer empfehle ich tatsächlich andere Locations, z.B. den Teppich von Kriegsgräberfriedhöfen in Flandern.

Lernen aus der Vergangenheit

Kriege sind scheiße. Immer. Ausnahmslos. Um sich das zu vergegenwärtigen, braucht man auch kein Skagerrak-Gedenken. Oder hat die Skagerrak-Schlacht was Spezielles? Ja, natürlich! Die riesigen Schlachtschiffe, diese High-Tech-Monstren ihrer Zeit. Ganz und gar faszinierend! Und wenn die vielen dicken, stählernen Kanonenrohre zum Abschuss erigieren, dann werden trockene Historiker auch schon mal ein bisschen hibbelig.


(verändert via wiki commons)
Der ultimative, multiple Pimmel-Ersatz. 
Klar, dass Pubertierende und Archivare da ein bisschen durchdrehen.

Zurück zum Thema: Nein, man kann 2016 aus der Schlachtschiff-Zeit nix mehr lernen, denn die war schon in den 1930ern, spätestens 1941 endgültig passé. Das Schlachtschiff war von Flugzeugen, Flugzeugträgern und U-Booten deklassiert, Restbestände wurden im Zweiten Weltkrieg nur noch "aufgebraucht", d.h. verheizt.

Wenn es also nicht um Trauer geht und nicht um Lernen, was bleibt?

Die Verherrlichung

Es sind ja nicht nur die Riesen-Kanonen-Pimmel, die manche Männer anmachen. So eine Seeschlacht ist auch ethisch eine Augenweide. Da treffen sich ja nur Vollidioten, die auf drei Stellen nach dem Komma genau wissen, was sie tun. Man baut Schiffe auf allerhöchstem technischen Niveau, stopft sie mit erlesenstem Tötungsinstrumentarium und tausenden Hirnamputierten voll, lässt sie aufeinanderzufahren und beobachtet mit genußvollem Grausen, was passiert. Kollateralschäden gibt es nicht, weil das Ganze in unbewohntem Gebiet stattfindet, so what?

Und anschließend können Ingenieure und Historiker jahrhundertelang darüber diskutieren. Was für eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme!

(verändert via wiki commons)
Wie hieß nochmal diese Schlacht, in der ein General seine Reiterabteilungen hirnlos auf gegenerische MG-Stellungen zureiten ließ, und, auf das Blutbad, das er damit unter seinen Soldaten initiierte, angesprochen, antwortete: "Ja, schon, aber was für ein herrliches Schlachtenbild!"?

Und schließlich und endlich ist so eine Seeschlacht ja auch immer gut für Mannesmut und Manneszucht, kurz für alle Eigenschaften, die Militaristen und moderne Nazis of any color and any kind sich allzugerne selbst zuschreiben. Ich gebe ausnahmsweise nicht die Quelle des folgenden Bildes an, denn mir kam, als ich die website drumherum las, die kalte Kotze hoch.



 Prof. (!) Bohrdt: Der letzte Mann
 Wie bescheuert muss man sein?



(Bundesarchiv via wiki commons)
Die nützlichen Ober-Idioten.
Ich wünsche ausdrücklich nicht, dass diese Arschlöcher im Jahre 2016 im Rahmen einer "Skagerrak-Gedenk-Veranstaltung" mithilfe bundesdeutscher Steuergelder gefeiert werden! Warum wird der Enkel des britischen Oberbefehlshabers Jellicoe dazu eingeflogen? Kann der wirklich Erhellendes zu Opis Gedanken in jenen zehn Stunden vor hundert Jahren beitragen? Dann bin ich ab sofort Experte für die Schlacht von Verdun ...

Mannmannmann, da läuft etwas grauenhaft schief.





Freitag, 15. April 2016

Absturz


Kaum ein ehemals legendäres Online-Portal, das qualitätiv so schnell abstürzt wie Spiegel-Online. Ach doch: Zeit.de. Logisch, da die Artikel der beiden schon seit Langem praktisch inhaltsgleich sind. Aktuell die Headline-Berichte über einen misslungenen nordkoreanischen Raketentest.

Die Häme der Schreiberlinge ist in diesem Zusammenhang völlig idiotisch, denn ein Test ist ein Test. Erstens kann da also per definitionem etwas Unerwünschtes passieren und zweitens sind Fehler in der Forschung grundsätzlich etwas, das Forschende voranbringt, mehr, als reibungslose Abläufe. Der Test war also durchaus ein Schritt zum nordkoreanischen Atomraketenprogramm. Wie können kritische Journalisten das übersehen?

Und was soll dieser Mist an so herausgehobener Stelle? Ah, im Spiegel-Artikel steht's: Es ist eine Verlautbarung eines US-Verteidigungsexperten. Ja, wenn das so ist! Was die Amis pupsen, das müssen wir natürlich lustvoll und tief inhalieren.

Es gab mal Zeiten, da hätten "Spiegel" und "Zeit" sich für so einen propagandistischen Dreck nicht so billig hergegeben.


(via wiki commons)
 
À la recherche du temps perdu ...




Dienstag, 12. April 2016

Clash of cultures


Dumme Menschen haben Respekt vor Gewalt.
Deshalb haben sie Respekt vor Menschen mit großer körperlicher Kraft.
Deshalb haben sie Respekt vor Menschen mit PS-starken Autos.
Deshalb haben sie Respekt vor Menschen mit Waffen.

Deshalb haben sie Respekt vor Menschen mit absoluter diktatorischer Macht.

Dumme Menschen können das Konzept persönlicher Freiheit nicht verstehen,
weil sie selbst nichts haben, um den Freiraum, den nur Freiheit bietet, zu füllen.

Toleranz verwechseln sie mit Schwäche.

Die Idee der Aufklärung entzöge ihnen rückstandsfrei sämtliche Grundlagen,
und sie haben auch nicht genug Verstand, dessen sie sich mutig bedienen könnten.

Demokratie, Kompromissfähigkeit, Meinungsvielfalt und Menschenrechte
pervertieren sie bestenfalls als temporäre taktische Tarnmittel.

Schlussfolgerung: Tut mir leid, aber weder der Islam noch die Türkei gehören in den aktuellen (!) westeuropäischen Kulturkreis. Polen, Ungarn,  und ein paar andere haben's ein paar Jahre lang probiert, wie es sich anfühlt, zu der westeuropäischen Wertegemeinschaft [*1] zu gehören und sind nun offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht zu ihnen passt. Das haben wir nicht zu bewerten. Als Gäste sind sie alle aus tiefstem Herzen und liebevoll willkommen.



(via wiki commons)





[*1] Ohja, diesen Begriff wird man mir um die Ohren hauen. Deshalb vorab die Erklärung: Mit "westeuropäischer Wertegemeinschaft" meine ich natürlich nicht den verlogenen Scheiß, den Plittikörr und Wirtschaftslobbyisten sonntagsrednerisch vom Stapel lassen, sondern das nicht-mal-mehr-erwähnenswerte totale Einverständnis über ganz grundsätzliche Dinge, wenn ich mich mit spanischen, italienischen, französischen, holländischen, schwedischen FreundInnen unterhalte.







Sonntag, 10. April 2016

Sendepause und Buchempfehlung


Mal wieder so eine Phase, in der ich nix zu melden habe. Liegt zum geringeren Teil an dienstlich bedingter Absenz, liegt aber vor allem an einem Buch, das mir im positivsten Sinne die Sprache verschlägt:  

Böttcher S., Bröckers M.: Die ganze Wahrheit über Alles, Ffm, 2016. Haarklein, in kurzen, überschaubaren Kapiteln wird auf Basis solider Quellenlage abgearbeitet, was bei uns Menschen gerade fürchterlich schief läuft und welche Verhaltensänderungen dringend angezeigt sind, falls wir Interesse an der Erhaltung der eigenen Species zu einigermaßen erträglichen Bedingungen haben.

Das Buch ist atemberaubend. Nicht, weil da viel drinsteht, was durchschnittlich informierte Menschen nicht ohnehin wüssten, sondern weil es eine vergleichsweise kurze, knackige Gesamtschau zwingender Probleme und notwendiger Lösungen ist. Atemberaubend ist, dass das Buch ganz unprätentiös die problematischen Fakten und schlüssige Lösungswege nennt. Als denkfähige LeserIn stehst Du nun mehr oder weniger doof vor Dir selbst da und musst Dir erklären, warum Du Dein Verhalten NICHT unverzüglich und radikal in logischer Konsequenz der allzuklaren Fakten umbaust.

Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Im Unterschied zur Nazi-Zeit werden wir unseren Enkeln nicht vorlügen können, wir hätten nichts gewusst. Wir werden Gespräche haben, die für uns sehr, sehr beschämend sein werden.


Angesichts der Ungeheuerlichkeiten, die Böttcher und Bröckers in diesem Buch bearbeiten, sind die meisten Artikel dieses Weblogs inhaltlich einfach banal. Ich muss das erstmal verdauen, bevor ich mich wieder traue, was zu schreiben.

Nur ein Beispiel: Immer noch stirbt alle 5 - 10 Sekunden ein Kind an Unterernährung, gleichzeitig geben wir Westler mehr Geld für die Bekämpfung von Fettleibigkeit aus als für Hungerhilfe. Die Zahlen sind valide. Und es gibt keine, ich wiederhole: KEINE!, volkswirtschaftlich oder ethisch vertretbare Theorie, die das irgendwie legitimieren kann. Mit unserem Lebensstil machen wir uns schuldig. Jetzt. In genau diesem Moment! 

Sorry, aber da kann ich keine Bonmots über, beispielsweise, die lächerliche Inkompetenz der Plittikörr schreiben.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

Brecht