Montag, 4. Januar 2016

Herrliche Sache, die Demokratie!



Die nationalkonservative Regierung in Polen dreht durch und den Wegweiser auf die finsteren Teile des Mittelalters, macht aber eigentlich nur, was in Ungarn schon lange läuft, Trump feiert in den U.S. of A. Erfolge, Erdogan gibt versehentlich zu, dass er die türkische Verwaltung am hitlerdeutschen Vorbild  orientieren wird, Seehofer hechelt und zerrt medienwirksam im Gurtzeug, wie ein Zwergpinscher auf Dope.

Was haben alle diese Bekloppten gemeinsam? Sie müssten eigentlich, also ganz eigentlich, Demokratie machen. Alle diese Länder haben irgendwo Verfassungstexte, die Demokratie und Menschenrechte zum Fundament des jeweiligen Staates machen. Alle diese Länder haben aber auch Bevölkerungen, die mehrheitlich so eklatante Minderwertigkeitskomplexe haben, sich selbst für so beschränkt, unnütz und unfähig halten, dass sie in freien, gleichen, geheimen Wahlen den ewig bereitstehenden krankhaften Macht-Egomanen die Staatsgewalt in die Hände geben.

Der Deal ist jedes Mal der selbe: Der anti-demokratische Pseudo-Demokrat erzählt dem Wahlvolk das ewiggleiche Märchen von Stärke, Stolz, Entschlossenheit und dicker Hose, und die blöde Herde liefert sich dafür bereitwillig zur schlimmsten Erniedrigung und Unfreiheit aus.

Wir haben kein Recht, den Normalverbraucher in Nord-Korea, Weißrussland oder im Iran zu verurteilen. Die sind unfrei, hatten - Wortspiel -  keine Wahl, und sie laufen mit, da sie keine Möglichkeit einer Änderung sehen. Man sollte sie bedauern und man sollte mit deren Potentaten nicht zusammenarbeiten. Klare Sache.

Aber zusehen zu müssen, wie souveräne Völker sich für ein kurzfristiges Dicke-Hose-Gefühl in die selbstverschuldete Unmündigkeit begeben - das ist hart. Da steht man sprachlos und zweifelt an der ganzen Menschheit.

Vielleicht tröstet ein Perspektivwechsel ein wenig: Das Schöne an der Demokratie ist ja auch, dass jedes Volk das Recht hat, sich vor dem Rest der Welt zum Vollidioten zu stempeln. Wenn die Mehrheiten in Polen, Ungarn, Bayern, den USA und der Türkei sich selbst für unaufgeklärte, vernunftresistente, intolerante, menschenverachtende Arschlöcher halten, warum sollte man ihnen da ständig widersprechen?


 (verändert via wiki commons)
"Mia san mia", müssen die Bayern einander - warum eigentlich? - immer wieder selbst versichern, und in Polen heißt es, Polen sei kein Land der Radfahrer und Vegetarier. Aha. Aber muss man Judikative und öffentlich-rechtliche Medien deshalb mit staatlichen Zwangsmitteln zum Autofahren und Fleischessen gleichschalten? Sollen alle aussehen, wie der Chef? Naja, wem's gefällt ...





Donnerstag, 31. Dezember 2015

"Filterblase" - der Hirnfurz des I-net


Jestern zufällig in eine Doku über die sogenannte Filterblase reinjezappt. Permapubertierende Dreißigjährige teilen sich gegenseitig mit, wie schrecklich sie das fänden, dass Google, Facebook, Youtube und Co unser individuelles Such- und Surfverhalten protokollierten und uns dann bevorzugt Ergebnisse zeigten, die unseren bisherigen Vorlieben entsprächen. So würde man ja nie auf neue, eventuell kritische Gedanken kommen.

Ja, Leute, geht's denn noch!? Seid Ihr denn jetzt schon so hirnverfettet, dass Ihr ernsthaft erwartet, US-amerikanische Mega-Konzerne müssten Euch auch noch das kritische Denken als Quasi-Dienstleistung abnehmen, und zwar, wie gewohnt, scheinbar für lau? "Also, ich bin eigentlich schon so voll kritisch, so umweltmäßig und bei Flüchtlingskindern und so. Aber woher weiß ich denn, wo ich gegen sein soll, wenn mir das auf Facebook keiner sagt!?" "Nee, selber denken, da hab' ich kein' Bock drauf, aber bestimmt gipps dazu 'n geiles Youtube-Video, falls ich mich da mal am Interessieren anfang'."

Zugegeben, Kant hat nicht deutlich genug gesagt, dass der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen, voraussetzt, dass man welchen hat. War einfach zu höflich, der Mann.



(via wiki commons)
Ich bin jedenfalls heilfroh, dass Youtube inzwischen weiß, dass ich, wenn ich "Herz" eintippe, ein unterrichtsverwendbares Video zur Funktionsmorphologie suche, und nicht die abgebildeten Geschmacksmonstrositäten aus Nordhessen. Und falls - wie gerade jetzt - der ansonsten äußerst unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ich ein Bild der "Wildecker Herzbuben" benötige, dann weiß ich, wo ich das einfach nur eintippen muss. Det nenn' ick Medienkompetenz.



Allen LeserInnen meiner Blogs wünsche ich von ganzem Herzen Gesundheit und Glück für 2016!





Mittwoch, 30. Dezember 2015

Atemberaubend dreist



Wie bitte? Lese ich richtig? Ausgerechnet die USA werfen den Russen vor, jene würden bei ihren Luftangriffen in Syrien auch Zivilisten töten? Wie kackfrech, wie dreist, wie arrogant und super-dämlich ist das denn!?

Jetzt nicht aufregen! Ruhig bleiben! Dafür braucht man eine brilliante, witzige Metapher ... Ein guter Karikaturist müsste ein Glashaus zeichnen, bei dem ausnahmslos alle Scheiben von Innen eingeworfen sind ... darin ein amerikanischer Militär ... auf einem hohen Berg aus zivilen Kriegsopfern ... in Vietnam beginnend ... vielleicht auch schon bei den Indianerkriegen ... über der Szenerie kreisen Drohnen ... weinende irakische Kinder drumrum ...

Es wäre lustig, beträfe der dreckige Zynismus nicht massenhaft sinnlos getötete Menschen. Und würde es nicht allzu deutlich machen, dass die Amis jede Fähigkeit zur Selbstreflexion und -kritik verloren haben. Und dass sie uns, den Rest der Welt, auch für total bescheuert halten.



 (verändert via wiki commons)
Eine hirnlose Tötungsmaschine hat wenigstens keine Scheiße im Kopp.





Montag, 28. Dezember 2015

Knobelspiel


Finden Sie die Denkfehler in folgenden Aussagen:

  • ÄrztInnen verdienen Geld damit, mich zu heilen, wenn ich krank bin.
  • Druckerhersteller verdienen Geld damit, Drucker und Zubehör zu verkaufen.
  • Feuerwehrleute verdienen Geld damit, Brände zu löschen.
  • ...

Naaa? Beim letzten Satz hat's gefunkt, nicht wahr? Feuerwehrleute, auch die der Berufsfeuerwehren, verdienen ihr Geld nämlich NICHT damit, möglichst viele Brände zu löschen. Wäre das Einkommen der Feuerwehrleute nämlich von der Anzahl der Brände abhängig, könnte es passieren, dass sie in Jahren ohne Brandkatastrophen pleite gehen, den Laden dicht machen und dass beim nächsten Brand niemand mehr da ist, der was von professioneller Brandbekämpfung versteht. Zynischerer Gedanke: Wenn mein Gehalt von der Anzahl der Brände in meiner Region abhinge ... und dieser ohnehin ungenutzte, alte, einsame Schuppen ... auf dem einsamen Feld ... in einer mondlosen Nacht ... und ich brauchte das Geld ... um meinem armen, alten Mütterlein  ... wenigstens zu Weihnachten  ... ein frugales Süpplein ...

Kurz: Es ist logisch, gut und richtig, dass zwar die Brandbekämpfung Aufgabe der Feuerwehrleute ist [*1], dass sie aber gleichwohl nicht dafür bezahlt werden. Feuerwehrleute werden, die ganze Zeit, ob's brennt oder nicht, dafür bezahlt, dass sie DA sind. Machen wir uns das bewusst: Wir zahlen permanent, jede Sekunde, dafür! Und niemand beklagt sich, weil alles Andere auch ziemlich bekloppt wäre.

Da das so einsichtig ist, verstehe ich nicht, warum das im Gesundheitswesen nicht funktioniert. Wer kam eigentlich auf die bekloppte Idee, ÄrztInnen nur noch für das Gesundmachen von "Fallzahlen" zu bezahlen? Und wer verleidet's den ÄrztInnen, dass auch sie ihren Mütterleins zum Christfest mal was Schönes gönnen wollen? Warum können wir nicht Krankheitsbekämpfung nach dem selben Prinzip finanzieren, wie die Brandbekämpfung? [*2] Nur, weil die Pharmakonzerne so eine Mörderlobby haben und Feuerwehrausstatter nicht? [*3]

Und warum sollte das Prinzip nur bei Hochwert-Aufgaben wie Brand- und Krankheitsbekämpfung funktionieren, warum nicht auch ganz prosaisch bei PC-Druckern? Es ist schlicht ein hirnrissiger Ansatz, Konzerne dafür zu bezahlen, dass sie möglichst viele Drucker und Toner verkaufen, und es ist nur logisch - denken wir an das arme Mütterlein - wenn die IngenieurInnen angesichts einer derartigen Aufgabenstellung immer mehr Murks einbauen, damit ich am Tage ([Ablauf der Garantie] + 1) auch tatsächlich genötigt bin, nachzukaufen.

Es ist einfach eine falsche Anreizsituation. Seit über 30 Jahren mache ich mit Computern rum, und seitdem leide ich mehr oder weniger unverändert an %§$#~^$@-Druckerproblemen. (Erzählt mir doch nix von technischem Fortschritt!) Ich will gar nicht alle drei Jahre neue Drucker kaufen müssen! Ich werde, zu meinem ewigwährenden Unmut, allerdings dazu gezwungen. Viel lieber wäre ich dazu  bereit, dauerhaft eine geringe Summe X zu zahlen, wenn dafür jemand dafür sorgte, dass ich jederzeit problemlos drucken kann. Auch am Wochenende, auch nachts. Druckertyp ist mir latte, solange es Laser s/w ist. Und wenn ich Jahr um Jahr druckte und zahlte, und niemand müsste sich kümmern, nun, dann wäre mir das recht, und dem Dienstleister müsste es doch auch recht sein, oder?

Welche Auswirkungen hätte das auf die Hersteller? Wir hätten plötzlich einen Bedarf an super-robusten Druckern, so pflegeaufwändig und komplex wie eine Keule. Ich nenne das "russische Technik" und meine das als höchstmögliches Kompliment. Es wäre das genaue Gegenteil des gegenwärtigen Zustandes.

Man könnte es auch "nachhaltig" nennen.


Tl,dr: Wir leben in einer Welt fehlgeleiteter Anreizsysteme. Das erzeugt gravierende Probleme. Eine disziplinierte, rationale Bedarfsanalyse ist notwendig.


(Sylvain Pedneault via wiki commons)
Wäre die Feuerwehr privatisiert und eine Aktiengesellschaft, würde dieses Bild die Herzen erfreuen, denn hier wird gerade richtig Umsatz gemacht. Da dem aber nicht so ist, brennt hier nur ein schönes Gebäude ab, und engagierte Profis halten für viel zu wenig Geld ihren Arsch hin. Nicht lustig.





[*1] Jaja, ich weiß, dass das eine völlig naive, populistische, dümmliche Verkürzung des tatsächlich sehr viel umfangreicheren Aufgabengebietes der Feuerwehr ist. Das ändert aber nichts am Prinzip.

[*2] Es soll einen chinesischen (?) Herrscher gegeben haben, der das noch konsequenter durchgezogen hat: Seine Ärzte wurden nur solange bezahlt, wie er gesund war. Auch ein interessantes Konzept. Leider fehlt mir da jede Quellenangabe.

[*3] Hier tun sich gedankliche Abgründe auf. Man stelle sich umgekehrt vor, das Feuerwehrwesen funktionierte wie unser Gesundheitswesen: "Ich bin privatversichert. Ich wünsche, dass mein Haus zuerst gelöscht wird. Und zwar - nach ausführlicher persönlicher Beratung - nur vom Oberbrandmeister persönlich. Mit dem möbelverträglichen Pflege-Lösch-Schaum, der Kassen-Brandopfern nicht zusteht ... Ich weiß, dass das mehr kostet, aber das bin ich mir wert. Gerade wenn's brennt, sollte man auf die kleinen Annehmlichkeiten achten."

 










Freitag, 25. Dezember 2015

Oh Sch...! Wir müssen den Hitler lesen.


Was ist der Todesstoß für jedes künstlerische Werk? Wenn es in der Schule drankommt. Wie haben wir es gehasst, wenn ein/e MusiklehrerIn uns einen "Gefallen" tun wollte und Songs, die wir Kiddos gerade aktuell und geil fanden zum Unterrichtsgegenstand erhob und analysierte und erklärte. [*1] Das Teil, insbesondere, wenn es Kult war und als solcher rationaler Kritik eigentlich entzogen, war auf der Stelle mausetot. [*2]. Satisfaction gehörte uns, nicht dem Scheiß-Establishment.

Andersrum: Was macht ein berufsmäßiger Vollidiot wie Bushido, wenn seine Agentur seinen Markennamen mal wieder aufpolieren will? Ein Album mit einem Song, der garantiert auf den Index gehört. Dann wird das Album verboten, anschließend wird der Song gelöscht, und der Rest geht mit den Verkaufszahlen durch die Decke. Oder B. haut noch ein paar hirntote rassistische, frauen- und schwulenfeindliche Pseudo-Gangsta-Interviews raus, für die er sich zu einer Strafe verknacken lässt, die aus der Portokasse zu zahlen ist, ihm aber die kurzfristige Bewunderung vieler Schwerstmehrfachpubertierender einbringt.

Wir fassen zusammen, was wir gelernt haben: Schulische Analyse ästhetischer Werke zerstört deren Kultstatus und jegliche spontane, unreflektierte Faszination [*3], Verbote hingegen machen eine Sache erst richtig interessant.

Damit zu Hitler und zu "Mein Kampf" in der Schule. Das Werk  ist, streng textimmanent betrachtet, ein verquarstes, spießiges, langatmiges, peinlich egomanisches Machwerk [*4]. Weiter hin enthält es Gedanken, die in den 1930er und -40er Jahren zu Leid und Tod ungezählter Millionen Menschen geführt haben. Heute wird es entweder dämonisiert oder als Quasi-Reliquie verehrt, in beiden Fällen von Leuten, die es gar nicht gelesen (> 99 %) oder nicht richtig verstanden haben.

Machen wir's kurz, denn alle Argumente liegen auf dem Tisch: Wollen wir "Mein Kampf" dem freien Marketing à la Bushido ausliefern, es also durch Repression extra-attraktiv machen, soll es als offenes Mysterium auf ewig unangefochten der Domäne der Braunbratzen zugehören - oder wollen wir, die aufrechten, aufgeklärten Verfassungspatrioten, den gesammelten GröFaZ-Ausfluss durch sachliche Analyse entzaubern und auf die mikroskopische Größe zurechtstutzen, die ihm tatsächlich zukommt? Rhetorische Frage, oder? "Mein Kampf" gehört eben nicht den Nazis, wie Satisfaction uns gehörte.

Ich empfehle ergo die schulische Bearbeitung als Volltext, vielleicht arbeitsteilig, kapitelweise: Lesen, unbekannte Begriffe klären - und dann sollen die SchülerInnen doch mal bitte den Inhalt mit eigenen Worten wiedergeben. Jede Wette: Sie werden alle ausnahmslos und ein für  alle Mal gegen Nazismus immunisiert sein. Und sie werden den aktuellen Nazis mit Hohn und Spott und (bitte nicht allzuviel) Mitleid begegnen.


(by Silvia Klippert via wiki commons)



[*1] Übersetzen Sie einfach mal die Texte der Lieder Ihrer Jugend, und Sie werden wissen, was ich meine:

"Ich kann keine erlangen, nein, oh, nein, nein, nein.
A hey, hey, hey, das ist was ich sage.

Ich kann keine Befriedigung erlangen.
Ich kann keine Befriedigung erlangen.
Denn ich versuche und ich versuche und ich versuche und ich versuche.
Ich kann keine, nein, ich kann keine."



[*2] Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hat sich aus genau diesem Grunde vor ein paar Jahren presseöffentlich aber vergeblich gegen eine schulische Verwurstung des "Turms" gewehrt. Zur Strafe wurde sein Roman dann sogar Thema im Zentralabitur in Niedersachsen. Kultusbehörden können sehr gemein und nachtragend sein, wenn man die Stimme gegen sie erhebt. Ich nehme ab sofort Bestechungsgelder in jeder Höhe entgegen und verspreche im Gegenzug den Verlagen, bestimmte Texte NICHT im Unterricht zu verbraten.

[*3] Keine Angst: Bei GUTEN Werken stellen die Kiddos aufgrund der Analyse hinterher fest, dass da noch viel Beeindruckenderes hintersteckt, als sie spontan erfasst haben. Bei miesen Machwerken tritt natürlicherweise eine bleibende Ernüchterung ein. Beides ist beabsichtigt.

[*4] Ja, ich hab's gelesen. Bis mir kotzeelend wurde. Etwa auf Seite 3. Den Rest habe ich auf einem Level von Oberflächlichkeit durchgeblättert, der mir die Lektüre erträglich machte. Etwa so, wie man Gruseliges durch die leicht gespreizten Finger vor Augen anschaut.






Mittwoch, 23. Dezember 2015

Jahresabschlussreflexion: Warum ich so wüte


Als Kind war da das Staunen über die Welt.
Später der Glaube an das, was man mir sagte.
Dann fragte ich nach.
Dann fragte ich hinter.

Dann empörte ich mich.

Die Wut, dass man mich so lange belogen hatte,
dass ich mich so lange habe belügen lassen,
und selbst belogen habe.

Nach einer Weile hirnlosen Dreindreschens
bin ich nun sehr gespannt, was da sein wird,
wenn das Spiegellabyrinth restlos zerschlagen ist.





 (via wikipedia)





Montag, 21. Dezember 2015

Wen interessiert's?


"Die Anleger" seien "enttäuscht", titelt ein öffentlich-rechtliches doitsches Nachrichten-Portal über den Ausgang der Parlaments-Wahl in Spanien, und ich frage mich, an wievielter Stelle in der nach unten offenen Relevanz-Skala bei klugscheißerischer Bewertungen vorbildlicher demokratischer Prozesse "die Anleger" rangieren. 117? Oder 12.385? Oder ist es mir nicht eher sogar vollständig scheißegal, was "Anleger", denen es prinzipiell nur darum geht, ihr Geld zunehmend beschleunigt sinn- und ethikfrei ad ultimo zu vermehren, denken oder meinen oder prophezeien?

Ja ... doch ... je länger ich drüber nachdenke, um so sicherer bin ich mir, dass es mich nicht die Bohne interessiert, was "Anleger" von demokratischen Wahlen halten. "Anleger" agieren nämlich nicht intellektuell oder ethisch, sondern nach immer gleichen, primitivsten, egozentrischen Reflexen. Wie eine Grünalge, die keine Wahl hat, NICHT zum Licht zu schwimmen. Ich frage doch keine Grünalge, wie sie über Hell und Dunkel "denkt". Warum sollte ich also "Anleger" fragen, was sie über Politik "denken"?



 (via wiki commons)
Ich möchte den Grünalgen nicht zu nahe treten, es sind sehr faszinierende Wesen. Aber schrecklich ermüdend und monoton, mit ihnen Diskurse zu führen ...



Mittwoch, 16. Dezember 2015

Schöne Worte, panzerbrechend


Neulich eine Formulierung von Odo Marquardt gelesen. Der ethische Imperativ des gegenseitigen Zugeständnisses

"angstfreien Andersseindürfens"

Was für eine knappe, kristallreine Botschaft! Trennscharf, unbeliebig, unhintergehbar und ganz einfach anzuwenden. Ein wirksames, machtvolles Wort.

Es ist damit völlig egal, ob Neonazis sich feige als "besorgte Bürger" oder als "nationalkonservativ" tarnen, es spielt keine Rolle, ob die spießer-keifende Nachbarin es doch "immer nur gut gemeint", der Stasi-Oberverbrecher "Euch doch alle" geliebt, der Rapper Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass ja eigentlich doch nur aus kommerziell-ästhetischen Gründen auf die Bühne gebracht hat, der Ober-Imam-Padre-Guru auf die Heiligkeit seines, und nur seines, Glaubens pocht. Erheben die Arschlöcher der Welt letztlich nicht alle die Forderung, alle Menschen sollten in dem einen oder anderen Punkte gefälligst nach einem vorgegebenen Schema ticken, sonst ... ?!

Sie alle, die Großen, die Kleinen, die Mächtigen und die Mitläufer, die Deutschen, die Israelis, die Palästinenser, Amerikaner, Russen, Syrer, Chinesen und Tuvaluvaianer, müssen sich fragen lassen: "Wie haltet Ihr es mit dem angstfreien Andersseindürfen"? Darf man bei Euch schwul sein?  Eine andere Hautfarbe haben, einen anderen Glauben, eine andere Meinung? Unverhüllten Kopfes gehen? Baren Fußes? Unkrawattiert und unbeanzugt? Oder muss man dann in Eurer Nähe Angst haben, offene oder versteckte oder hinterhältige Attacken fürchten?

Ich bin vollkommen begeistert: Individuelle und staatliche Ethik ist mit diesem Schlagwort wieder ein ganzes Stück prüfbarer, klarer, einfacher, alltagstauglicher und effektiver geworden. Folgender eindeutiger Satz wird damit möglich:

Ab sofort möchte ich nur noch mit Menschen zusammen sein, die sich aus tiefstem Herzen gegenseitig zugestehen, angstfrei anders sein zu dürfen.



 (via wiki commons)
Worte mit Durchschlagskraft. Ich mag das!


Sonntag, 13. Dezember 2015

Mutiges Eingeständnis


"Boah, die trauen sich aber was!", dachte ich, als ich heute die Titelzeile einer ganzseitige Annonce eines Klamottenladens las:

"X-mas-sale"

Heißt übersetzt: Der Ausverkauf von Weihnachten. Heißt: Wir schlachten die Sache jetzt noch einmal kommerziell so richtig aus, verramschen den restlichen Konsumdreck mithilfe aggressivst-möglichen Marketings, und dann ab dafür. Weihnachten auf den Müllhaufen der Geschichte.

Zugegeben, den Gedanken hatte ich auch schon, Weihnachten, die Botschaft Christi undsoweiter, ist inhaltlich am Ende, schon seit Jahren. Die europäische Flüchtlingsdebatte ist nur ein Beispiel. Aber dass das endgültige Aus der Weihnachtsbotschaft jetzt auch ganz offen und konsequent umgesetzt wird, finde ich sehr respektabel.



(via wiki commons)
Allgemeiner Produktlebenszyklus.

Das "Ergebnis" der weihnachtlichen Botschaft, unsere Fähigkeit zu Mitgefühl und Barmherzigkeit, ist längst unterm Strich, also "end it".






 (via wiki commons)
Das Scheitern des Konzeptes haben die "heiligen drei Könige" zu verantworten. Sie haben Christi Geburt von Anfang an mit Kommerz verknüpft. Warum mussten die Knallköppe so einen teuren Scheiß wie Weihrauch, Myrrhe und Gold anschleppen? Nur, weil sie's sich leisten konnten? Wollten sie ihre Nachbarn neidisch machen? Oder wollten sie den künftigen Rex admirabilis schon mal rechtzeitig durch aufwändige "Landschaftspflege" schmieren? Wenn ich mir die damalige Lage von Jesus, Maria und Josef vergegenwärtige, dann wären Essen, Trinken und ein bestätigter Asylantrag die bessere, pragmatischere Wahl gewesen. Weihrauch und Myrrhe hat Josef wahrscheinlich am nächsten Morgen vertickt und gegen sinnvollere Dinge eingetauscht, aber Fragen bleiben, oder? [*1]

Vielleicht wäre es das Beste gewesen, die "Könige" hätten gar nix mitgebracht, sondern dem Erlöser einfach nur gesagt "Mann, wurde auch Zeit, dass du kommst. Hier geht alles den Bach runter. Die Leute benehmen sich wie die Sau, kein Mitgefühl, keine Solidarität, nur hirntote Konsum- und Machtgeilheit. Tu was!!!"

___________________

[*1] Zum Beispiel: Wenn drei Könige von der christlichen Botschaft so überzeugt waren, warum haben sie das Christentum nicht von Anfang an stärker politisch und wirtschaftlich unterstützt? Warum musste dann da unten erst ein über 30-jähriger, brutaler Guerilla-Krieg um Gottes Willen geführt werden? Verglichen mit dem, was möglich und angesichts der Tragweite der Idee angemessen wäre, sind das bisschen Weihrauch, Gold und Myrrhe eigentlich Peanuts. Erinnert tatsächlich an heutige Korruption: Porsche hat die FIFA ja auch mit nur 6,7 Millionnen geschmiert und ihr nicht das ganze Unternehmen geschenkt. Thyssen, Krupp, Flick, Siemens, VW finanzieren Wahlkämpfe der ihnen genehmen Parteien, aber verglichen mit Umsätzen und Gewinnen der Konzerne sind das Sachen für die Portokasse.




Samstag, 12. Dezember 2015

Bezahl-Patriotismus



Jestern im Provinzialblatt jelesen, deutsche Reeder schlagen Alarm: Deutsche Handelsflotte schrumpft weiter, immer mehr Schiffe werden an ausländische Firmen verscheuert, die sie trotz großer internationaler Konkurrenz im Wachstumsmarkt Handelsschifffahrt erfolgreich weiter betreiben. Es sei, so der deutsche Reederverband, "im nationalen Interesse", den maritimen Standort Deutschland zu halten ... blablabla ... staatliche Unterstützung.

Ich verstehe das mal wieder nicht:

Wenn deutsche Reeder deutsche Schiffe im globalen Rahmen nicht konkurrenzfähig betreiben können, andere Reeder aber durchaus, warum sollte man die deutschen dann weiter staatlich unterstützen? Wahrscheinlich, weil die deutschen Reeder argumentieren, es sei total unfair, mit den Billiglöhnen anderer Nationen konkurrieren zu müssen.

Verstehe ich wieder nicht:

Heißt das, wir sollen den Phillipinos (oder wem auch immer), die weltwirtschaftlich einstweilen nicht viel anderes zu bieten haben, als ihre gutausgebildeten Billiglöhner, diese mickrige und ohnehin erbarmungswürdige Erwerbsquelle auch noch dichtmachen? Von was, bitteschön, sollen die dann jemals deutsche Investitionsgüter, wie z.B. Maschinen bezahlen?  Oder ist es vielleicht sogar gewünscht, wenn diese armen aber aufstiegswilligen Länder dafür unbezahlbare Kredite aufnehmen müssen? Vorzugsweise bei deutschen Banken? Die daran risikolos richtig schwer verdienen? Und diese Länder wirtschaftlich und politisch in dauerhafter, unerträglicher und unabwendbarer Abhängigkeit halten?

Von wegen "maritimer Standort Deutschland". Drauf geschissen! Lasst den anderen doch auch mal Luft zum Atmen. Lasst uns - global - doch mal zu einem wirklichen Fairtrade kommen. Es gibt Länder, die Schiffahrt billiger und besser können als wir? Prima, geben wir ihnen Aufträge! Dafür können wir Maschinenbau besser. Verkaufen wir ihnen die besten Maschinen der Welt! Das wäre eine kristallklare Win-win-Situation und entspräche vollkommen der erz-kapitalistisch-neoliberalen Forderung nach dem "freien Spiel der Marktkräfte".

Aber, seltsam, diesen Ruf hörte man aus der Reederei-Branche nur, als bis vor ein paar Jahren  Investitionen in Schiffe ein erstklassiges Abschreibungs- (sprich: Steuerhinterziehungs-) Modell für ein paar super-reiche Global Players waren. Plötzlich wird aber wieder in schönster Sozialisten-Manier nach staatlicher Hilfe, nach Lenkung und Patriotismus gerufen.

Eure Verlogenheit kotzt mich an.



(via wiki commons) 
"Vorrrwähtz und nich' vagäss-sen ... die So-ho-lidah-riteeet ...!" 

Die schlimmst-denkbare Perversion von Solidarität ist, wenn man nur aus macht- und geldgeilem Kalkül nach ihr ruft.