Samstag, 31. Januar 2015

Preisfrage



Stellen Sie sich vor:

Land A: Eine jüngst demokratisch gewählte Regierung eines ur-demokratischen und durch und durch europäischen Landes versucht, die Folgen zu beseitigen, die viele bürgerliche Vorgänger-Regierungen hinterlassen haben: Jahrzehntelange Misswirtschaft, Klientelpolitik und Korruption, Eliten, die sich zusammen mit den internationalen Finanzmärkten den Staat zur Beute gemacht haben und ihn wirtschaftlich zur eigenen Bereichung zugrunde gerichtet haben ... All das muss diese junge Regierung auffangen und hat versprochen, dies auf eine Weise zu tun, die nun nicht mehr darauf basiert, das Volk noch weiter bluten zu lassen, sondern die Verursacher. Die Methoden dieser neuen Regierung sind nicht durchgängig akzeptabel, aber die Leute sind auch recht verzweifelt.

Land B, C, D, E, .... : Mittelalterliche, faschistoide Diktaturen, bierärschige, korrupte, machtgeile alte Männer, die mit Folter, Korruption, Krieg, Drogenhandel, totaler Überwachung, Unterdrückung der Frauen, Homophobie, Todesstrafen, öffentlichen Auspeitschungen, Steinigungen, Abschaffung von Presse- und Meinungsfreiheit usw. unseren ethischen Anschauungen so sehr zuwiderlaufen, wie dies überhaupt nur denkbar ist, die aber unglaublich viel Geld haben.

Nun zur eigentlichen Preisfrage:

Welche/s dieser Länder wird/werden von uns auf ekelerregende Art demütigst und völlig kritiklos umschleimt und hofiert - und über welches ziehen Plittikörr und Medien gerade philisterhaft krittelnd geifernd und zähnefletschend her?

Bonusfrage:

Wenn unsere Enkel uns später einmal fragen, wie wir so .... sein konnten - was wollen wir da antworten?

(via wiki commons)
                                                 Ich wehre mich mit aller Kraft dagegen,
                                                 dem da Recht zu geben,
                                                 aber die Indizien sprechen nun mal für ihn.



Freitag, 30. Januar 2015

Nicht lustig: Karneval



Der Kölner Karnevalsverein zieht einen Rosenmontagswagen zum Thema "Charlie Hebdo" zurück, und ein Jecken-Ober-Funktionär verhebt sich in der Diskussion zu der Aussage, Meinungsfreiheit und Narrenfreiheit seien gleichzusetzen.

Diese Behauptung ist an dümmlicher Fehl- und Selbstüberschätzung nicht zu überbieten: Der ganze - für uns Norddeutsche ohnehin befremdlich wirkende - Karneval war konzeptuell noch nie als kritische Veranstaltung gedacht. Im Gegenteil: Der Ansatz "Es ist ja Karneval, da darf man mal die Obrigkeit auf die Schippe nehmen, da darf man mal bewusst gegen Normen verstoßen!" ist grundsätzlich mit dem Zusatz zu denken "Außerhalb von Karneval würden wir das ja niemals tun, nicht wahr, neinein, da sind wir ganz bestimmt wieder die oberangepassten, kriecherischen Spießer-Arschlöcher, die wir immer schon waren. Und damit auch restlos klar wird, dass wir nicht wirklich Kritik üben wollen, ziehen wir uns für die Zeit lustige Verkleidungen an, die uns ganz deutlich als Bekloppte ohne Wert markieren. Es soll niemand denken, wir wollten wirklich was verändern, neinnein, da sei Gott vor! Veränderung, pfui, bah!"

Oder, wie es ein anderer Bekloppten-Funktionär heute laut Provinz-Postille zum Hebdo-Wagen formuliert: "Einen Persiflagewagen, der die leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht." Logisch: Hätte Karneval je gesellschaftskritische Relevanz gehabt, hätte er je ernsthaft an der Hierarchie gerüttelt, wäre er längst abgeschafft worden. Die karnevalistische Kernaussage ist aber, dass nur Narren an der bestehenden Ordnung rütteln.

Narrenfreiheit! Was für eine Selbsterniedrigung! Was für eine durch und durch erbärmliche, feige und verlogeneVeranstaltung!


(verändert via wiki commons)

Der Begriff "bescheuerte Kuh" fällt mir einfach so ein. 
Da kann ich jetzt auch nix gegen tun.





Mittwoch, 28. Januar 2015

Angenehme Überraschung



Jaja, jetzt, da Herr Tsirpas sich und sein Griechenland an die Russen ranschmeißt, schreien natürlich alle "Kakao!". Mir fehlen ganz weitgehend die Informationen über das, was da gerade wirklich läuft, und ganz sicher habe ich keine angemessene Datengrundlage, um diesen ganzen Krempel valide zu bewerten. Aber ich spüre eine große Erleichterung und Genugtuung darüber, dass jetzt niemand mehr behaupten kann, es sei alternativlos, dass

  • wir uns demütig den Interessen der globalen Finanzmafia unterordnen,
  • demokratische Willensbildung zunehmend durch die dummen, brutalen, egoistischen Partialinteressen des reichsten Prozent der Weltbevölkerung ersetzt wird,
  • westliche Plittikörr uns alle in vorauseilender Unterwürfigkeit an die Konzerne verraten.
Wie gesagt, ich verfüge über zu wenig Fakten (warum eigentlich?), um die Sache mit Ratio zu beleuchten, aber das Gefühl schmunzelt: "Wie geil ist das denn!?" Der Tsirpas soll mal weitermachen mit dem Experiment. Die griechischen Normalverbraucher haben sowieso nichts mehr zu verlieren. Und wenn der deutsche Steuerzahler nun medial zum offensiven Greinen angestachelt wird, dann sollte man ihm nochmals - und zwar nachdrücklich - klar machen, dass mit seiner Kohle bisher ausschließlich die Ärsche internationaler Finanzmagnaten vergoldet wurden, nichts sonst!



 (via wiki commons)
"Macht entspricht der Fähigkeit, sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln." Hannah Arendt







Dienstag, 27. Januar 2015

Druckausgleich


"Grundschulen wird der Druck genommen" titelt die Postille und verweist damit völlig richtig auf den Umstand, dass Grundschulen fürderhin keine Schullaufbahn-Empfehlungen mehr formulieren müssen, sondern in der Sache nur noch unverbindlich beraten. Ich freue mich ehrlich mit den KollegInnen, wissend, wie viel Verantwortung sie zu schultern hatten, wie viel Mühe und Bemühen, wie viel Dramen dahinter steckten, eine faire, professionelle Aussage zu machen.

Aber wenn der Druck nun von den Grundschul-KollegInnen genommen wurde, wo ist er denn dann hin, der Druck?

Ich meine: Kann so ein Druck einfach so verpuffen? Wenn der Druck schlicht verschwände, nur, weil ein Erlass geändert wurde, dann hieße das ja, dass in realiter zu keinem Zeitpunkt eine echte Notwendigkeit für diesen Druck bestanden hätte. Das hieße, dass irgendein Polit-Bürokraten-Arschloch mit dem entsprechenden Erlass ohne Not jahrelanges Leid verursacht hätte. Es muss doch möglich sein, diesen Mann, diese Frau, diese Partei namhaft und dingfest zu machen.

Oder: Der Druck einer Schullaufbahn-Empfehlung ist tatsächlich vorhanden und eklatant. Wo ist er dann hin, der Druck? Natürlich zu den Eltern. Eltern sind da ja Experten. Viele Eltern wissen doch ganz genau, dass ihre Kinder hochbegabt sind  ... auf ihre Weise ... irgendwie ... auch, wenn sie das in der Schule nicht immer zeigen ... dann liegt's eben an den Lehrern ... . Viele andere Eltern halten ihre Kinder aber auch für faul und doof und sind der Meinung, dass die Bedeutung von Bildung maßlos überschätzt werde: "Ich weiß, was wichtig ist, und was ich nicht weiß, ist auch nicht wichtig. Und wenn das für mich reicht, warum soll das Balg mehr lernen? Gymnasium? Pah! Arbeiten sollen sie!" Und dann gibt es noch allzu viele Eltern, die sich einen Kehricht um die schulischen Belange ihres Nachwuchses kümmern, man besuche mal Elternabende in Hauptschulen.
 
Kurz: Eltern sind grundsätzlich Schullaufbahn-Entscheidungs-Experten, Zitronenfalter falten Zitronen und Chancengleichheit ist, wenn LehrerInnen ihr traurig-wütend-zynisch-hilfloses Lächeln aufsetzen.


Immerhin: Druckausgleich treibt Maschinen an.
 (via wiki commons)






Sonntag, 25. Januar 2015

Tao - Minimalismen



  1. Wannimmer es Dir schlecht geht, hältst Du an etwas fest. Lass los.
  2. Wannimmer Du wütend bist, setzt Du der Welt Widerstände entgegen. Löse sie auf.
  3. Ängste und Hoffnungen sind Illusionen. Aus ihnen entsteht das meiste Leid.
  4. Der Versuch, Dinge zu steuern und zu kontrollieren, vergeudet sinnlos Energie, schafft allseits Leid und pervertiert in jedem Fall das angestrebte Ziel.
  5. Wenn Du Deinen Feind für böse hältst, bist Du selbst ein Feind.




Samstag, 24. Januar 2015

Deprimierend brilliant



Man muss es doch mal sagen dürfen: Die Soziologie als Fachwissenschaft kann einpacken. Wenn man wirklich wissen will, wie unsere Gesellschaft im Allgemeinen und Otto Normal-Hirni im Besonderen tickt, dann sollte man sich bei RTLII, der Blöd-Zeitung und der Endverbraucher-Werbung umschauen. Die Jungs und Mädels wissen schnell und absolut sicher, wie Koma-Konsumentens Hirnrinde verschaltet ist, während Soziologen immer nur forschen und theoretisieren und nie zu Potte kommen.

Beispiel: Blend-a-med bewirbt aktuell eine bestimmte Zahnpasta mit dem prominenten Verkaufsargument, es handele sich um ein 3D-Produkt, reinige die Zähne also nicht nur oben-unten, links und rechts, sondern auch ... tatatataaaa ... vorne und hinten!

Unglaublich? Ja, aber wahr. Hier der Beweis:

Himmel nochmal, ich dreh' durch!


Die Strategie hat natürlich eine gewisse Logik: Eine 3D-Brille ist ja gefühlt auch irgendwie besser, als eine normale Brille, ein 3D-Drucker ist ja wohl nicht grundlos fünfmal teurer als ein normaler Drucker. Und wer wünschte sich nicht einen 3D-Fernseher statt des alten Flachbildschirms?

Also bitte! Auch ich habe beschlossen, mein Leben jetzt vollständig umzukrempeln und konsequent auf dreidimensionale Artikel umzustellen. Das darf dann ruhig etwas kosten, da sage ich einfach: Das bin ich mir wert! Was hilft es denn auch, eine zweidimensionale Zahnpasta zu benutzen? Sieht doch scheiße aus, oder? Ein zweidimensionales Auto ist doch bestenfalls das Abziehbild von 'nem  richtigen Auto, oder? Zweidimensionale Türklinken? Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie wir damit jemals klargekommen sind ...







Ich bin zu doof für Weltpolitik.



Erneut kapituliere ich vor der geballten geostrategischen Gelehrtheit des Provinzpostillen-Kommentators: Saudi-Arabien, schreibt er, sei "heute für den Westen ein unverzichtbares Gegengewicht gegen den Iran und seine hegemonialen Ambitionen ...." Aha.

Der Iran würde demnach in "den Westen" einmarschieren, wenn Saudi-Arabien nicht wäre? Ich dachte, wir päppeln bereits diesen anderen durchgedrehten Diktator, den Erdogan, damit wir, bis zum letzten Türken kämpfend, das Abendland am Bosporus verteidigen können? Und würden denn, wenn "der Westen" sich nicht ständig einmischen würde, die direkten Nachbarn Irans dessen "hegemonialen Ambitionen" einfach so hinnehmen? Pakistan ist so ein Nachbar, und die Jungs haben immerhin A-Bomben. Und die Saudis sind doch eigentlich auch nicht zimperlich, wenn es darum geht, unliebsame Staaten zu züchtigen. Was also hat "der Westen", was haben WIR da unten eigentlich genau zu suchen ... mal abgesehen von der altbekannten Ungerechtigkeit, dass UNSER Öl unter DEREN Ländern liegt?



 (verändert via wiki commons)




Freitag, 23. Januar 2015

Gestorben: Al-Jazeera.com



Verdammt, verdammt, verdammt! Wie gerne las ich bislang und zuweilen auf Al-Jazeera.com Texte einer nicht allzu offensichtlich propagandistischen muslimischen Nachrichtenagentur als Quasi-Ausgleich für den ewig-westlichen Medien-Mist. Und nun kommt der Nachruf auf Abdullah, den gerade verstorbenen fetten, alten, sturzkonservativen Diktator von Saudi-Arabien - mit der Headline "The kingdom's reformist monarch: ...", gefolgt von hirnerweichender Lobhudelei.

Nur Gutes über die Toten, aber was hier läuft, ist unwürdig, eine Beleidigung des Intellekts, vor allem aber eine Beleidigung der Opfer dieser menschrechtsverachtenden Diktatur. Jaja, Al-Jazeera ist ein Regierungssender von Katar, ebenfalls eine Diktatur, ich weiß, aber dass die sich für sowas Niedriges, Absurdes hergeben, ist definitv ein Ausschluss-Argument. Boykott! Lesezeichen löschen, Schluss mit lustig.






Bonsai



Bloggen ist wie Bonsai. Es bringt - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - keine Kohle. Es verschlingt Unmengen Zeit, Aufmerksamkeit und Mühwaltung und entwickelt sich mit plattentektonischer Langsamkeit. Wenn Dir jemand sagt, dass Du da gerade was völlig Bescheuert-Nutzloses machst, fallen Dir kaum stichhaltige Argumente ein.

Ob man wohl sagen könnte, dass das bei Kultur immer so ist?



(verändert via wiki commons)

Montag, 19. Januar 2015

Solidarität wohlfeil?


In letzter Zeit mehren sich die mokanten Bemerkungen zeitgeistiger Kultur-Mediaten, wer sich denn da mittlerweile alles mit Charlie Hebdo solidarisiere. Zugegeben: Dass sich Rassisten solidarisieren, hat Charlie wirklich nicht verdient. Aber warum, bitteschön, sollte es Normalos nicht vergönnt sein, sich mit den Opfern des Anschlages solidarisch zu erklären und für Meinungsfreiheit öffentlich einzutreten? Sollen nur hochdotierte Kulturkritikaster ihre hochdotierte Meinung blähen dürfen? Fürchten sie um ihre Alleinstellungsmerkmale und also ihre Pfründe, wenn andere auch öffentlich für Freiheit plädieren?

Selbst wenn zuträfe, dass viele Leute, die jetzt "Je suis Charlie" rufen, davor noch nie durch übermäßigen Einsatz für Meinungsfreiheit aufgefallen sein sollten, wäre deren öffentliche Erklärung ein guter Schritt. Viele gute Schritte. Millionen gute Schritte. Wenn das Attentat dazu führt, dass vielen Leuten erstmalig bewusst wird, wie wichtig ihnen diese Freiheit ist, dann ist das für die Demokratie ein durch und durch erfreulicher Umstand.

Also: Seien wir solidarisch. Jede/r nach seiner/ihrer Fasson. Mit den Hebdo-Leuten, mit Raif Badawi, mit allen, die unter Diktatur, Willkür, Gewalt zu leiden haben. Das hört nie auf.


(via wiki commons)
Lässt Leute auspeitschen, die anderer Meinung sind, sponsert mit Mörderkohle den Terrorismus, woimmer es ihm in den Kram passt. Aber sonst total nett. Ein freundlicher Nachbar und erstklassiger Geschäftspartner für unsere Wirtschaft.