Sonntag, 21. März 2021

Was zur Hölle?

 

Der Fürst von No fragte Vai-car, die Alte Weise, was die Hölle sei und wo sie liege. 

Vai-car sagte: "Die Hölle ist in Dir. Sie ist das Leiden, dass Du Dir selbst bereitest. Krieg, Gewalt, Krankheit, Schmerzen, Verlust lieber Menschen, das sind Dinge, die richtig beschissen sind, aber sie sind nicht die Hölle, denn sie kommen von außen. 

Hölle kommt von innen. Wenn Du Dein Leben falsch lebst, ob aus Gier, aus Feigheit, aus Faulheit oder aus Dummheit, wenn Du ständig an dem vorbeilebst, was Du eigentlich willst und bist und wenn Du Dich deshalb dauerhaft mies fühlst, aber glaubst, dass Du nichts ändern kannst oder willst oder musst, das ist die Hölle. Und der tiefste Kreis der Hölle ist erreicht, wenn Du nach vielen Jahren zurückschaust und viel zu spät feststellst, dass Du ohne Not Dein ganzes Leben verkackt hast, weil Du falschen Werten hinterhergerannt bist und weil Du viel zu viel darauf geachtet hast, was die Leute denken und weil Du zu feige und zu dämlich warst - und Du nichts davon reparieren kannst."

Der Fürst von No erbleichte: "Und man kann nichts tun, um dem zu entfliehen?"

"Nöpp", antwortete Vai-car, "das Einzige, was Du machen kannst, ist, auf der Stelle, in genau diesem Moment, aufzuhören, Deine kleine Privat-Hölle immer weiter auszubauen."

"Aber ich bin alt und habe nur noch wenige Jahre zu leben!"

"Ein gutes Argument, ziemlich hurtig damit anzufangen, ein freies, menschenwürdiges Leben zu leben, oder?"  


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band II: Definitionen; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 1344.




(via wiki commons)
Hölle 1180











 

Samstag, 20. März 2021

Kalamitäten


"Es gibt verschiedene Arten, wie ein Herrscher seine Armee ins Unglück stürzen kann. Eine Art ist, wenn er die Tatsache nicht bemerkt, dass eine Armee seinen Befehl nicht ausführen kann. Dies nennt man eine Armee in Kalamitäten bringen."  Sun-Zi: Die Kunst des Krieges, 500 v. Chr.

Aus Grund.



(verändert via wiki commons)









Samstag, 13. März 2021

Metaphern-Müll


Schüler: Oh Meister, in den Büchern steht so viel geschrieben von den Alten Meistern und ihrer grenzenlosen Weisheit. Wie wird man Alter Meister?

Gobba-Lan: Eine gute Voraussetzung ist, nicht allzu früh zu sterben. 

Schüler: Wenn meine Frage Euch zu naiv erscheint, sagt es einfach!

Gobba-Lan (verneigt sich): Verzeih' meine Antwort, sie war unwürdig. Vergiss die "Alten Meister". Es hat sie nie gegeben. Die Sprüche sind Zuschreibungen. Man brauchte einen Kristallisationskern, um eine Reihe einzelner Erkenntnisse in einen Zusammenhang zu bringen. 

Schüler (erstaunt): Es hat die Alten Meister nie gegeben? 

Gobba-Lan: Nein, sie sind eine reine Metapher. Und als solche wenig hilfreich. Die Leute neigen so sehr, die fiktive Figur nachzuäffen oder, schlimmer noch, anzubeten, statt sich um das Wesentliche zu kümmern. Kennst Du den Spruch: "Ein Narr ist, wer auf den Finger schaut, der zum Mond weist."?

Schüler: Ja, natürlich. 

Gobba-Lan: Ich gebe zu, dass es schwierig ist, eine Sache zu beschreiben, die per defintionem außerhalb der Grenze des Sagbaren liegt. Nur ein Beispiel: Wie sehr vermeiden wir die Bezeichnung "Taoismus", weil wir wissen, dass, sobald Du ein Wort prägst, die Sache von vorne bis hinten korrumpiert ist und korrumpierbar bleibt. 

Ich nehme an, spät-bronzezeitlichen Wüstennomaden ist es genau so ergangen: Wahrscheinlich  wollten sie nur das Unfassbare des nächtlichen Wüstenhimmels beschreiben und fanden das Wort "Jahwe", was wir heute vielleicht ganz banal mit dem vor-sprachlichen "Boah, ey!" übersetzen würden. Was hat sich draus entwickelt? Die drei mörderischsten, faschistoidesten, menschenfeindlichsten, egomanischsten und machtgierigsten Glaubenssysteme der Weltgeschichte, die abrahamitischen Religionen. Das ist das Resultat, wenn Du versuchst, eine Ahnung von einer für uns unfassbaren Ganzheitlichkeit in Metaphern zu fassen. Die Metaphern werden ganz schnell toxisch.

Schüler (schweigt): .



(stark verändert via wiki commons)
Klar, bei sonnem Job fängste schon am Denken an ...












Montag, 8. März 2021

Die Geschichte hinter dem „Buch von der Weite des Himmels und der Erde“.


1786 rüsten die französische „Société des gens de lettre de Montglane-sur-Mer“ und die „Norddeutsche Naturphilosophische Gesellschaft zu Neuhafe“ eine gemeinsame China-Expedition unter der Leitung des Marquis de Poignée aus. Aufgabe der Expedition ist, in China Belege für die Existenz aufklärerischen und humanistischen Gedankengutes in den Schulen fernöstlicher Philosophie zu finden.




(verändert via wiki commons, Kunstdruck nach einer Lithographie)
Marquis Joaquin de Poignée, 1783
 

Über die Expedition selbst wissen wir sehr wenig, nur zwei Briefe Poignées sind erhalten, in denen er einen außerordentlich erfolgreichen Verlauf der Expedition beschreibt. In vier großen, kupferverkleideten Seekisten und zwei Fässern werde er Material zurückbringen, welches das höchste Interesse der naturforschenden Freunde in Frankreich und Deutschland erwecken würde.

Bei seiner Rückkehr nach Europa, Anfang Dezember 1790, durchkreuzt jedoch die französische Revolution die Euphorie. Wenngleich der Marquis nur dem niederen Adel angehört, sind seine Person und sein Besitz gefährdet, somit auch die "Beute" der Expedition. Nur kurz ist daher sein Aufenthalt im Hafen von Montglane-sur-Mer an Frankreichs Westküste. Die Mitglieder der „Société des gens de lettre de Montglane-sur-Mer“ beschließen unverzüglich, das Schiff, die "Minerva", nach Neuhafe in Norddeutschland weitersegeln zu lassen, um die kostbare Fracht dortselbst im ehemaligen Kloster und nunmehrigem Sitz der „Norddeutschen Naturphilosophischen Gesellschaft" sicher zu verwahren, zu sichten und zu katalogisieren.


(via wiki commons)
Die "Minerva" um 1770. 
Für die China-Expedition 1786 wurde sie teilweise demilitarisiert, 
insbesondere das untere Geschützdeck wurde zurückgebaut, 
die Stückpforten verschlossen.

 
Trotz widriger Wetterbedinungen im Kanal erreicht die "Minerva" am 23. Dezember 1790 die ostfriesische Küste, die Einfahrt in den Hafen von Neuhafe gelingt dem verhältnismäßig großen Schiff jedoch nicht, und so beschließt man, auf nördlichere Winde und die kommende Flut zu warten. Das Schicksal kann zuweilen zynisch sein: Ein Sturm aus nördlichen Richtungen drückt die "Minerva" gegen die Küste, wo sie im Schlickwatt neben der Hafeneinfahrt festkommt und von den Naturgewalten zerschlagen wird. 


(via wiki commons)
Ein Stich von "der fast übernatürlich hohen Wasserflut" 1790. 
Im Hintergrund rechts, 
knapp unterhalb der Horizontlinie 
das Wrack der "Minerva".


Nur drei Matrosen können sich retten, der Marquis de Poignée bleibt vermisst. Auch der Großteil der Ladung, vor allem die wertvollen Erträge der Expedition scheinen für immer verloren.

230 Jahre später, im Herbst des Jahres 2020, macht dann ein alter Provinzlehrer bei einem Spaziergang  im Wattenmeer vor der ostfriesischen Küste eine überraschende Entdeckung ...

(Fortsetzung folgt.)























Sonntag, 7. März 2021

Robo Sapiens

 


"Das Kennzeichen wahrer Intelligenz 

[ist] die Fähigkeit, 

gegen die eigene Programmierung zu verstoßen."


C. R. Cargill: Robo Sapiens; München, 2019, S. 227 f













Samstag, 6. März 2021

Du sollst nicht Partei ergreifen. (BdW; Bd. II; S. 968)

Frage: Du betonst immer, als Tao-Übender dürfest Du keine Partei ergreifen. Aber für die Freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Menschenrechte setzt Du Dich sehr massiv und offensiv ein. Das ist widersprüchlich, oder?

Antwort: Mag so scheinen. Die Menschenrechte sind eigentlich nur eine langatmige Paraphrase der Forderung, Menschen sollten einander in Mitgefühl und gegenseitiger Hilfe begegnen. Der Begriff "Menschenrechte" erinnert daran, dass 1948 die überwältigende Mehrheit aller Staaten sich dazu in einem entsprechenden Abkommen verpflichtet haben. 

Frage: Aber die Realität ...

Antwort: Erbärmlich. Beschämend. Aber das liegt an den Menschen, nicht an der selbstgegebenen Charta.

Frage: Bei der freiheitlichen Demokratie sieht's aber auch übel aus.

Antwort: Ja. Dafür müssen wir kämpfen! Wir können nur wenig tun, wenn die Mehrheit der Menschen in der Türkei, auf den Philippinen, in den USA, China, Polen, Israel, Ungarn beschliessen, die Menschenrechte nicht mehr zu wollen. Aber die FDGO geht unser Land an, und da können und müssen wir kämpfen.

Frage: Weil? 

Antwort: Die FDGO ist so einzigartig, weil sie ein System ist, mit dem man einerseits gesellschaftliches Leben organisieren und koordinieren kann und das andererseits die Chance zur dauerhaften Akkumulation politischer Macht möglichst weitgehend minimiert. Totalitär organisierte Gesellschaften können zweifellos schneller und rücksichtsloser agieren, als freiheitliche. Das macht den Reiz aller politischen bzw. religiösen Fundamentalismen aus, und diesem Reiz erliege ich auch mitunter¹. Aber: Absolute Macht korrumpiert absolut. Es gibt kein Beispiel, bei dem das nicht passiert ist. Null. Und hinterher waren stets viel mehr Menschen unglücklich, verletzt, zerstört als vorher. 

Nein, wir brauchen diesen langatmigen, komplizierten, fehleranfälligen, diskursbasierten, piefigen, nervtötenden, teils verlogenen, teils korrupten, teils hirnzerfetzend dämlichen politischen Prozess, den wir Demokratie nennen. 

Demokratie bedeutet idealerweise, Macht wird irgendwie ausgeübt, und gleichzeitig gilt es als verachtenswert, als ethisch untragbar, an der Macht festzuhalten. Es ist gut, dass wir unseren Plittkörrn einerseits zeitlich begrenzt politische Macht geben und sie andererseits immer ein bisschen dafür verachten, dass sie sie ausüben wollen.  

Dieser Widerspruch gefällt den Meistern des Tao. 👍



(via wiki commons)
Ich mag dieses Bild von Lao-Tse,
weil er da so unspektakulär aussieht,
ein bisschen ungelenk,
und der Kopf etwas verdetscht.
Kein Ideal,
und deshalb vertrauenswürdig.






 ¹Was würde Friedrich II von Preußen, der "Alte Fritz", angesichts der Corona-Krise machen? 
Und wie oft wünsche ich mir, "Absoluter Chef von der Welt" zu sein. Nur eine Zeit lang, sagen wir, ein paar Jahre. Die Welt wäre hinterher ein bess'rer Ort, ich schwör's!





Mittwoch, 3. März 2021

Gleichnis-Vergleich

Der weise Gobba Lan sprach: "Mein Weg zur Erkenntnis ist wie der eines Käfers, der den Gipfel einer hoher Düne erklimmen will. Emsig kletternd kommt er doch nur langsam voran, denn immer wieder rutscht er zurück." 

Schüler: "O Herr, heißt der Spruch nicht: 'Lernen ist wie das Schwimmen gegen den Strom. Wenn Du aufhörst, treibst Du zurück.'?"

Der weise Gobba Lan: "Hör' mal, Klugscheißer, wenn Du es im Weisheits-Business zu was bringen willst, solltest Du aufhören, die Alten Weisen zu hinterfragen!"

Schüler (trotzig): "Nur wer gegen den Strom schwimmt, erreicht die Quellen!"

Der weise Gobba Lan: "Ah, Du meinst es ernst, oder? Sehr gut. Dann höre die vollständige Antwort. Bei dem Gleichnis mit dem Gegen-den-Strom-schwimmen fallen mir immer nur glubschäugige Forellen oder Lachse ein, die hirnlos einer Programmierung folgen, um sich fortzupflanzen und dann zu sterben. Mein Käfer hingegen krabbelt auf die Spitze der Düne, weil er die Übersicht und die Weite des Himmels über sich genießen will. Nenn' es meinetwegen Erkenntnis, was er sucht. Und mein Käfer kämpft die ganze Zeit, obwohl er sich jederzeit anders entscheiden könnte: Nahrung und Sex findet er auch unten an den Dünen. 

Außerdem fasziniert mich das zappelige, nicht immer zielgerichtete Gekrabbel des Käfers mehr als das stoische Einbahnstraßen-Denken dummer Fische. Meine persönliche Suche nach Erkenntnis war und ist eine Geschichte voller Fehler, Missverständnisse, Umwege, Dummheiten, Rückschläge und sogar Verletzungen. Schaue ich auf mein bisheriges Leben zurück, sehe ich endlose Aneinanderreihungen von Peinlichkeiten. Nur mit großer kognitiver Anstrengung kann ich die Scham über meine begangenen Dusseligkeiten überwinden: Indem ich mir sage, dass ich zu jedem Zeitpunkt in gutem Willen gehandelt habe und nach bestem Wissen, und dass das Wissen eben oft nicht da war, sondern erst in langen, meist unangenehmen Prozessen erworben werden musste.

Nein, mein Käfer-Gleichnis ist in Ordnung. Ich bleibe dabei."


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XXXVI; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 112 f


(stark verändert via Afrikascout)









Montag, 1. März 2021

Kreativität

 

Kreativität ist: Keine Angst vor Fehlern haben.

Weisheit ist: Viele Fehler gemacht zu haben.



aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band II: Definitionen; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 54.










Sonntag, 28. Februar 2021

Wie man Schickimicki erkennt


Zu Vai-car, der Alten Weisen, kam einst Dschong-La, der Schüler, und sprach: "Oh weise Vai-car, bitte lehre mich den Unterschied zwischen Schickimicki und Nicht-Schickimicki." Die alte Vai-car besann sich eine Weile und dann sprach sie: "So will ich Dir die Geschichte von Laerion, dem Flieger, erzählen." 

Und sie sprach: "Einst lebte Laerion der Flieger, der flog für sein Leben gern, tagein, tagaus, sommers wie winters. Und weil er es besonders liebte, im sehr, sehr offenen Cockpit eines 120-kg-Trikes zu fliegen, musste er, wenn er winters unterwegs war, sich stets ziemlich dick einmummeln und das tat er auch. Irgendwann beschloss Laerion aber, die dicken, unförmigen Handschuhe, die zwar wärmten, aber ungeschlacht waren, durch ein Paar elegantere, akku-beheizte Handschuhe zu ersetzen. Ein oder zwei Mal ging das auch ganz gut und Laerion flog mit seinen beheizbaren Handschuhen und freute sich ihrer. 

Dann aber, eines Tages, machte ein Akku, der des linken Handschuhs, die Grätsche. Laerion versuchte zwar noch, ohne Handschuhheizung weiterzufliegen, aber nach einer Viertelstunde war seine linke Hand so eingefroren, dass es ihm langte und er vorzeitig zum Flugplatz zurückkehrte und wütend landete."

Vai-car schwieg. Dschong-La dachte ein Weile nach. "Ich verstehe.", sagte er schließlich. "Laerion hatte eine technisch einfache aber funktionale Lösung. Doch er tauschte sie ohne wirkliche Notwendigkeit gegen eine technische komplexere Lösung ein ... " "... die nebenbei gesagt auch noch eine Menge Geld gekostet hat.", ergänzte Vai-car. "Wahrlich," seufzte Dschong-La, "es gibt ohne dies viele Dinge, die die Flugzeit verkürzen können. Wenn dann auch noch die Unwägbarkeit einer dysfunktionalen Handschuhheizung als Risikofaktor dazukommt, kommt man eines Tages kaum noch in die Luft!"

"Nun kennst Du den Unterschied zwischen Schickimicki und Nicht-Schickimicki.", antwortete Vai-car. "Merke ihn Dir gut. Es gab mal eine Armee, die hatte so viel Schickimicki, dass kein Transporthubschrauber mehr flog, kein U-Boot mehr fuhr und kein Gewehr mehr richtig schoss."

Dschong-La verbeugte sich ehrfuchtsvoll und dankbar, als sie ging. Aber auf dem Weg nach Hause dachte sie: "Prinzipiell hat die Alte zwar recht, aber diese völlig überdrehte Metapher von der Armee ohne Waffen hätte sie sich schenken können. Schwachsinnsmärchen"


aus: Thylni Nidnovi (Hg.): Das Buch von der Weite von Himmel und Erde (BdW); Band XIV; Aarsfurt; 512 v. Metis; S. 389 f



Heute hing die Nebeldecke bei 250 m so tief, dass nur Low-&-Slow-Flieger eine Chance hatten.




   




Samstag, 27. Februar 2021

Zwischenhalt




Frühling lässt sein blaues Band ...



Der bisherige Blog endet hier. 

Damit unter altbewährter Adresse 

demnächst mal was Neues entstehen kann ... 😅