Donnerstag, 15. November 2018

Zeitenwenden



Die kniffligste Analysemethode in der Kommunikationswissenschaft ist die Analyse dessen, was nicht gesagt wird. Diese Methode erfordert sehr viel kleinschrittige Arbeit, umfassendes Kontextwissen und sehr pingelige Logik und Selbstdisziplin, damit die Hypothesenbildung nicht aus dem Ruder läuft - sie ist aber auch unglaublich ertragreich. 

Wir kennen das berüchtigte Beispiel "Der Senf hat gut geschmeckt." bei kulinarischen Beurteilungen, und zeugnissprachliche Weglassungen sind mittlerweile so allgemeinbekannt, dass sie justitiabel geworden sind.

Zusammenhang: Mich quält die Frage, warum unsere recht-doitschen Po pulisten nicht längst auf der Türkei rumhacken. Himmelnochmal, da sind islamistische Fundamentalisten seit Jahren dabei, doitsche Landsloite wegen ganz und gar unplausibler Vorwürfe und unter Umgehung jeglicher internationaler Rechtsgrundlagen einzubuchten, da wird die doitsche Regierung übel beschimpft, da wird in Doitschland selbst gegen doitsche Interessen konspiriert - und was kommt von rechts? Nichts. Gar nichts! Kein Pieps!

Gut, Erdogan hat mal versehentlich presseöffentlich ehrlich zugegeben, worauf er à la longue hinauswill, aber das war 2016 und sowas kann doch nicht so langfristige Faschisten-Solidarität bewirken, oder?

Außerdem finde ich es außerordentlich befremdlich, dass jemand wie ich, nach AfD-Diktion ein grün-links-versiffter, ökofairer Vaterlandsverräter, Solidarität mit den gefangenen deutschen Staatsbürger*Innen in der Türkei einfordert und dass ausgerechnet ich mir Gedanken darum mache, was für ein  erbärmliches Bild des Verrates am eigenen Volk und der mangelnden Solidarität es ist, dass schon wieder hirntote doitsche Touristen zum Urlaub in die Türkei fahren. Wie kurios und verachtenswert und unverständlich muss sowas auf die türkische Regierung wirken? Wie auf die anderen Völker dieser Welt? Und - am niederschmetterndsten - wie auf die Betroffenen und ihre Angehörigen?

Mittlerweile gilt man also als grün-links-versifft, wenn man das zeigt, was man früher "Anstand" oder "aufrechten Gang" nannte.

So sei es denn!





(via wiki commons - Schrader J.: FdG etc)
"alle Religionen Seindt gleich und guht wan nuhr die leüte so sie profesiren Erliche leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land Pöpliren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen." 
 - Rand-Verfügung des Königs zum Immediat-Bericht des General-Directoriums. Berlin 1740 Juni 15



__. __

Come writers and critics
Who prophesize with your pen
And keep your eyes wide
The chance won't come again
And don't speak too soon
For the wheel's still in spin
And there's no tellin' who
That it's namin'.
For the loser now
Will be later to win
For the times they are a-changin'.


Bob Dylan, 1964














Samstag, 10. November 2018

Don't let them fool ya (Marley, B.)


Neulich hat mir jemand gesagt, man müsse auch mit AfDlern, Fundamentalisten, Faschisten und so weiter reden können. Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht stimmt.

Begründung:
  1. "Don't argue with a fool. He will drag you down to his level and beat you with experience."
    (Mark Twain)
  2. "Antworte dem Toren nicht nach seiner Narrheit, damit nicht auch du ihm gleich wirst!" (Christen-Bibel; Sprüche 26,4)
  3. Es ist ja gerade eine allzu offensichtliche Taktik religiöser und politischer Lautsprecher geworden, besonders krude Thesen rauszuhauen, einzig, um permanente öffentliche Aufmerksamkeit zu erheischen.* 
Statt Rassismus, Nationalismus, Faschismus und bedingslose Macht- und Geldgeilheit durch Aufmerksamkeit zu adeln, sollten wir die Arschlöcher durch Missachtung bestrafen. Unsere immanente Antwort auf irgendwelche menschenfeindlichen Ausflüsse darf nicht immer wieder bemühte Ernsthaftigkeit sein. Das kostet zu viel Energie, bewirkt niemals Veränderung, und die anderen lachen sich tot über uns und fühlen sich in ihrem Schwachsinn bestärkt.

Vorschlag: Wenn jemand sich als populistische Dummbratze outet, brechen wir solange den Kontakt ab, bis er/sie die Bereitschaft signalisiert, wieder auf den Boden der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder, wenn's um internationale Angelegenheiten geht, auf den der UN-Menschenrechtscharta von 1948 zurückzukehren. Und falls sie/er das Umdenken von sich aus nicht auf die Kette kriegt, dann hätten unsere therapeutischen Versuche auch nix gebracht.





(stark verändert via wiki commons)






*Die AfDler wissen selbst gut genug, dass sie eigentlich keine staatstragende Partei sind und auch nicht sein können, weil sie für 95 % aller Politikfelder gar keine Inhalte, keine Ideen, kein Programm und keine Leute haben.



Mittwoch, 7. November 2018

Superman is'n Dreck gegen uns!


Viele Lehrer bei Jugendmedienschutz überfordert

titelt der Doitschlntfonk und zitiert eine völlig unrepräsentative und fragwürdige Studie eines völlig irrelevanten, von niemandem außer sich selbst beauftragten und überhaupt nicht zitierfähigen Vereins.

Zentrale Aussage, Zitat: "Die Hälfte der Lehrkräfte und Fachpädagogen traut sich demnach nicht zu, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Online-Risiken zu unterstützen oder zu beraten. Mehr als die Hälfte der Befragten hält negative persönliche Folgen für denkbar."

Verschwenden wir bitte keine Energie auf die Überlegung, was der Unterschied zwischen "Lehrkräften" und "Fachpädagogen" sein mag, von denen 300 befragt wurden - bei gesamt 763.304 LehrerInnen allein an allgemeinbildenden Schulen, entsprechend 0,039 Prozent.

Mich verblüfft, dass immerhin 150 Lehrer (keine Frauen dabei, scheint's) der wahnsinnigen Hybris erliegen, Jugendliche gegen die globale politisch, militärisch und wirtschaftlich gewollte und hochsubventionierte, schwerst-professionelle Manipulation durch die Mächtigen und Möchtegern-Mächtigen dieser Welt auch nur ansatzweise schützen zu können. Sintemalen der Bericht nahelegt, dass niemand Anders als nur die Lehrer hierin eine Verantwortung hätten.

Aber gut, liebe Leute, spielen wir das Spiel. Ich habe noch ein paar Artikel in petto, für die ich auf der Stelle Urheberrecht und massenhaft Tantieme beanspruche:

Fortschrittsfeinde! Noch kein einziger Lehrer auf dem Mars!
Während weltweit die fähigsten Forschungseinrichtungen mit Hochdruck an der Reise eines Menschen zum Mars arbeiten, haben von 300 befragten Lehrern bislang alle (!) zugegeben, noch nie auf dem Mars gewesen zu sein. Für Oberstufen-Fahrten in die Toskana sind die Herrschaften sich aber gut genug...

 Oktober 2018: Empörender Bildbeweis für die geistige Rückwärtsgewandtheit der Lehrer 
(1. Reihe, links und rechts)




Umwelt-Kriminelle! Lehrer versagen völlig bei der Erreichung der globalen Klimaziele!
Obwohl es doch alles hochbezahlte, studierte Leute sind, konnte von 300 befragten Lehrern keiner (!!!) nennswerte Fortschritte bei der globalen Klimabilanz nachweisen, mehr als die Hälfte bezweifelt die zeitgerechte Erreichung des 2°-Ziels ...


Millionen Tote, und doitsche Lehrer tun nichts dagegen! Weltfrieden und universelles Glück trotz Bildungsauftrag* der Schule immer noch in weiter Ferne!
blabla bla ...


Magnetische Feldkonstante immer noch unverändert! Warum reagieren unsere Lehrer nicht?
blabla bla ... bla... bla!



Tja, soweit erstmal ... Bis diese Artikel raus sind, fallen mir bestimmt noch ein paar hundert Sachen ein, die wir den Lehrern in die Schuhe schieben können.





 (verändert via nasa.gov.com)

Okeee, es gibt halt Jobs, da müssen dann einfach wieder die Lehrer ran. Wer hat denn mehr Erfahrung darin, das Unmögliche möglich zu machen, das Unvorhersehbare vorherzusehen, das Unplanbare zu planen, das Unbekannte zu kennen, das Unsagbare zu sagen, das Unerhörte zu hören, das Unwägbare zu wiegen? Und das Geilste ist doch, dass wir dabei selbst im Angesicht des brüllendstenen Chaos' und der tödlichsten Gefahren des Universums suggerieren, verglichen mit heute Vormittag im Klassenraum sei das doch Alles Pippifax.

Ist ja irgendwie auch ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden.





* Erzählt mir nicht, dass "trotz" den Genitiv regiert. In Veröffentlichungen wie diesen finden Genitiv und Konjunktiv nicht statt, klar!?





Montag, 5. November 2018

"Anstand ist anstrengend für Viele." (H. Rether)


Im aktuellen Programm "liebe 2018" überrascht Hagen Rether mit der Aussage, Fremdenfeindlichkeit sei etwas ganz Natürliches, um anschließend zu erläutern, bei Menschen müsse allerdings nach der spontanen, reptilienhirn-gesteuerten Reaktion doch, bitteschön, der Neokortex die Kontrolle übernehmen und eine kulturgesteuerte, zivilisierte, der Menschen würdige Reaktion liefern.

Rethers Klugheit, Leichtigkeit und Eloquenz lassen mich immer wieder verzagen, eigene Gedanken zu verschriftlichen, aber dieser lässt mich nicht los.


(verändert via wiki commons)

Entwicklungsgeschichtlich ist der Neokortex unser jüngstes, modernstes Hirnareal, vereinfacht gesagt: der Ort der Kognition, wogegen der Hirnstamm viel urtümlichere Bereiche enthält und  anstrengungslos und weitgehend unbemerkt Atmung, Verdauung usw. steuert. Reptilien, wie das von Rether erwähnte Krokodil, kommen prima mit einem Gehirn zurecht, dass lediglich unserem Hirnstamm funktionsmorphologisch ähnelt. Des Homo sapiens' überdimensionierter Neokortex ist kein Grund zur Arroganz, sondern einfach eine Angepasstheit an eine bestimmte ökologische Nische, genauso wie des Krokodils Gebiss und Muskulatur.

Allerdings spricht viel für Rethers These, dass neokortikale Aktivität für viele Menschen anstrengend und daher unangenehm ist, während wir die Aktivität des Hirnstamms gar nicht oder nur neutral oder sogar positiv wahrnehmen. Beweis: Über den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik oder die "Verantwortung und Schuld der Deutschen im Jahr 2018" nachzudenken, erfordert Muße und Konzentration. Rülpsen und Pupsen können wir jederzeit, mitunter gar parallel. *

Rassismus, Fundamentalismus, Populismus funktionieren deshalb so gut, weil sie den RezipientInnen das Angebot machen, auf neokortikale Aktivität zu verzichten und sich nur des Reptilienhirns zu bedienen. Inhaltliche Analogien zu früheren Entwicklungsstadien unserer Art stützen diese Hypothese:

1. Der Hirnstamm steuert qua Reflex und Instinkt. Im Gegensatz zur Kognition sind Reflex und Instinkt aber "hard-coded", wie Programmierer sagen würden. Der Kniesehnenreflex ist eine reine Nervenverschaltung, die unser Hirn nicht mal peripher berührt. Ist mein Weltbild aber "hard-coded", dann bedeutet jede Veränderung Gefahr, da eine Neuanpassung ausschließlich biologisch erfolgen kann: Das Alte muss und wird untergehen. Erst durch zufällige Mutationen entstehen vielleicht Angepasstheiten einzelner Individuen künftiger Generationen, die positiv selegiert werden, und so kann eventuell eine neue Verschaltung entstehen und sich durchsetzen (es sei denn, die ganze Sache dauert zu lange und die Art stirbt vorher aus).

Daher ist doch klar, dass Populisten immer religiös fundamentalistisch, rassistisch, xenophob und homophob sind, tradierte Gewissheiten, festgestampfte Rituale und Dogmen lieben und soziale Strukturen durch ein faschistoides Führerprinzip betoniert sehen wollen - und zwar immer in exakt diesem Gesamtpaket!** Jeder Ansatz von Veränderung, von Flexibilität, jeder Hauch eines Zweifels am Bestehenden ist reale, nicht nur eingebildete Bedrohung. Und je tiefer man in diese Pampe hineinrutscht, desto dramatischer wirkt die allerkleinste Abweichung. Ein sich-selbst-verstärkender Prozess.

2. Der Hirnstamm entstand in einer Phase der Entwicklungsgeschichte, in der jedes Individuum permanent selbst verzweifelt nach der nächsten Mahlzeit suchte und gleichzeitig - ebenso verzweifelt - vermeiden musste, selbst eine Mahlzeit zu werden. Die Begriffe "Gewaltaffinität", "Gier", "Opportunismus" und "extremer Egozentrismus" beschreiben folglich nur ansatzweise die psychische und ethische Disposition dieser Kreaturen, und diese Disposition war evolutionstheoretisch betrachtet ebenfalls selbst-stabilisierend.

Manche EvolutionsforscherInnen denken, dass die entgegengesetzte Fähigkeit, nämlich solidarisch,  sozial und mitfühlend zu agieren, die Säugetiere im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen dahin katapultiert haben, wo sie jetzt stehen. Diese Fähigkeit ist aber brandneu und bedarf eines Neokortex', der die Komplexitätsexplosion bei der Kosten-Nutzen-Rechnung für soziale Bindungen in Großgruppen überhaupt berechnen kann.

Aber Evolution kann eben nicht alte, unaktuell gewordene Teile, schwupps, gegen neue austauschen. Und so geistert unser völlig veralteter, aber in Teilen immer noch notwendiger und, ach, so bequemer Hirnstamm mit seinem begrenzten Satz antiquierter Algorithmen durch unsere Kultur.

Und in scheinbar archaischen Situationen, nämlich wenn wir uns bedroht fühlen und in Situationen, in denen wir einfach zu faul und zu bierärschig und zu bequem zum richtigen Denken sind, da feiert der Hirnstamm fröhliche Urständ. Und die Riesen-Arschlöcher der Weltgeschichte verstehen es und haben es immer wieder verstanden, dieses leichte, anstrengungslose Nicht-Denken unseres Reptiliengehirns dominieren zu lassen, indem sie uns mit wahnsinnig überzogen dargestellten  Bedrohungen durch fiktive Feinde in Angst versetzen wollen und uns zu suggerieren, das Reptiliendenken sei das Wahre, das Gegebene, das einzig richtige Denken, und sie ermutigen uns immer wieder, den Einflüsterungen der Kreidezeit nachzugeben. Antike Tyrannen, Kaiser, Könige Gröfaze, Kanzler, Präsidenten, Konzernbosse haben es stets so getrieben und treiben es immer noch so.

Und die Errungenschaften, die den Menschen von den Tieren unterscheiden, die Vernunft, die Diskursaffinität, Solidarität, das Mitgefühl, die Neugier, die bewusste Toleranz, der Zweifel und die Erkenntnis, Ethik, Offenheit, Ästhetik, Freiheit, Individualität etc. etc., die sollen keinen Platz mehr haben ...
 
Wow, das ist jetzt viel zu lang und zu pathetisch geworden. Aber die täglich, stündlich von uns zu beantwortende Frage ist dadurch klarer geworden:

Willst Du lieber ein Reptil sein oder ein Mensch?




(verändert via wiki commons)









* Ich kann mir vorstellen, dass ein Reptilienleben, das ausschließlich aus einer Aneinanderreihung so antrengungsloser, befriedigender, vollautomatisierter, hirnstammgesteuerter Operationen wie beispielsweise dem Rülpsen besteht, glücklicher ist, als das eines, sagen wir, normal-nachdenkenden, normal-zweifelnden, hobby-bloggenden, hobby-fliegenden Provinz-Paukers.

**Es gibt keine Diktatur, die rassistisch ist, aber z.B. mit LGBTQ gut leben kann. Und Homophobie geht immer einher mit politischem und / oder religiösen Fundamentalismus.









Samstag, 3. November 2018

Wahrscheinlich letztgültige Antwort auf die jahrtausendealte Frage nach der Schönheit


Was mich allgemein im Bereich der Technik und ganz extrem in der Fliegerei fasziniert, ist, dass es praktisch keine ästhetische Diskussion gibt und dass die Produkte dennoch oder gerade drum immer eine schlichte, zuweilen raue, zuweilen romantische Schönheit ausstrahlen.




Form follows function und Vollkommenheit entsteht, wenn man nichts mehr weglassen kann, und Funktion und Reduktion sind nun mal die grundlegenden Prinzipien im Flugzeugbau.




Ein wirklich gutes Flugzeug ist immer auch schön, siehe oben, 
und ein kackenhäßliches Flugzeug ist nie wirklich gut.


Und wenn Du Dich mit so einem Brummer knappe drei Stunden lang durch argkalte Herbstluft geschlagen hast, und ihr beide durchgehalten habt, dann bist Du anschließend so verknallt in das Teil, dass Dir niemand mehr einreden kann, es handele sich dabei nur um seelenloses Material.










Donnerstag, 1. November 2018

Grau & gefährlich


Mal ganz ehrlich, Leute, ganz ehrlich: Herbst ist doch kacke!


 Hunte-Mündung von Südwesten, 270 m, heute

Was für eine beschränkte, abgedeckelte, graue Welt. Als wenn man von unten an eine Betondecke starrt ....



Und nun zu etwas völlig Anderem: Weil tödliche Unfälle beim Selfie-Machen statistisch durch die Decke schießen, mach ich's nur noch mit Helm und angeschnallt. Der Erfolg gibt mir recht: Keine Hai-Attacken, keine Grizzlies, keine unvorhergesehenen Schnellzüge, kein Ertrinken bisher.



Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich endlich den neuen Helm 
ausprobieren konnte und dass er zwar total bescheuert aussieht, 
dafür aber ganz hervorragend fünktioniert!







Samstag, 27. Oktober 2018

Dreisatz der Sehnsucht


Wenn Leute das Gefühl, mehr noch: die Gewissheit haben, in einem falschen Körper geboren zu sein, zahlt die Solidargemeinschaft eine Geschlechtsumwandlung, und soweit ich das beurteilen kann, ist das auch gut so.

Ich habe das Gefühl, mehr noch: die Gewissheit, in der falschen Klimazone geboren zu sein, jedenfalls von Oktober bis April ...

Aufgabe: Führen Sie diesen Dreisatz gedanklich zu Ende und notieren Sie das Ergebnis.





 Südsee, Acryl






Freitag, 26. Oktober 2018

Zuviel der Wahrheit


Habe gerade eine Hose gebügelt. Bemerkte erstmals im Hosenbund innen einen Aufnäher:



Na toll! Vielen Dank auch, J&J! Allerdings war mir auch ohne diesen idiotischen Hinweis klar, dass auch in diesem Jahr ich es nicht ganz geschafft habe, meinen ideal-fitten "Beach-body" herzustellen. Und dass meine Kondition schon mal besser war. Seit ich fliege, habe ich einfach nicht mehr so viel Zeit zum Laufen, eigentlich gar keine. Und meine Falten, das sind alles Lachfalten. Bin eben ein fröhlicher Mensch. Gut, der leichte Bauchansatz ... der ... äh ... ist da.

Aber was, zum Geier, geht das Euch an? Und wie kommt Ihr überhaupt dazu, so eine Frechheit in meine Hose einzunähen? Ich trage Jeansgröße 33-34/34, das ist ja nicht gerade die Abteilung "Elefanten-Zelt", oder? Was macht Ihr denn bei 40/32? Näht Ihr dann den Schriftzug "Fette Sau" ein? Und wieso sind meine Hemden "Slim Fit", während Ihr Blödmänner meinen Hosen "Anti Fit" attestiert? Habe ich nur dicke Beine, oder was?

Was sagen eigentlich Eure Marketing-Fuzzies zu dieser kundenfeindlichen, beleidigenden Aussage? Mal googeln ...
...
Aha ...
...
Ahso!
...
Hm.

Okay, also "Anti Fit" bedeutet gar nicht, dass Leute, die solche Hosen tragen wie ich, allesamt Fettmopse und das Gegenteil von "fit" sind. "Anti Fit" bedeutet alles mögliche ungereimte Spezial-Blabla im Hinblick auf den Schnitt der Hose.

Sollte ich ein kleines klitze-bisschen überempfindlich reagiert haben?

Nein, die Frage muss lauten: Ist es wohl ein Zeichen echten Alt-werdens, wenn man anfängt, jedes scheinbare Indiz dafür so wichtig zu nehmen?

 

(verändert via wiki commons)















Donnerstag, 25. Oktober 2018

Juhuuu! Die Einschläge kommen näher!


Irgendein Stimmchen inneren Wahnsinns jubiliert gerade in mir: Unser Auswärtiges Amt verschärft die Reisewarnungen für die Türkei, in der aktuellen Fassung besonders für Leute, die den Ziegenpeter vom Bosporus in sozialen Medien kritisch angegangen sind. Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke, jetzt geht's mir an den Kragen!

Warum mich das freut? Weil ganz deutlich die Autokraten * und Möchtegern-Autokraten den Diskurs so weit zuspitzen, dass nun jede/r Einzelne von uns gezwungen wird, eine Ja-/Nein-Position zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu beziehen.

Immerhin kann ich jetzt mit märtyrermäßig-stolzem, theatralisch-vorwurfsvollem Ausdruck schwersten inneren Leids Jedem und Jeder, der / die jetzt noch Urlaub in der Türkei macht, erholsame Tage wünschen, in dem Land, das zu betreten mir nun durch die staatliche Drohung mit Verfolgung und Knast verwehrt ist. Ironie beiseite: Ich habe schon seit dem Putsch nicht mehr verstanden, wie man da noch hinfahren, urlauben oder Geschäfte, Waffengeschäfte gar, machen kann. Und ganz ernsthaft: Ich hätte Schiss, da jetzt hinzufahren.

Und kommt mir nicht, wie neulich jemand, mit dem Argument, das sei ja nur die bescheuerte türkische Regierung, die Menschen seien ja ganz anders. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Ich glaube vielmehr, dass Erdogans Dicke-Hose-Politik beim Großteil der Bevölkerung gut ankommt, und dass die Wahlen, die ihn immer wieder bestätigen, frei und geheim und gleich sind.

Wir müssen endlich mit der Bequemlichkeit aufhören! Ein Türkei-Urlaub ist für freiheitliche DemokratInnen ethisch derzeit nicht darstellbar. Und wir müssen die kranke Profitgeilheit unserer Konzerne einfangen: Geschäfte mit der Türkei sind nicht möglich. Punkt. Und wenn Altmaier sagt, man müsse da eine europäische Lösung finden, dann ist das doch nur wieder altbekannte, wirtschaftsfreundliche Verzögerungstaktik. Wo eine Wille wäre, wäre auch ein Weg. Wo kein Wille ist, gibt es Ausreden.





(verändert via wiki commons)
" ... letztes Jahr waren wir ja auch schon in Mordor, ganz reizend! ... Landschaften, sag' ich Dir, sowas sieht man hier gaaaar nicht, und Essen und Unterkunft waaahnsinnig preiswert ... guuut, man muss etwas aufpassen, was man sagt, aber im Urlaub will man ja sowieso nicht an Politik denken und diese ganzen häßlichen Geschichten. Und mein Mann sagt, man kann tadellose Geschäfte machen, hier unten, die kaufen richtig anständige Mengen und erwarten schon hohe Qualität und sind auch bereit, gut dafür zu zahlen. Klar, da hängt ja auch einiges von ab: Die setzen die Waffen ja auch ein, teilweise sogar gegen uns oder unsere Freunde, aber trotzdem ... (lacht) ... wenn wir denen keine Waffen verkaufen, macht's ein Anderer, nicht wahr, und dann können wir das Geschäft wenigstens noch mitnehmen ..."






* Habe neulich irgendwo gelesen, Erdogan sei ein "Soft-Autokrat". Was für ein Schwachsinn! Man kann autokratisch sein oder nicht. Es käme doch auch niemand auf die Idee, eine Frau als "hard-schwanger" oder "soft-schwanger" zu bezeichnen. Dass Erdogan vorläufig aus taktischem Kalkül seinen Faschismus erstmal noch im Rahmen des jeweils herrschenden Rechts durchprügelt, ändert doch nichts. Das hat Hitler haargenau so gemacht.

Samstag, 20. Oktober 2018

Peinlicher Wettkampf


War gerade dienstlich fünf Tage lang "aus der Welt", überblättere die Nachrichten-Portale.

Stelle fest: Wir sollten uns mit dem populistischen Schwachsinn der Trumps, Erdogans, Salmans, Söders, Orbans und dergl. nicht länger im Einzelfall beschäftigen. Das kostet unnötig viel Zeit und Kraft und führt zu nichts Gutem.

Stattdessen müssen wir die gezielten Verstöße gegen die einfachsten zivilisatorischen Normen (Menschrechte, Pressefreiheit, Toleranz, Vernunft, Mitgefühl) insgesamt wie einen Penisvergleich* dümmstmöglicher Spätpubertierender werten. Der Wettstreit der Autokraten besteht darin, sich gegenseitig zu zeigen, was man sich trauen darf, welche sprachliche und sonstige Perversion man sich noch schadfrei leisten kann, wie sehr man ungestraft bestehendes Recht und die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen treten kann, welchen Journalistenmord** die Leute einem noch durchgehen lassen usw. Und da will natürlich einer den anderen übertrumpen.

Und solange keiner von diesen Leuten ernsthaft was auf die Fresse kriegt, aber so, dass es richtig wehtut***, solange - im Gegenteil - dieser pubertäre Dicke-Hose-Gestus öffentlich beklatscht wird, wird der Wahnsinn immer weiter eskalieren. 






(verändert via wiki commons)
Diktatoren-Pimmel als Ausmalbild







* Die polnische Ministerpräsidentin Szydlo muss dabei natürlich den Penis von Jaroslaw Kaczynski hochhalten.

** verbal oder real

*** Sicherheitshalber ergänze ich: Dies ist eine Metapher!