Soso, zum hundertsten Jahrestag der Skagerrakschlacht soll es eine Gedenkveranstaltung geben. Kurz die Fakten: Erster Weltkrieg, die rivalisierende englische und deutsche Hochseeflotte, die in den Dezennien zuvor ihre jeweiligen Staatshaushalte quasi ruiniert haben, wollen ihre jeweilige Existenz legitimieren und treffen sich am 31.05.1916, 16:48 vor dem Skagerrak, um sich zehn Stunden lang zu beharken. Ergebnis: 8.600 Menschen sterben, was etwa dem durchschnittlichen täglichen Verlust an Menschenleben im Ersten Weltkrieg entspricht. Beide Seiten reklamieren den Sieg für sich: Die Briten, weil sie den deutschen Vorstoß abgeschmettert haben, die Deutschen, weil sie deutlich geringere Verluste hatten. Weder an den Kräfteverhältnissen, der zahlenmäßigen Überlegenheit der britischen Flotte, noch an der strategischen Lage ändert sich irgendetwas.
Warum gedenkt man so einer Sache hundert Jahre später?
Trauer? Schmerzbewältigung?
Klingt schräg, aber zum Hundertsten des Titanic-Unterganges haben sich 2012 tatsächlich Nachfahren der Opfer und Überlebender gemeldet und Posttraumatische Belastungsstörungen geltend gemacht: Sie litten, so sagten sie, immer noch unter dem
Schrecken, weil, wasweißich, ihre Urgroßtante bei dem Untergang dabeigewesen sei, und wenn man sich vorstellte, was die durchgemacht habe, dann ... Ich weiß nicht, ob jemand ernsthaft versucht hat, die Titanic-Reederei Cunard auf PTBS in der F2-Generation zu verklagen, aber eine Skagerrak-Gedenkveranstaltung könnte Anlass sein, kollektiv derartige Forderungen zu stellen. Mein Opa war übrigens 1917 als Freiwilliger bei Verdun dabei und, weil's so schön war, nochmal (nicht ganz freiwillig) 1945 in der Tegeler Heide. Wenn ich mir das vorstelle, wird mir auch ganz anders. Falls es da also noch Geldtöpfe für das Leiden der Enkel gibt ...?
Spaß beiseite: Eine Skagerrak-Gedenkveranstaltung kann nicht ernsthaft eine Veranstaltung sein, in der man Trauer teilt - oder wenn, dann nur in einem sehr, sehr abstrakten Sinne, und für diese Art von Trauer empfehle ich tatsächlich andere Locations, z.B. den Teppich von Kriegsgräberfriedhöfen in Flandern.
Lernen aus der Vergangenheit
Kriege sind scheiße. Immer. Ausnahmslos. Um sich das zu vergegenwärtigen, braucht man auch kein Skagerrak-Gedenken. Oder hat die Skagerrak-Schlacht was Spezielles? Ja, natürlich! Die riesigen Schlachtschiffe, diese High-Tech-Monstren ihrer Zeit. Ganz und gar faszinierend! Und wenn die vielen dicken, stählernen Kanonenrohre zum Abschuss erigieren, dann werden trockene Historiker auch schon mal ein bisschen hibbelig.
(verändert via wiki commons)
Der ultimative, multiple Pimmel-Ersatz.
Klar, dass Pubertierende und Archivare da ein bisschen durchdrehen.
Zurück zum Thema: Nein, man kann 2016 aus der Schlachtschiff-Zeit nix mehr lernen, denn die war schon in den 1930ern, spätestens 1941 endgültig passé. Das Schlachtschiff war von Flugzeugen, Flugzeugträgern und U-Booten deklassiert, Restbestände wurden im Zweiten Weltkrieg nur noch "aufgebraucht", d.h. verheizt.
Wenn es also nicht um Trauer geht und nicht um Lernen, was bleibt?
Die Verherrlichung
Es sind ja nicht nur die Riesen-Kanonen-Pimmel, die manche Männer anmachen. So eine Seeschlacht ist auch ethisch eine Augenweide. Da treffen sich ja nur Vollidioten, die auf drei Stellen nach dem Komma genau wissen, was sie tun. Man baut Schiffe auf allerhöchstem technischen Niveau, stopft sie mit erlesenstem Tötungsinstrumentarium und tausenden Hirnamputierten voll, lässt sie aufeinanderzufahren und beobachtet mit genußvollem Grausen, was passiert. Kollateralschäden gibt es nicht, weil das Ganze in unbewohntem Gebiet stattfindet, so what?
Und anschließend können Ingenieure und Historiker jahrhundertelang darüber diskutieren. Was für eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme!
(verändert via wiki commons)
Wie hieß nochmal diese Schlacht, in der ein General seine Reiterabteilungen hirnlos auf gegenerische MG-Stellungen zureiten ließ, und, auf das Blutbad, das er damit unter seinen Soldaten initiierte, angesprochen, antwortete: "Ja, schon, aber was für ein herrliches Schlachtenbild!"?
Und schließlich und endlich ist so eine Seeschlacht ja auch immer gut für Mannesmut und Manneszucht, kurz für alle Eigenschaften, die Militaristen und moderne Nazis of any color and any kind sich allzugerne selbst zuschreiben. Ich gebe ausnahmsweise nicht die Quelle des folgenden Bildes an, denn mir kam, als ich die website drumherum las, die kalte Kotze hoch.
Prof. (!) Bohrdt: Der letzte Mann
Wie bescheuert muss man sein?
(Bundesarchiv via wiki commons)
Die nützlichen Ober-Idioten.
Ich wünsche ausdrücklich nicht, dass diese Arschlöcher im Jahre 2016 im Rahmen einer "Skagerrak-Gedenk-Veranstaltung" mithilfe bundesdeutscher Steuergelder gefeiert werden! Warum wird der Enkel des britischen Oberbefehlshabers Jellicoe dazu eingeflogen? Kann der wirklich Erhellendes zu Opis Gedanken in jenen zehn Stunden vor hundert Jahren beitragen? Dann bin ich ab sofort Experte für die Schlacht von Verdun ...
Mannmannmann, da läuft etwas grauenhaft schief.